Sie, Herr Dr. Klocksin und Frau Richstein, haben positive Seiten aufgezeigt. Ich sehe eben auch negative Seiten. Deshalb muss es mir erlaubt sein, diesbezüglich eine andere Meinung zu haben.
Herr Staatssekretär Appel, an Sie gerichtet möchte ich sagen: Es geht uns nicht darum, das Thema EU herunterzureden. Wir als Fraktion in diesem Hause können voller Stolz sagen: Wir haben uns über die Jahre europafähig gemacht, und zwar mit allen Schmerzen, die so etwas mit sich bringt. Wir haben uns europafähig gemacht, indem wir zum Beispiel jedes Jahr nach Brüssel gefahren sind, weil wir mitbekommen haben, dass wir von den Beamten in der Europäischen Kommission häufig konkretere Antworten auf unsere Fragen bekommen haben, als wir sie von der Landesregierung bekommen.
Seit Jahren fordern wir, dass Sie es endlich schaffen, den § 94 der Brandenburger Landesverfassung auszufüllen, und zwar in dem Sinne, dass Sie sich verpflichtet fühlen, dem Landtag die Informationen zukommen zu lassen, die ihm gebühren. Wir als Landtagsabgeordnete wollen auch Multiplikatoren sein, und zwar auch, wenn es um EU-Politik geht.
- Das kann doch die Landesregierung vorher sortieren, Herr Bischoff. - Wir wollen informiert werden, wir wollen nach Möglichkeit auch als Multiplikatoren auftreten. In diesem Sinne haben wir bisher auch gewirkt.
Insofern kann ich völlig zu Recht sagen: Liebe Bürgerinnen und Bürger! Auch ich rufe Sie auf, am 7. Juni zur Wahl zu gehen. Wählen Sie die Partei, bei der Sie Ihre Interessen am besten aufgehoben sehen. Nutzen Sie Ihre Wahlchance! - Danke
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Rednerliste für die Aktuelle Stunde angelangt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 1.
Ich begrüße die Schülerinnen und Schüler der Stadtschule Altlandsberg aus dem schönen Märkisch-Oderland und wünsche ihnen einen interessanten Vormittag.
Wir tauschen die Frage 2331 mit der Frage 2338, weil die Fragestellerin der Frage 2331 noch nicht anwesend ist.
Das „Handelsblatt“ vom 8. Mai berichtete, dass Rezession und Finanzkrise im I. Quartal 2009 auf die Mehrzahl der Landeshaushalte durchschlugen. 12 Bundesländer, darunter Brandenburg, gaben mehr aus, als sie einnahmen, während Länder wie Sachsen, Thüringen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern trotz des tiefen Wirtschaftseinbruchs im I. Quartal des laufenden Jahres noch einen positiven Saldo im zwei- und dreistelligen Millionenbereich in ihren Landeshaushalten verzeichneten.
Ich frage die Landesregierung: Woraus resultiert der negative Finanzierungssaldo des Landes Brandenburg in Höhe von 87,3 Millionen Euro im I. Quartal 2009?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unterjährige Saldenbetrachtungen taugen für echte Vergleiche relativ wenig. Aber grundsätzlich sage ich: Der Haushalt, den Sie hier für 2009 beschlossen haben, geht von einem negativen Saldo aus. Die Planungen sind so, dass wir uns mit 100 Millionen Euro zur Deckung aller Ausgaben am Kreditmarkt bedienen müssen. Dies ist auch nicht ungewöhnlich. Dem Grunde nach liegt die Antwort nahe: Wegen der Rezession nehmen wir weniger Steuern ein als geplant. - Das ist die Antwort.
Im I. Quartal war die Krise in Brandenburg noch nicht angekommen. Wie sieht denn die Prognose für das II. Quartal bzw. für das Jahr 2009 aus, insbesondere unter Einbeziehung der aktuellen Steuerschätzungen?
Die aktuelle Steuerschätzung - das haben Sie über die Medien mitbekommen - liegt noch nicht vor. Ich gehe davon aus, dass die Kollegen auf der Grundlage von minus 6 % rechnen werden.
Im Februar hat die Deutsche Bank eine Prognose von minus 5 % gemacht. Da haben alle gesagt: Um Gottes willen, das ist eine zu düstere Betrachtung! - Heute reden wir von minus 6 %; vielleicht werden wir im Sommer von anderen Zahlen reden. Deswegen enthalte ich mich da weiterer Prognosen.
Momentan ist zu schätzen, dass wir pro Monat im Schnitt 10 % weniger Steuern einnehmen werden, als es geplant ist. Wie es sich dann am Jahresende über den Länderfinanzausgleich auswirken wird, ist derzeit nicht abzusehen.
