Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Die DVU-Fraktion stellt den Änderungsantrag mit der Drucksachennummer 4/7424. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Änderungsantrag? - Wer enthält sich? - Mit großer Mehrheit ist gegen diesen Änderungsantrag gestimmt worden. Er ist somit abgelehnt.

Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, der Ihnen in der Drucksache 4/7428 vorliegt, steht zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Änderungsantrag? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei wenigen Stimmenthaltungen ist mehrheitlich gegen diesen Änderungsantrag gestimmt worden.

Die DVU-Fraktion hat den Änderungsantrag in der Drucksache 4/7425 eingebracht. Wer diesem Änderungsantrag folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Änderungsantrag? - Wer enthält sich? - Mit großer Mehrheit ist gegen diesen Änderungsantrag gestimmt worden. Er ist somit abgelehnt.

Es liegt Ihnen der Änderungsantrag in der Drucksache 4/7435, der von den Fraktionen der SPD und der CDU eingebracht wurde, vor. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Änderungsantrag? - Wer enthält sich? - Bei einigen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen ist diesem Änderungsantrag mehrheitlich zugestimmt worden.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung, die Ihnen in der Drucksache 4/7406 vorliegt. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen und einigen Gegenstimmen hat sich die Mehrheit für diese Beschlussempfehlung ausgesprochen, und das Gesetz ist damit in 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetz zur Anpassung des Landesrechts an das Personenstandsrechtsreformgesetz

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/7107

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 4/7405

Es wurde vereinbart, keine Debatte dazu zu führen. Wir kommen also sofort zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung in der Drucksache 4/7405. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei wenigen Stimmenthaltungen ist mit großer Mehrheit dieser Beschlussempfehlung zugestimmt. Das Gesetz ist damit in 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe Tagesordungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Psychisch-Kranken-Gesetz - BbgPsychKG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/6975

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie

Drucksache 4/7364

Ich eröffne die Aussprache, und Frau Wöllert erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wie Sie sich vielleicht erinnern, war die 1. Lesung des Psychisch-Kranken-Gesetzes vor wenigen Wochen ein wenig der Bombenentschärfung auf dem Brauhausberg zum Opfer gefallen. Das ist zu verschmerzen, obwohl ich ganz deutlich sagen möchte, dass der Umgang mit psychisch kranken Menschen für eine Gesellschaft eine sensible Aufgabe ist, die große Aufmerksamkeit verdient. Es geht an vielen Stellen um die Einschränkung von Grundrechten, die der Gesetzgeber sehr gründlich abzuwägen hat und die er auch nicht einfach an Fachleute delegieren kann. Gerade diese Fachleute - in der Regel Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern - erwarten von einem Gesetz, dass es ihnen die nötige Rechtssicherheit gibt.

Es gibt unter psychiatrischen Chefärzten ein geflügeltes Wort, das heißt: Es wäre überhaupt kein Problem, die Hälfte meiner Patienten sofort zu entlassen. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte. - Ich will damit vor allem eines deutlich machen. Wir haben immer ein immenses Problem, wenn jemand aus der Psychiatrie oder sogar aus dem Maßregelvollzug kommt und die Gesundheit anderer Menschen durch sein Tun Schaden nimmt oder noch Schlimmeres passiert. Warum konnte der raus?, wird dann gefragt.

Da ist es schwer, immer wieder auch andersherum zu fragen: Muss ein Patient oder eine Patientin auch gegen den eigenen Willen in die Psychiatrie kommen oder dort bleiben? Ich rede nicht von bewusstem Missrauch der Psychiatrie, den es in der Geschichte leider auch gegeben hat, sondern von Unsicherheit bei der Beurteilung, bei der Prognose und auch von möglicherweise noch nicht optimalen Betreuungsmöglichkeiten außerhalb der stationären Psychiatrie.

Meine Damen und Herren, Ihnen liegt heute eine Beschlussempfehlung des Fachausschusses vor. Es gab insgesamt 37 Änderungsanträge aus allen Fraktionen, was bei dem Umfang des Gesetzentwurfs doch beachtlich ist. Vorangegangen war eine Anhörung, in der von elf eingeladenen Anzuhörenden

alle elf die Möglichkeit wahrgenommen haben, zum Gesetzentwurf umfangreich Stellung zu nehmen. In einem Fall geschah das nur schriftlich. Ich möchte mich auch noch einmal von dieser Stelle aus bei allen, die der Einladung zu dieser Anhörung gefolgt sind, recht herzlich für die hohe fachliche Qualität der Vorträge bedanken.

