Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie alle haben den gestrigen Abend gut überstanden, und begrüße Sie zur heutigen Plenarsitzung. Ich begrüße ebenfalls unsere Gäste. Wir haben heute Schülerinnen und Schüler der Oberschule Sachsenhausen bei Oranienburg unter uns. - Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Wir haben außerdem eine Parlamentariergruppe aus Malta zu Gast, die sich insbesondere für das Thema Tourismus interessiert.

(Allgemeiner Beifall)

Aus dieser Gruppe begrüße ich ganz besonders herzlich den Vorsitzenden des Ausschusses für Soziales, Herrn Abgeordneten Puli, der heute Geburtstag hat. - Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Damit nicht genug. Ich gratuliere auch der Abgeordneten Ingrid Siebke ganz herzlich in Ihrem und in meinem Namen, denn auch sie hat heute Geburtstag. - Alles Gute weiterhin.

(Allgemeiner Beifall - Der Abgeordneten Siebke [SPD] werden Blumen überreicht.)

Meine Damen und Herren, Ihnen liegt der überarbeitete Entwurf der Tagesordnung vor. Gibt es dazu Bemerkungen? - Das kann ich nicht feststellen. Wenn wir also nach dieser Tagesordnung verfahren wollen, bitte ich Sie um Ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung so angenommen.

Wir haben es heute mit einer ganzen Reihe von Abwesenheiten zu tun. Der Ministerpräsident lässt sich bis 11 Uhr von Minister Junghanns vertreten. Der Minister Schönbohm lässt sich ab 15 Uhr von Frau Ministerin Blechinger vertreten und der Minister Speer ab 12 Uhr von Frau Ministerin Ziegler. Des Weiteren haben sich sechs Abgeordnete abwesend gemeldet. Achten Sie also bitte auf die Beschlussfähigkeit und seien wenigstens Sie ständig anwesend.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Mobilität auf der Schiene mit einer Bahn in öffentlichem Eigentum sichern

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Die Fraktion DIE LINKE beginnt die Debatte. Es spricht die Abgeordnete Tack.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zukunft des

Schienenverkehrs in Deutschland steht auf dem Spiel. Nicht mehr und nicht weniger. Die Bundesregierung hat beschlossen, die Deutsche Bahn, ihre hundertprozentige Tochter, auf dem Weg einer teilweisen Kapitalprivatisierung zu verkaufen und an die Börse zu bringen. Es ist höchste Eisenbahn, dass dieser Entwicklung Einhalt geboten wird. Dieser Auffassung sind wir.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Käme es dazu, wäre das ein gravierender Verstoß gegen das Grundgesetz und ein riesen Skandal obendrein; denn der Börsengang wäre die größte Verschleuderung öffentlichen Eigentums in der Bundesrepublik aller Zeiten. Das wollen wir nicht zulassen, weil dies nicht im Interesse der Sicherung der Daseinsvorsorge, nicht im Interesse des Landes und überhaupt nicht im Interesse der Fahrgäste im Fern- und Regionalverkehr ist.

Die Fraktion DIE LINKE hat diese Aktuelle Stunde beantragt, weil die Bundesregierung das Gesetz zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG bereits beschlossen hat und Entscheidungen im Bundestag und Bundesrat anstehen. Das Eilverfahren, mit dem über den Gesetzentwurf schnell entschieden werden sollte, ist zwar inzwischen zurückgenommen, sicherlich auch deshalb, weil die Verkehrsministerkonferenz den vorliegenden Gesetzentwurf einstimmig abgelehnt hat -; doch all das ändert nichts an der Tatsache, dass es letztendlich zum Verkauf der Bahn kommen soll.

Die Proteste gegen die Kapitalprivatisierung der Bahn sind groß und auch laut. Laut einer Forsa-Umfrage im Juli 2007 sprechen sich zwei Drittel aller Bundesbürger gegen den Börsengang der Deutschen Bahn AG aus. Bei den Anhängern der Partei DIE LINKE sind es 77 %, bei SPD-Anhängern 69 % und - man höre und staune, Herr Schrey! - bei CDU/CSU-Anhängern 57 %, die sich gegen diesen Börsengang aussprechen. Ebenfalls eine deutliche Mehrheit von 60 % der Bundesbürger ist der Meinung, dass sich eine klimaschützende Bahnpolitik eher mit einer Bahn im öffentlichen Besitz und mit öffentlichen Investitionen durchsetzen lässt.

