Ingeborg Kolodzeike
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Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Frau Lehmann, um noch einmal die „fahrenden Züge“ zu bemühen, stelle ich die Frage: Wer springt jetzt auf diesen?
Aber lassen Sie mich zuerst zu dem kommen, worüber ich im Vorfeld nachgedacht habe. Ehrlich gesagt, war ich in der vergangenen Woche schon ein wenig erschrocken über die demokratische Kultur, die vonseiten der Koalition gepflegt wird, und darüber, dass sie ausgerechnet bei einem behindertenpolitischen Thema praktiziert wird.
Seit dem 27. Februar 2007 liegt dem Landtag ein Antrag der Fraktion der Linkspartei/PDS zur UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen vor. Im Ausschuss wurde die Behandlung auf Bitten der Koalition wiederholt verschoben. Nun kommt aus dem kurzen Halt ein Antrag der Koalition, etwas abgeschwächt im Vergleich zu dem meiner Fraktion, aber in der Intention durchaus richtig. Ich empfinde das als eine sehr schlechte Kultur.
Aber ich möchte die Gelegenheit vor allem nutzen, um noch einmal die Position der Linken zur UN-Konvention und zu ihrer Umsetzung darzulegen. Die Behindertenpolitik und das Behindertenrecht haben sich weltweit in den letzten Jahren grundsätzlich verändert. Es stehen nicht mehr nur die physischen oder geistigen Defizite von Menschen mit Behinderungen im Vordergrund, sondern ihr Potenzial zur Beteiligung am gesellschaftlichen Leben. Die Gewährung ihrer sozialen Menschenrechte ist entscheidend. Mit dieser Konvention werden für Menschen mit Behinderungen erstmals rechtsverbindliche und weltweit geltende Prinzipien aufgestellt. Die Vereinten Nationen wollen die Beeinträchtigungen behinderter Menschen endlich als Bereicherung der kulturellen Vielfalt unserer Gesellschaft verstanden wissen.
Dazu gehört ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben mit alternativen Lebens- und Kommunikationsformen.
Der Anspruch ist hoch und der Weg ist richtig. Aber wir Politikerinnen und Politiker müssen ihn auch konsequent gehen. Solange Menschen mit Behinderungen ständig in Erklärungsnot geraten oder sich dafür rechtfertigen müssen, dass sie besondere Bedingungen bei der Bewältigung des Alltags benötigen, so lange können und dürfen wir nicht von einer gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen reden.
Immerhin werden durch Barrieren und finanzielle Hürden mehr als 10 % der Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.
Nun zur Behindertenpolitik in unserem Land: Natürlich hat sich auch bei uns schon einiges bewegt. Nur: Die Reichweite der Veränderungen ist eindeutig zu kurz. Entscheidungen dür
fen nicht nur vom Geld abhängig gemacht werden. Im Vordergrund muss für uns stehen, die Ausgrenzung behinderter Menschen zu beseitigen.
Ich erinnere an die Bilanzveranstaltung „5 Jahre Landesgleichstellungsgesetz“. Die UN-Konvention zwingt uns auf jeden Fall zum politischen Handeln.
Meine Damen und Herren der Koalition, ich frage Sie: Warum wollen Sie die Arbeitsgruppe nicht, wie wir sie in unserem aktualisierten Antrag im Juni im Fachausschuss vorgeschlagen haben? Wer, wenn nicht die behinderten Menschen selbst, sind die Experten in der Behindertenhilfe und Barrierefreiheit?
Sie jedoch wollen in Ihrem Antrag, Punkt 2, nur, dass darauf hingewirkt wird, die Verbände behinderter Menschen im Prozess zu beteiligen. Wir hingegen fordern darüber hinaus eine echte Beteiligung und Mitsprache der Betroffenen. Der Landesbehindertenbeirat kann nicht nur, sondern er muss die Möglichkeit haben, Fachleute aus den betroffenen Verbänden in diese Arbeitsgruppe zu entsenden.
Warum wollen Sie nicht, dass die Arbeitsgruppe über das Landesgleichstellungsgesetz hinaus auch andere Gesetze wie das Schulgesetz auf ihre Vereinbarkeit mit der UN-Konvention prüft? Warum sind Sie in Ihrem Antrag nicht so konsequent und geben einen Fahrplan zur Erarbeitung und Umsetzung eines Konzepts vor?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie doch endlich auf, nur symbolische Politik zu betreiben!
