Kerstin Kaiser
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Frau Lehmann, vielen Dank für die Information, dass die Ministerin als Ministerin in der Struktur verankert ist. Das hat mich doch sehr beruhigt. Aber können Sie mir darin zustimmen, dass der grundlegende Dissens zwischen uns offenbar darin besteht, dass die Ministerin mit wesentlichen Erfolgen innerhalb der Struktur der Landesregierung, also der Verwaltung, Gleichstellungspolitik macht, die Forderung der Linken und des Frauenpolitischen Rates aber eher ist, dass eine Landesgleichstellungsbeauftragte nicht für die Verwaltung der Landesregierung verantwortlich ist, sondern gesellschaftspolitisch Gleichstellungspolitik offensiv durchführen sollte? Das also ist unser grundlegender Dissens, und wir werden daher auch immer wieder die Kritik äußern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, warum nur keine Regierungserklärung? Gehe ich recht in der Annahme, dass eine Regierungserklärung zur Bilanz der CDU-SPD-Koalition heute genauso angebracht wäre, wie sie es 2004 war, als Sie dem Land Erneuerung aus eigener Kraft versprachen? Immerhin riskiert die SPD-Fraktion so den Vorwurf, Wahlkampf zum Thema zu machen; denn wie fünf Jahre Bilanz in das Thema einer Aktuellen Stunde passen sollen, bleibt Ihr Geheimnis. Herr Baaske selbst hatte dabei erhebliche Schwierigkeiten.
Herr Baaske, Sie schreiben, dass Brandenburg heute besser dastehe. Die Grünen behaupten, es waren fünf verlorene Jahre. Die Linke sagt: Weder - noch! - Ich stimme Ihnen zu: Was vorangekommen ist, verdanken wir der Arbeit der Brandenburgerinnen und Brandenburger, den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Beschäftigten, den Kita-Erzieherinnen und Lehrern, den Polizistinnen und Polizisten, den Kommunalpolitikern, den ehrenamtlich Arbeitenden. Ihnen verdanken wir, dass das Land vorangekommen ist.
Aber ist das ein Verdienst der Landesregierung, Ihrer Politik?
- Diese Landesregierung, Herr Schulze, ist verantwortlich für den politischen Kurs, der das Land nicht nachhaltig gestärkt in die jetzige Krise geraten ließ. Sie hat an keiner Stelle den neoliberalen Kurs der Privatisierung und des Sozialabbaus abgelehnt oder ihm gar alternative Politik entgegengesetzt, im Gegenteil.
Bleiben wir kurz bei Ihren fünf Bilanzpunkten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Der erste Punkt, den Sie in Ihrem Antrag für die heutige Aktuelle Stunde vermerken, war: Die Arbeitslosigkeit ist um ein Drittel gesunken. - Ja, zum Glück. Aber was für Arbeit ist das, um welchen Preis? Hartz IV, der Armut per Gesetz, folgte nun Armut trotz Arbeit. Die Niedriglohnpolitik zwingt 100 000 Brandenburgerinnen und Brandenburger zum Aufstocken ihres Lohns bei den Jobcentern. Die Brandenburger arbeiten überdurchschnittlich lang für unterdurchschnittliche Einkommen. Ja, wir haben zu viele Langzeitarbeitslose, aber wir machen auch zu wenig dagegen, Herr Baaske. Unter Regine Hildebrandt - weil Sie sie erwähnten hatten wir 17 000 ABM/SAM-geförderte Plätze. Jetzt haben wir noch 2 600 Kommunal-Kombi-Stellen, und die ABM kann man an einer Hand abzählen. Hier einen Kurswechsel einzuleiten, das wäre die Aufgabe gewesen.
Was Sie unter Punkt zwei als bundesweit größten Sprung nach vorn bei PISA ausmachen, entpuppt sich höchstens als ein Hüpfer. 11 % Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Schulabschluss, massive Stellenstreichungen, zu große Klassen, zu große Kita-Gruppen, geschlossene Schulstandorte und zu lange Schulwege im Land kann man nicht ernsthaft als eine positive Bilanz der Bildungspolitik verkaufen.
Die Schulsozialfonds, die die Kinder in Armut - wie wir wissen, sind das in einigen Regionen 30 % - dringend brauchen, sind wichtig. Aber fragen Sie in den Schulen einmal nach, wie das läuft! Da gibt es erhebliche Schwierigkeiten und Kritik.
Der dritte Punkt, den Sie genannt haben, war die Wirtschaftsförderung nach Wachstumskernen und Branchen. Wir werden deren tatsächliche Ergebnisse erst nach der Wahl auf den Tisch bekommen; denn dann wird erst die Evaluation stattfinden. Fakt ist, dass Ihnen die Konjunktur zu Hilfe kam. Der Abbau sozialversicherungspflichtiger Vollzeitstellen im Land seit dem Jahr 2000 ist dennoch nicht gestoppt. Für Regionen außerhalb der Wachstumskerne fehlen Ihnen Strategien.
Ihr vierter Punkt lautet: Erstmals keine neuen Schulden im Zeitraum 2007/2008. - Abgesehen von den über 18 Milliarden Euro Schulden aus 19 Jahren unter sozialdemokratischen Finanzministern und -ministerinnen kam dieser angebliche Erfolg auch durch den radikalen Rotstift und sogenannte unerwartete Steuermehreinnahmen zustande. Es ist also sehr zweifelhaft, inwieweit das Ihr Erfolg ist.
In einem fünften Punkt behaupten Sie, Brandenburg gehöre zu den familienfreundlichsten Bundesländern. Das hätten Sie, Herr Ministerpräsident, letzten Freitag im Lustgarten in Potsdam den Tausenden Eltern und Erzieherinnen einfach nur sagen müssen. Vielleicht haben die das noch nicht gemerkt; denn sonst hätten sie nicht mit Pfiffen auf Ihren Auftritt reagiert.
An dieser Bilanz ist also eine Menge zu kritisieren. Für viele gute Worte fehlt mir hier heute die Redezeit. Wir haben leider keine Debatte zur Regierungserklärung.
Herr Baaske, ein Navigationssystem braucht man nur, wenn man nicht weiß, wo es langgeht, und den Eindruck haben Sie heute hier vermittelt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament, wir brauchten eigentlich nur die Fenster zu öffnen und hinzuschauen, wie Ihre Regierungsbilanz aussieht und welche aktuellen Themen buchstäblich auf der Straße liegen. Vor dem Landtag treffen sich heute und morgen Demonstranten von der Gewerkschaft ver.di zum Thema Mindestlohn.
Die Gewerkschaft der Polizei spricht der Landesregierung das Misstrauen aus. Die Volksinitiative „Musische Bildung für alle“ ich hätte sie gerne genannt „Ein Musikinstrument für jedes Kind“ - wird hier ein neues Musikschulgesetz fordern. Die Bürgerinitiative gegen die geplante Verpressung von Kohlendioxid und die Volksinitiative gegen überdimensionierte wohnortnahe Windkraftanlagen werden sich äußern. Das alles sind aktuelle Themen, und das ist Kritik am Regierungshandeln. Auch die, die vorher hier waren, wie die Forstarbeiter, die Studierenden, die Schülerinnen und Schüler, waren wahrlich nicht zum Bejubeln der Regierungsbilanz hier.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte verwechseln Sie nicht Kritik an Ihrem politischen Kurs mit dem Schlechtreden des Landes. Das wollen wir selbstverständlich nicht und tun es auch nicht.
Selbstverständlich ist Brandenburg schöner geworden. Vieles haben Bürgerinnen und Bürger durch ihr politisches Engagemet erreicht, was wir sehr schätzen. Ich erinnere nur an die erfolgreichen Volksinitiativen für ein Sozialticket und für kostenfreie Schülerbeförderung.
Zur Bekämpfung der Kinderarmut im Land hat sich die Landesarmutskonferenz gebildet. Auch das ist eine Bilanz der letzten fünf Jahre. Auf Ihren Einwurf kann ich nur antworten: Die Kinder von Hartz-IV-Familien haben jetzt pro Tag 2,70 Euro als Regelsatz für Frühstück, Mittagessen, Vesper, Abendbrot und Getränke. Sagen Sie mir einmal, wie man davon ein Kind gesund ernähren soll!
- Das ist einfach herausgerechnet. Schauen Sie sich die Regelsatzberechnung an.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre Bilanz von heute steht für jeden, der lesen kann, im krassen Widerspruch zu den Änderungen... Wir lügen nicht Herr Ministerpräsident, und das wissen Sie auch.
Sie können das ja noch einmal durchrechnen.
Ihre Bilanz steht also im krassen Gegensatz zu dem, was Sie selbst in Ihrem Wahlprogramm darüber geschrieben haben, wo in diesem Land ernsthafter Handlungsbedarf besteht. Jeder, der lesen kann, kann es nachlesen. Sie haben die Herausforderungen für die Zukunft aufgeschrieben, um der Krise begegnen zu können. Sie sind nicht zufrieden mit Ihrer Bilanz, wenn Sie schreiben, eine kluge Bildungs-, eine vorsorgende Familienund eine aktive Wirtschaftspolitik müssten künftig wie ein Rad in das andere greifen. Also frage ich, wenn ich Ihr Wahlprogramm lese: Hatten wir bisher keine kluge Bildungs-, keine vorsorgende Familien- und keine aktive Wirtschaftspolitik? Oder haben Sie sich nur gegenseitig blockiert? Oder sind Sie möglicherweise erst jetzt, in der Krise, aufgewacht?
Die CDU und die SPD sind, jeder für sich genommen, derzeit die größten Kritiker der Politik dieser Koalition. Die CDU berauscht sich regelrecht an ihren eigenen Forderungen. Der Finanzminister hat ausgerechnet, dass 942 Millionen Euro dafür notwendig wären. Es wäre zu begrüßen, wenn man nach zehn Jahren Regierungsbeteiligung von einer neuen Ehrlichkeit und von neuen Einsichten ausgehen könnte. Das wäre auch im Interesse der Brandenburgerinnen und Brandenburger. Vielleicht machen Sie selbst mit Ihrem Wahlprogramm unfreiwillig deutlich, wie groß der Handlungsbedarf in unserem Land wirklich ist. Mit Ihrem Wahlprogramm hätten wir auch genügend aktuelle Themen für eine wirklich Aktuelle Stunde gehabt.
Was gilt denn nun: Ihre strahlende Bilanz von heute oder Ihr dramatisch gezeichneter Handlungsbedarf für die Zukunft?
