Protokoll der Sitzung vom 03.03.2005

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Ihren Platz einzunehmen und die Gespräche einzustellen. Das trifft auch auf die Koalitionsspitzen zu.

Bis jeder seinen Platz eingenommen hat, begrüße ich mit Vergnügen Gäste; es ist eine 10. Klasse des Sally-Bein-Gymnasiums in Beelitz, einer schönen Brandenburger Stadt, die durch ihren köstlichen Spargel bekannt ist. Ich wünsche euch einen interessanten Vormittag hier im Landtag Brandenburg. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Vorab habe ich Ihnen mitzuteilen, dass es die Verabredung gibt, zum Tagesordnungspunkt 5 - 2. Lesung des Gesetzes zur Anpassung des brandenburgischen Juristenausbildungsrechts keine Debatte zu führen. Ansonsten gibt es bisher keine Änderungen zur Tagesordnung.

Gibt es von Ihrer Seite zur Tagesordnung Bemerkungen oder Änderungswünsche? - Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Ich lasse über die Tagesordnung abstimmen. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.

Ich verzichte darauf, Ihnen die Liste der heutigen Abwesenheiten vorzulesen; sie sieht so ähnlich aus wie die gestrige.

Meine Damen und Herren, wir steigen in die Tagesordnung ein und kommen zum Tagesordnungspunkt 1:

Aktuelle Stunde

Thema: Liegt Brandenburgs Zukunft nur in der Metropolenregion?

Antrag der Fraktion der DVU

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der DVU-Fraktion. Die Abgeordnete Hesselbarth wird zu uns sprechen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der heutigen Debatte werden wir wieder einmal über die Strukturpolitik im Land Brandenburg sprechen. Die DVU-Fraktion hatte dieses Thema in der Vergangenheit immer wieder zum wichtigen Bestandteil ihrer parlamentarischen Arbeit gemacht, weil gerade diese Problematik für die Menschen in unserem Land lebenswichtig, ja überlebenswichtig ist. Doch die Gegenwart zeigt, dass wir - um es sprichwörtlich zu sagen - gegen die Wand gesprochen haben.

Der aktuelle Anlass meiner heutigen Ausführungen war in breitem Umfang in den Medien zu lesen, zu hören und auch zu sehen. Ja, Herr Ministerpräsident, gemeint ist Ihr Neues Leitbild für Brandenburg. Wer mit offenen Augen und Ohren durch un

ser Land geht, der spürte schon seit längerer Zeit den Beginn dieses Neuen Leitbildes: Schulen wurden geschlossen, Fördergelder flossen äußerst zäh und mitunter spärlich. Jungen Menschen wurden die Perspektiven in der Ferne aufgezeigt. Seit dem Jahr 2000 kehren Jahr für Jahr ca. 24 000 junge Menschen ihrer Heimat den Rücken. Sie suchen Arbeit und somit eine Zukunft in den alten Bundesländern.

Die Geburtenrate in unserem Land ist an einem katastrophalen Niedrigstand angekommen. Hinzu kommt noch, dass es in den vergangenen zehn Jahren etwa 49 000 Schwangerschaftsabbrüche gab. Die Ursachen hierfür sind finanzielle und berufliche Probleme, daraus resultierend Zukunftsangst sowie Partnerschaftskonflikte - unter dem Strich eindeutig Dinge, die direkt oder indirekt als Folge einer völlig verfehlten Politik der rotschwarzen Regierungskoalition angesehen werden können.

(Beifall bei der DVU)

Nun endlich haben Sie, Herr Ministerpräsident, das Allheilmittel gefunden. Sie nennen es „Neues Leitbild für Brandenburg“. Wir von der DVU-Fraktion waren keinesfalls überrascht. Denn Sie auf der Regierungsbank bleiben Ihrer Linie treu: Bei der Lösung anstehender Probleme begegnen Sie Ihrer stets vorhandenen Hilflosigkeit und Unfähigkeit einfach damit, von einem Extrem ins andere zu fallen.

Wenn Sie nun meinen, die DVU-Abgeordneten würden wieder einmal populistisch maßlos übertreiben, so nehmen wir unsere Behauptung gern zurück, aber nur, wenn Sie einräumen, entweder Gedächtnislücken zu haben, oder aber zugeben, dass Sie gelogen haben bzw. aus Unwissenheit nicht anders handeln konnten.

(Beifall bei der DVU)

Das von Ihnen entworfene Leitbild sieht ja bekanntlich so aus, dass eine Verlagerung der Fördermittel bzw. die Förderung überhaupt in den so genannten Speckgürtel um Berlin und in die Großstädte vorgenommen wird. Die abgelegenen ländlichen Regionen sind dann nicht mehr förderwürdig.