Meine Fraktion - das wird Sie nicht überraschen - unterstützt die mehrheitliche Auffassung der Bevölkerung, weil sie dem im Grundgesetz festgeschriebenen Gewährleistungsauftrag für das Schienennetz und den Schienenverkehr entspricht und hilft, die Daseinsvorsorge auch in Zukunft zu sichern.

In der SPD-Bundestagsfraktion soll es eine Mehrheit gegen das Gesetz geben, was auf dem Bundesparteitag im Oktober möglicherweise zur Ablehnung der Bahnprivatisierung führt, wie einige meinen. Auch in der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag spricht man davon, dass das Gesetz nicht beschlussreif sei.

Sicherlich können wir in unserem Parlament davon ausgehen, dass es in den Regierungsfraktionen ein ähnliches Meinungsbild gibt wie im Bundestag. Ihre Zustimmung zu unserem Antrag, über den wir heute Nachmittag entscheiden werden und mit dem die Landesregierung aufgefordert wird, im Bundesrat gegen den Gesetzentwurf zu stimmen, wäre deshalb die logische Schlussfolgerung; denn wir alle wollen, wie ich glaube, keine Börsenspekulation mit einem Unternehmen der Daseinsvorsorge.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Auch die Repräsentanten des breiten Bündnisses „Bahn für Alle“, die ver.di-Chefin Stumpenhusen und der Brandenburger BUND-Chef Voß haben sich in einem aktuellen Brief von Anfang September noch einmal an den Ministerpräsidenten gewandt mit der Aufforderung, sich für den Erhalt der Bahn in öffentlichem Eigentum einzusetzen. Sie merken daran, meine Damen und Herren: Alles in allem ist es wirklich keine Marotte der Fraktion DIE LINKE-, diesen Erhalt der Bahn zu fordern, sondern dieses Anliegen hat eine breite Mehrheit in unserer Republik.

Uns interessiert in der heutigen Aktuellen Stunde, welche Position die Landesregierung zu den Plänen der Bundesregierung wirklich einnimmt und wie sie sich im Bundesrat verhalten wird.

In der Debatte zu unserer Großen Anfrage zu dem Börsengang im Januar hat Minister Dellmann noch fast alles gutgeheißen, was die Bundesregierung so macht. In der Fragestunde im April zu dem gleichen Thema - das ist nachlesbar - hat der Minister dann schon deutlich gesagt, was ihm am damaligen Gesetzentwurf nicht gefallen hat. Aber ein klares Nein zur Kapitalprivatisierung der Bahn war auch da nicht zu hören. Wir sind gespannt, wie das heute ausfällt.

Gestern Abend waren wir gemeinsam zum Bahngespräch bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger im Schienenpersonennahverkehr. Da gab es natürlich ein entschlossenes Nein zu dem Gesetzentwurf auch vonseiten des Ministers. Dazu sagen wir: Das war ein Heimspiel; diese Ansage war sehr gut. Aber man muss dieses Nein auch dorthin transportieren, wo es politisch relevant ist, und das ist eindeutig der Bundesrat.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wir fragen deshalb noch einmal nach, weil in dem Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom 2. August zu lesen ist, dass die Minister eine Reihe von Änderungen zu dem Gesetzentwurf fordern. Die Minister sagen aber nicht, dass sie die Bahn in öffentlichem Eigentum haben wollen.

Die Bundesregierung gefährdet mit ihren Privatisierungsplänen für ein Unternehmen der Daseinsvorsorge die im Grundgesetz festgeschriebene Gemeinwohlverantwortung des Staates für den Bahnverkehr. Das wissen Sie. Also tun Sie bzw. tun wir gemeinsam das Nötige dagegen!

