Als Erstes begrüßen wir unsere Gäste vom Sally-Bein-Gymnasium Beelitz. Herzlich willkommen im Landtag und einen interessanten Vormittag für Euch!
Als Zweites und nicht minder herzlich beglückwünschen wir den Abgeordneten Bochow, der heute seinen Geburtstag bei uns verbringen darf. Viel Freude dabei!
Gibt es zum vorliegenden Entwurf der Tagesordnung Bemerkungen? - Wenn das nicht der Fall ist, lasse ich darüber abstimmen. Wer nach dieser Tagesordnung verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung in der vorliegenden Form angenommen.
Wir müssen heute ab 16.30 Uhr auf Minister Junghanns verzichten, der in bewährter Weise von Ministerin Prof. Dr. Wanka vertreten wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wären Sie am vergangenen Samstag bei dem Aktionstag der „KitaInitiative Brandenburg“ dabei gewesen, hätten Sie einen richtigen Motivationsschub für Ihr parlamentarisches Handeln bekommen.
Die aus mehreren Landkreisen angereisten Erzieherinnen, Leiterinnen, Eltern und Kinder haben im in Lehmbauweise errichteten „Kindergarten Eden“ - übrigens eine der schönsten Kitas, wie ich meine -, dessen Träger die Eden-Genossenschaft ist, nur so gesprüht vor phantasievollen Ideen. Auch wilde Entschlossenheit war zu spüren und, meine Damen und Herren Abgeordnete, Lust auf Demokratie. Mehr Zeit, mehr Zuwen
dung, mehr Bildung, mehr Erzieherinnen und Erzieher für unsere Kinder - das ist der Slogan dieser Kita-Initiative, die seit dem Frühling vergangenen Jahres existiert. Die inzwischen in mehreren Landkreisen verwurzelte Initiative fordert die Verbesserung des Betreuungsschlüssels für null- bis dreijährige Kinder auf 1 : 5, für Kinder bis zu sechs Jahren auf 1 : 8, für Hortkinder auf 1 : 18.
Darüber hinaus sollen Zeiten für die mittelbare pädagogische Arbeit sowie Urlaub, Krankheit und Weiterbildung bei der Berechnung des Betreuungsschlüssels beachtet werden. Ab 100 Kindern in einer Einrichtung soll eine Leiterin freigestellt werden, wie es in Sachsen im Übrigen längst üblich ist.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, wären Sie am Sonntag dabei gewesen, hätten Sie Erzieherinnen erlebt, die gekämpft haben - nicht für sich um eine höhere Vergütung, sondern aus einer hochmotivierten Haltung zu ihrem Beruf, zu der Aufgabe, die ihnen übertragen wurde und deren Erfüllung angesichts der Rahmenbedingungen immer schwieriger wird. Dort war am Samstag ganz viel Wärme und eben das, was man Berufsethos nennt, zu spüren.
In Ihren Wahlkreisen werden demnächst Wanderwunschzettelboxen auftauchen. Es wird Sternmärsche, Lichterketten und andere bunte Aktionen geben. Im Juni werden zwei große Veranstaltungen auf uns warten. Herr Ministerpräsident Platzeck hat schon Tausende Briefe zu diesen Forderungen beantworten dürfen.
Dann gibt es noch eine bemerkenswerte Kampagne der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege unter dem Titel: „Kita ist Bildung. Erst gut für mich, dann gut für Dich. Jetzt investieren statt später reparieren“.
Ein neugierig-erwartungsvoll fröhliches Mädchen schaut uns inzwischen in vielen Kitas und öffentlichen Einrichtungen entgegen - erwartungsvoll eben.
Die Vertreterinnen der LIGA der Spitzenverbände haben sich mit dem Papier „Neue Herausforderungen in Kindertageseinrichtungen - Standortbestimmung der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege“ an alle Fraktionen und an den Bildungsausschuss gewandt. Die Forderungen entsprechen in etwa denen der „Kita-Initiative Brandenburg“. Die LIGA der Spitzenverbände fordert zusätzlich - das ist aus der Sicht der Träger, die das ja insbesondere betrifft, sehr richtig und auch nachvollziehbar - den Ausbau des Systems der Praxisberatung, sodass eine Praxisberaterin auf 1 000 Kinder kommt - diese Relation gilt im Übrigen schon in Mecklenburg-Vorpommern und auch in anderen Bundesländern -, und das mit einer Personalkostenförderung von 84 %, die für Erzieherinnen schon gilt.
