Meine Damen und Herren, wie Sie unschwer erkennen können, ist es Punkt 10 Uhr, also Zeit, die Plätze einzunehmen.
Zur vorliegenden Tagesordnung erinnere ich daran, dass der Punkt 12, Beauftragung des Rechtsausschusses, bereits gestern behandelt wurde.
Wir haben mit einigen Abwesenheiten auf der Regierungsbank zu rechnen. Herr Minister Dellmann wird ab 18 Uhr abwesend sein, was hoffentlich für uns alle zutreffen wird,
Herr Minister Speer ganztägig und Frau Prof. Wanka ab 17 Uhr. Einige Abgeordnete fehlen ebenfalls. - Gibt es zur Tagesordnung Bemerkungen? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über die Tagesordnung abstimmen. Wer nach ihr verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Oder Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.
Da dieser Punkt auf Antrag der DVU auf die Tagesordnung gesetzt wurde, beginnen wir mit dem Redebeitrag der Abgeordneten Fechner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Aktuellen Stunde liegt ein sehr trauriger Anlass zugrunde, denn innerhalb weniger Tage wurden hier im Land Brandenburg drei getötete Kinder aufgefunden. Wie immer in diesen Fällen ist die Empörung, aber auch die Ratlosigkeit sehr groß. Krampfhaft wird nach Ursachen gesucht, und so manch einer meldet sich zu Wort, obwohl er es lieber hätte sein lassen sollen, so zum Beispiel der Ministerpräsident unseres Nachbarlandes SachsenAnhalt, Wolfgang Böhmer, denn für ihn ist eine Ursache die DDR-Vergangenheit. Damit sorgt er - zu Recht, wie wir meinen - für sehr viel Empörung. Aber auch der brandenburgische Innenminister Herr Schönbohm hat in der Vergangenheit mit seinen Thesen für sehr viel Unmut in der Bevölkerung gesorgt.
denn sie geben der Gesellschaft die Schuld. Allerdings nicht die, die war, sondern die, die ist, ist daran schuld, denn Fakt ist,
dass es in den neuen Bundesländern drei- bis viermal mehr Kindstötungen durch Eltern als in den alten Bundesländern gibt. Eine der möglichen Ursachen dürfte auch der Umstand sein, dass es in den neuen Bundesländern mehr junge Mütter gibt, die in sozialer Isolation und Armut aufwachsen und mit ihrer Mutterrolle überfordert sind. Bewiesen ist, dass bei Vernachlässigung in etlichen Fällen Beziehungsprobleme und Sozialdefizite eine große Rolle spielen. Ebenso gilt als bewiesen, dass Kindesmisshandlungen und -tötungen sehr häufig mit Armut und Stress in den Familien verbunden sind, verstärkt durch Drogen- und Alkoholmissbrauch.
So unterschiedlich die Ursachen für diese Wahnsinnstaten sind, so unterschiedlich sind auch die von der Politik beschlossenen Maßnahmen. Viel wird auch hier im Land Brandenburg unternommen, um den Kinderschutz zu verbessern. Das geht über spezielle Netzwerke, Patenschaften und viele diverse Hilfsangebote für junge Familien. Doch ob all diese Maßnahmen weitere Kindstötungen verhindern werden, bleibt fraglich. Mithilfe der viel gelobten Netzwerke ist es zwar möglich, der Verwahrlosung von Kindern vorzubeugen. Doch werden damit auch die wirklichen Problemfälle erreicht?
Als Oppositionspartei könnten wir es uns leicht machen und wieder einmal fordern, dass die Jugendämter besser auszustatten sind, dass man die Reihenuntersuchungen ausweiten müsste usw. usf. Sicherlich, meine Damen und Herren, das sind alles berechtigte Forderungen. Doch auch das setzt voraus, dass die betroffenen Eltern die Hilfe auch annehmen wollen. Leider mussten wir in der Vergangenheit oftmals feststellen, dass gerade solche Problemfamilien, die auf Hilfe angewiesen sind, diese Hilfe ausgeschlagen haben.
Es gibt noch etwas zu bedenken, nämlich, dass die Mehrzahl der Kindstötungen auf psychische und neurotische Krankheiten zurückzuführen ist. Diese Fälle zu verhindern dürfte auch in der Zukunft sehr schwer werden. Da werden auch die Babyklappen oder die Möglichkeit der anonymen Geburt nicht allzu viel bewirken können. Doch es gibt auch sehr viele Fälle, die bei genauerem Hinsehen hätten verhindert werden können, und diese Fälle möchte ich heute eingehender erläutern. So ist es für uns zum Beispiel nicht erklärlich, wie es sein kann, dass eine junge Familie ihr sechs Monate altes Kind verhungern lässt, ohne dass die Nachbarn, ohne dass Freunde, ohne dass die Familie so etwas mitbekommen.