Die Fraktion DIE LINKE lehnt eine Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn aus folgenden Gründen ab.

Erstens - ich wiederhole es -: Verstoß gegen das Grundgesetz und den Gewährleistungsauftrag für die Bahn.

Zweitens: Volksvermögen wird verschleudert, und das weit unter dem realen Wert von ca. 180 Milliarden Euro.

Drittens: Die Interessen der Fahrgäste werden völlig ignoriert. Stattdessen werden weitere Bahnstrecken stillgelegt, werden noch mehr Arbeitsplätze abgebaut, und die Fahrpreise würden drastisch erhöht. Die Bahn befindet sich jetzt schon auf dem Weg, sich für den Börsengang fit zu machen. Vor allem die Abbestellungen von Strecken und die mangelnde Bereitschaft, in der Fläche zu fahren, sind ja bekannt.

Viertens: Die Länder haben kaum Mitspracherecht, was auch die Verkehrsminister schon beklagt haben. Der Fern- und Regionalverkehr unterliegt den Kapitalverwertungsinteressen. Was das heißt, haben wir schon in der Vergangenheit erfahren: Die Abwärtsspirale für den Regionalverkehr dreht sich weiter.

Fünftens: Eine kapitalprivatisierte Bahn wird zum Haushaltsrisiko, und zwar sowohl im Land als auch im Bund. Im Land wird das bedeuten, dass die Bahn zur Gewinnmaximierung die Trassen- und Stationspreise erhöhen wird. Das ist schon ganz sicher, wie uns auch gestern Abend in dem Gespräch noch einmal deutlich gemacht wurde. Das Land muss in der Folge mehr Geld für die Trassennutzung zahlen; es kann das gleiche Geld dann natürlich nicht für Leistungsbestellungen auf der Schiene einsetzen. Das bedeutete weniger Verkehr auf der Schiene.

Sechstens: Eine Entlastung des Bundeshaushalts, die ja mit dem Börsengang angekündigt ist, tritt nicht ein. Der Bund erhält für den Verkauf schätzungsweise - die Zahlen differieren, und sehr viel Transparenz ist in diesem ganzen Geschäft bekanntlich ohnehin nicht zu haben - zwischen 5 und 10 Milliarden Euro. Aber gleichzeitig geht der Bund für die nächsten 15 Jahre gemäß dem Gesetzentwurf Verbindlichkeiten in Höhe von 120 Milliarden Euro für die Instandhaltung des Schienennetzes ein, und zwar pro Jahr in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Jeder weiß, dass das bei Weitem nicht ausreicht. Entweder verabschiedet man sich also von großen Teilen des Schienennetzes in der Fläche, oder - man kann es ja versuchen - man fordert mehr Steuergelder vom Bund. Das ist also ein Risiko für den Bundeshaushalt, und zwar letztendlich mit Konsequenzen für den Landeshaushalt und speziell für die Situation im Schienenpersonennahverkehr auch in der Region Berlin-Brandenburg.

Siebtens - das ist der Knackpunkt, der öffentlich sehr stark diskutiert wird; ich will das noch einmal benennen -: Die steuerfinanzierte Schieneninfrastruktur - es geht ja um die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG - bleibt formaljuristisch Bundeseigentum - nur formaljuristisch! -; denn die Deutsche Bahn erhält die Möglichkeit, den Schienenverkehr und die Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und zu bilanzieren. Der Bund kann dann laut Gesetzentwurf nach 15 Jahren, also dann, wenn das gesamte System, so denke ich, qualitativ nicht auf dem Höchststand ist, das ganze System für einen Betrag von ca. 7,5 Milliarden Euro zurückkaufen. Nun frage ich Sie: Halten Sie das für ein lohnenswertes Geschäft, das wir eingehen sollten? - Wir denken: Nein.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Mobilität ist ein elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge. Darin sind wir wohl einer Meinung; das ist unstrittig. In Artikel 87 e Abs. 4 des Grundgesetzes wird verlangt, dass der Bund im Sinne des Allgemeinwohls die Verantwortung für das Schienennetz und für das Verkehrsangebot trägt. Da ein Teil der Deutschen Bahn an private Investoren verkauft wird, bleibt die Daseinsvorsorge, wie wir meinen, auf der Strecke. Das wäre eine eindeutige Verletzung des Grundgesetzes und letztendlich der Ausverkauf öffentlichen Eigentums. Die Fraktion DIE LINKE fordert deshalb die Landesregierung auf, den Gesetzentwurf zur Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn im Bundesrat abzulehnen und sich für eine Reform der Deutschen Bahn in öffentlichem Eigentum zu engagieren.

