Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Es ist 13 Uhr, und wir möchten mit unserer Sitzung fortfahren.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Abstimmen - egal, was! - Heiterkeit)

Ich eröffne hiermit den Nachmittagsteil unserer Sitzung und freue mich über diejenigen, die schon im Plenarsaal sind. Bevor wir mit dem Tagesordnungspunkt 3 in unserer Tagesordnung fortfahren, begrüße ich die Schülerinnen und Schüler des Einstein-Gymnasiums aus Angermünde bei uns.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetz zu dem Zwölften Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Zwölfter Rund- funkänderungsstaatsvertrag)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/7236

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 4/7387

Ich eröffne die Aussprache, und die Abgeordnete Meier erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste, die Sie im Moment in der Mehrzahl sind!

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

- Aber sie sind zumindest aufmerksam.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Wir hören alle zu!)

In meinen Ausführungen zur 1. Lesung standen eher allgemeine Aspekte des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages im Vordergrund. Heute möchte ich auf ein paar Details eingehen, die meiner Meinung nach zeigen, dass auch dieser Staatsvertrag leider wieder nur mehr Probleme schafft, als er zu lösen vermag.

Drei kurze Blicke in die Vergangenheit: Seit dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag schleppen wir einen Rucksack mit uns herum, der mit noch zu erledigenden Aufgaben und noch zu lösenden Problemen gefüllt ist.

Erstens: Ein ursprünglich bis zum Jahr 2009 geplantes neues Rundfunkgebührenmodell wurde bereits auf das Jahr 2013 verschoben und ist nach neuesten Erkenntnissen noch nicht einmal bis dahin zu erwarten.

Zweitens: Die Schwierigkeiten, die sich rund um die im Jahre 2005 eingeführten Regelungen für Gebührenbefreiungen ergeben haben, sind bis heute nicht ausreichend behoben.

Drittens: Im Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag konnten wir feststellen, dass es kein Trennungsverbot gab zwischen denjenigen, die Netzbetreiber sind und das Kabelnetz beherrschen, und denjenigen, die Programme anbieten. Die Folge war, dass die Programmanbieter, darunter auch die privaten, zum Teil aber auch ARD und ZDF, von den Kabelnetzanbietern diskriminiert werden. Auch das ist noch nicht geklärt.

Alle drei Punkte sollten mit den Folgestaatsverträgen geklärt werden. Doch weder mit dem Elften noch mit dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist das geschehen.

Kommen wir nun zu den Problemen der Zukunft. Was wollen denn Medienanbieter in der Zukunft? Gibt es dort nicht einen Paradigmenwechsel? Haben wir denn nicht mehr nur noch Medienanbieter wie Fernsehsender oder Radioanbieter, sondern mittlerweile auch Kabelnetzbetreiber, die in den Medienbereich einsteigen wollen? Das sind Plattformbetreiber wie Premiere oder auch Suchmaschinenanbieter wie Google, die 95 % des Suchmaschinenmarkts beherrschen. Müsste dies nicht in die Rundfunkregulierung aufgenommen werden, wenn immer mehr Menschen, vor allem Jugendliche ins Internet abwandern und ihre Meinungs- und Willensbildung im Wesentlichen über Suchmaschinen befördern? Mehr noch: Was können wir denn feststellen, wenn wir uns die Medienanbieter der Zukunft ansehen? Sie wollen die Daten des Endkunden, sie wollen die Nutzerprofile, sie wollen wissen, wann wer wo wie was nutzt, um ihre Werbung personengenau schalten zu können. Darauf hat die Medienpolitik nicht reagiert, obwohl sie genau dieses Problem angehen müsste: Wie kann man in der medialen digitalen Zukunft die Anonymität des Einzelnen sichern? Darauf fehlt bis heute jegliche Antwort - auch aus der brandenburgischen Staatskanzlei.

Kommen wir nun zum Kern des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages. Der Kern ist, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die ARD-Anstalten, das ZDF und auch das Deutschlandradio, in Zukunft einen Dreistufentest durchführen sollen. Im Rahmen dieses Tests soll unter anderem geprüft werden, welche Auswirkungen die neuen Telemedienangebote, also nicht das, was über Fernsehen und Radio, sondern über Internet verbreitet wird, auf den Medienmarkt haben. Anscheinend ist gewollt, dass diese Auswirkungen möglichst gering sein sollen. Doch worum geht es bei diesen Medienangeboten? Man kämpft schlichtweg um Aufmerksamkeit. Es wird in dem Dreistufentest gefordert, dass es in Zukunft für die Telemedienangebote, sprich: die Angebote im Internet, einen publizistischen Mehrwert geben soll.