Egal, ob Mindestlohn oder Vergabegesetz, ob mehr Personal für Kitas oder Schulen - auch in diese Richtung gehende Forderungen der Fraktion DIE LINKE haben Sie bisher regelmäßig als populistisch denunziert oder für unnötig erklärt und, wo es nur ging, ohne Fachdebatte im Ausschuss hier im Parlament abgelehnt. Wie wollen Sie jetzt das fordern und als kluge, weitsichtige Politik verkaufen, was Sie bisher in diesem Parlament regelmäßig abgelehnt haben? Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Linke in Zeiten der Krise auch weiterhin konsequent darum kämpfen wird, dass die beiden Kinder der alleinerziehenden Friseurin in meiner Straße künftig die gleichen Bildungschancen bekommen wie meine Kinder und dass deren Mutter trotz Vollzeitarbeit ihren Lohn nicht mehr aufstocken und möglichst keine Altersarmut fürchten muss. Wir bleiben auch dabei: Ärzte und
gut ausgestattete Schulen gehören auch in berlinferne Regionen. Sie müssen erreichbar sein, und das alltägliche Leben dort muss finanzierbar sein. Erst recht müssen wir in Zeiten dieser Wirtschaftskrise etwas gegen die Verunsicherung tun.
Das verstehen wir unter einem Schutzschirm für Menschen, und den werden wir jetzt nicht zusammenklappen. Wir werden auch nicht akzeptieren, dass Politik künftig diejenigen schont, die die Krise zu verantworten haben. Wir werden also nicht akzeptieren, dass wieder nur die Menschen für die Krise bezahlen müssen, die schon bisher von Fortschritt und Aufschwung ausgeschlossen blieben. Das betrifft ebenfalls den Streit um die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Die entsprechende Große Anfrage steht heute noch auf der Tagesordnung. Ich meine, dass die Bilanz wirklich nicht nur positiv ist, und das wenigstens muss man an dieser Stelle zugeben. Wir werden morgen in der Aktuellen Stunde „Bildung“ diese Probleme noch einmal ausführlicher mit Ihnen diskutieren können.
Verehrte Damen und Herren, die Erneuerung aus eigener Kraft im Land ist stecken geblieben, oder Sie haben sie tatsächlich den Brandenburgerinnen und Brandenburgern überlassen. Es reicht offensichtlich in einer sozialen Demokratie nicht, immer nur Stärken zu stärken oder den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Das finnische Modell hat den Weg in unsere Schulen ebenso wenig geschafft, wie das Vorbild Niederösterreich nicht positive Impulse für die Entwicklung unserer Region geben konnte. Auch das erfolgreiche Studium des Mindestlohnes in London hat ihn noch nicht nach Brandenburg gebracht.
Ihr Leitbild für die Landesentwicklung verschwand im Gegensatz zu unserem in den Schubladen, nachdem die Befürchtung nie zerstreut werden konnte, Sie würden die berlinfernen Regionen einfach darauf vertrösten, dass sie sich nun selbst neu erfinden müssten und im Übrigen alle von der Metropolregion Berlin profitieren würden. Selbst wenn das so funktionieren könnte - mit der ersatzlosen Abschaffung der Grundzentren haben Sie der Idee einer ausgewogenen Regionalentwicklung nun wirklich nicht gedient, nach der man weiter weg von den großen Städten das Leben - dazu gehören für uns Bildung, Mobilität, Wohnung, Energieversorgung und soziale Dienste - künftig auch noch organisieren und bezahlen kann.
Was immer heute hier als Bilanz auf den Tisch kam - gegen die alltäglichen Erfahrungen der Brandenburger, gegen deren eigene Bilanz hilft es kein bisschen. Sie haben die Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gebracht und die Gerichte gegen sich aufgebracht. Ich erinnere auch an die Bodenreformaffäre. Sie haben Fehler gemacht, Chancen vertan und sich gegenseitig blockiert.
Meine Damen und Herren, nach zehn Jahren Ihrer Koalition steht das Land nun wieder vor der Wahl; und es ist doch ein bisschen anders als bisher. Mit der üblichen Routine, mit einem „Weiter so!“, business as usual, darf es in dieser Krisensituation nicht weitergehen. Die ganze Bankenrettung hätte doch keinen Sinn, wenn nicht endlich die Herstellung und Erhaltung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit ins Zentrum der Politik rückte, also gute Arbeit, von der man leben kann, gute Bildung für alle Kinder von Anfang an und Armutsbekämpfung. Deshalb wird der Ausgang dieses Herbstes auch darüber entscheiden, in welche Richtung und auf wessen Kosten die Krise bewältigt wird. Die Linke bleibt dabei: Für uns geht das nur konsequent sozial.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Baaske, vielen Dank für die überreichten Studien. Damit die Fakten
klarheit wiederhergestellt wird, möchte ich Ihnen gern in einem Punkt widersprechen. Die offizielle Statistik der Bundesagentur für Arbeit verzeichnet 14 401 beschäftigungsschaffende Maßnahmen. Davon sind 13 899 1-Euro-Jobs. Ich sage Ihnen: Die Zukunft Brandenburgs und die der Arbeitsmarktpolitik darf nicht in diesen 1-Euro-Jobs liegen.
Lassen Sie uns da gemeinsam weiterdenken und andere Konzepte prüfen. Allerdings unterstütze ich Sie ausdrücklich und möchte an dieser Stelle für unsere Fraktion betonen: Ja, der demokratische Konsens von SPD, CDU und der Fraktion DIE LINKE in diesem Landtag gegen die Rechtsextremen ist stark und bleibt es hoffentlich. Ich möchte Ihnen von unserer Fraktion aus sagen: Wir stehen dazu, auch im Wahlkampf.
Allerdings, Frau Kollegin Funck, widerspreche ich Ihrem Vorwurf. Vielleicht denken Sie noch einmal darüber nach. Wenn Sie hier sagen, die Fraktion DIE LINKE sei keine demokratische Kraft,
so können Sie das zwar sagen, aber die Wählerinnen und Wähler sehen das anders. Zumindest würden derzeit mehr Wählerinnen und Wähler unserer als Ihrer Partei die Zustimmung geben.
Ich hoffe, dass Sie selbst irgendwann erkennen, dass das ein Vorwurf ist, der nicht trifft, denn verfassunggebende Versammlung waren wir gemeinsam mit Ihnen. Wir haben uns mit der Verfassung dieses Landes gemeinsam beschäftigt. Wir haben unsere Vorschläge und Vorstellungen immer sachlich, konstruktiv und ausfinanziert auf den Tisch dieses Parlaments gelegt, und wir haben um die besseren Konzepte auf der Grundlage dieser Verfassung gestritten. Deshalb, Herr Ministerpräsident, bitte ich Sie sehr herzlich, den Unterschied zu akzeptieren. Die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE leben gern in diesem Land. Sie engagieren sich in diesem Land und arbeiten dafür, dass dieses Land schöner und besser wird,
nicht selten vor Ort mit Ihnen gemeinsam. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob Sie sagen, wir würden das Land hier schlechtreden - das habe ich an keiner Stelle getan -, oder ob Sie sagen, es gibt unsererseits Kritik an der Weichenstellung Ihrer Politik.
Ich habe Ihre Politik und deren verhängnisvolle Weichenstellung kritisiert und nicht das Land schlechtgeredet, denn uns geht es auch um den Verfassungsalltag. Weil wir den ernst nehmen, haben wir - leider ohne Sie - das Jubiläum 15 Jahre Verfassung dieses Landes begangen und öffentlich diskutiert.
Es kann auch nicht sein, dass das von uns allen hochgeschätzte Demonstrationsrechtsrecht zum Recht an sich, zum Selbst
zweck wird. Wo ist denn Politik angekommen, wenn wir - ich will mir nur die Frage der Kitas vornehmen - nach 15 Jahren, nach 10 Jahren, nach 5 Jahren immer wiederkehrender Demonstrationen das Problem, das diese Leute auf die Straße bringt, nicht lösen?
Das ist eine Bankrotterklärung. Ich kann nicht sagen: Das ist mir egal; die Leute können noch zehn Jahre demonstrieren. Wir haben 2001 in einer Volksinitiative 125 000 Unterschriften zum selben Thema gesammelt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe recherchiert: 1999 haben Sie mit Bildung als Priorität und verbesserten, moderneren und qualitativ guten Kitas Wahlkampf gemacht. Sie haben versprochen, dass sich die Situation verbessern wird. Sie haben 2004 dasselbe versprochen. Sie sagen jetzt zum dritten Mal: Nach den Wahlen wird das Problem gelöst.
Das ist zynisch den Erzieherinnen gegenüber, Herr Platzeck das hat ihnen wehgetan; das hat auch mir wehgetan -, die dort gepfiffen haben. Wenn man sich anschaut, worauf die Qualität der Kitas beruht, dann stellt man fest, dass sie eindeutig zulasten der Erzieherinnen in den Kitas geht, und zwar seit über zehn Jahren.
Vorkindliche Bildung und Erziehung ist nicht irgendeine Priorität. Hier geht es nicht um die Erfüllung aller Wünsche, sondern um eine entscheidende Priorität, in der es endlich Veränderungen geben muss. Die ist nicht abgehakt.
Erzieherinnen sagen ganz klar: Die ihnen gesetzlich zugeschriebenen Aufgaben, die sie gern erfüllen wollen, führen dazu, dass sie bei 20- oder 30-Stunden-Verträgen pro Woche mindestens 10 Stunden pro Woche unbezahlt arbeiten müssen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Sie können nicht mehr. Sie sagen: Bis hierher und nicht weiter! - Es ist oberste Priorität - das sage ich für die Fraktion DIE LINKE -, die wird nicht abgehakt, die haben Sie auch in Ihrem Wahlprogramm nicht abgehakt, Herr Baaske. Diese Veränderung muss jetzt sein, und sie ist bezahlbar. Es geht um nichts weiter als den ersten Schritt, und das wäre der Berliner Personalschlüssel und die Berliner Personalverordnung. Da werden wir dranbleiben, und ich hoffe, Sie machen dann endlich mit.
Frau Präsidentin! Ich möchte Sie im Namen der Fraktion DIE LINKE bitten, überprüfen zu lassen, ob der Redebeitrag zum Thema der Großen Anfrage und die Kurzintervention der Abgeordneten Fechner ihrem Inhalt nach mit der Verfassung des Landes Brandenburg und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vereinbar sind.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur 20 % der Brandenburger Wählerinnen und Wähler interessieren sich tatsächlich ernsthaft - wie es heißt: „stark“ - für europäische Politik. Diese Nachricht des gestrigen Tages verdeutlicht noch einmal die Aktualität dieses Themas. Ich wäre sehr erfreut, wenn die erste Reihe der stärksten Partei in Brandenburg, der Sozialdemokraten, auch so stark an dem Thema interessiert wäre.
Zumindest in Ihrem Regierungsprogramm, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, steht:
„Die Stärken unseres Landes liegen auch in seiner geografischen Lage in der Mitte Europas. An dieser Schnittstelle zwischen Ost und West wollen wir, die Sozialdemokraten, mehr machen - für unser Land, seine Bürger und unsere Nachbarn. Denn profitieren können wir alle von enger Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg.“
Auf die Taten kommt es an. Wenn ich das lese, denke ich jedoch: Die SPD will europapolitisch so weitermachen wie bisher - ohne eine abgestimmte langfristige Strategie, ohne sozialpolitische Akzente in der Europapolitik. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Ein „Weiter so!“ für dieses Land würde es nicht zukunftsfähig machen. Für ein „Weiter so!“ steht die Linke in diesem Land nicht zur Verfügung.