Machen wir endlich Nägel mit Köpfen und erarbeiten einen Teilhabeplan, der das Leben behinderter Menschen tatsächlich lebenswerter und selbstbestimmter macht!
Ich möchte an eine Radiowerbung anknüpfen und erlaube mir, den Damen und Herren der Regierungsbank einen bildhaften Vorschlag zu machen: Wenn wir künftig gemeinsam ein bisschen öfter Rollstuhl fahren würden, dann könnten wir endlich mehr Schwung in die Behindertenpolitik unseres Landes bekommen. Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie: Wir stehen in der Verpflichtung des Grundgesetzes und unserer Landesverfassung. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ich gebe Ihnen gern Folgendes mit auf den Heimweg:
„Nicht behindert zu sein ist kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das einem jederzeit genommen werden kann.“
Das ist ein Zitat von Richard von Weizsäcker. - Danke.
Ich möchte gern mein Verhalten, mich bei der Abstimmung über den Antrag der Koalition zu enthalten, erklären. Den Inhalt trage ich grundsätzlich mit. Dem Antrag habe ich jedoch nicht zugestimmt, weil ich es für unverzichtbar halte, dass ein solcher Antrag an den zuständigen Fachausschuss überwiesen wird, um auf dem Wege einer Anhörung die Kompetenz von Vereinen und Verbänden einzubeziehen.
Damit vergeben Sie sich schon die erste Chance, die betroffenen Verbände in den Prozess einzubinden.
Frau Schier möchte ich ganz kurz sagen: Darüber, wer sich hier wofür schämen muss, sollte sie bitte noch einmal nachdenken. - Danke schön.
Die längst überfällige Erhöhung des Wohngeldes war bereits mehrfach Thema parlamentarischer Debatten. Am 23. Mai 2008
stimmte der Bundesrat der insoweit geplanten Gesetzesänderung nicht zu. Nun muss der Vermittlungsausschuss tätig werden.
Ich frage daher die Landesregierung: Welche Gründe waren dafür ausschlaggebend, der Gesetzesänderung nicht zuzustimmen?
Frau Ministerin, Sie kennen sicherlich die Statistik der Arbeitsagentur. Für den Zeitraum März bis November dieses Jahres gab es einen Anstieg der Zahl der schwerbehinderten Arbeitsuchenden von rund 7 %. Meine Frage hierzu lautet: Wird es im Land Brandenburg eigene und stetige Landesprogramme geben, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?
Frau Präsidentin, zunächst möchte ich mich dafür bedanken, dass der Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers heute hier vor Ort ermöglicht wurde.
Am 26. Oktober 2007 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in zwei Musterurteilen entschieden, dass bei der Beschulung behinderter Kinder in einer Regelschule das Sozialamt einen Integrationshelfer finanzieren muss, wenn eine Einweisung des Schulamts für die Regelschule existiert. Der Sozialhilfeträger muss diesen Integrationshelfer auch finanzieren, wenn dabei mehr Kosten als bei einer Beschulung in der Förderschule entstehen. Im Maßnahmepaket für Familien- und Kinderfreundlichkeit hat sich die Landesregierung ebenfalls vorgenommen, eine wohnortnahe und integrative Beschulung behinderter Kinder zu fördern.
Ich frage daher die Landesregierung: Welche gesetzliche Regelung wird sie nach den Musterentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts treffen, um eine integrative Beschulung behinderter Kinder - gegebenenfalls mit Unterstützung eines Einzelfallhelfers - abzusichern, ohne dass die Eltern auf den jahrelangen Klageweg durch die Instanzen gegenüber dem Sozialhilfeträger verwiesen werden?
Frau Ministerin, überall steht zwar, dass eine gemeinsame Beschulung Vorrang haben soll. Unterhöhlen wir dies nicht, indem wir den Halbsatz anfügen: „immer vorausgesetzt, die sächlichen, personellen und baulichen Bedigungen sind vor Ort vorhanden“? Ich vermute, dass sich die Kommunen darauf zurückziehen werden.