Experten sagen - diese Meinung wird von uns unterstützt -: Ei

ne optimierte Bahn in öffentlicher Hand kostet den Steuerzahler wesentlich weniger als die aktuelle Bahn oder das kapitalprivatisierte Unternehmen. Was die aktuelle Bahn betrifft, so haben Sie alle die Riesendefizite zur Kenntnis genommen, die der Verkehrsverbund gerade am Zustand des Regionalnetzes der Bahn in Berlin deutlich gemacht hat. Sie alle, die Sie Bahnfahrerinnen oder Bahnfahrer sind, spüren die Unpünktlichkeiten der Bahn. Auch wissen wir, dass wir einen teuren Bahnvertrag haben. Das wäre um ein Vielfaches kostengünstiger zu machen und sollte in der öffentlichen Hand bleiben, weil Daseinsvorsorge und Fahrgastinteressen im Mittelpunkt stehen sollten.

Die Fraktion DIE LINKE regt zur Anreicherung der aktuellen Diskussion über die Bahnreform und zur Entscheidungsfindung in dieser Angelegenheit Folgendes an:

Erstens: Die Deutsche Bahn soll zur Sicherung der Daseinsvorsorge in öffentlichem Eigentum bleiben.

Zweitens: Wir schlagen eine Reorganisation der DeutscheBahn-Töchter vor. Da gibt es ein gutes und glücklicherweise erfolgreiches Beispiel, was die Flughafen-Holding BerlinBrandenburg anbetrifft. Da ist es gelungen, zu reorganisieren und eine sinnvolle Konstruktion zu finden. Das schlagen wir auch für die Reorganisation der DB-Töchter vor.

Drittens: Die Bahn könnte unserer Auffassung nach - das wird durch viele Experten unterstützt - in der Zukunft zweigleisig fahren, mit einem Unternehmen für die Infrastruktur - zur Infrastruktur gehört nicht nur das Netz, sondern gehören auch die Bahnhöfe, die Güteranlagen, die Signalanlagen und vieles mehr - und mit einem zweiten Unternehmen für den rollenden Betrieb.

Viertens: Die Nebengeschäfte, also das internationale Logistikunternehmen, zu dem sich die Deutsche Bahn AG gerade entwickelt - bereits 40 % des Konzerns sind internationale Logistikunternehmen, von denen Güterverkehr betrieben wird - sollte verkauft werden. Die Deutsche Bahn AG sollte auf den Kernbereich der Daseinsvorsorge zurückgeführt werden; alles andere sollte verkauft werden. Das brächte eine Menge Geld, nämlich ca. 10 Milliarden Euro oder mehr. Dieses Geld könnte gut eingesetzt werden für Investitionen in die Zukunft, also für das Bahnnetz und auch für das rollende Material.

Fünftens - das ist ganz wichtig -: Die DB Güterbahn Railion muss endlich für die Zukunft fit gemacht werden. Der wachsende Güterverkehr - es ist zu erwarten und wünschenswert, dass mehr Güter auf die Schiene kommen - muss leistungsfähig gesteigert werden. Dazu muss Geld aus den genannten Verkäufen eingesetzt werden.

Sechstens: Die Gewinne, die bei der Deutschen Bahn AG möglicherweise gemacht werden - dazu ist es ja eine Aktiengesellschaft -, sind für die Netzinstandhaltung und -erweiterung sowie zur Qualitätssicherung einzusetzen und eben nicht für den Ankauf neuer Logistikunternehmen und Güterunternehmen weltweit.