Wenn wie jetzt, vor Wahlen, eine so geringe Wahlbeteiligung prognostiziert wird, dann sprechen politisch Verantwortliche gern von Problemen mit der Vermittlung ihrer politischen Ansätze. Aus meiner Sicht handelt es sich hier tatsächlich um ein ganz bestimmtes Vermittlungsproblem. Bürgerinnen und Bürger erleben auch hierzulande, dass europäische Politik regelmäßig ganz anders aussieht, als sie erhoffen, auf jeden Fall anders, als regierende Politiker und Politikerinnen es ihnen vor Wahltagen versprechen. Gut klingenden Ansprüchen an Europapolitik stehen also oft andere, teilweise sogar diametral entgegengesetzte politische Lösungen auf europäischer Ebene entgegen, auf nationaler und regionaler Ebene genauso. So täuschen Sie sich gern darüber hinweg: In Brüssel passiert de facto kaum etwas ohne den Willen und ohne das Zutun der Bundesregierung.
Ein aktuelles Beispiel aus Brandenburg: Die Mehrheit im Europaausschuss brauchte ganze sieben Wochen, um sich in einer Sitzung mit den existenziellen Problemen der Euroregion Spree-Neiße-Bober zu beschäftigen. Erinnern Sie sich? Landrat Friese hatte am 27. April vor der Zwangsauflösung seiner Euroregion gewarnt. Solange, wie hier Euroregionen fast in die Zahlungsunfähigkeit getrieben werden, ohne dass Ihre/unsere Landesregierung und Ihr/unser Landtag zügig wirksame Schritte einleiten, braucht man sich über die Ursachen für fehlendes Vertrauen in die EU und auch über mangelhafte Kenntnisse über Entscheidungsabläufe in der EU-Förderpolitik und deren Wirkungen nicht zu wundern. Hier muss ganz klar die Politik der Regierenden verändert werden.
Oder geben Sie einfach zu: Sie wollen die Euroregion nicht mehr! - Ich hoffe ja, die gänzliche Abwesenheit von Ministern und Staatssekretären aus Brandenburg bei der Feier zum 15-jährigen Bestehen der ebenfalls betroffenen Euroregion „Pro Europa Viadrina“ am Freitag in Gorzów kann nicht schon so gedeutet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihnen fällt jetzt hoffentlich Besseres ein als nur der Vorwurf, die Linke würde die europäische Integration ablehnen und die Brandenburger Europapolitik nur schlechtreden. Das wissen Sie tatsächlich besser. Außer der Linken gibt es in Brandenburg viele, die gerade deshalb scharfe Kritik an der gegenwärtigen europäischen, deutschen und
Brandenburger Politik üben, weil sie europäisch mitgestalten wollen.
Nehmen wir zum Beispiel die Dienstleistungsrichtlinie, mit deren Umsetzung wir uns auch hier im Landtag beschäftigen. Jetzt, im Europawahlkampf, hören wir auf einmal, die SPD strebe „eine soziale Ordnung für Europa mit fairen Regeln für die Märkte und fortschrittlichen sozialen Rechten für die Menschen“ an. Auch das ist ein Zitat aus Ihren Positionen. Es muss erlaubt sein zu fragen: Hatten Sie von der SPD dieses Ziel auch schon, als neben den deutschen CDU-Abgeordneten auch die Leute aus Ihrer Fraktion für die Dienstleistungsrichtlinie die Hand hoben? Bleiben Sie also nicht auf halbem Wege stehen! Erklären Sie den Brandenburgerinnen und Brandenburgern also nicht nur, warum Sie nach wie vor, bis heute, Hartz IV gut finden und dessen verheerendste Wirkungen zulasten der Allgemeinheit, zum Beispiel durch die Kombilöhne, kaschieren wollen! Erläutern Sie ihnen auch gleich noch, was es für Brandenburger bedeutet, wenn ausländische Dienstleister künftig in Bezug auf Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz nur an die Gesetze ihres jeweiligen Heimatlandes gebunden sind. Sozialdumping ist keine linke Erfindung, meine Damen und Herren, sondern auch eine Position aus Ihren Reihen, und die ist nachzulesen.
Zu der von einem sozialen Europa weit entfernten europäischen Wirklichkeit gehört, dass der Europäische Gerichtshof regelmäßig Grundfreiheiten über Grundrechte stellt. Nach dem Luxemburg-Urteil des EuGH vom 19. Juni 2008 können ausländische Firmen durch die Mitgliedsstaaten lediglich zur Zahlung von Mindestlöhnen verpflichtet werden. Dieses Urteil allerdings kehrt den Sinn von Mindestlöhnen um, ja, es pervertiert den Sinn von Mindestlöhnen, und das ganz rechtmäßig.
- Wir beschäftigen uns in der Aktuellen Stunde mit aktuellen Fragen, Herr Kollege. Diese Frage gehört dazu. Es ging um den Europäischen Gerichtshof. Hätten Sie mir zugehört, hätten Sie mich verstanden.
Deshalb denke ich, dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofes pervertiert den Sinn von Mindestlöhnen, und das ganz rechtmäßig. Es beruht also auf der Rechtsordnung der EU.
Nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament haben - damit sind wir bei Ihrer Verantwortung - dagegen nicht aufbegehrt.
Als am 22. Oktober in Straßburg vorgeschlagen wurde, in die Europäischen Verträge erneut den Vorrang sozialer Grundrechte vor der wirtschaftlichen Freiheit des Binnenmarktes hineinzuschreiben, votierten CDU- und SPD-Abgeordnete dagegen. Ich gebe zu, da konnte Herr Glante aus Ihrer Fraktion auch noch nicht wissen, dass diese Forderung, nämlich die soziale Grundrechtscharta hineinzuschreiben, eine der zentralen Forderungen in Ihrem Europawahlkampf werden würde - gemeinsam mit dem DGB, was ich begrüße.
So viel zum Thema Populismus, und ich meine hier zur Abwechslung mal den sozialdemokratischen Populismus. Herr Ministerpräsident, ich will Sie einfach nur entlasten, denn an dieser Stelle müssen Sie sich wirklich weniger mit der Linken beschäftigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es um die Arbeit der an der europäischen Gesetzgebung beteiligten EU-Organe seit 2004 geht, dann steht fest: Vor allem war es das Europäische Parlament, das sich für die Interessen und Rechte der Bürgerinnen und Bürger interessiert und stark gemacht hat. Die Kommission und der Rat der Europäischen Union zerrten immer wieder in die entgegengesetzte Richtung. Weil es klare Positionierungen des Parlaments gab, kamen auch wichtige positive Entscheidungen zustande, zum Beispiel die Aufforderung an die Mitgliedsstaaten, wirksame Schritte zur Bekämpfung der Kinderarmut auch und gerade mittels eines Mindestlohnes einzuleiten. Da haben wir die Aufgabe selbst wieder auf dem Tisch.
Es gab die Entscheidung zur Gleichstellung von Leiharbeitern und regulär Beschäftigten - auch nach wie vor ein Defizit in Deutschland. Positiv zu nennen ist auch die Ablehnung der Pläne der Kommission zur Erweiterung der wöchentlichen Arbeitszeit, übrigens gegen das Votum des Bundesarbeitsministers Scholz.
Es gab strengere Sicherheitsauflagen für Kinderspielzeug, einen höheren Verbraucherschutz durch die Annahme der Chemikalienrichtlinie, strengere Sicherheitsauflagen im Eisenbahn- sowie im Flugverkehr, und es gab die für uns auch wichtige Forderung, den Anteil erneuerbarer Energien in der EU bis 2020 auf 20 % zu erhöhen.
Trotz dieser positiven Entscheidungen bleibt leider festzuhalten: Die Europäische Union selbst und alle an der EU-Gesetzgebung beteiligten Organe haben die heutige Wirtschafts- und Finanzkrise mit ihren spürbaren negativen Auswirkungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitzuverantworten. Ja, jetzt hat die EU durchaus Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise eingeleitet.
Jetzt, meine Damen und Herren, ist das sprichwörtliche Kind schon in den Brunnen gefallen. Deshalb sei auch die unerfreuliche Bilanz genannt. Zu der grundlegend neoliberalen Ausrichtung der EU gehören das blinde Vertrauen in Vorzüge des Wettbewerbs, die deutliche Vernachlässigung des Sozialen innerhalb der sozialen Marktwirtschaft, die fast grenzenlose Ausweitung der Dienstleistungsfreiheit, ein strikt verfolgter Kurs der Entstaatlichung, Privatisierung und Deregulierung und eben auch die Beseitigung von Schutzrechten, teilweise unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus. Der Versuch, über eine Neuregelung einer europäischen Privatgesellschaft betriebliche Mitbestimmungsrechte auszuhebeln, gehört ebenfalls zu der von uns kritisierten Bilanz wie die halbherzigen oder mit großer Verzögerung eingeleiteten Maßnahmen zur Bekämpfung der nahenden Klimakatastrophe.
Dies alles, meine Damen und Herren, haben die bisherigen politischen Mehrheiten in der EU und auch im Europäischen Parlament mit auf den Weg gebracht bzw. auf den Weg zu brin
gen versucht. Seit Maastricht 1992 trug die vorherrschende Politik maßgeblich dazu bei, die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise zu befördern und die Demokratie den Finanzmärkten auszuliefern. Die in der EU Regierenden haben ja nicht nur bewusst darauf verzichtet, die politischen Instrumente zu schaffen, um auf globale Krisen der Wirtschaft, der Energieund der Lebensmittelversorgung sowie auf Klimaveränderungen angemessen zu reagieren. Nein, die Linke ausgenommen, waren und blieben alle demokratischen Parteien in diesem Land auf der neoliberalen Linie der Markthörigkeit und Deregulierung, bis das finanzpolitische und wirtschaftliche Gefüge ins Wanken geriet. Alle Ihre Abgeordneten in Straßburg - ich sage das mit Bedauern -, ob SPD oder CDU, ließen es bei Appellen an die Wirtschaft und überließen der Kommission die Prüfung und Entscheidung, den Steueroasen und Finanzprodukten, den privaten Beteiligungsgesellschaften und Ratingagenturen politische Schranken zu setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber der Finanzmarkt reguliert sich nicht von allein, nicht freiwillig - wie überraschend!
Sie selbst, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der SPD, haben also die Finanzhaie kräftig mitgefüttert. Inzwischen, als Konsequenz, rufen DGB und SPD dazu auf, doch eine soziale Fortschrittsklausel ins EU-Recht einzubauen. Das ist ein durchaus konsequentes Versprechen für den Wahlkampf. Ich hoffe, es werden auch konsequente Taten folgen.