Herr Minister, sind in dem Vertrag zwischen dem Land Brandenburg und der Deutschen Bahn Vereinbarungen festgeschrieben, die die Absicherung des Erhalts der Mobilität von bestimmten Reisegruppen - ich denke hierbei an Senioren und behinderte Menschen - regeln? Wenn es nicht der Fall sein sollte denken Sie dann über eine diesbezügliche Nachverhandlung nach?
Meine zweite Frage: Das Land Brandenburg steckt 260 Millionen Euro in die Sicherung eines attraktiven Angebots des Schienenpersonennahverkehrs. Ist es tatsächlich noch ein attraktives Angebot, wenn durch fehlendes Servicepersonal bzw. Zurückfahren von Servicepersonal bestimmte Reisegruppen von vornherein ausgeschlossen werden? Wenn so viel Geld dort hineinfließt - ist dann tatsächlich so wenig Einfluss gegeben, außer dass wir es bedauern und damit nicht zufrieden sind?
Herr Minister, die Angst der Eltern geht dahin, dass die Schulzeit für geistig behinderte Schülerinnen und Schüler sukzessive auf das 18. Lebensjahr reduziert werden soll. Dazu meine erste Frage: Vertun wir damit nicht die Chance - wie meine Kollegin Große schon gesagt hat -, die Schülerinnen und Schüler dann, wenn sie die Berufsvorbereitung bzw. die Berufsausbildung in den Werkstätten in dem Alter nicht schaffen würden, besser darauf vorzubereiten, dass ihnen dies letztendlich doch gelingt?
Meine zweite Frage: Stimmen Sie mir zu, dass dann, wenn diese jungen Menschen ab dem 18. Lebensjahr eventuell nicht mehr in der Schule für geistig Behinderte sind, die Kosten vom Land auf die Kommunen bzw. auf die Agentur für Arbeit verlagert werden?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heute zur Diskussion stehende Gesetzentwurf ist durch das zuständige Ministerium zu spät erarbeitet worden und, wie wir sehen, mit heißer Nadel gestrickt. Der Entwurf ist Stückwerk geblieben und bringt keine Verbesserung für die Menschen, bei denen der Hilfebedarf besteht - im Gegenteil: Während der gesamten Diskussion zu diesem Gesetzentwurf spielten die Probleme der betroffenen Menschen leider nur eine nachgeordnete Rolle.
In der Anhörung am 18. Oktober wurde von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Gesetzentwurf in seiner vorliegenden Fassung abgelehnt, vom Landkreistag ebenso wie von der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, von einzelnen Leistungserbringern und Einrichtungsträgern ebenso wie vom Sozialverband VdK und einzelnen Sozialdezernenten aus den Landkreisen. Es erschließt sich mir nicht, warum Zeit und Mühen für Anhörungen aufgebracht werden, wenn die Aussagen und Anregungen der angehörten Fachleute nun ignoriert werden.
Die Überlegungen der Landkreise, dieses Gesetz vom Verfassungsgericht auf seine Rechtsstaatlichkeit hin prüfen zu lassen, sind deshalb auch völlig verständlich.
Worum geht es im Einzelnen? - Sie wollen im Gesetz nicht festschreiben, dass die stationäre und teilstationäre Eingliederungshilfe sowie die Hilfe zur Pflege auf die örtlichen Träger
der Sozialhilfe übertragen wird, dies ausschließlich aus Angst vor dem Konnexitätsprinzip, dem das Land dann verpflichtet ist. Sie glauben, sich rechtlich aus der Anwendung dieses Prinzips herauswinden zu können, wenn Sie durch Weglassen die Übertragung vornehmen, und das, obwohl Sie wissen, dass dieser weggelassene Bereich der Sozialhilfe mehr als 90 % der Finanzmittel für die gesamte Behindertenhilfe des Landes bindet.
Wir haben vorgeschlagen, eine klare, ordnungspolitisch überschaubare Übertragung der stationären und teilstationären Eingliederungshilfe sowie der Hilfe zur Pflege auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe vorzunehmen. Daraus würden sich selbstverständlich gegenseitige Verpflichtungen zwischen Land und Kommunen ergeben, Verpflichtungen, die die Sicherung und Weiterentwicklung dieses Bereiches der Sozialhilfe im Interesse der behinderten und pflegebedürftigen Menschen gewährleisten.