Wenn meine Fraktion heute noch einmal drei Änderungsanträge zur Abstimmung stellt - von elf, die die Linken in der Ausschussberatung vorgelegt hatten -, dann hat dies vor allem mit meinen Eingangsbemerkungen zu tun. Es geht uns dabei um die Sicherung einer hohen fachlichen Qualität, um die bessere Koordinierung, einschließlich der Vernetzung von stationären und ambulanten Angeboten, und um die Beschränkung von Grundrechtseingriffen auf das unumgängliche Maß, besonders in Bezug auf Minderjährige.

Zum ersten Änderungsantrag: In § 6 Abs.1 ist die fachärztliche Leitung der Sozialpsychiatrischen und Jugendpsychiatrischen Dienste nicht mehr zwingend vorgeschrieben, sondern nur gewünscht. Dass es besser ist, eine fachärztliche Leitung zu haben, war sogar politischer Konsens. Was also steht dem entgegen, wenn man berücksichtigt, was ich vorhin zum Gesetz und zu dem, was ein Gesetz bewirken soll, gesagt habe, das im Gesetz auch so zu formulieren? Erstens - so lautete die Argumentation - die Praxis: Da es nicht genug Ärzte gibt, braucht es auch nicht ins Gesetz. - Und zweitens - so die Argumentation die Konnexität: Wenn es im Gesetz steht, muss das Land auch die Kosten für die Facharztstelle zur Verfügung stellen.

Mit dem Gesetz wird die Verantwortung des Sozialpsychiatrischen Dienstes wachsen. Wir meinen, dass es dann nicht angezeigt ist, die fachlichen Anforderungen zurückzuschrauben. Auch der Umstand, dass es gegenwärtig nicht gelingt, überall die Stellen fachlich zu besetzen, muss für uns nicht Anlass sein, das Rad rückwärts zu drehen.

Die gleiche Argumentation folgte beim § 7 Abs.1 Satz 2. Im Gesetz steht:

„Die Landkreise und kreisfreien Städte stellen die Wahrnehmung der koordinierenden und steuernden Aufgaben in der Versorgung psychisch kranker und seelisch behinderter Personen in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich sicher. Sie können dazu eine Psychiatriekoordinatorin oder einen Psychiatriekoordinator berufen.“

Da übereinstimmend die Notwendigkeit dieser Funktion beurteilt wurde, sollte das unserer Meinung nach auch so im Gesetz stehen. Aber die Argumentation ist die gleiche wie vorhin: Konnexität, also Bezahlung, bzw. Mangel an Fachkräften. Da stellt sich doch die Frage: Welche Verantwortung hat hier das Land für all seine Regionen? Die reichen Regionen leisten sich Fachärzte und Psychiatriekoordinatoren, die ärmeren können ruhig darauf verzichten. Genau das ist nicht unser Politikansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Zum dritten Antrag: Das Gesetz regelt die Möglichkeit der Anwendung sogenannter besonderer Sicherungsmaßnahmen. Das sind die Beschränkung des Aufenthalts im Freien, die körperliche Durchsuchung, die Absonderung in einem besonderen Raum, die Fixierung oder die der mechanischen Fixierung gleichkom

mende Ruhigstellung durch Medikamente. Zweck und damit Rechtfertigung solcher Maßnahmen ist letztlich die Gefahr eines Tötungsdelikts, einer Selbsttötung bzw. von ernsthaften Verletzungen. Wir möchten mit unserem Änderungsantrag erreichen, dass die mechanische oder medikamentöse Fixierung bei minderjährigen Patienten nicht zulässig ist. Der schwerwiegendste Eingriff soll für Kinder und Jugendliche die Aussonderung in einem besonderem Raum sein, wobei zwingend vorgesehen ist, dass das nur unter fachärztlicher und fachtherapeutischer Aufsicht geschehen darf.

Zum Schluss möchte ich noch auf folgendes Problem hinweisen: Es geht um § 36 „Ziele und Vollstreckungsplan des Maßregelvollzuges“. In der Anhörung wurde auf den - ich sage mal - antiquierten und medizinisch nicht mehr benutzten Begriff der Entziehungsanstalt verwiesen. Daraufhin stellte sich heraus, dass es sich hierbei um einen bundesgesetzlichen Begriff aus dem Strafvollzugsgesetz handelt. Deshalb wurde vorgeschlagen, zur Klarstellung den kompletten Paragrafen in das Landesgesetz einzufügen. Ich denke, es ist zumindest fragwürdig, was diesbezüglich bei einem neuen modernen Landesgesetz des Ministeriums, das für Gesundheit zuständig ist und diesen Begriff im Titel führt, herauskommt.