Die Handlungen der Regierenden sind nicht ganz so konsequent. Trotz drohender Massenarbeitslosigkeit und schrumpfender Wirtschaft wurde am vergangenen Donnerstag die als Beschäftigungsgipfel geplante Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten zu einer Veranstaltung von drei Regierungschefs und vielen Beamten deklassiert. Was soll das nun den Wählerinnen und Wählern im Land über den Stellenwert des Sozialen in der Europäischen Union sagen und was über den angeblich erreichten Stand des Umdenkens bei denen, die jetzt das Heft des Handelns in der Hand haben, inklusive der deutschen Regierung? In Prag war keine Bewegung hin zu den berechtigten Forderungen der europäischen und deutschen Gewerkschaftsbewegung zu bemerken.
Für die Linke sage ich hier: Diese Forderungen liegen weiter unübersehbar auf dem Tisch - und wir müssen uns damit befassen -, die Forderungen nach einem erweiterten Konjunkturprogramm, nach einer strengeren Regulierung der Finanzmärkte und einer gerechten Verteilung des Reichtums, nach höheren Löhnen und sicheren Renten sowie nach dem Vorrang der sozialen Grundrechte in Europa.
Die Wählerinnen und Wähler sollen doch den Erklärungen der SPD glauben, dass die Verhinderung von Lohndumping und die Stärkung von Arbeitnehmer- und Mitbestimmungsrechten zu den Kernpunkten eines sozialen Europas gehören. Dafür ist Ihre deutsche Delegation bislang aber viel zu still geblieben. Nicht verstummt sind nach wie vor auch Forderungen nach Flexicurity, Lohnzurückhaltung und mehr Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die haben jedoch in dieser Hinsicht in den letzten Jahren genug Einschnitte hinnehmen müssen.
All dies geschieht in einer Situation, in der diese Krise auf die Beschäftigungssituation in der EU durchschlägt. 20 Millionen EU-Bürger sind arbeitslos; das sind 4 Millionen mehr als vor einem Jahr. Deshalb sagen wir als Linke erneut: Nach dem Schutzschirm für Banken, meine Damen und Herren, braucht es einen Schutzschirm für die Menschen. Wir brauchen einen Sozialpakt für Europa.
Die Wählerinnen und Wähler in Brandenburg werden genau hinsehen, und ich kann sie nur ermutigen: Prüfen Sie die Parteien und Kandidaten hinsichtlich dieser Forderungen. Nur wenn wir die Interessen der Brandenburgerinnen und Brandenburger in der europäischen Politik auch vertreten, werden diese Interesse an der Wahl haben. Es besteht die Chance, am 7. Juni nicht nur die Stimme abzugeben, sondern auch die Stimme zu erheben - für ein soziales Europa.
Frau Lehmann, diskutieren Sie manchmal in der Fraktion solche Einzelheiten? Die finanziellen Schwierigkeiten und alles, was mit Abrechnungen, aber auch mit Mittelknappheit zu tun hat, haben wir in Märkisch-Oderland mit dem entsprechenden Träger diskutiert. Der Geschäftsführer des DRK MärkischOderland heißt Langisch und ist Mitglied der SPD. Der Vorsitzende des DRK Märkisch-Oderland ist Mitglied Ihrer Fraktion, Herr Dr. Guijula. Er ist jetzt leider nicht da und kann den Beitrag wohl nicht leisten. Gerade dort wird eindeutig klar gemacht: Das Problem sind nicht die Abrechnungen - hier ist man sehr korrekt vorgegangen, das wäre ein pauschaler Vorwurf -, sondern das Problem ist die Mittelknappheit. Der Träger DRK kann die Leistungen nicht mehr erbringen. Diskutieren Sie manchmal über solche Dinge, ehe Sie uns vorwerfen, wir würden hier Forderungen aufmachen, die offenbar nicht der Realität entsprechen?
Mit Verzögerung verabschiedete gestern das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf für die Abscheidung, den Transport und die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid. Bereits im Vorfeld gab es massive Kritik an diesem Gesetzentwurf. Der Entwurf des sogenannten CCS-Gesetzes gewährleistet keine maximale Sicherheit künftiger CO2-Lagerstätten und weist die Verantwortung für die Klimagasspeicherung nicht eindeutig den Betreibern der Kohlekraftwerke zu. Es gilt als problematisch, dass die Haftung für die unterirdischen CO2-Speicher nach 30 Jahren von den Betreibern auf die öffentliche Hand, sprich die Bundesländer, übergehen soll. Zudem ist mit Blick auf die vorgesehene und dauerhafte Lagerung noch völlig unklar, ob geeignete Lagerstätten vorhanden sind und zu welchen gesellschaftlichen Kosten diese bisher ungenügend erforschte Technologie überhaupt einsetzbar ist. Ich gehe davon aus, dass auch die Landesregierung mit Blick auf die Folgen für unser Land nicht Gesetze und öffentliche Investitionen nach dem Prinzip Hoffnung befürwortet.
Deshalb frage ich die Landesregierung, wie sie vor diesem Hintergrund den Gesetzentwurf der Bundesregierung bewertet.
Gibt es denn einen Austausch mit den Kommunen, in dem die Fragen zu Punkten, bei denen Unsicherheiten bestehen, bei denen sich die Landkreise und die kommunale Aufsicht überfordert fühlen, beantwortet werden können? Ein Beispiel ist die Gefahr von sogenannter Doppelförderung. Hierbei wird Unterstützung gebraucht. Man kennt vor Ort nicht immer alle Förderprogramme. Hier wird - jedenfalls in Gesprächen mit uns - ganz klar um Unterstützung gebeten.
Außerdem hat das Innenministerium einen Runderlass für nach Ostern angekündigt, in dem auch Hilfestellungen bei der Umsetzung gegeben werden sollen.
Meine erste Frage lautet also: Ist noch eine weitere Beratung mit den Kommunen zu solchen Fragen beabsichtigt? Meine zweite Frage: Hat sich die Landesregierung eventuell darauf verständigt, dass in diesem Jahr die anstehende Genehmigung der Haushalte etwas schneller als sonst erfolgt, damit zügig gearbeitet werden kann?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Wanka, Respekt gegenüber den Fortschritten, die im Hochschulsystem erreicht wurden! Ich glaube, den hat auch meine Fraktion heute sehr sachlich zum Ausdruck gebracht.
- Doch, hat sie.
Aber ich stelle Ihnen an dieser Stelle die Frage, ob wir einander wirklich gut zuhören.
Denn wenn in Brandenburg alles so paletti ist, wenn wir an den Hochschulen wirklich über Bedarf ausbilden, dann frage ich Sie: Warum haben Sie dieses aktuelle Thema gestellt?
Ich sage weiter: Der Fachkräftemangel ist bundesweit nicht nur das bestangekündigte Phänomen, sondern es ist ein politisch hausgemachtes Problem. Das heißt, wir haben auch in Brandenburg zehn Jahre verschlafen; wir, die Regierenden.
Die GEW hat ermittelt, dass der gesamte Jahrgang 1994 bundesweit einen akademischen Abschluss machen müsste, um dem Bedarf zu entsprechen. Ich sage das nur, weil Sie von „über Bedarf“ gesprochen haben.
Wir haben gesellschaftlich das Phänomen Fachkräftemangel trotz hoher Arbeitslosigkeit. Wir haben in Brandenburg das Phänomen der Abwanderung gut qualifizierter, gut ausgebildeter Frauen. Damit sind wir auch im demografischen Teufelskreis. Aus dem sind wir nicht ausgebrochen.
Sie haben die besondere Hinwendung zu Frauen angesprochen. Ja, das ist ein Erfolg. Dennoch sagt ein Viertel der Frauen, dass sie mit den Ausbildungs- und Studienbedingungen in Brandenburg nicht zufrieden sind. Nur 10 % sind zufrieden. Die nicht Zufriedenen führen an: Die Finanzsituation der Studierenden ist ein Hindernis. Die Wohnraumsituation ist ein Problem, auch der öffentliche Personennahverkehr und die Kultur- und Freizeitangebote an den Studienorten.
Herr Jürgens hat das Problem benannt: soziale Rahmenbedingungen. Wenn zwei Drittel der Studierenden zusätzlich arbeiten müssen, um sich die Grundsicherung zu ermöglichen, dann kann das für ein Studium nicht gut sein.
Sie haben heute die Hausaufgaben hier nur in andere Richtungen verteilt. Ich hatte auch eher das Gefühl, dass der hochschulpolitische Sprecher der CDU heute im gewissen Sinne seinen Abgesang gemacht hat. Er stand neben der gesamten Situation, als habe er nicht über mehrere Jahre, rund ein Jahrzehnt, damit zu tun gehabt.
Betrachten wir die brandenburgischen Bedingungen. Sie haben das Ziel formuliert: 10 % des Bruttoinlandsprodukts bundesweit. Das ist Ihr Ziel; okay. OECD-weit haben wir 5,4 % Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt. In Ostdeutschland haben wir im Durchschnitt 5 %, und in Brandenburg - pardon! - liegen wir bei 4,4 %. Dann machen wir doch, bitte, gemeinsam erst einmal diese Hausaufgaben.
Denn mehr Lehrerinnen und Lehrer, mehr Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, bessere Rahmenbedingungen für Schüler und Studierende - und zwar von Anfang an, in Kita und Grundschule - müssen besser finanziert werden. Das sind die Hausaufgaben, die diese Landesregierung hätte machen müssen. Hier sind zehn Jahre verpasst worden. Ich sage Ihnen: Es hat keinen Sinn, auf den September zu warten und vor den Wahlkämpfen alle möglichen Probleme zu benennen. Sie reden davon, dass Sie sie lösen wollen. Sie hätten sie längst lösen können, und das kritisiert meine Fraktion.
Der Landtag hat die Landesregierung per Beschluss aufgefordert, eine sogenannte Wirkungs- und Statusevaluation für das Jahr 2010 vorzubereiten, in die auch erfolgreiche Standorte außerhalb der zurzeit definierten regionalen Wachstumskerne
einbezogen werden. Nach Plänen der von der Landesregierung eingesetzten Interministeriellen Arbeitsgruppe soll bis Mitte 2009 die Erarbeitung einer Leistungsbeschreibung für die Evaluation und die Ausschreibung im Laufe des III. Quartals erfolgen. Ein entsprechender Auftrag könnte zu Beginn des IV. Quartals 2009 ausgelöst werden. Die Wirkungsevaluation soll dann in der ersten Hälfte des nächsten Jahres vorliegen. Vor knapp zwei Jahren haben sich elf Gemeinden und die Landkreise Märkisch-Oderland und Oder-Spree zur Initiative „Zukunftsraum östliches Berliner Umland“ zusammengeschlossen. Die elf Gemeinden dieses Zukunftsraums wollen ihre Anstrengungen und Kräfte weiter verstärkt bündeln, um zukünftig ein regionaler Wachstumskern zu werden.
Ich frage deshalb die Landesregierung: Welche Chancen sieht sie dafür, dass mit dem Prozess der Evaluierung weitere Städte, zum Beispiel auch Städteverbünde innerhalb des Zukunftsraums östliches Berliner Umland, als regionaler Wachstumskern ausgewiesen werden?