Zweitens: Sie wollen nach § 4 des Gesetzentwurfs ein Instrument einsetzen, das Sie einen „Gemeinsamen Ausschuss“ nennen. Das ist ein zahnloser Tiger. Da der „Gemeinsame Ausschuss“ lediglich Empfehlungen geben kann, wird nicht gewährleistet werden, dass die 75 in der Brandenburger Kommission ausgehandelten Vereinbarungen zu landesweiten Standards und landeseinheitlichen Verfahrensweisen auch nach der Kommunalisierung erhalten bleiben. Das Argument der kommunalen Selbstverwaltung wird auch dieser „Gemeinsame Ausschuss“ zähneknirschend akzeptieren müssen: Der Ansatz ist gut, aber das Mittel ist leider zu schwach.
Wir schlagen vor, eine Dienststelle einzurichten, die die Sicherung der bislang zwischen dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Liga der freien Wohlfahrtsverbände vereinbarten Rahmenbedingungen und Standards gewährleistet. Sie soll, im Gegensatz zu einem „Gemeinsamen Ausschuss“, die Kompetenz erhalten, Rahmenverträge und andere Vereinbarungen für die örtlichen Träger abzuschließen. Dieser Dienstleister müsste mit dem Sozialministerium des Landes eng zusammenarbeiten, um eine landesweite Sozialplanung erstellen zu können. Gleichzeitig könnte er für die Kommunen als Dienstleister weitere Aufgaben wahrnehmen, zum Beispiel: Unterstützung der Kommunen beim Abschluss von Vereinbarungen nach §§ 75 ff., Vorhalten eines sozialpädagogisch-medizinischen Fachdienstes, Erarbeitung eines gemeinsamen oder zumindest vergleichbaren Controllings und Berichtswesens, Empfehlungen und Durchführung für die Fortbildung und Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, wollen Kosten und Verantwortung abschieben. Wir dagegen wollen im Interesse der Betroffenen die Gesamtverantwortung des Landes für die Behindertenhilfe nicht abgeben.
Es reicht uns nicht aus, dass mit den Landkreisen und kreisfreien Städten vertraglich vereinbart wird, ob landesweite und landeseinheitliche Standards in der Eingliederungshilfe weiter gelten werden oder nicht - aus Verträgen kann man austreten oder ihnen erst gar nicht beitreten -, weil die finanzielle Ausstattung für bisherige Standards den Kämmerern nicht auskömmlich erscheint oder ihnen eine niveauvolle stationäre und teilstationäre Behindertenhilfe zu teuer wird. Auf jeden Fall darf die Kommunalisierung nicht zulasten der Hil
feempfänger in teilstationären und stationären Einrichtungen gehen.
Drittens: Sie wollen den Landkreisen und kreisfreien Städten eine in den nächsten vier Jahren gleichbleibende Finanzmittelpauschale für die Erfüllung der durch Weglassen übertragenen Aufgaben zur Verfügung stellen. Völlig unbeachtet bleiben die vom MASGF kostenaufwendig beigebrachten Studien. Diese prognostizieren, dass die Fallzahlen im stationären und teilstationären Bereich jährlich um mindestens 3 bis 4 % anwachsen werden.
Sie wollen, völlig ungeachtet der tatsächlichen, unterschiedlichen Belastungen der Kommunen, durch die Kommunalisierung der Eingliederungshilfe sparen. Das ist Ihr Ziel. Sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung, warum sagen Sie es nicht auch so? Wie viele Demonstrationen brauchen Sie noch, um tatsächlich Politik für die Menschen in unserem Land zu machen? Sie sparen auf Kosten der Betroffenen und Kommunen. Anders ist die Verweigerung einer Dynamisierung nicht zu erklären.
Wir haben vorgeschlagen, im Zuge der Aufgabenübertragung die Landesregierung zu verpflichten, durch eine bedarfsgerechte jährliche Pauschale die Kosten für diese Sozialhilfemaßnahmen tatsächlich zu decken. Diese Pauschale wäre jährlich um 3 % zu erhöhen. Natürlich gehört die finanzielle Ausstattung der örtlichen Sozialhilfeträger, wie in der Anhörung mehrfach gefordert, in das Ausführungsgesetz und nicht in ein allgemeines Finanzausgleichsgesetz. Mit der Aufnahme in das Ausführungsgesetz zum SGB XII würden die finanziellen Verpflichtungen des Landes aus der Aufgabenübertragung klar und eindeutig geregelt und festgeschrieben. Darüber hinaus wäre der finanzielle Mehraufwand der örtlichen Sozialhilfeträger durch höhere Personal- und Sachkosten zu übernehmen, weil auch hier die alte Regel gilt: Wer bestellt, der bezahlt.