Was genau aber verbirgt sich hinter dem Dreistufentest? In der ersten Stufe geht es um die genauere Bestimmung des Auftrags.

In der zweiten und zugleich wichtigsten Stufe wird gefragt, ob der publizistische Mehrwert, der Mehrwert für die Gesellschaft, überhaupt rechtfertigt, dass ein solches Angebot ausgerechnet vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt.

In der dritten Stufe muss dann noch abgeklopft werden, ob entsprechende Angebote schon im Netz verfügbar sind und wie sich ein gebührenfinanziertes Angebot auf einen schon besetzten Markt auswirken würde. Andere Angebote etwa von Verlagen oder Privatsendern könnten ja wirtschaftlichen Schaden erleiden, wenn eine öffentlich-rechtliche Konkurrenz dazukommen würde.

Da stellt sich mir schon die ketzerische Frage: Wenn schon so eine Prüfung, warum denn dann nur für Telemedienangebote? Wenn wir Probleme mit dem publizistischen Mehrwert von ARD und ZDF haben, warum denn dann nicht für alle Angebote, also auch für das, was im Radio und Fernsehen verbreitet wird? Das wäre doch nur konsequent.

Das entsprechende Verfahren des Dreistufentests soll durch die Gremien, also die Rundfunkräte, durchgeführt werden. Das heißt aber im Klartext, dass die Gremienmitglieder Experten auf verschiedenen Spezialgebieten sein, über medienökonomische Kenntnisse verfügen und medienökonomische Stellungnahmen bzw. Gutachten werten können müssen. Außerdem sind die entsprechenden Bescheide EU-gerecht zu erstellen. Im Ergebnis bedeutet das, dass der genannte Dreistufentest nur das Gutachterwesen fördert. Das ZDF hat hierfür 1,25 Millionen Euro eingestellt. Davon könnte man ca. 20 45-minütige Dokumentationen erstellen. Genau aus diesem Grunde haben die ARD-Anstalten ein Gutachten in Auftrag gegeben, um nach Annahme des Staatsvertrags womöglich genau gegen diesen Staatsvertrag vor dem Bundesverfassungsgericht klagen zu können. Auch der VPRT, RTL und andere haben schon angekündigt, dass sie, wenn das erste Gutachten da ist, Klageschritte einleiten werden.

Wenn man dann, fast schon nebenbei, die Redakteure klagen hört, dass sie bei dieser gesamten Regelungswut außen vor bleiben, kann man eigentlich fast nur noch mit den Achseln zucken. Beiträge werden dem Redakteur gegenüber erst dann erneut vergütungspflichtig, wenn diese länger als sieben Tage als Telemedienangebot vorgehalten werden. Abgesehen von sportlichen Großereignissen, angekauften Spielfilmen und Serien regelt der neue Staatsvertrag jedoch, dass ausgestrahlte Sendungen nur für bis zu sieben Tage zum Abruf in Mediatheken anzubieten sind. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt!

Meine Damen und Herren, wer die Urteile des Bundesverfassungsgerichts liest, wird feststellen, dass Medien nicht eine Freiheit an sich, sondern eine der Demokratie dienende Freiheit haben. Seit Jahren werden die vorgelegten Staatsverträge dem nicht mehr gerecht. Deshalb lehnen wir auch den vorliegenden Staatsvertrag ab. - Danke.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält jetzt der Abgeordnete Birthler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Schwerpunkt des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages liegt in der Konkretisierung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Verfahrensvorschriften für neue und veränderte Telemedien.

Der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag war erforderlich, weil die EU 2007 das gegen Deutschland laufende Beihilfeverfahren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingestellt hat, obschon sie nach wie vor der Ansicht ist, dass die Gebührenfinanzierung eine zu notifizierende Beihilfe ist. Die Einstellung des Beihilfeverfahrens war allerdings an die

Bedingung geknüpft, dass innerhalb von 24 Monaten bestimmte Vorgaben umgesetzt werden. Deshalb kommen in diesem Staatsvertrag, Frau Meier, viele Punkte, die Sie berechtigterweise angesprochen haben, gar nicht vor, denn Zweck ist, hier eine EU-rechtliche Konstruktion zu finden, mit der auch die EU einverstanden sein muss. Deshalb beschäftigen sich alle Rundfunkräte zurzeit intensiv mit dem Dreistufentest. Auch der RBB-Rundfunkrat hat extra einen Ausschuss dafür gebildet, der sich mit der Umsetzung des Dreistufentests beschäftigt. Dabei ist anzustreben, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio möglichst ein einheitliches Verfahren haben.