Vielen Dank für die Antwort, Herr Appel. Ich frage dennoch nach. Meine erste Nachfrage lautet: Wie werden die im Zuge der Evaluierung geplanten Vergleichsregionen ausgewählt? Muss man sich dafür bewerben, oder entscheidet das die Firma frei nach Gusto? Nach welchen Kriterien werden also Vergleichsregionen ausgewählt?
Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf die von Ihnen geäußerte Vermutung, die von mir zitierten Aussagen seien nicht seriös. Im östlichen Berliner Umland haben verschiedene Mitglieder der Landesregierung und auch Landtagsabgeordnete auf mehreren öffentlichen Veranstaltungen unterschiedliche Vermutungen geäußert, wie es mit den regionalen Wachstumskernen weitergehe. Zum Ersten wurde gesagt, die Zahl der Wachstumskerne bleibe gleich. Im Ergebnis der Konkurrenz würden einige herausfallen. Als zweite Variante wurde eine Erhöhung der Zahl der Wachstumskerne genannt. Da aber die Höhe der Fördermittel seitens des Landes gleich bliebe, ergäbe sich kein Effekt. Zum Dritten hieß es, das sei eine politische Entscheidung. Die Kriterien, um Wachstumskern werden zu können, müssten verändert werden. Die Veränderung dieser Kriterien sei also eine Möglichkeit. Was sagt jetzt die Landesregierung? Hat es überhaupt Zweck, sich als regionaler Wachstumskern zu bewerben, oder ist das jetzige Vorgehen nur ein Vertrösten über den Wahltag hinaus?
Am 12. Februar dieses Jahres einigte sich die Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen - die sogenannte Föderalismuskommission II - auf die Einführung einer strukturellen Verschuldungsregelung für Bund und Länder ab 2020. Auch Brandenburgs Vertreter, Finanzminister Speer, stimmte in der Kommission für die Einführung der genannten Schuldenbremse, obwohl er sich vorher sowohl im Landtag als auch im Ausschuss für Haushalt und Finanzen mehrfach gegen eine solche Regelung ausgesprochen hat.
Ich frage die Landesregierung: Was hat sie bewogen, in der Föderalismuskommission II der Einführung einer Schuldenbremse zuzustimmen, insbesondere vor dem Hintergrund der zuvor mehrfach erklärten Ablehnung einer solchen durch den Finanzminister?
Herr Minister, Sie selbst haben gesagt, dass es nicht gerade eine günstige Zeit ist, um sichere Voraussagen über die Haushaltslage von Bund und Ländern in den nächsten Jahren zu treffen.
Meine erste Nachfrage bezieht sich darauf, dass sich nicht nur alle Landtagsfraktionsvorsitzenden der Linken in Ost und West, sondern auch die Landtagsfraktionsvorsitzenden der SPD in Ostdeutschland gegen die vom Bund geplante sogenannte Schuldenbremse ausgesprochen haben. Insbesondere die damit verbundene Neuaufteilung von Konsolidierungshilfen wird von ihnen abgelehnt, und es sind erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie bewerten Sie Ihr Abstimmungsverhalten in diesem Zusammenhang?
Meine zweite Frage: Nach der Einigung in der Föderalismuskommission soll für den Bund die Verschuldungshöhe bei 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts, aber für die Länder bei einer glatten Null liegen. Haben Sie in diesem Zusammenhang eventuell nicht auch verfassungsrechtliche Bedenken?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Baaske, lassen Sie uns das bisschen Frohsinn bei den Themen Finanzmarktkrise und Konjunkturpaket für die Aschermittwochsreden am heutigen Abend aufheben. Hierher gehört er aus meiner Sicht nicht.
Es ist schon beeindruckend, wie positiv Sie sich und die Regierung in dieser Lage spiegeln, wie Sie Chancen beschwören und Lösungswege aufscheinen lassen. Natürlich ist das nötig. Doch vieles von dem, wofür Bundesregierung und Landesregierung gelobt werden wollen, hätte doch schon lange vorher getan werden müssen und getan werden können. Anträge der Linken dazu lagen im Bund wie im Land vor. So hatte DIE LINKE. im Bundestag bereits im Jahr 2007 einen Katalog von Maßnahmen für mehr Stabilität und demokratische Kontrolle der Finanzmärkte vorgelegt. Im Januar 2007 hatten wir die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer und bereits im Jahr 2005 die Rücknahme der Hedgefondszulassung beantragt.
Vielleicht wären wir dann nicht so tief in die Krise, zumindest nicht in dieser zugespitzten Form mit diesen verheerenden Folgen, geraten.
Herr Ministerpräsident, es kann nicht damit getan sein, Parlament und Öffentlichkeit immer nur darauf zu beschränken, Ansagen und weise Entschlüsse entgegenzunehmen, die wir dann bestenfalls kommentieren können. Die Bundeskanzlerin hat die Bundestagsfraktionsvorsitzenden immerhin zu einer gemeinsamen Lageeinschätzung eingeladen und die Schlussfolgerungen für die Stützungsmaßnahmen erklärt. Von Ihnen gab es eine Regierungserklärung, dann gab es Streit mit den Kommunen, und heute haben wir die Aktuelle Stunde. Ende vergangenen Jahres hatten wir im Bundestag eine Mitteilung von Ihnen vernommen, dass an der Krise eigentlich de facto die Opposition schuld sei. Die Linke hat dazu verständlicherweise eine andere Auffassung.
Zurück zum Konjunkturpaket II! Sehr geehrter Herr Baaske, ich sage es gleich vornweg: Sachkritik ist nicht immer Beckmesserei. So ist die Position meiner Fraktion zum Konjunkturpaket II: Es ist richtig, dass etwas geschieht, aber nicht alles, was geschieht, ist richtig oder hinreichend.
Erstens: Das Konjunkturpaket hat in Relation zum Bruttoinlandsprodukt einen viel zu geringen Umfang, als dass es der Krise hinreichend zu Leibe rücken könnte. Inzwischen ist von einem Wachstumseinbruch von 5 % die Rede. Aber ich teile Ihre Auffassung: Egal, wie wir es rechnen - setzen wir nur 3 % an, so bedeutet dies schon einen Nachfrageeinbruch von 75 Milliarden Euro allein für das Jahr 2009. Das Konjunkturpaket II umfasst aber bekanntlich nur 50 Milliarden Euro, und das auf zwei Jahre gerechnet.
Zweitens: Auch aus Sicht der Linken ist das Investitionsprogramm das wichtigste Element des Konjunkturpakets, aber der Investitionsanteil ist zu gering. Nehmen wir allein die Bildung.
Würden wir in dem Bereich genauso viel ausgeben wie die OECD-Staaten im Durchschnitt, so wären die 50 Milliarden Euro allein für die Bildung aufgebraucht.
Das führt zu meiner dritten Bemerkung: Die Investitionsvorgaben sind eben nicht richtig strukturiert. Rund 297 Millionen Euro stehen in Brandenburg für die Sanierung von Kitas, Hochschulen und Schulen bereit. Sachinvestitionen sind wichtig, aber Sie werden mir zustimmen -, sie allein führen nicht automatisch zu einer Verbesserung der Qualität der Bildung. Ohne zusätzliches Fachpersonal wird es nicht gehen; Stichwort: kleinere Klassen.
In den Besucherreihen sitzen Schüler und Lehrer aus Rüdersdorf. Dort kennt man die Situation, dass mitunter mehr als 30 Stühle in eine Klasse gestellt werden.
Wir brauchen also in dieser Frage ein neues Investitionsverständnis.
Viertens: Es gibt eine Schieflage bei der Verteilung der Lasten. Stichwort: Steuerentlastung. Damit gehen den öffentlichen Haushalten Einnahmen verloren - vor allem zugunsten der höheren Einkommensgruppen -, wo Sie den gewünschten Nachfrageschub, Herr Baaske, meiner Meinung nach kaum auslösen werden. Der Berliner Senat hat angesichts dessen im Bundesrat ein Vermittlungsverfahren angeregt. Brandenburg täte gut daran, ähnlich kritisch und offensiv zu verfahren. Ich betone noch einmal: Es geht der Linken nicht darum, das Konjunkturpaket zu blockieren, sondern es treffsicherer und wirksamer zu machen.
Zu den Bestandteilen, die wir uneingeschränkt unterstützen, gehört natürlich das kommunale Investitionsprogramm. Es ermöglicht den Kommunen, in die Bresche zu springen und die Nachfrage zu stützen, wo private Investitionen derzeit ausfallen. Dabei geht es aber nicht nur um das eine oder andere großartige Projekt, sondern um eine wirtschaftliche Stabilisierung in der Breite. Bei unserer kleinteiligen Unternehmensstruktur im Land ist das eben allein von der Zentrale aus nicht sinnvoll. Das war vom Bund aus gutem Grund nicht vorgesehen. Wenn man die Nachfrageimpulse wirklich in die Tiefe des Landes tragen will, dann muss man den Kommunen vertrauen und ihnen den Großteil des Geldes direkt in die Hand geben.
Deshalb sagen wir: 70 % der Gesamtinvestitionssumme und nicht nur 70 % vom Bundesanteil wären machbar. Es wären auch 80 % machbar, wie Sachsen zeigt.
Meine Damen und Herren der Landesregierung, der Konflikt mit den Kommunen, den Sie sich geleistet haben, war völlig daneben. Er führt nicht nur bei der Linken zu der Frage, ob die Koalition in der Krisensituation angemessen im Interesse des Landes zu handeln vermag. Diese Frage stellt sich auch beim Blick auf die Finanzen. Die große Wirtschaftskrise hat gerade erst begonnen und fordert Ressourcen in ungeahntem Ausmaß.
Sie haben Recht, niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt präzise beurteilen, was das für die öffentlichen Haushalte bedeutet und welche Auswirkungen es haben wird. Umso erstaunlicher ist es, dass die Föderalismuskommission in dieser Situation eine Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 beschließt und unser Finanzminister, den wir bisher in seiner Position zur Schuldenbremse eigentlich unterstützt hatten, umfällt. Oder wie? Lange als prinzipieller Gegner der Schuldenbremse im Land bekannt, stimmte er nun zu. Wir fragen zumindest: Woher und warum dieser Sinneswandel? Und wie geht es damit zusammen, dass Sie sich, Herr Baaske, wenige Tage später mit den SPD-Fraktionschefs der ostdeutschen Landtage gegen eine Schuldenbremse - zumindest für die ostdeutschen Länder - aussprachen?
Ziehen wir einen Strich darunter, meine Damen und Herren: Ja, es ist gut, dass es das Konjunkturpaket II gibt, aber es ist bei weitem nicht alles gut, was drin steht. Es ist gut, dass das Konjunkturpaket in Brandenburg ankommt, aber die Spannungen und Verirrungen der Koalition und Landesregierung lassen uns befürchten, dass es nicht gut genug umgesetzt wird.