Zusätzlich muss durch das Land ein Fonds für überregionale Einrichtungen der stationären Behindertenhilfe und Pflege sowie für Modellprojekte eingerichtet werden. Das heißt, Landkreise und kreisfreie Städte sollen entlastet werden, wenn sie für das ganze Land Brandenburg spezielle Einrichtungen vorhalten, zum Beispiel Einrichtungen für Apalliker - Wachkomapatienten - oder hochgradig epilepsiekranke oder schwerstmehrfachbehinderte Menschen. Mit Modellprojekten könnte man zum Beispiel das Außenwohnen trainieren, auch wenn diese Menschen noch in einer Einrichtung wohnen. Damit würde der Übergang zum ambulanten Wohnen gefördert. Nur mit solchen kostenintensiven Projekten wird man dem Anspruch „ambulant vor stationär“ gerecht, und es bliebe nicht nur bei einer symbolischen Redensart. Wir sind der Meinung, dass neue, derzeit kostspieligere Wege langfristig auch mittelsparend wirken können.
Die örtlichen Sozialhilfeträger sollen nach unserer Auffassung der Landesregierung über die Verwendung der erhaltenen Finanzmittel jährlich Rechenschaft ablegen. Sie müssten aber auch die Möglichkeit haben, Landesmittel für das stationäre Wohnen in den ambulanten Bereich umzusteuern. Dadurch könnten sie eine bedarfsgerechte ambulante Struktur ausbauen
bzw. neu schaffen. So könnten sie ohne Druck den Einrichtungsträgern einen Anreiz geben, die ambulanten Strukturen auszubauen.
Da das Gesetz in der vorliegenden Fassung nicht auf die tatsächlichen Anforderungen der Eingliederungshilfe abzielt und darüber hinaus Landkreise und kreisfreie Städte stärker finanziell belastet, wird meine Fraktion dem Ausführungsgesetz nicht zustimmen. Wir wünschen Ihnen mit diesem Gesetzestorso viel Glück vor dem Verwaltungsgericht. - Danke.
Drei Jahre nach Inkrafttreten der Frühförderungsverordnung der Bundesregierung ist im Land Brandenburg zwischen den Sozialhilfeträgern und den Krankenkassen noch immer keine Rahmenvereinbarung zur Erbringung der interdisziplinären Komplexleistung Frühförderung geschlossen worden. Die Verhandlungen verlaufen sehr zögerlich.
Ich frage daher die Landesregierung: Welche rechtlichen Möglichkeiten sieht sie, noch in diesem Jahr eine Rechtsverordnung auf den Weg zu bringen und somit die Verordnung des Bundes auch in Brandenburg durchzusetzen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In gut drei Monaten soll der heute vorliegende Gesetzentwurf in Kraft treten. Dieser Zeitpunkt ist der Landesregierung seit fast drei Jahren bekannt. Die durch die Landesregierung produzierte Hektik wäre vielleicht hinnehmbar, wenn der Gesetzentwurf eine entsprechende Qualität aufweisen würde. Aber leider mangelt es daran.
In den letzten Woche haben diejenigen, die das Gesetz umsetzen müssen, nämlich die Kommunen und die Leistungserbringer, kaum ein gutes Haar an diesem Entwurf gelassen. Die rechtliche Argumentation zur Übertragung der stationären Eingliederungshilfe auf die Kreise ist höchst fragwürdig. Die Verteilung der Mittel insgesamt und im Besonderen auf die einzelnen Kreise ist nicht nachvollziehbar.
Das sind zwei Kritikpunkte, die völlig zu Recht vorgebracht werden. Für meine Fraktion wiegt allerdings noch sehr viel schwerer, dass die Landesregierung mit diesem Gesetzentwurf erreichte fachliche Standards infrage stellt.