§ 137 Strafvollzugsgesetz von 1976 besagt Folgendes:

„Ziel der Behandlung in einer Entziehungsanstalt ist es, ihn von seinem Hang zu heilen und die zugrunde liegende Fehlhaltung zu beheben.“

Das sind Erkenntnisse, die schon im letzten Jahrhundert veraltet waren. Schon 1968 war durch eine Entscheidung des Bundessozialgerichts klargestellt worden, dass es sich bei Sucht um eine Krankheit handelt. Die neurobiologische Forschung der letzten zehn Jahre hat das Verständnis von Sucht als Krankheit untermauert. Ich spare mir weitere Ausführungen und verweise auf Artikel im „Ärzteblatt“ von Wilfried Köhler und Siegmund Drexler vom Januar 2009. Darin ist das gut nachzulesen.

Zumindest müsste darauf hingewiesen werden, dass die Weltgesundheitsbehörde die Sucht schon seit vielen Jahren als eine Krankheit klassifiziert hat. Zu fragen bleibt, ob wir an dieser Stelle nicht auf eine Modernisierung des Strafvollzugsgesetzes orientieren sollten, statt alte Regelungen zu übernehmen.

Ich möchte meine Ausführungen angesichts dessen, dass wir manche Gesetze damit begründen, dass wir sie reformieren und sie der Praxis anpassen, mit einem Zitat aus der Anhörung beenden. Herr Dr. Kühl - ein Jurist, der daran mitgearbeitet hatte - meinte in Bezug auf die Absenkung von Standards:

„Ich habe den Eindruck, da passt man sich der Praxis an. Man sollte sich meines Erachtens gegen diese Praxis stellen, und das kann man nur mit einem Gesetz machen.“

- Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Frau Dr. Münch.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Wöllert, Sie haben darauf hingewiesen, dass es sich im Umgang mit psychisch Kranken immer um eine besondere Beziehung handelt. Der psychisch kranke Mensch ist jemand, der nicht mehr Herr dessen ist, was er tut und lässt, und nicht mehr darüber entscheiden kann, wie er in der Realität steht. Wenn man sich an die Psychiatrie vergangener Zeiten erinnert, wird einem schmerzlich bewusst, wie gut gemeintes Handeln Menschen in schlimmste Bedrängnis bringen, wie sehr man Menschen missverstehen kann, wie Behandlungsmaßnahmen geradezu an Folter grenzen und wie schwer man dem psychisch Kranken, der sicherlich noch stärker leidet als jemand, der im Vollbesitz seiner Sinne ist, Unrecht tun kann.

Der psychisch Kranke muss in einer akuten Krankheitsphase häufig für eine gewisse Zeit seiner Freiheit beraubt werden. Deswegen ist es in diesem sehr sensiblen Bereich enorm wichtig, für klare Strukturen und klare Zuständigkeiten sowie gute Kontrollmöglichkeiten zu sorgen.

Wenn man sich an die Psychiatrie vergangener Zeiten erinnert, weiß man, dass sich das Psychisch-Kranken-Gesetz in Brandenburg über zehn Jahre hinweg gut bewährt hat. Trotzdem war es an der Zeit, das Gesetz neu zu strukturieren und bestimmte Dinge zu überarbeiten und der aktuellen Rechtsprechung und Krankheitseinsicht anzupassen. Mit diesem Gesetz gibt es Klarheit und Stringenz.

Wir haben den Maßregelvollzug und das Psychisch-KrankenGesetz zusammengefasst. Es besteht nun eine hohe Rechtssicherheit. Aus einem besonderen Grund war das notwendig das spiegelt sich auch in unseren Änderungsanträgen wider -: Wie Sie wissen, haben wir den Maßregelvollzug ausgegliedert, und es ist eben auch möglich, die Betreuung psychisch Kranker an Dritte auszugliedern. Gerade in einem Bereich, in dem es um die Einschränkung von Grundrechten und den Umgang mit Menschen, die ihrer selbst nicht Herr sind und die des besonderen Schutzes der Allgemeinheit bedürfen, geht, ist es wichtig, klare und stringente Regeln zu haben.

Die Zuständigkeiten wurden neu geordnet und geklärt. Es ist außerordentlich zu begrüßen, dass jetzt primär der Sozialpsychiatrische Dienst und nicht mehr das Ordnungsamt für eine zeitweilige Unterbringung zuständig ist. Dadurch ist jeglicher Willkür, Beliebigkeit oder Gleichgültigkeit ein Riegel vorgeschoben worden. Im Geiste des Gesetzes ist immer wieder spürbar, dass der psychisch Kranke seine Würde und Selbstbestimmung weitestgehend behalten muss und dass die Einschränkung seiner Grundrechte und seiner Freiheit so gering wie möglich auszufallen hat. Immer wieder wird betont, dass die Behandlung und die Therapie ihn soweit wie möglich in seinen sozialen und beruflichen Bezügen lassen sollen. Die Grundsatzregel „ambulant vor stationär“ gilt auch hier.

Beispielhaft sei § 4 Abs. 3 genannt: