Meine Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Plenarsitzung des Brandenburger Landtages. Zu Beginn der Sitzung begrüße ich unsere gegenwärtigen Gäste: Schülerinnen und Schüler des Oberstufenzentrums aus Werder. Herzlich willkommen und einen interessanten Vormittag für euch!
Für 11 Uhr sind mir Mitglieder des Seniorenbeirats Cottbus angekündigt worden. Wenn ich es richtig sehe, sind Sie bereits anwesend. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!
Ich habe Ihnen mitzuteilen, dass der Abgeordnete Otto Theel mit Ablauf des 22.05.2008 sein Mandat im Landtag Brandenburg niedergelegt hat.
Ihnen liegt mit der Einladung die heutige Tagesordnung vor. Gibt es zu dieser Tagesordnung Anmerkungen? - Bitte, Frau Hesselbarth, zur Geschäftsordnung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich habe einen Antrag zur Geschäftsordnung. Ich stelle hiermit den Antrag, den Antrag der DVU-Fraktion mit der Drucksachennummer 4/6231 auf die heutige Tagesordnung der Plenarsitzung - der 67. Plenarsitzung setzen zu lassen. Gemäß § 42 der Geschäftsordnung des Landtages ist dieser Antrag frist- und formgerecht eingegangen. Ich verweise auf § 66 Abs. 2 der Geschäftsordnung, in dem es heißt:
Ihr Antrag ist zweifellos zulässig. Das Präsidium legt einen Entwurf der Tagesordnung vor. Das Plenum entscheidet über die Tagesordnung. Ich lasse über Ihren Antrag, die Tagesordnung zu verändern, abstimmen. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Somit bleibt der vorliegende Tagesordnungsentwurf zur Abstimmung bestehen.
Ich lasse über den Entwurf der vorliegenden Tagesordnung abstimmen. Wer nach ihr verfahren möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen und bei einigen Gegenstimmen ist die Tagesordnung hiermit angenommen.
Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Frau Abgeordnete Kaiser hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Auf dem Weg der direkten Demokratie haben Bürgerinnen und Bürger mit ihren Unterschriften das Land in Sachen Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit in den letzten Monaten ein Stück vorangebracht. Das Sozialticket ist da, die kostenfreie Schülerbeförderung ermöglicht, und zwar durch erfolgreiche Volksinitiativen.
Die Volksinitiative „Keine neuen Braunkohletagebaue - für eine zukunftsfähige Energiepolitik des Landes“ kann auf deutlich mehr als die notwendige Mindestzahl an Unterstützerinnen und Unterstützern verweisen. Die Bürgerinnen und Bürger drängelten dort, wo regierende Politik sich festgefahren hatte. Die Koalition wollte die Notwendigkeit sozialer Korrekturen nicht sehen. Sie versuchte auch, die Stimmen der Menschen vor Ort oder der Wohlfahrtsverbände zu überhören, aber sie hat sich bewegen müssen. Wir haben uns gemeinsam bewegt.
Draußen vor den Türen des Landtages wird wieder getrommelt und gepfiffen. Dabei geht es um den Erhalt von Schulstandorten. Das sollten wir ernst nehmen.
Meine Fraktion hat diese Aktuelle Stunde beantragt, damit Regierung und Koalition nunmehr weiter die Anliegen aufnehmen, welche die Bürgerinnen und Bürger bewegen. Sie haben sich bei den Problemen der Armut - Stichwort „kostenfreies Mittagessen“ -, der Energie- und Abwasserpolitik bisher aber eher treiben lassen.
Die Volksinitiativen verlangen auch, dass Sie einander nicht länger blockieren, meine Damen und Herren der Koalition, sondern dass Sie im Sinne solidarischer Mehrheiten im Land jetzt das entscheiden, was zu entscheiden ist.
Durch das Umfrageinstitut Emnid wissen wir, dass gut drei Viertel der Brandenburgerinnen und Brandenburger das Sozialticket für wichtig bis sehr wichtig halten. Das ist nun wirklich die Mehrheit. Die Anhänger der Fraktionen DIE LINKE und SPD unterscheiden sich in dieser Frage übrigens kaum. Auch bei der Union sehen das fast zwei Drittel so.
Leider haben auch Vertreter dieses Landtages der betreffenden Volksinitiative schon einmal unterstellt, sie sei populistisch
oder lasse sich gar von einer Partei missbrauchen. Geschenkt! Fakt ist: Hier steht der überwiegende Teil der Bevölkerung für ein Anliegen, das zwar über die Haushalte alle mitfinanzieren, das aber nur 275 000 Menschen zugute kommt. Das zeigt einfach, dass die Brandenburgerinnen und Brandenburger die Solidarität nach wie vor als großen Wert ansehen. Dabei geht es eben nicht um Almosen, sondern um Chancengleichheit. Nicht nur unsere Kinder, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, sondern auch die 70 000 Kinder in den Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften, die Kinder der 187 000 Arbeitslosen und die Kinder der fast 65 000 „Aufstocker“ sollen sich bewegen und am Leben teilhaben können. Es geht, wie gesagt, um eine materielle Basis, die ermöglicht, selbstbestimmt zu leben. Dass die Menschen im Land so denken, dass sie solidarisch sind, zeigt ihr soziales Gewissen und ihre politische Verantwortung.