Wir im Parlament müssen mit diesem Gesetz Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, in unserem Land einheitliche Standards zu haben. Es darf nicht sein, dass zum Beispiel der Hilfebedarf in dem einen Landkreis nach anderen Kriterien festgestellt wird als in einem anderen Landkreis. Dieser großen Verantwortung müssen wir uns stellen. Das erwarten die Betroffenen und die Träger der Einrichtungen von uns. Angesichts der langen Zeitspanne bis zur Vorlage des Entwurfs im Landtag hätten die behinderten Menschen und auch die Leistungserbringer einen ausgereifteren Gesetzentwurf erwarten können.
Aus unserer Sicht müssen folgende Voraussetzungen geschaffen werden. Erstens: die Sicherung landeseinheitlicher Standards der Eingliederungshilfe. Das heißt, es darf nicht zu 18 verschiedenen Mustervergütungsvereinbarungen, zu verschiedensten Leistungstypen, Personalschlüsseln usw. kommen.
Zweitens: die Gründung eines kommunalen Sozialverbands als Dachorganisation der örtlichen Träger der Sozialhilfe. Zur Gewährleistung und Überwachung landeseinheitlicher Standards und Verfahrensweisen sollte ein kommunaler Dachverband gegründet werden. Dies zeigen auch die Erfahrungen anderer Bundesländer, zum Beispiel Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Die Empfehlungen der Projektstudien unterstützen dieses Begehren.
Drittens: eine notwendige Umsteuerung zu mehr ambulanten Betreuungsformen anstelle des stationären Wohnens. Der Anteil der ambulanten Hilfen am Gesamtausgabevolumen der Eingliederungshilfe beträgt in Brandenburg nur rund 5 %. Mit diesem Ausführungsgesetz müssen finanzielle Anreize geschaffen werden, mehr betreutes Wohnen und familienentlastende Dienste anzubieten. Diese Umsteuerung von der stationären Unterbringung zur ambulanten Wohnform kann aber nur gelingen, wenn die Umsetzung für die Hilfeempfänger bedarfsgerecht mit entsprechender Förder- und Betreuungszeit auch im ambulanten Bereich abgesichert ist.
Es darf zum Beispiel nicht passieren, dass ein Hilfeempfänger aus dem stationären Bereich, dem jetzt rund 50 Förder- und Betreuungsstunden zur Verfügung stehen, in den ambulanten Wohnbereich umgesetzt wird, wo ihm nur noch unzureichende zwei bis sieben Förderstunden wöchentlich zugestanden werden.
Leider existiert im Land Brandenburg immer noch kein flächendeckendes Angebot an familienentlastenden Diensten. Mit einem entsprechenden Angebot könnten wir zum Beispiel einen erwachsenen, im häuslichen Bereich lebenden behinderten Menschen besser und auch rechtzeitig auf ein ambulantes Wohnen vorbereiten und die oftmals schon alten Eltern entlasten.
Viertens: die Kontrolle der Mittelverwendung durch das Land. Die jährlich an die Kommunen zu überweisenden Finanzmittel des Landes sind zweckgebunden auszureichen und es ist ein Verwendungsnachweis durch die Kommunen zu erbringen. Im Übrigen halten wir die bis zum Jahr 2009 festgeschriebene Summe von 312 Millionen Euro nicht für ausreichend. Sie berücksichtigt die prognostizierte Fallzahlentwicklung und die Personal- und Sachkosten bei den Kommunen nicht. Die Summe der Landesmittel ist deshalb dynamisch an eine künftige Bedarfsentwicklung anzupassen.
Dies sollte auf der Grundlage einer einvernehmlichen und verbindlichen Übereinkunft eines Beirates erfolgen, in dem die Kommunen, die Liga der freien Wohlfahrtspflege und Vertreter des Landes Brandenburg vertreten sind.
Eingliederungshilfe aus einer Hand und das Umsetzen des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ ist eine Herausforderung für alle, für die Kommunen, für die Träger der Einrichtungen, aber auch für uns hier im Parlament. Wir müssen ein Gesetz verabschieden, dass das Ziel auch erreichbar werden lässt. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Ministerin, wie reagieren Sie auf die Tatsache, dass Vertreter der Arbeitsagenturen schwerbehinderten Menschen Eingliederungsleistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben häufiger als früher mit der Begründung verweigern, man wolle damit keine Arbeitgeber finanzieren?