Als Erstes habe ich Ihnen eine Mitteilung zu machen, die trotz des Datums kein Aprilscherz ist: Frau Ministerin Prof. Dr. Wanka feiert heute ihren Geburtstag in unseren Reihen. Wir gratulieren herzlich und wünschen ihr viel Freude an diesem Tag und im kommenden Jahr.
Ich begrüße unsere Gäste, insbesondere die Auszubildenden der Berufsfachschule der BBW Potsdam, Akademie für Betriebliche Weiterbildung. Herzlich willkommen und einen interessanten Vormittag für Sie!
Der Neudruck der Tagesordnung liegt Ihnen vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? - Wenn das nicht der Fall ist, lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer nach ihr verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist die Tagesordnung einstimmig angenommen worden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir als CDUFraktion haben heute ein eher antizyklisches Thema für die Aktuelle Stunde beantragt: Akademikermangel trotz Wirtschaftskrise entschlossen entgegenwirken.
Unser aller Blicke gefangen von der heraufziehenden Krise, von wirtschaftlichen Schwierigkeiten, möglicherweise ansteigender Arbeitslosigkeit, großen Engpässen in der Arbeitswelt. Das alles ist richtig und braucht unsere volle Aufmerksamkeit. Auch eine große Tageszeitung hier im Land Brandenburg titelt, das erste Mal seit 1928 gebe es in Deutschland im Frühling keine Belebung auf dem Arbeitsmarkt, und das, obwohl Brandenburg, wie Sie vielleicht gelesen haben, eine kleine Ausnahme macht. Bei uns gibt es nämlich leichte Frühlingsbelebungen, vor allen Dingen in den Landkreisen, die an die nördlichen und die südlichen Bundesländer angrenzen.
Wir werfen heute einen aktuellen Blick hinter die Kulissen dieser Wirtschaftskrise und in die nahe Zukunft bzw. auf Probleme, die jetzt heranwachsen.
Wir alle wissen: Die falschen politischen Weichenstellungen in den verschiedenen großen Volkswirtschaften der Welt, vor allen Dingen in denen Nordamerikas, haben eine sehr große sogenannte Subprime-Krise ausgelöst, in deren Folge es starke Turbulenzen in der internationalen Finanzwelt gab und immer noch gibt. Deutschland als eine der großen Exportnationen ist davon mehr als berührt. Daraus entstehen in der Bevölkerung, insbesondere unter Arbeitnehmern, Unsicherheiten und Existenzängste, die wir ernst nehmen, und darauf geben wir Antworten.
Die Antwort kann insgesamt nur sein: Wir brauchen den Staat als Leistungsträger, mit Leistungscharakter und stark in seinen Kernbereichen, damit er Freiheiten schaffen bzw. erhalten kann, gerade in seiner Funktion als Krisenmanager.
Wir als Vertreter der sozialen Marktwirtschaft wissen, dass in Ausnahmesituationen außergewöhnliche Maßnahmen zu treffen sind. Es ist dabei deutlich herauszustellen - gerade in Anlehnung an den großen Wirtschaftsminister Erhard und die Freiburger Schule -, dass Märkte klare Ordnungsrahmen brauchen. Vor allem in einer Krise brauchen sie die Leitplanken, die in den vergangenen Jahren zu stark vernachlässigt worden sind. Diese Dinge liegen wesentlich in der Kompetenz des Bundestags bzw. der Bundesregierung.
Aber auch wir auf Landesebene können Orientierungen geben, und zwar dort, wo wir die ureigene Gestaltungsmöglichkeit haben: in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung. Die Aktuelle Stunde hat deshalb die Steigerung der Akademikerquote zum Thema, weil dieses Problem trotz der gegenwärtigen Krise anwächst.
Bildung ist das Beste für unser Land, für jeden Bürger. Bildung ist Zukunft und - wir wissen es - ermöglicht Teilhabe an der sich wandelnden Welt. Damit ist Bildung auch die Existenzgrundlage unserer Gemeinwesen.
Das Phänomen des Akademikermangels ist an sich nicht neu. Zyklisch wurde es in der Öffentlichkeit schon vor dem Heraufziehen der bedrohlichen Krise, von der wir zurzeit betroffen sind, diskutiert. Ich verweise auf eine Reihe von Studien bzw. Untersuchungen, deren Ergebnisse in den vergangenen drei Jahren veröffentlicht worden sind. Das Thema hat sich konkretisiert und verdichtet.
Zu nennen ist - erstens - die OECD-Studie von 2007 unter dem Titel „Bildung auf einen Blick“. Deutschland werden darin nach wie vor mittelmäßige, zum Teil sogar schlechte Noten in sein Bildungszeugnis geschrieben. Insbesondere sind die Ausgaben für Bildung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, mit 5,1 % noch zu gering. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 6,1 %.
Das zweite Beispiel ist der „Innovationskalender 2008“ des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung - DIW. Auch in dieser Studie werden die zu geringen Investitionen in Bildung und Forschung kritisch angeführt. Darüber hinaus sei Deutschland hinsichtlich der Offenheit unserer Arbeitsmarktwelt und vor allen Dingen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nach wie vor defizitär. In einem Ranking 17 internationaler Bildungssysteme belegt Deutschland nur einen Platz im letzten Drittel.
- Ich könnte versuchen, etwas lauter zu sprechen. Die Aufmerksamkeit lässt heute Morgen doch etwas zu wünschen übrig.
Schließlich möchte ich auf die Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2007 zu dem Thema „Ingenieurmangel in Deutschland - Ausmaß und gesamtwirtschaftliche Konsequenzen“ verweisen. So konnten schon 2006 50 000 Stellen für Ingenieure nicht besetzt werden. Zu bedenken ist ferner, dass die Zahl der in den Ruhestand gehenden Ingenieure in den nächsten Jahren stetig ansteigen wird. Wenn man bedenkt, dass Unternehmen schon heutzutage Probleme haben, entsprechend qualifizierte Arbeitnehmer für diesen Bereich zu rekrutieren, dann ist sinnfällig, dass wir in diesem Segment weiterhin extreme Anstrengungen zu unternehmen haben.
Schon jetzt haben die ostdeutschen Bundesländer trotz ihrer überdurchschnittlichen Ausbildungsraten größere Schwierigkeiten, ihre Vakanzen zu füllen. Neudeutsch heißt das Stichwort „Braindrain“ oder einfach: Abwanderung Hochqualifizierter bzw. des sogenannten Humankapitals. Das Kölner Institut beziffert den daraus resultierenden volkswirtschaftlichen Schaden für Deutschland auf rund 3,5 Milliarden Euro für das Jahr 2006.
Die Befragung der Mitglieder der deutschen Industrie- und Handelskammern von 2007 kam für das Problem des Fachkräftemangels zu der plakativen Forderung: „Keine Zeit verlieren.“ Da wir unser Land nicht abschotten und auch keine Mauer um uns herum ziehen wollen, um die Abwanderung der Fachkräfte zu verhindern, haben wir uns auf die Beantwortung der Frage zu konzentrieren, wie wir die Ausbildung verstärken und die jungen Menschen an unserem attraktiven Standort halten können.
Den Herausforderungen haben wir uns in den letzten Jahren eigentlich schon beherzt gestellt. Dabei wachsen für Brandenburg die Bäume sicherlich nicht in den Himmel. Die finanziellen Rahmenbedingungen bleiben überschaubar oder werden möglicherweise sogar wieder enger gesteckt.
Im Rahmen der genannten OECD-Studie hat die zuständige Direktorin Barbara Ischinger die Situation relativ kontrastfrei skizziert.
„Es zeigt sich hier eine Verlagerung von strategischen Zukunftsinvestitionen wie zum Beispiel in Bildung hin zu Versorgungsleistungen wie für Gesundheit und Soziales. Bei der absehbaren demografischen Entwicklung in Deutschland kann dies auf lange Sicht die globale Wettbewerbsfähigkeit deutlich gefährden.“
Demnach müssen wir die zur Verfügung stehenden Mittel noch stärker als bisher in den Zukunftsbereich Bildung lenken, damit wir sie später nicht für soziale Reparaturmaßnahmen und Stützungsprogramme verwenden. Sozial- und Gesundheitsausgaben möchte ich nicht diskreditieren; aber die Konzentration muss auf dem liegen, was in der Lage dazu ist, die Mittel für unser Gesundheits- und Sozialwesen zu erwirtschaften. Dafür ist in Brandenburg und in Deutschland insgesamt bereits seit Jahrhunderten - jetzt noch verstärkt - Bildung der Schlüssel.
Darüber hinaus sind aber auch andere Rahmenbedingungen zu beachten. Wir als Landesregierung bzw. Parlament sind den Herausforderungen der demografischen Entwicklung frühzeitig entgegengetreten und im Land Brandenburg auch besonders unterworfen. Einem Ihnen allen bekannten Gutachten nach werden bis zum Jahr 2015 etwa 200 000 Facharbeiterstellen zu besetzen sein. Nichtbesetzungen haben Folgekosten, und zwar stärker als gedacht. Beispielsweise schafft jede besetzte Ingenieurstelle zusätzliche Arbeitskräfte. Insgesamt wird Brandenburg in den Jahren 2004 bis 2030 möglicherweise etwa 13 % seiner Bevölkerung verlieren. Dabei stehen die Regionen Deutschlands in Konkurrenz zueinander. Zwischen Brandenburg und Berlin gibt es noch die unnatürliche vor allen Dingen wirtschaftliche und wissenschaftliche Konkurrenzsituation.
Brandenburg ist schön, aber das allein reicht nicht. Bereits im Jahr 2005 verließen 40 % unserer Hochschulabsolventen Brandenburg. Gut Ausgebildete gehen leider noch immer in Ballungszentren oder in Zentren mit starker Wirtschaft. Laut der Studie „Deutschland 2018 - Regionen im Wettbewerb, Faktoren, Chancen und Szenarien“ des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts wurde für das Jahr 2008 ein Rückgang der Erwerbstätigkeit in 31 der 103 Kreise und kreisfreien Städte erwartet. Für Brandenburg exemplarisch zu nennen sind nach wie vor die Landkreise, die an andere Bundesländer im Norden und im Süden grenzen.
Hinzu kommt natürlich die veränderte Arbeitswelt. Die Konzepte der alten Industriegesellschaft gelten im Jahr 2009 nicht mehr. Die heutige Arbeitswelt hat deutlich höhere Qualifikations- und vor allem auch Mobilitätserfordernisse. Wir stehen also vor einer Trias der Aufgaben. Wir brauchen die ständige Weiterentwicklung des Konzepts des lebenslangen Lernens. Deutschland könnte beispielsweise im Bereich der Weiterbildung noch deutlich zulegen. Wir brauchen mehr gleitende Übergänge. Eine stärkere, zentrale Vernetzung aller Akteure ist angezeigt, um unnötige Warteschleifen und zeitliche Zwischenräume zu vermeiden.
Zudem ist die Studierfähigkeit unserer Schülerinnen und Schüler nach wie vor zu stärken. Hier gibt es noch Reserven. Es ist erfreulich, dass seit dem Jahr 1999 die Abiturientenquote deutlich zugenommen hat; dennoch nehmen zu wenige Brandenburger Schülerinnen und Schüler - insbesondere die Mädchen - ein Hochschulstudium auf. Dazu sage ich ganz persönlich: Mir ist eine Abiturquote von 30, 35 oder 40 % lieber, wenn davon ein Großteil tatsächlich studiert, als eine Quote von 50 oder 60 %, wenn davon nur 20 oder 25 % studieren.
Diesbezüglich sind Modelle im Süden Deutschlands - vom Bereich der Arbeitnehmer bis zu den Akademikern - durchaus beispielgebend.
Brandenburg hat in den letzten Jahren gemeinsam mit den Partnern schon gute Konzepte verwirklicht. Ich möchte hier nur einzeln und kursorisch folgende nennen: das Konzept der Berufs- und Studienorientierung, die Fachkräftedatenbank der LASA, die Forschungsberichte des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport - insbesondere der 32. Bericht -, für den Wissenschafts- und Forschungsbereich die Hochtechnologie
strategie, die Exzellenzinitiative und den Pakt für die Forschung. Deswegen ist es besonders bedauerlich - ich denke, die Ministerin wird darauf noch eingehen -, dass durch die sogenannten A-Länder - das sind die Länder, die vor allem auch aus den Reihen unseres Koalitionspartners regiert werden - der Hochschulpakt blockiert worden ist.
Wesentliche Mittel - unter anderem solche für die Exzellenzinitiative und die Förderung des Osten Deutschlands - sind sozusagen blockiert. Ich hoffe, dass diese Bremse noch vor Ostern in einer speziellen Arbeitsgruppe gelöst werden kann.
Erstens: die Wirtschaft. Die Signale stehen auf Rezession. Im Gegensatz zu anderen Zeiten sind die Unternehmen gut damit beraten, ihre Fachkräfte zu halten und neue Fachkräfte auszubilden. Ich hoffe, dass hier ein Lernprozess eingesetzt hat. Man darf daran erinnern, dass es noch nicht allzu lange her ist, dass händeringend Informatiker gesucht wurden. Dass in der Krise davor vor allem diese Arbeitskräfte freigesetzt worden sind, wurde von interessierten Kreisen gern einmal vergessen. Ebenso müssen die Betriebe die bestehenden Weiterbildungsmöglichkeiten ausschöpfen, um ihre Belegschaft qualifiziert für die Zukunft zu halten. Weiterbildung ist kein Kostenfaktor, sondern eine Innovationsstrategie.
Zweitens: Wissenschaft und Forschung. Alle Partner der Bildung müssen glaubhaft die Vorteile des Studierens beschreiben. Alle Studien und Untersuchungen - unter anderem der Lebenslagenbericht bzw. der gemeinsame Bericht Berlin-Brandenburg zur Bildung aus der vorherigen Woche - geben eindeutig Auskunft dahin gehend, dass ein Hochschulstudium bzw. eine akademische Ausbildung im Berufsleben Vorteile hat. Nicht nur die Verdienstmöglichkeiten sind höher, sondern vor allem ist die Gefahr, arbeitslos zu werden, wesentlich geringer.
Nicht zu unterschlagen ist auch, dass die Studienzeit eine einzigartige Zeit ist. Für die Persönlichkeitsbildung ist sie außerordentlich prägend. Die sogenannten akademischen Lehr- und Wanderjahre sind nicht nur für die persönliche Entwicklung, sondern auch für das Berufsleben von unschätzbarem Wert. Dabei gilt es weiterhin, die gefühlten Hürden abzubauen, die es noch immer vor dem Studium gibt.
Heute kann jeder studieren, der die Befähigung dazu hat. Unterstützungssysteme wie das BAföG, Stipendien oder auch Bildungskredite stehen zur Verfügung. Die Werbemaßnahmen insbesondere in Brandenburg sind gut und werden weitergeführt. Dabei ist es sinnvoll, dass sich Brandenburg gemeinsam mit anderen auf den Weg macht, ein umfassendes Stipendiensystem im Verbund vor allem mit anderen Bundesländern und dem Bund einzuführen, das leistungsstarke Studenten in größerem Maße unterstützt.
Darüber hinaus ist in Brandenburg mit der letzten Hochschulgesetznovelle das Studieren ohne Abitur eingeführt worden. Diesbezüglich habe ich noch immer meine Bedenken; dennoch werden wir prüfen, ob sich das bewährt. Dies ist auch ein guter Weg, der geprüft wird; denn derjenige, der eine ordentliche Berufsausbildung und Berufserfahrung hat und sich auf den Weg zu einer Hochschule oder Universität macht, wird mögli
cherweise genügend Ehrgeiz und Willen besitzen, dieses Studium durchzuziehen und erfolgreich zu beenden.