Wir als DIE LINKE sagen: Gut, dass wir in dieser Frage die Landesverfassung haben. Das in ihr vorgesehene dreistufige Verfahren der Volksgesetzgebung hat es ermöglicht, den mehrheitlichen Willen durchzusetzen, auch wenn sich die parlamentarische Mehrheit dem zunächst widersetzte. Doch am Ende hat sich nun gezeigt, dass die Demokratie in unserem Land funktioniert und dass es sich für jeden lohnt, sich einzubringen und zu engagieren. So muss Politik- und Demokratieverdrossenheit ja wohl nicht entstehen. Das ist ein guter Befund, den wir gemeinsam achten und vertreten sollten.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der SPD-Landesvorstand bekannte sich mit dem Beschluss vom 23. Februar 2008 zu einer Politik der solidarischen Mehrheit in Brandenburg. Ich weiß durchaus: Ohne dies wäre der Durchbruch im Parlament zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Leider aber ist am Ende von dem Sozialpaket in mancher Hinsicht nur ein Sozialpäckchen übrig geblieben. Wir von der Fraktion DIE LINKE bedauern jeden Quadratzentimeter politischen Terrains, den die Sozialdemokraten ihrem Koalitionspartner zuliebe wieder geräumt haben.
Es steht jedoch folgende Frage im Raum: Warum geht im Land nicht das, was Sie, verehrte Frau Ministerin Wanka, in dieser Woche im Landkreis Dahme-Spreewald verkündeten? - Sie sind doch für das ganze Land zuständig und nicht nur für Ihren Wahlkreis. Freilich: Ohne dessen finanzielle Kraft - unter anderem durch den Großflughafen BBI - wäre dieser Landkreis wohl nicht in der Lage, solche Leistungen zu finanzieren: elternbeitragsfreie Schülerbeförderung, kostenloses Mittagessen, mehr Kita-Erzieherinnen und eine Entlastung der Kommunen. All dies ist doch aber im ganzen Land wichtig; auch in den finanzschwächeren Kreisen. Wir wissen: Nur ganze sechs Landkreise haben ausgeglichene Haushalte.
Es sollte also im ganzen Land Realität sein. Das ist das Verfassungsgebot. Verantwortlich dafür ist die Landespolitik. Und der Landkreistag warnt nicht ohne Grund bereits heute vor einem sozialen Flickenteppich.
Auf der Landesebene sind Sie, meine Damen und Herren von der CDU, die entscheidende Bremse, wenn es um ein sozial gerechtes Brandenburg geht. Wenn Sie das jetzt empört, dann tun Sie bitte nicht so, als habe es Ihre „Wulkower Erklärung“, Ihren Gegenentwurf zur SPD-Linie einer „Politik für eine solidarische Mehrheit in Brandenburg“ nicht gegeben! Und Sie, meine Damen und Herren von der SPD, erinnern Sie sich auch daran, wie sehr Sie in Land und Bund beim Mindestlohn blo
Meine Damen und Herren, nichts gegen Pluralismus: Auch in unserer eigenen Partei ist es gut, dass nicht immer alle derselben Meinung sind. Aber unterschiedliche politische Auffassungen müssen dann in der Konsequenz auch produktiv gemacht werden, also in Entscheidungen münden. Da müssen Sie einfach einmal zu Potte kommen!
Man muss die realen Probleme sehen und lösen wollen. Es könnte ja sein, dass auch die politischen Konkurrenten nach Antworten auf diese realen Probleme und Fragen suchen. Nehmen wir zum Beispiel die Energiedebatte. Nun kennen wir ja endlich die Energiestrategie des Landes, aber immer noch keinen Plan B. Sie klammern sich regelrecht an die Technologie der CO2-Abscheidung. Die mag ja auch gelingen. Aber das Problem der Atomenergie in Deutschland waren nicht nur die Reaktoren, die Technik, sondern nicht minder die Endlagerung. Auch bei der Braunkohle haben Sie noch das Problem der Endlagerung riesiger Mengen Kohlendioxid. Meine Damen und Herren, wollen Sie sich wirklich zum Gefangenen dieser einen Option machen? Sicher ist Vattenfall ein strukturbestimmendes Unternehmen, ein ökonomisch, sozial und kulturell wichtiger Faktor im Süden des Landes. Auch die Gewerkschaft BCE sagt dazu: So ist das und so bleibt das.
Das ändert aber nichts daran - und Sie wissen das -, dass Sie im Land mit dieser einseitigen Konzeption keine Mehrheit haben. Wenn die Menschen im Lande sich entscheiden müssen, ob sie a) den mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohle bei gleichzeitigem Umstieg auf Wind- und Sonnenenergie oder andere alternative Energien bevorzugen oder ob sie b) Ihnen folgen und für die weitere Nutzung der Braunkohle sind - wenn denn die Kohlendioxidabscheidung gelänge -, dann steht es ziemlich klar 60 zu 40 zugunsten der jetzigen Volksinitiative. Unentschlossen ist da kaum jemand.