Schließlich sagen wir: Dieses Paket kann und darf nicht das letzte sein. Es wird zum einen ein Sozialpaket folgen müssen, damit strukturelle Defizite und Ungleichgewichte in der Bundesrepublik überwunden und beseitigt werden können. Bei der Bildungsfinanzierung, bei der Kinderbetreuung, bei den Hartz-IV-Regelsätzen und bei anderem muss nachgesteuert werden. Das habe ich bis jetzt auch von Ihnen so gehört.
Sie könnten handeln! Ja, Sie könnten handeln.
Natürlich, Herr Baaske hat die Krise einen handfesten Hintergrund, und zwar eine über Jahre verfehlte Politik; Stichwort: Neoliberalismus. Deshalb steht zum anderen ein Paket zur Regulierung der Finanzmärkte auf der Tagesordnung. Es sollte die Einführung öffentlicher Rating-Agenturen beinhalten, die gesetzliche Erhöhung der Eigenkapitalquote, ein Verbot hoch spekulativer Finanzmarktinstrumente, den Abbau der kalten Progression und weitere Schritte. Ich erinnere daran: Auch Sie, Herr Ministerpräsident, wollten doch kein „Weiter so!“ und sich den Ursachen der Krise widmen. Wenn also Brandenburg in dieser Frage nur abwarten würde, wäre das aus Sicht der Linken nicht genug. - Ich danke Ihnen.
Es geht um die Notwendigkeit eines Nachtragshaushaltes im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket. Ergänzend zu den Konjunkturprogrammen des Bundes ist auch die brandenburgische Landesregierung aufgefordert, umfassende Initiativen zu ergreifen, um der Rezession entgegenzuwirken. Dazu gehören zum einen zusätzliche kommunale Investitionen, aber auch das Vorziehen eigener Investitionsmaßnahmen, was den Einsatz weiterer Landesmittel erforderlich macht. Zugleich stehen den Investitionsausgaben Steuermindereinnahmen sowie Mehrausgaben in Millionenhöhe gegenüber, unter anderem durch die Rückzahlungen bei der Pendlerpauschale und die Erstattung von Kosten für Sozialhilfeleistungen der Kommunen.
Dies führt zu einer maßgeblichen Veränderung des Haushaltsplanes für 2009. Die gemäß § 2 Haushaltsgesetz zur Verfügung stehende Kreditermächtigung für das Jahr 2009 in Höhe von 106 Millionen Euro sowie der Haushaltsüberschuss des Jahres 2008 in Höhe von 180 Millionen Euro reichen voraussichtlich zur Deckung dieses Mehrbedarfes nicht aus.
Ich frage die Landesregierung: Plant sie - wie auch der Berliner Senat - die Einbringung eines Nachtragshaushaltes für das Jahr 2009?
Herr Minister, ich frage dennoch, auch angesichts der gestrigen Debatte über die komplexen Notwendigkeiten, den Mitteleinsatz so schnell und so gut wie möglich zu planen: Meinen Sie nicht, dass mit einem Nachtragshaushalt sowohl die Transparenz öffentlicher Ausgaben, das Mitspracherecht des Parlaments, als auch die Haushaltsklarheit bei der Finanzierung der Projekte eher gegeben wären?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 27. Januar 1945 - vor 64 Jahren - wurde das Konzentrationsund Vernichtungslager Auschwitz von Soldaten der Roten Armee befreit. Auschwitz und Birkenau stehen als Symbole für
millionenfach begangenen Mord durch das faschistische NSRegime. Der Gedenktag 27. Januar erinnert jedes Jahr an die Auslöschung von Millionen Menschen: Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, politisch Andersdenkende, Frauen und Männer des Widerstandes, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Kriegsgefangene und Deserteure, Greise, Kinder, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Der Gedenktag erinnert uns an Menschen, entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Wir begehen auch in diesem Jahr diesen Tag, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete der demokratischen Fraktionen, wieder gemeinsam in der Gedenkstätte Sachsenhausen. Dennoch: Im Gedenken an diese Menschen, im Nachdenken über diesen weltweit einmaligen Vorgang ihrer systematischen, massenhaften, fabrikmäßig organisierten Vernichtung will und darf sich keine Routine einstellen.
Dieser Gedenktag bildet für meine Fraktion DIE LINKE den Hintergrund für den Vorschlag, uns im Rahmen dieser Aktuellen Stunde mit Fragen und Problemen der Umsetzung des Handlungskonzepts der Landesregierung „Tolerantes Brandenburg“ für eine starke und lebendige Demokratie zu befassen. Dies alljährlich mindestens einmal zu tun ist wichtige Tradition und Selbstverpflichtung der demokratischen Fraktionen seit April 2005.
Es geht uns dabei um nicht weniger als um die Festigung und Weiterentwicklung der Demokratie. Einer, der Auschwitz ertragen musste, war der Wissenschaftler Primo Levi. Der Chemiker und italienische Widerstandskämpfer jüdischer Herkunft überließ uns seinen Bericht über das in Auschwitz überlebte Jahr mit der darüber gestellten Frage: „Ist das ein Mensch?“ Seine Warnung an uns, diese Sache stets aufs Neue so ernst zu nehmen, lautet:
„Es ist weder leicht noch angenehm, diesen Abgrund von Niedertracht auszuloten, aber dennoch bin ich der Meinung, dass man es tun muss; denn was gestern verübt werden konnte, könnte morgen noch einmal versucht werden und uns selber oder unsere Kinder betreffen“.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrte Anwesende, am 10. Jahrestag des Bestehens des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ im vergangenen Jahr konnte eine gute Bilanz gezogen werden. Das „Tolerante Brandenburg“ lebt in diesem Land, in den Gemeinden und Städten durch unzählige Initiativen couragierter Menschen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Gewalt, für ein solidarisches Miteinander. Diesem Engagement, diesen so aktiven Brandenburgerinnen und Brandenburgern gelten der ausdrückliche Dank und Respekt meiner Fraktion DIE LINKE und - ich bin mir sicher - aller Abgeordneten der demokratischen Parteien.
Wenn wir uns einig darin sind, dass Brandenburg auf diesem Wege weltoffener und toleranter geworden ist, so sollten wir die Rahmenbedingungen für diese Arbeit unbedingt sichern und ausbauen. Wir wissen dennoch: Weiterhin suchen und befürworten Menschen im Land politische Positionen und Lösungen, die - autoritär und undemokratisch - den Konsens unserer Verfassung verlassen.
Die Wahlergebnisse rechtsextrem orientierter Parteien und Vereinigungen bei den Kommunalwahlen 2008 - sie lagen bei 3 bis 5 % - stehen als Warnung im Raum. Dass eine Fraktion am äußersten rechten Rand dieses Parlaments darüber Freude empfinden kann, ist und bleibt eine Warnung. Zudem sind diese Wahlergebnisse für DIE LINKE, die SPD und die CDU Aufgabe und Herausforderung. Am Jahresende 2008 hat der Wissenschaftler Christoph Kopke vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum eingeschätzt, das Brandenburger Landesparlament könnte nach der Wahl im Herbst 2009 durchaus eine neonazifreie Zone werden. Er geht davon aus, dass der Rechtsextremismus in Brandenburg im Vergleich mit anderen ostdeutschen Ländern, die ähnliche strukturelle Probleme haben, noch nicht so stark organisiert und akzeptiert ist. Zurückzuführen sei das unter anderem auf die Wirkung des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“. Die Herausforderung besteht also darin, hier nicht nachzulassen. Um Rechtsextremismus nachhaltig aus den Köpfen zu verdrängen, bedarf es vielfältiger Wege und Maßnahmen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, es will und darf sich keine Routine einstellen, wenn sich rechtsextreme Kader in Landes- und Kommunalparlamenten als „Normalität“ im demokratischen Alltag darstellen; denn das sind sie nicht. Sie sind nicht „einfach normal“ und auch nicht demokratisch. Wer so manche Reden auch hier im Hause hört und sich mit den Programmen dieser Parteien befasst, der weiß, sie setzen Keime der Barbarei in eine zivilisierten Gesellschaft. Lassen Sie uns deshalb verlässlich und offensiv den demokratischen Konsens stärken und uns mit der DVU, der NPD, den Nazis aller Schattierungen kritisch auseinandersetzen - für das tolerante Brandenburg.
Scheinbar sinkender Einfluss Rechtsextremer führt nicht automatisch zu einer wachsenden Akzeptanz demokratischer Parteien. Warum ist das so? Gerade in der jetzigen Zeit, in der überlegt wird, wie Politik die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auffangen will, gehört diese Frage dazu. Demokratie zu stärken bedeutet für uns also, täglich darum zu ringen, dass aus Parteienverdruss oder Politikverdrossenheit am Ende nicht Demokratieverdruss wird. Dieses Einfallstor für rechtsextremistische Parteien und Kameradschaften mit ihren nationalistischen Parolen müssen wir verstellen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident, vor diesem Hintergrund wäre eine deutlichere Position der Landesregierung zu einem erneuten Verbotsverfahren der NPD aus Sicht meiner Fraktion DIE LINKE durchaus geboten. Mit ihrem Versuch der Modernisierung und Öffnung hin zum militanten Spektrum der Kameradschaften vereint die NPD Neonazis in Nadelstreifen und Bomberjacken. Ohne Tabus beansprucht die NPD demokratische Freiheiten für ihren Kampf gegen die Demokratie. Selbstverständlich - da sind wir uns einig löst ein Parteiverbot allein das Problem nicht. Es liegt aber durchaus auch in der Hand unserer Regierung, die Möglichkeiten ernsthaft zu prüfen und bundesweit die Voraussetzungen für ein Verbot zu schaffen.
Auch wenn es Brandenburg nicht direkt betraf: Unerträglich scheint mir, dass der Staat mit seinen V-Leuten das Haupthindernis aufrechterhält und somit eine ernsthafte Verbotsprüfung
unmöglich macht. Fühlen Sie sich doch ruhig ermutigt, wenn in der Frage des Rückzugs der V-Leute des Verfassungsschutzes inzwischen sogar die Vizepräsidenten des Bundestags, Petra Pau, und CSU-Chef Seehofer an einem Strang ziehen. Die Chefin unseres Verfassungsschutzes, Frau Schreiber, wird sicher ihre Erkenntnisse und Gründe haben, warum sie eine gewisse Entwarnung gibt und meint, die NPD im Land Brandenburg sei zerstritten und geschwächt. Ich hoffe, sie hat und behält Recht.
Im Namen meiner Fraktion möchte ich an dieser Stelle erneut unseren Vorschlag bekräftigen: Lassen Sie uns noch einmal die Möglichkeit prüfen, in die Landesverfassung einen Passus gegen die Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts aufnehmen. Lassen Sie uns in den Monaten der Wahlkämpfe den Konsens bezüglich des Konzepts „Tolerantes Brandenburg“ nicht infrage stellen.
Es ist schade, Herr Ministerpräsident, dass jetzt nicht, wie bei Ihrem Auftritt im Bundestag, nun auch vor dem Landtag eine Regierungserklärung erfolgt ist. Deshalb mache ich das jetzt ganz kurz in Frageform.