Wunderbarerweise haben sowohl die Kita-Initiative als auch diverse regionale Initiativen und auch die Kampagne keine Berührungsprobleme miteinander. Im Gegenteil, sie befruchten und ergänzen sich. Dem Vernehmen nach haben alle demokratischen Parteien dieses Hohen Hauses sowohl ihr Verständnis als auch ihre Zustimmung zu den Forderungen signalisiert.
Nun haben Sie, meine Damen und Herren, und wir einen Diskurs in den eigenen Reihen, wie das alles umgesetzt werden kann. Inzwischen hat der Landesjugendhilfeausschuss auf Vorschlag des Unterausschusses Kita einen einstimmigen Beschluss herbeigeführt, der das Anliegen der Initiativen und der Kampagne unterstützt. In Potsdam und in anderen Städten gibt es Beschüsse der Stadtverordnetenversammlung zur Unterstützung dieser Initiativen und Kampagnen.
Seit Sonntag wissen wir, dass die SPD zumindest einen ersten Schritt zu gehen bereit ist. Nachdem Sie unseren Anträgen im Mai und im Juni des vergangenen Jahres noch nicht folgen konnten, haben Sie in Aussicht gestellt, die Betreuungsrelation im Krippenbereich von 1 : 7 auf 1 : 6 verbessern zu wollen. Das begrüßen wir natürlich. Jeden Euro, den Sie zur Verbesserung der Qualität einsetzen wollen, begrüßen wir auch als richtige Investition in die Köpfe. Wir stellen uns nur die Frage, ob es nicht mit diesem ersten Schritt etwas schneller gehen könnte.
Es gibt seit der Einführung des Elterngeldes einen inzwischen signifikant höheren Anteil von jüngeren Kindern in den Kindertagesstätten. Auch bei den Null- bis Dreijährigen geht es um mehr als um satt, sauber und trocken. Bildung passiert von Anfang an. Die kleinen Weltentdecker und Lerner brauchen gerade in diesem Alter pädagogische Begleitung und natürlich ganz viel Bindung. Nach Ihren Plänen, meine Damen und Herren von der SPD, würden alle jetzt zwei- und dreijährigen Kinder nichts mehr von der Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation haben. Sie würden also nicht in den Genuss dieses von Ihnen angekündigten Projektes kommen.
Die Erzieherinnen für diese Maßnahme sind vorhanden. Schließlich arbeiten fast alle Erzieherinnen hier in diesem Land nur auf Teilzeitstellen mit einem Volumen bis zu 30 Stunden in der Woche. Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, geben Sie sich einfach einen Ruck! Spannen Sie ein kleines Rettungsschirmchen auf! Stimmen Sie heute Nachmittag unserem Antrag auf einen Nachtragshaushalt zu! Das hoffe ich zumindest. Das wäre ein wichtiges Signal.
Immerhin bekommt das Land 57 Millionen Euro vom Bund für den Ausbau der Kindertagesstätten im Bereich der Null- bis Dreijährigen. Um den Rechtsanspruch für diese Null- bis Dreijährigen gewährleisten zu können, wird es ein großes Investitionspaket geben. Die Kommunen werden einen Großteil der Mittel aus dem Konjunkturpaket II für die Kitas aufwenden. Das ist schon überall signalisiert worden.
Die Linke unterschätzt die pädagogische Funktion von Räumen nicht. Entscheidend aber ist doch, was in ihnen passiert. Alle Pädagogik ist vor allem Beziehungsarbeit.
Weil das so ist, darf es bei der Verbesserung der Betreuungsrelation für die unter Dreijährigen nicht stehen bleiben. Es muss zumindest einen Stufenplan geben, der den schon genannten Forderungen entspricht und festlegt, wann das passiert. Einen entsprechenden Antrag werden wir in diesem Zusammenhang mit der Entscheidung zu den diesbezüglichen Petitionen noch heute Abend zur Abstimmung bringen.
Die Linke strebt einen Schlüssel von 1 : 10 im Bereich der Dreibis Sechsjährigen an, und das schon für den nächsten Haushalt. Das entspricht dem Berliner Schlüssel. Wir wollen schließlich eine Bildungsregion werden. Wir müssen dann auch nicht die Abwanderung von Erzieherinnen nach Berlin befürchten. Die können wir uns übrigens angesichts des kommenden Fachkräftebedarfs und wegen dieser sehr ungünstigen Alterspyramide ohnehin nicht leisten. Im Speckgürtel ist dies aber jetzt schon ein Thema. Die Erzieherinnen gehen nicht nach Berlin, weil sie dort mehr verdienen, sondern weil dort die Arbeitsbedingungen besser sind. Sie haben gesehen: Gestern hat Herr Zöllner noch einmal etwas draufgelegt. Wir werden schon Not haben, unsere Erzieherinnen im berlinnahen Raum in unserem Land zu halten.