Damit komme ich zu einer Ursache, die in der heutigen Gesellschaft begründet ist, einer Ursache, die auch der ehemalige Brandenburger Ministerpräsident Manfred Stolpe zur Sprache gebracht hat, nämlich zur sittlichen Verwahrlosung in einigen Teilen unserer Gesellschaft. Oft genug hat die DVU-Fraktion dies seit 1999 in diesem Landtag angesprochen. Deshalb freut es uns umso mehr, dass auch ein Herr Stolpe eine offene Auseinandersetzung mit der Verrohung und Vereinsamung in der Gesellschaft fordert. Allerdings zeigt es die ganze Verkommenheit der politischen Kultur hier in Brandenburg, wenn führende Sozialdemokraten plötzlich die sittliche Verwahrlosung beklagen, an deren Entstehung sie maßgeblich mitgewirkt haben;
denn das traurige Phänomen der Gewalt gegen Kinder, der Verachtung und sogar der Tötung der jüngsten Glieder unserer Vol
Wie sollen Kinder, die selbst nie ein ordentliches Zuhause hatten, ihren Kindern einmal ein ordentliches Elternhaus bieten? Mittlerweile gibt es Studien, die belegen, dass bis zu 10 % der Kinder einer regelrechten Verwahrlosung unterliegen, meine Damen und Herren. Das müsste uns zu denken geben. Ich weiß nicht, ob der eine oder andere sich schon einmal Gedanken darüber gemacht hat, warum in Deutschland überwiegend deutsche Kleinkinder Opfer von Vernachlässigung und Kindstötung werden.
Mir ist jedenfalls kein Fall hier in Deutschland bekannt, wo ein ausländisches Kleinkind aus einer verwahrlosten Wohnung geholt werden musste. Auch ist mir kein Fall bekannt, wo ein ausländisches Kleinkind hier in Deutschland aufgrund von Vernachlässigung sein Leben lassen musste. Wir sollten uns einmal die Frage stellen, warum das so ist. In diesen Familien herrscht noch ein ganz anderer Familiengeist. Da kümmert sich die ganze Familie um die Kinder, und Kinder werden dort als eine Bereicherung angesehen. Meine Damen und Herren, diesen Aspekt sollte man auch einmal berücksichtigen.
Unter den vielen Ursachen, die es für Kindstötungen gibt, ist mit Sicherheit das Nichterleben von Familie eine Ursache. Doch wer trägt die Verantwortung dafür, dass Kinder nicht mehr in intakten Familien aufwachsen? Verantwortungsvolle Mütter, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen, denen es ein Bedürfnis ist, ihre Kinder aufwachsen zu sehen und die ihre Kinder nicht in staatliche Obhut geben wollen, werden als Heimchen am Herd verlacht.
„Der Feminismus hat uns eingeredet, dass Frauen nur dann etwas wert sind, wenn sie arbeiten und Geld verdienen.“
Das finde ich fatal. - In Wahrheit habe der feministische Irrweg Familien zerstört, in die demografische Katastrophe geführt und die Frauen nicht glücklicher gemacht. Und, meine Damen und Herren, Recht hat sie. Der Geschlechterkampf tobt, und mittlerweile wird jede zweite Ehe geschieden. Doch Frauen wie Eva Herman werden in die Naziecke gestellt, nur weil sie Probleme unserer Zeit ansprechen. Deshalb freut es mich umso mehr, dass immer mehr Menschen, darunter auch der ehemalige Ministerpräsident des Landes Brandenburg Manfred Stolpe, es thematisieren und erkennen, dass die sozialen und moralischen Verwahrlosungstendenzen in unserer Gesellschaft ausgemerzt gehören.
Deshalb bleibt nur zu hoffen, dass die Verantwortlichen die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen und auch entsprechend handeln werden, damit in Zukunft kein Kind mehr Opfer dieser Politik werden muss.
Während die Abgeordnete Lehmann für die SPD-Fraktion zum Rednerpult kommt, begrüße ich unsere Gäste vom PuschkinGymnasium in Hennigsdorf. Ich wünsche euch einen interessanten Vormittag hier im Landtag Brandenburg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Zu dem Beitrag von Frau Fechner möchte ich nur so viel sagen: Herr, vergib ihr ihre Schuld nicht, denn sie weiß sehr wohl, was sie tut.
Das macht sie zum einen sehr albern, aber zum anderen zugleich auch gefährlich. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Wählerinnen und Wähler hier in Brandenburg das sehr wohl zu werten wissen.
Kindstötungen - immer wieder sind wir davon betroffen und wütend, fassungslos und auch ratlos. Es ist für uns unverständlich, was junge Familien und junge Frauen dazu treibt, ihre eigenen Kinder verhungern zu lassen oder gar zu töten. Dieses für uns irrationale Verhalten können wir uns kaum erklären. Es kann krankheitsbedingt sein, familiär bedingt sein, es können die gesellschaftlichen Verhältnisse sein, und es kann auch von allem etwas sein.