Wie Sie so befürworten auch wir die Investitionen. Aber denken Sie nicht auch, dass, bildlich gesprochen, Investitionen in die Dächer von Schulen, Hochschulen oder Kindertagesstätten nicht ausreichen, sondern wir auch Investitionen in die Köpfe auf den Weg bringen sollten?
Meine erste Frage also: Begeben Sie sich bei der Ausgestaltung des Investitionspakets mit uns auf den Brandenburger Weg?
Meine zweite Frage betrifft den „Schutzschirm gegen Armut“, den wir hier nicht als gegeben ansehen. Nach unserer Auffassung müsste hier ein Sozialpaket folgen.
Sehen Sie, da 90 % der Hilfeempfänger durch die jetzt beschlossenen Maßnahmen nicht bedacht werden, nicht auch die Notwendigkeit, hier nachzusteuern?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, der Lebenslagenbericht war das zentrale Projekt Ihres Hauses
man kann fast sagen: der Landesregierung - in dieser Legislaturperiode. Er ist von erheblichem Gewicht, und zwar nicht nur wegen der 400 Seiten, die auf dem Tisch liegen, sondern auch ob seiner inhaltlichen Brisanz. Allerdings kann ich nach Ihrem Vortrag nicht erkennen,
dass Sie diese Brisanz tatsächlich für sich realisiert haben; denn Sie gehen einfach zur Tagesordnung über. Dies wäre in dem Fall ein Armutszeugnis für die Landesregierung.
Aus meiner Sicht ist er nicht nur ein Armutsbericht, dennoch zeugt Ihr Auftritt davon, dass der notwendige Perspektivwechsel sowie der notwendige Strategiewechsel bei der Vermeidung und Bekämpfung von Armut von Ihnen nicht verstanden und beabsichtigt wird.
Das Erscheinen des Berichts hat bei uns aus verschiedenen Gründen Kopfschütteln ausgelöst, und zwar nicht nur deshalb, weil er nach wenigen Tagen wieder aus dem Netz verschwunden war, sondern auch, weil man lesen konnte, dass die SPDFraktion verlangte, man möge doch eine andere Armutsdefinition benutzen, die weniger Arme ausweist. Als Vorwurf wurde laut, die Ministerin rechne Brandenburg arm. Dies konnte der Presse entnommen werden.
- Doch, Frau Kollegin Lehmann, dies ist nachzulesen.
Ich hoffe, es war nur die Weihnachtszeit, die Sie dazu bewogen hat, darüber nachzudenken. Man könnte sonst den Eindruck bekommen, es gehe Ihnen eher um die Verpackung als um den Inhalt.
Die Ministerin hat Transparenz eingefordert, kommen wir also zur Transparenz: Die Aussage, das Armutsrisiko in Brandenburg liege deutlich unter dem bundesdeutschen Wert, klingt zunächst wie eine Erfolgsmeldung. Jedoch unterschlagen Sie, dass Sie dabei die Differenzierung der Einkommen allein in Brandenburg - nicht im Vergleich zum Einkommensniveau der gesamten Bundesrepublik - gemessen haben. Dies kann man tun, jedoch muss man sich dann nicht wundern, dass nach dieser Methodik auch die Bayern und Baden-Württemberger ein höheres Armutsrisiko zu tragen haben als die Brandenburger. Misst man das Einkommen der Brandenburger am bundesdeutschen Durchschnitt, liegt die Armutsrisikoquote deutlich über dem Bundesdurchschnitt.
Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung weist zwar keine länderspezifischen Zahlen aus, aber immerhin für Ostdeutschland 15 % und für Westdeutschland 12 %. Der dort zugrunde gelegte Vergleich mit dem gesamtdeutschen Durchschnitt ist im Übrigen auch deshalb aussagekräftiger, weil die Brandenburger keine eigenen Preise, Gebühren und Tarife haben. Aber darum geht es Ihnen nicht, vielmehr sollte eine positive Botschaft her. Das finden wir unseriös und irreführend.
Wohlgemerkt: Meine Kritik richtet sich nicht an die Wissenschaft. Für sich genommen ist die von den Spezialisten verwendete Armutsdefinition korrekt, weil und solange gesagt wird, was womit verglichen wird. Jedoch gehen Sie in Ihren Schlussfolgerungen im Teil C von der falschen Diagnose aus, dass es in der Armutsentwicklung eine Trendwende gibt. Dies ist aus den Analysen der Wissenschaftler so nicht zu lesen, wenn man seriös vergleicht. Ich möchte Sie auffordern, dies zu korrigieren.
Ich schlage Ihnen - zum Teil sind uns die Wissenschaftler und andere Ausarbeitungen von ihnen bekannt - Folgendes vor: Legen Sie uns die Originalexpertisen vor und lassen Sie uns anhand dieser Expertisen diskutieren. Möglicherweise kommen die Fraktionen dann auch zu eigenen Schlussfolgerungen.
Zudem muss die Frage gestattet sein, ob nicht die Regierungspolitik, die genau zu den Ergebnissen geführt hat, die wir heute vorfinden - die Politik der Agenda 2010 sowie die Politik des Sozialabbaus und der Privatisierung sozialer Risiken -, in den letzten Jahren Teil des Problems statt Teil der Lösung war. Dies ist zumindest unser Eindruck.
Was sind die Ergebnisse Ihrer Politik? Erstens: Arbeitslosigkeit bleibt Hauptrisikofaktor für Armut, aber auch Arbeit schützt immer weniger vor Armut. Die niedrigen Verdienste sind das Problem. Jeder vierte Beschäftigte im Land erzielt einen Stundenlohn von weniger als 7,50 Euro. Mehr als 71 000 Brandenburger müssen ihr Arbeitseinkommen mit Hartz IV aufstocken, um über die Runden zu kommen. Mehr als ein Drittel von ihnen - etwa 24 000 - tun dies sogar, obwohl sie in Vollzeit arbeiten. Nein, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Ihr Leitbild „Sozial ist, was Arbeit schafft“ ist angesichts dieser Entwicklung zynisch.
Da kaum noch Damen und Herren von der CDU-Fraktion anwesend sind, ist anzunehmen, dass sie am Lebenslagenbericht offenbar nicht sehr interessiert sind.
Ergebnis des wirtschaftlichen Aufschwungs der letzten zwei bis drei Jahre war, dass Arbeitsplätze geschaffen wurden. Jedoch wurden sie ohne einen gesetzlichen Mindestlohn geschaffen. Damit wird das Problem nicht gelöst. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Brandenburg ist seit der Jahrtausendwende gesunken. Natürlich wächst sie in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs durchaus an - auch einmal über einen Zeitraum von ein oder anderthalb Jahren -, jedoch ist der längerfristige Vergleich zwischen zwei Konjunkturzyklen entscheidend. Ich erinnere an unsere gestrige Debatte: Betrachtet man den Zeitraum von 2000 bis heute, ergibt sich ein anderes Bild. Die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten stieg von Juni 2000 bis Juni 2006 um 38,4 %. Dagegen ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im gleichen Zeitraum um 10,6 % rückläufig: von 811 000 auf 724 000 Arbeitsplätze.
Angesichts dieser doch recht klaren Befunde bleibt bei Ihrer Schlussfolgerung am Ende nur Kopfschütteln. Es erstaunt
schon, dass die Auswirkungen der jüngsten Arbeitsmarktreformen im vorgelegten Lebenslagenbericht von der Landesregierung völlig ausgeblendet werden. Die Hartz-Gesetze haben offensichtlich doch nicht die Wirkung gehabt, die Sie sich gewünscht haben. Fakt ist: Mit diesen Reformen sind die Arbeitsuchenden mehrfach segmentiert worden. Lebenslagen und Teilhabechancen im Land wurden noch weiter differenziert. Es gibt Regionen, in denen Armut verstärkt vorzufinden bzw. das Armutsrisiko besonders hoch ist.
Eine Ursache liegt auch in unserer Arbeitsmarktpolitik. Wurden im Land Brandenburg im Jahr 2000 insgesamt mehr als 1,6 Milliarden Euro für die aktive Arbeitsmarktförderung ausgegeben, waren es im Jahr 2006 nur noch 785 Millionen Euro. Dies spiegelt sich auch in der Anzahl der 1-Euro-Jobs wider. Vom Gesetzgeber waren sie eigentlich als Ultima Ratio gedacht, jedoch sprechen 15 200 Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung - dies ist die prioritäre Form - eine andere Sprache. Für die Arbeitslosen bedeutet dies eine relativ geringe Chance auf qualitativ hochwertige arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Arbeit schützt demnach nicht mehr vor Armut.
Zweite Folge der Hartz-IV-Gesetzgebung: Die Lebenssituation von Kindern hat sich seitdem nicht verbessert. Familien mit mehreren Kindern und Alleinerziehenden sind in besonderem Maße trotz unserer „Familienrhetorik“ Benachteiligungen ausgesetzt; das wissen Sie auch.
Im Einzelnen unterstelle ich gar nicht, dass Abgeordnete nicht viel für Familien tun wollen, aber im Endeffekt wurde das angestrebte Ergebnis nicht erreicht. Ich sage Ihnen: Der Ausgangspunkt ist für mich die skandalöse Reduzierung von Familien aufs Bedarfsgemeinschaften. Dahinter steckt ein Denken, das wir überwinden müssen.
Drei Viertel der Brandenburgerinnen und Brandenburger empfinden, dass Familien mit Kindern gegenüber Kinderlosen benachteiligt sind. 60 % empfinden das gesellschaftliche Klima für Kinder als eher unfreundlich und sogar feindlich. Eigentlich ist ein solcher Befund Auftrag und Chance genug, um für Veränderungen zu sorgen, möchte man meinen. Leider gibt es die notwendigen positiven Veränderungen nicht in Brandenburg, nicht in Deutschland. Es gibt keine Trendwende, Frau Ministerin. Ich denke, in dieser Frage müssten Sie die Aussage Ihres Berichts korrigieren. Es ist kein Schlechtreden der Linken, wenn gesagt wird, dass Familien mit mehr als drei Kindern und Alleinerziehende in besonders hohem Maße von Einkommensarmut betroffen sind,
vor allem dann, wenn sich daran über Jahre hinweg nichts ändert. Man kann das fast wortwörtlich in Brandenburger Sozialberichten von 1999 und 2000 nachlesen. Der entscheidende Unterschied - das ist ein Ergebnis von Politik, von Gesetzgebung und dessen Umsetzung -: Ende der 90er Jahre lebten 10,1 % der Brandenburger Kinder von Sozialhilfe. Heute lebt ein Viertel - in manchen Regionen fast jedes dritte Kind - von Hartz IV. Deutlicher kann man doch eigentlich nicht darauf gestoßen
werden, dass politische Konzepte der letzten zehn Jahre schlichtweg versagt haben.
Als letztes Beispiel will ich noch das Trauerspiel im Verhandeln um den Regelsatz für Kinder benennen, bevor meine Kollegin Wöllert noch einige Dinge vorschlagen und benennen wird. Seit einem Jahr wird angekündigt, dass der Regelsatz erhöht wird. Jetzt wurde von den Sozialenministern gesagt: Bis Ende des Jahres.