In der Altersgruppe der Drei- bis Sechsjährigen sind die Herausforderungen bezüglich der Grundsätze elementarer Bildung, der Sprachförderung, der Elternarbeit, der Teamberatungen, der Vor- und Nachbereitungen besonders hoch.
Herr Ministerpräsident, Herr Baaske, Herr Minister Rupprecht, Sie als SPD haben gestern eine „Prima-Klima“-, „Wir sind auf einem guten Weg“-Veranstaltung gemacht, die auch ganz gut besucht war. Sie haben von Herrn Prof. Baumert ins Stammbuch geschrieben bekommen, dass wir uns insbesondere um die Risikogruppen kümmern müssen. Sie haben auch von sich aus in Ihrem Eckpunktepapier erklärt, dass Sie eine Halbierung der Anzahl der Schüler vornehmen wollen, die keinen Abschluss schaffen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das geht in der Kindertagesstätte los.
Das, was wir dort für die Null- bis Sechsjährigen investieren, müssen wir dann nicht in irgendwelche Aussteigerprogramme, Ostercamps usw. stecken. Das wäre richtig angelegtes Geld.
Jetzt gibt es noch die Problematik der Leiterinnen. An die Leiterinnen - einige von ihnen sitzen heute im Publikum - sind in den letzten Jahren erheblich höhere Anforderungen gestellt worden, ohne dass es irgendeinen Ausgleich gab. Zum Glück sind unsere Kita-Leiterinnen dennoch hoch motiviert, betreiben eine Selbstausbeutung, die sie oft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führt. Darüber haben wir in diesem Haus schon mehrfach debattiert. Jetzt muss gehandelt werden.
Das Kita-Personal ist in Vorleistung gegangen. Die Eltern haben bisher mit großem Verständnis reagiert. Dieser Vorrat an Vertrauen und Kraft ist nun aufgebraucht. Wir sind gefordert zu handeln - alle, die wir hier sitzen. Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge und weitergehenden Angebote. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Große! Völlig richtig hat die Linke in ihrem An
tragsschreiben zur Aktuellen Stunde „Kita-Initiativen ernst nehmen“ erkannt, dass parteiübergreifend Einigkeit herrscht, was die herausragende Bedeutung der frühkindlichen Entwicklung und Bildung unserer Kinder und Jugendlichen betrifft.
Wir sind uns in der Sache aber immer uneins, wenn es um die Situation und die Darstellung im Lande geht. Ich möchte versuchen, Ihnen die Sichtweise meiner Fraktion und sicherlich auch die der Koalition dazu deutlich werden zu lassen.
Wenn es darum geht, die demografische Entwicklung zu steuern und den Kindern einen optimalen Start in ihr Leben zu ermöglichen, ist die flächendeckende Kindertagesbetreuung aus dem Instrumentenkasten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht mehr wegzudenken. Wenn es darum geht, die gesellschaftliche Mehrheit in Deutschland für eine moderne Familienpolitik über den Krippenausbau hinaus zu sensibilisieren und zu wandeln, ist das nur möglich, weil sich auch die Sozialdemokraten hier in Brandenburg seit 19 Jahren genau dieses Themas angenommen und die frühkindliche Bildung und Erziehung in den Fordergrund gestellt haben. Der Erfolg des Krippengipfels auf Bundesebene ist nicht zuletzt der Anstrengung aus Brandenburg zu verdanken. Viele Millionen fließen über diesen Weg in den Haushalt von Brandenburg und dankenswerterweise auch in die Kita-Infrastruktur.
Kinder und die Qualität von Bildung und Erziehung sind in Brandenburg seit der Gründung des Landes zentrales politisches Thema. Ganz konkret bedeutet das, dass 43,3 % der Knirpse unter drei Jahren und fast 94 % der über Dreijährigen in Brandenburg betreut werden. Da ist das „Rettungsschirmchen“ aus meiner Sicht nicht die Lösung, sondern das muss dann schon ein großes Zelt sein, was dafür erforderlich ist.