Machen Sie sich nichts vor: Es gibt im Land keine ernsthafte Spaltung in einen angeblich braunkohlenahen Süden und braunkohlefernen Norden! Die Spaltung geht durch die Kohleregion. Die einen haben ihre Arbeit in der Kohle, die anderen das Häuschen auf der Kohle. Aber am Ende geht es immer um Kohle. Es geht aber auch darum, die Kirche im Dorf zu lassen, und das ist seit Horno in Brandenburg nicht mehr sicher.
Uns allen ist wohl klar: Die energiepolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre werden auch in Brandenburg gewaltig und ohne einen neuen gesellschaftlichen Konsens - vor Ort und im Land - nicht zu lösen sein. Die Volksinitiative „Keine neuen Tagebaue“ hatte deswegen das Gespräch mit der Landesregierung gesucht und sucht es noch immer. Bislang leider ohne Ergebnis. Herr Ministerpräsident, geben Sie sich einen Ruck!
Meine Damen und Herren, es bringt den Leuten in der Region nichts, wenn wir uns hier im Parlament sauber nach der Geschäftsordnung streiten oder die Volksinitiative einfach abschmettern. Wir sagen: Es braucht einen brandenburgischen Energiedialog - ernsthaft und offen.
Dies ist für meine Fraktion der geeignete Rahmen dafür, für die eigene Position zu werben und zugleich gemeinsam ein Stück klüger zu werden. Lassen Sie uns daran jetzt arbeiten und vor allem rechtzeitig beginnen; denn: Jetzt ist das Fenster für diesen Dialog offen. Wird jetzt nicht gesprochen, kann es sich auch wieder schließen. Diese Blockade wird wohl - wie gehabt niemand wollen. Nötig ist unserer Meinung nach ein Aufbruch.
Diesen Aufbruch braucht es, meine Damen und Herren, auch in der Abwasserfrage. Wir werden das heute noch im Einzelnen diskutieren. Hier nur so viel: Wir haben es aktuell ja nicht allein mit den Folgen eines schlecht gemachten Gesetzes zu tun, sondern stoßen wieder einmal auf die kostentreibenden Fehler der frühen 90er Jahre, etwa den Bau überdimensionierter Kläranlagen, der weder die Bevölkerungsentwicklung noch den Wasserverbrauch realistisch eingeschätzt hatte.
Wir sehen doch: Die Landespolitik ist hier schon seit Jahren Getriebene, und jetzt ist durch das Gerichtsurteil alles noch einmal schlimmer geworden. Mit dem Hin- und Herschieben des Problems zwischen einem SPD- und einem CDU-Ressort wird es nicht besser. Die Gesamtsituation müssen wir in den Griff bekommen. Wir brauchen eine Landesoffensive für einen sozial verträglichen Umbau der Wasser- und Abwasserwirtschaft in Brandenburg. Sie wird Zeit und Geld kosten, und zwar das Geld der Bürgerinnen und Bürger, der Steuerzahler. Deswegen müssen wir hier offener und ehrlicher - vor allem seitens der Politik - einen selbstkritischen Dialog an den Anfang stellen; denn sonst wird es dafür keine Akzeptanz geben.
Zugleich muss auch aufhören, dass einzelne Gruppen von Betroffenen per Einsatz von Polizei zu Anschlüssen gezwungen werden, die zumindest umstritten oder ökologisch absurd sind. Bürgern, die bereits seit Jahren angeschlossen sind, und Unternehmen, denen Beitragsforderungen in teilweise zweistelliger Millionenhöhe drohen, muss durch eine vernünftige Stichtagsregelung die Angst vor inakzeptablen und hohen, nicht eingeplanten Kosten oder gar vor dem Ruin genommen werden.
Meine Damen und Herren, gerade jetzt, vor den Kommunalwahlen ist es wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger sehen und spüren, dass sie mit ihren Forderungen, ihrem Druck die Politik bewegt haben. Die Politik ist in Bewegung gekommen. Lassen Sie uns jetzt dringend die Dinge anpacken, die noch offen sind.
In der Tat ist noch einiges offen. Armut und Armutsgefahren sowie der Mindestlohn sind in aller Munde. Für 80 % der Brandenburger - das wissen wir - ist Auftrag Nummer 1 der Politik: für Arbeitsplätze sorgen, von denen man leben kann. Kinder- und Altersarmut brennen uns gemeinsam auf der Seele. Aber es hilft kein Verschiebebahnhof über den Bundesrat. Sie haben für die ganze Hartz-IV-Reform 16 Monate gebraucht. Sie werden wahrscheinlich länger als ein Jahr brauchen, um den Regelsatz für Kinder zu erhöhen. Das kann doch wohl nicht wahr sein!
Wir Linken unterstützen deshalb die Bildung einer Brandenburger Landesarmutskonferenz, wie sie für Freitag vorgesehen ist, und wir teilen die Auffassung der Begründer, dass so ein
breites, von unterschiedlichen Kräften getragenes Bündnis entsteht, das politisches und auch moralisches Gewicht besitzt.