Zur Erinnerung: In der Regierungserklärung am 27. Oktober 2004, also vor rund vier Monaten, erklärten Sie, Herr Ministerpräsident, noch vollmundig - ich zitiere wörtlich-:

„Die ländlichen Räume müssen als Wirtschafts-, Sozial-, Natur- und Siedlungsräume weiterentwickelt werden. Dazu werden wir im Sinne einer Politik der integrierten ländlichen Entwicklung Fördermöglichkeiten innerhalb der Landesregierung umfassend verfügbar machen.“

So nachzulesen im Wortprotokoll des Landtages.

Ich will hier gar nicht näher auf Ihre Zusagen oder Versprechungen anlässlich Ihrer Besuche in den ländlichen Regionen eingehen, weil dies den Zeitrahmen sprengen würde. Sie sehen also, Herr Ministerpräsident, Ihr Leitbild für Brandenburg ist auch eine Bankrotterklärung für Ihre Rede vom 27. Oktober hier in diesem hohen Haus.

(Beifall bei der DVU)

Ich will Ihnen allerdings zugestehen, dass Sie und Ihre Regierung auch fördern. Ja, Sie fördern die weitere massive Abwan

derung junger Menschen aus den Randgebieten, Sie fördern die weitere Verarmung der zurückbleibenden alten und kranken Menschen, Sie fördern den weiteren Niedergang des Mittelstandes. Kleine Handwerksbetriebe und Gewerbetreibende ohne Kunden sind bekanntlich nicht existenzfähig. Wir meinen, das ist zwar auch eine Förderpolitik, aber eine für unser Land sehr gefährliche und schädliche Politik. - Zunächst bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Koalitionsfraktionen fort. Es spricht der Abgeordnete Schrey.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Liegt Brandenburgs Zukunft nur in der Metropolenregion?“ - Diese Frage ist eigentlich einfach zu beantworten. Ich glaube allerdings nicht, dass es der DVU mit dieser Frage tatsächlich um die Zukunft unseres Landes geht.

Ist es nicht eher so, dass die DVU als rechtsextremistische Partei jede Gelegenheit wahrnimmt, um bei wirtschaftlicher Strukturschwäche und Arbeitslosigkeit, die häufig mit Unzufriedenheit der Menschen einhergeht,

(Zuruf von der DVU: Und Sie sind verantwortlich!)

gefährlichen Populismus zu verbreiten? Die DVU wittert offensichtlich Morgenluft.

Liebe Kollegen, erinnern Sie sich bitte an den Landtagswahlkampf im letzten Jahr. Die DVU in Brandenburg warb - wie die PDS auch - hauptsächlich mit unsäglicher Anti-Hartz-IV-Hetze um die Wählerstimmen.

(Unruhe bei der PDS)

Sie schürte damals schonungslos Hass, Ängste, Unsicherheit und Unzufriedenheit und verstärkte bei vielen Menschen das Gefühl, benachteiligt zu sein.

(Schuldt [DVU]: Kommen Sie zum Thema!)

Das darf sich nicht wiederholen.

(Beifall bei der CDU)

Die DVU versucht heute wieder mit solchen Begriffen wie „demographische Katastrophe“, „dramatischer Bevölkerungsrückgang“ und „völliger Zusammenbruch von Wirtschaft und Infrastruktur“ in einer für unser Land notwendigen Debatte von Beginn an Unzufriedenheit und Angst zu verbreiten.

Worum geht es wirklich? Unser Land verliert bis zum Jahre 2020 7 % seiner Einwohner,

(Zuruf von der DVU: Daran sind Sie schuld!)

der äußere Entwicklungsraum sogar fast 15 %. Dass diese Entwicklung Auswirkungen auf alle Bereiche hat, liegt auf der Hand.

Auch die Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung in Brandenburg

(Schuldt [DVU]: Aber die haben Sie verschuldet!)

erfordert neue Konzepte. Es geht um die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung. Eine zielgenauere Wirtschaftspolitik, die Konzentration der Wirtschaftsförderung auf vorhandene Cluster und Kompetenzfelder wird die vorhandenen Wachstumspotenziale stärken. Wir stehen am Beginn einer Diskussion; die ersten Konzepte liegen auf dem Tisch. Allerdings ist eine Aktuelle Stunde der DVU nicht der richtige Anlass, über diese Konzepte zu debattieren.

(Zuruf von der DVU: Wo dann?)

Wir werden allen Brandenburgern ihre Chancen aufzeigen. Wir werden im ganzen Land die Veränderungen erklären, die Menschen auf dem neuen Weg mitnehmen und für den weiteren Aufbau unseres Landes gewinnen.

Zum Schluss aber zur Ausgangsfrage zurück. Ich sage Nein; denn die Zukunft unseres Landes liegt in unseren Menschen, bei den Kindern, Frauen und Männern, in unseren älteren, lebenserfahrenen Menschen und im ganzen Land Brandenburg. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)