Über andere wichtige Änderungen, die den Rundfunkstaatsvertrag betreffen, haben wir schon in der 1. Lesung ausführlich gesprochen. Ich möchte das nicht wiederholen und empfehle die Zustimmung zu dem Staatsvertrag.

(Schwacher Beifall bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Herr Abgeordneter Schuldt für die DVU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! ARD und ZDF greifen nach der Macht im Netz - und das mithilfe eines Staatsvertrages, der mehr Probleme schafft, als er löst.

Im Kern des vorliegenden Staatsvertrages geht es darum, was die öffentlich-rechtlichen Sender in Zukunft im Internet anbieten und was nicht. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wollten diesbezüglich freie Hand. Das brachte wiederum die privaten Anbieter gegen diese Pläne auf, die sich nicht gebührenfinanziert aus dem Netz verdrängen lassen wollen. Daher wandten sich diese um Hilfe an die EU, bezogen auf die Rundfunkzwangsgebühren in Deutschland hier eine gerechte Regelung zu erlangen, welche mit dem Staatsvertrag nunmehr vorliegt.

Dieser Staatsvertrag, auch wenn er einen Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt, ist von großer Bedeutung für private Verlage und Privatsendern, allerdings im negativen Sinne. Das Internet ist das Medium der Zukunft. Schon heute informieren sich vor allem viele jüngere Leute nicht mehr über traditionelle Medien, sondern bevorzugen die OnlineInformationen. Deshalb sind fast alle Zeitungen, Zeitschriften und Privatsender mit kostspieligen Portalen im Netz vertreten, von denen sich derzeit nur die wenigsten finanziell tragen. Soll es den Öffentlich-rechtlichen künftig erlaubt sein, mit gebührenfinanzierten Angeboten Verlagen und Privatsendern im Netz Konkurrenz zu machen? Genau um diese Frage ging es. Heraus kam ein grundsätzliches Ja. Dies soll allerdings nach Durchführung eines sogenannten Dreistufentests geschehen. Darin soll unter anderem geprüft werden, welche Auswirkungen die neuen Telemedienangebote auf den Medienmarkt haben.

Worum geht es bei den Medienangeboten? Man kämpft um die Aufmerksamkeit. Letztendlich möchte man als Gremienvertreter dafür kämpfen und sorgen, dass der Sender, den man vertritt, möglichst viel Aufmerksamkeit erhält. Damit werden natürlich die privaten Anbieter geschädigt, denn wenn weniger Leute die privaten Programme nutzen, sinken die Einnahmen dieser Sender, weil sie für ihre Werbespots weniger Geld erhalten.

Daher trifft der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag in der Wirtschaft beinahe auf geschlossene Ablehnung. Von einer Verzerrung des Wettbewerbs und einer Beeinträchtigung der Vielfalt der deutschen Medienlandschaft ist die Rede. Damit werden die staatlich finanzierten Medien im Internet legitimiert, kritisierte - so wörtlich - der Rundfunkexperte Christoph Fiedler vom Verband Deutscher Zeitungsverleger. Dieser Verband sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie sowie die privaten Rundfunkanstalten lehnen daher den vorliegenden Staatsvertrag grundsätzlich ab. Daran ändert auch der als Kompromiss eingeführte Dreistufentest nicht das Geringste.

Um es zusammenfassend zu sagen: Mit dem vorliegenden Staatsvertrag sollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten wettbewerbsverzerrende und die private Wirtschaft schädigende Telemediendienste im Internet sowie nach § 16a bis 16e eine weitgehende kommerzielle Tätigkeit sowie entsprechende Beteiligung erlaubt werden, eingeschränkt lediglich durch ein praktisch völlig untaugliches Dreistufentestverfahren, welches mit entsprechenden Zusatzkosten verbunden ist, und das alles, meine Damen und Herren, auf Kosten der Gebührenzahler, also auf unser aller Kosten.

Dazu sagen wir als DVU-Fraktion wie bei allen bisherigen Rundfunkänderungsverträgen: Nein, nein und nochmals nein! Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält nun Herr Abgeordneter Dr. Niekisch für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schuldt, es ist manchmal schon eigenartig, was Sie hier schwadronieren. ARD und ZDF greifen nach der Macht? - Ich kann Ihnen sagen: Machtergreifung sieht anders aus.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und vereinzelt bei der SPD)

Das sollten Sie möglicherweise einmal historisch nachvollziehen.