Aber eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, ist es nicht: der lange Schatten der DDR-Vergangenheit. Es ist weder die Proletarisierung noch die zwangsweise Kollektivierung des DDR-Systems; damit hatten wir hier in Brandenburg auch schon zu tun. Es ist auch nicht die von Herrn Böhmer, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, nunmehr losgetretene Diskussion über die von ihm beschriebene Abtreibungspraxis zu DDR-Zeiten.
Wie hatte er das nachträglich noch ergänzt? Wenn Frauen einen Urlaubsplatz am Schwarzen Meer hatten, gingen sie wohl gelegentlich zum Arzt, weil die Schwangerschaft gerade nicht ins Raster passte, nach dem Motto: Machen wir schnell einmal eine Abtreibung. - Ich weiß nicht, von welchen Frauen Herr Böhmer spricht, und - was viel wichtiger für mich ist - ich weiß auch nicht, von welchen Ärzten er spricht; denn wenn Ärzte in der Tat so gehandelt haben, haben sie verantwortungslos gehandelt. Es stimmt ganz einfach nicht, was Herr Böhmer ausführt, und es disqualifiziert die Menschen hier im Osten. Herr Böhmer hätte lieber schweigen sollen.
Dennoch muss die Frage erlaubt sein: Wie kommt ein ehemals in der DDR praktizierender Arzt und Gynäkologe zu dieser Aussage? Gerade er muss doch wissen, dass die Schwangerschaftsberatungsstellen in der DDR, bestehend aus Gynäkologe, Hebamme, Sozialarbeiter und Kinderarzt, Frauen und Familien während der Schwangerschaft und auch nach der Geburt sehr engmaschig begleitet und beraten haben. Und genau in diesem Rahmen wurden auch die Fragen der Abtreibung er
örtert und besprochen. Ethisch-moralische Fragen spielten hierbei eine große Rolle. Gesundheitliche Risiken und ihre Folgewirkungen, aber auch mögliche Auswirkungen für die künftige Familienplanung wurden aufgezeigt. Nicht Leben nehmen, sondern Leben schenken stand absolut im Vordergrund. Das kann Herr Böhmer - so meine ich - nicht vergessen haben.
Auch wenn wir das SED-Regime an dieser Stelle noch einmal strapazieren, passt Böhmers Aussage nicht in das Bild. Alle sozialpolitischen Maßnahmen - wie es damals hieß - waren auf die Förderung und Entwicklung junger Familien und ihrer Kinder ausgerichtet. So gesehen gab es für die Frage der Abtreibung neben den ethisch-moralischen und gesundheitlichen Abwägungen auch eine politische Hürde. Nein, es ist wohl vielmehr so: Solche tragischen Fälle gab es damals wie heute. Es gibt sie in Ost und West.
Studien über die Ursachen von Kindstötungen belegen, dass Kindstötungen Folge von tragischen Konfliktsituationen, Panikreaktionen oder psychotischen Zuständen sind, die ein geplantes Handeln ausschließen. In eine solche Situation geraten oft junge Familien und junge Frauen, die zu DDR-Zeiten noch Vorschulkinder waren und somit im vereinten Deutschland aufgewachsen sind. Die Ursachen für diese schlimmen Vorgänge müssen wir also im Heute und Jetzt suchen und nicht in der Vergangenheit.
Die neuerlichen Vorfälle hier in Brandenburg haben den Ruf nach anonymer Geburt wieder lauter werden lassen. Im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie haben wir vor elf Monaten, also vor knapp einem Jahr, was noch gar nicht so lange her ist, zu diesem Thema Experten angehört. Die Anzuhörenden sprachen sich überwiegend gegen die Sinnhaftigkeit und Machbarkeit einer Legalisierung der anonymen Geburt aus. Keiner der bedauernswerten Fälle von Kindstötungen ließe sich durch eine formale Legalisierung der anonymen Geburt verhindern.
Kindstötung geschieht im Affekt und im Nachgang einer Schwangerschaft, die die Mutter meist nicht wahrgenommen hat bzw. nicht wahrnehmen wollte. Die Inanspruchnahme des Angebots einer anonymen Geburt setzt aber voraus, dass sich die werdende Mutter ihrer Situation bewusst ist, sie akzeptiert und eine bewusste Entscheidung treffen kann. Beim Angebot von anonymer Geburt und Babyklappen - die gehören mit dazu muss auch bedacht werden, dass Frauen durch andere unter Druck gesetzt werden können, von Familienangehörigen, Zuhältern oder dem Kindsvater.
Studien belegen zudem eindeutig, dass die genetische Abstammung für Kinder von großer Bedeutung ist. Es ist eine schwere Last für Kinder, nichts über ihre Herkunft oder ihre biologischen Eltern zu wissen. Lebenslänglich leiden Kinder unter der Kränkung, fortgegeben worden zu sein, wenn ihnen die Beweggründe der biologischen Eltern unbekannt sind.