Ich finde diese Ankündigungspolitik unmöglich, weil wir inzwischen eine Kindergelderhöhung haben, weil es nicht möglich war, gerade den Familien, die es am bittersten nötig haben, unbürokratisch mehr Geld für ihre Kinder zu geben. Wir bekommen eine Kindergelderhöhung, und an diesen Familien geht sie vorbei. Das ist schlicht unverantwortlich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, die Linksfraktion begrüßt es ausdrücklich, dass Sie sich in der aktuellen Situation zu Wort gemeldet haben und sich den Problemen stellen. Ich finde, dass Sie sich zu lange nicht zu Wort gemeldet und alles dem Lauf der Dinge überlassen haben. Selbst von Ihrem Wirtschaftsminister sind Sie inzwischen überholt worden.
Ja, Herr Ministerpräsident, wenn es unsere wichtigste Aufgabe ist, über Politik der sozialen Verantwortung nicht nur zu reden, sondern sie auch glaubwürdig zu vertreten, und wenn wir dabei bleiben, dass Politik gerade in solchen Zeiten gestalten kann und muss - was wir ausdrücklich unterstützen -, dann ist es Zeit, dass die Regierung, dass Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst werden.
Wir alle kennen die Empfehlung von Max Frisch: Krise kann ein produktiver Zustand sein; man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen. - Nehmen wir Max Frisch beim Wort und nutzen wir die Chance, Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre zu korrigieren! Denn auch wir sehen es wie Sie: Ein „Weiter so!“ regierender Politik, ein „Weiter so!“ in Brandenburg kann und darf es nicht geben.
Was nun Ihre Regierungserklärung anbelangt, Herr Ministerpräsident, so fanden wir die Analyse nicht wirklich neu. Vieles allerdings sehen wir auch so. Diesen Stand der Debatte hatten wir in der Aktuellen Stunde im Oktober bereits erreicht. Wir haben vielleicht etwas mehr erwartet.
Aber Sie wollten Orientierung geben; ich denke, das ist Ihnen gelungen. Wichtiges ist gesagt. Der Beifall meiner Kolleginnen und Kollegen macht deutlich, dass DIE LINKE vieles von dem unterstützt und auch einige ihrer Anträge wiedererkannt hat. Ich hoffe, Ihr Werben, Ihre Appelle werden gehört, zum Beispiel bei den Banken. Ich allerdings bin davon überzeugt, dass Werben und Appelle nicht ausreichen werden.
Deshalb frage ich, was Ihre Pläne und Vorschläge betrifft, nach Verbindlicherem, nach Konkreterem. Wo ist Ihr Konzept für die nächsten ein bis zwei Jahre? Ich bin mir ziemlich sicher: Wir werden uns hier bereits im Januar wieder über all diese Dinge unterhalten. Wir werden weiter diskutieren und einiges nachzuholen haben.
„Finanzkrise“ ist das Wort des Jahres 2008. Es steht für eine katastrophale Entwicklung, zunächst im Banken-, Immobilienund Finanzsektor. Der weltweite Casino-Kapitalismus ist zusammengebrochen, jene irrsinnige Selbstverwirklichung des Kapitalismus, die uns nicht nur begrifflich die Trennung zwischen aberwitzigen Geldgeschäften auf der einen und der inzwischen so genannten „Realwirtschaft“ auf der anderen Seite brachte. Selbst - oder gerade - im Niedergang ist dieser CasinoKapitalismus dazu in der Lage, die Realwirtschaft in den Abgrund zu stoßen. Diese Realwirtschaft aber besteht aus tatsächlich erbrachten Leistungen von Millionen von Menschen.
Die geistige Basis dieser Entwicklung war die Ideologie des Neoliberalismus, von der sich manche allerlei erhofft haben
mögen. Diese Ideologie brachte aber letzten Endes nicht mehr Freiheit und unternehmerische Kreativität, sondern unterhöhlte die sozialen Grundlagen der Freiheit. Unternehmerische Verantwortung verkam - Maximalprofit gegen Arbeitsplätze. Jetzt droht diese Ideologie die Ökonomie selbst fast zum Erliegen zu bringen.
Mit der größten Rettungsaktion in der Geschichte der internationalen Finanzmärkte haben Politik und Zentralbanken reagiert und die Kapitalmärkte mit Hunderten von Milliarden Euro geflutet. Allein in Deutschland wird den Banken mit über 500 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen, finanziert vom deutschen Steuerzahler - wieder eine gigantische Umverteilung von unten nach oben!
Ja, Bürgerinnen und Bürger sollen erneut für das geradestehen, was Finanzmanager und Bankiers in den vergangenen Jahren verzockt haben.
Übrigens ist „verzockt“, sehr geehrte Frau Kollegin, das zweitplatzierte Wort des Jahres 2008. Eine traurige Skala!
Bürgerinnen und Bürger stehen für diejenigen gerade, die diese Krise verschuldet haben, und zugleich werden sie zunehmend Opfer dieser Krise. Wenn wir auf Brandenburg sehen - der Ministerpräsident hat es benannt -: Kurzarbeit bei Daimler, Zwangsferien in Eisenhüttenstadt und drohende Entlassungswellen. Das ist die Realität im Lande. Für die Beschäftigten in der Weihnachtszeit und mit dem Blick auf das neue Jahr keine guten Nachrichten. Sicher, der Bau der Papierfabrik in Eisenhüttenstadt und die damit neu entstehenden Arbeitsplätze sind ein erfreuliches, aber nur ein Zeichen in dieser Krisenzeit.
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, bereits jetzt sind ja die Auswirkungen der Krise dramatisch, und sie reichen weit über den Finanzsektor hinaus. Wir erleben nicht mehr nur eine Krise der Finanzmärkte, sondern eine Krise der gesamten Weltwirtschaft. Der finanzmarktgetriebene Kapitalismus hat nicht nur ein kollabierendes Finanzwesen zu verantworten, sondern auch eine weltweite soziale Krise mit steigenden Nahrungsmittelpreisen, wachsender Armut, Einkommensungleichheit, Arbeitslosigkeit und dramatischen Auswirkungen auf Energie und Klima. Eben diese Verflechtung der Krisen bleibt uns, und die macht es auch so kompliziert.
Die aktuelle Krise, denke ich, ist zudem auch eine Vertrauensund Gesellschaftskrise, eine Krise der Politik. Warum? Nicht nur in unserem Land fragen sich die Menschen: Wie konnte es so weit kommen? Wer trägt dafür die Verantwortung? Welche Auswirkungen wird diese Krise noch haben? Wer trägt am Ende die Verluste? Welche politischen Schlussfolgerungen müssen nun aus dieser Krise gezogen werden?
Auch wenn wir selbstverständlich nicht auf jede Frage eine hundertprozentige Antwort haben, so sind wir doch in der Pflicht, nach Antworten und vor allen Dingen nach Lösungen zu suchen. Das sind wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, den Bürgerinnen und Bürgern in Brandenburg gemeinsam schuldig.
Eines muss ganz klar ausgesprochen werden: Es waren bewusste politische Entscheidungen, ohne die wir nicht in diese Krise geraten wären.
Nichts davon kam heimlich, still und leise.
Erinnern wir uns: Unter der Überschrift „Deregulierung“ wurden auch in Deutschland zunächst durch Rot-Grün windige Finanzprodukte, Kreditverbriefungen, Hedgefonds und gefräßige „Heuschrecken“ massiv gefördert. Die Bankaufsicht wurde doch in den vergangenen Jahren nicht gestärkt, sondern geschwächt! Im Koalitionsvertrag von Rot-Schwarz werden „Produktinnovationen und neue Vertriebswege“ ausdrücklich gestützt. Noch Mitte dieses Jahres wurde das sogenannte Wagniskapitalgesetz verabschiedet, in dem Finanzinvestoren viele Steuerprivilegien eingeräumt bekamen.
Nicht irgendwer, Herr Ministerpräsident, sondern Politik hat der gegenwärtigen Krise den Weg geebnet. Die Bürgerinnen und Bürger registrieren sehr wohl, dass es sich dabei um demokratisch legitimierte Entscheidungen handelte. Sie erleben, dass Demokratie nicht vor folgenschweren Fehlern schützt. Gerade weil die Lehren der DDR uns bestärken, sagen wir: Trotz dieser aktuellen Erfahrungen ist es jetzt an uns, dafür zu sorgen, dass aus dieser aktuellen Erfahrung der Bürgerinnen und Bürger, die im Einzelnen von politischen Parteien, von Personen, von politischen Kräften enttäuscht sind, keine Krise der Demokratie an sich wird.
Deswegen gewinnt ein zweites Prinzip an Bedeutung: nämlich, dass Demokratie nicht nur Entscheidungen legitimiert. Es beinhaltet auch, dass Politiker für ihre Entscheidungen und deren Folgen gegenüber denen einstehen, die ihnen auf Zeit ihre Macht übertragen haben. Also der allererste, aber noch nicht hinreichende Schritt ist das Eingeständnis von Fehlern. Der zweite ist die Bereitschaft zu Korrekturen und der dritte das ernsthafte Bemühen um Glaubwürdigkeit. Dafür müssen die Konzepte zur Krisenbewältigung überzeugend und die Absichten unbezweifelbar ehrlich sein und nicht wieder nur soziale Einschnitte beinhalten.
Herr Ministerpräsident, ja, die Menschen sind empört, und das ist auch zu verstehen. Empört sind sie darüber, dass den Banken Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, aber für Kinder von Langzeitarbeitslosen nach wie vor gerade einmal 211 Euro pro Monat vorhanden sind. Die Banken aber sind doch für die Krise wesentlich verantwortlich! Empört sind Menschen auch darüber, dass die Große Koalition im Bund über Nacht einen riesigen Rettungsschirm für die Banken aufspannt, sich aber seit Jahren um die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns drückt.
Diese unglaubliche Ungerechtigkeit wird nicht kleiner, weil es derzeit keine Alternative gibt - keine Alternative deshalb, weil ohne staatliche Hilfsmaßnahmen eine Kettenreaktion ausgelöst worden wäre, die den gesamten Wirtschaftskreislauf zum Kollabieren gebracht hätte. Das sehen wir sehr wohl auch. Aber auch, wenn es momentan kaum Alternativen gibt, darf Politik nicht möglichst schnell wieder zur Tagesordnung übergehen.
nicht energisch für die Schaffung einer Bundessteuerverwaltung ein, um eine einheitliche Anwendung des Steuerrechts auch strukturell sicherzustellen?
Herr Ministerpräsident, ich spreche Sie auch als ehemaligen Bundesvorsitzenden der SPD an. Warum setzen Sie sich nicht einmal an die Spitze der Bewegung und bringen konkrete Vorschläge ein, die auch bundespolitisch in die richtige Richtung zielen? Sie sagen - auch das teile ich -:
„Ein Zurück zur alten Tagesordnung des zügellosen Kapitalismus wird es nicht mehr geben.“