Vielen Dank. - Auch die folgende Frage tauschen wir. Die Frage 2345 (Wirtschaftliche Situation bei ArcelorMittal in Eisen- hüttenstadt) wird von der Abgeordneten Böhnisch gestellt.
In der „Märkischen Oderzeitung“ vom 18./19. April war von der angespannten wirtschaftlichen Situation bei ArcelorMittal zu lesen, und auf einer Belegschaftsversammlung am 9. April wurde die Unternehmenssituation als sehr kritisch dargestellt. Wirtschaftsminister Junghanns hingegen vertrat damals die Meinung, es sei nicht so kompliziert. Er hat die Situation verharmlost und meinte, dass es keine gravierenden Probleme gebe und das Unternehmen nur Maßnahmen mit „marktanpassenden“ Elementen ergreife.
Ich frage die Landesregierung: Wie schätzt sie angesichts der aktuellen Situation die Lage des Standorts Eisenhüttenstadt ein?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Abgeordnete, die Finanzmarktprobleme und die Abkühlung des Weltmarkts verschärfen sich gegenwärtig noch gegenseitig. Die Wirtschaft fährt in vielen Branchen, insbesondere in den besonders betroffenen Branchen, auf Sicht. Zu diesen Branchen gehört die Stahl- und Metallindustrie national und europaweit. Sie ist innerhalb der realwirtschaftlichen Verwerfungen von den Auswirkungen dieser Kombination aus Struktur- und Konjunkturkrise sowie Finanzkrise am heftigsten betroffen.
Eine Zahl soll das verdeutlichen. Die Stahlproduktion ist im April des Jahres 2009 - das ist eine Zahl des Statistischen Bundesamts - gegenüber dem Vorjahr um über 50 % eingebrochen. So starke Rückgänge gab es in diesem Bereich noch nie. Auch die Zeiten, an die Sie sich vielleicht erinnern, in denen durch Europa gereist wurde, um aus europäischer Sicht Stahlkapazitäten „einzukaufen“, sind mit dieser Lage, die wir gegenwärtig in dem Bereich haben, nicht vergleichbar.
Die Branche reagiert mit Produktionskürzungen und Kurzarbeit. Das gilt auch für ArcelorMittal als einem der weltweit größten Stahlproduzenten. Auch dieser Konzern hat an seinen Standorten, insbesondere in Eisenhüttenstadt, die Produktion gedrosselt und die in diesem Kreis bekannten Maßnahmen erörtert und entschieden. Das sind Entscheidungen, die die Konzernleitung, die Standortverantwortlichen gemeinsam vorbereiten, die auch im Kreis der Arbeitnehmerschaft mit diskutiert werden, die aber - das ist die Kernaussage des Unternehmens im Unternehmen und auch gegenüber der Landesregierung und gegenüber den nationalen Regierungen - Anpassungen an die drastische Marktsituation sind und keinen Strukturabbau bedeuten.
Wir stehen regelmäßig in engem Kontakt - ich persönlich - mit der Geschäftsführung in Eisenhüttenstadt, aber auch mit der Konzernleitung der Unit Europa Flachstahl in Luxemburg. Es findet also ein intensiver Austausch zu der sich abzeichnenden schwierigen Entwicklung statt. Es ist so, dass in diese Diskussion auch die Bundesregierung einbezogen ist.
Wir heben immer wieder hervor - das ist der Maßstab für unsere Bewertung der Entwicklungen an einem Standort -, dass es hier
um Marktanpassungen gehen kann - jawohl, das ist eine logische Folge aus der Marktentwicklung -, aber dass wir nicht dulden werden, dass es zu Strukturabbau oder Strukturanpassungen kommt.
Das ist die logische Folge aus dem, was die Landesregierung seit dem ersten Tag der deutschen Einheit am Standort vollbringt. Der Standort hat bei uns höchste Priorität; er ist regionaler Wachstumskern. Es ist eine Branche, die wir in den besonderen Fokus der wirtschaftlichen Profilierung gerückt haben. Die Standortentwicklung zur Stabilisierung der Struktur großer, kleiner und neuer Industrien ist bei den Investitionen, die am Standort stattfinden, praktisch geworden. Gehen Sie bitte davon aus, dass wir alles in unseren Kräften Stehende tun werden, um diesem Standort Zukunft zu geben.
Ein Beleg mehr dafür ist nicht zuletzt die Tatsache, dass wir das haben Sie auch mitbekommen - nicht nur die Energiewirtschaft, sondern die Energiewirtschaft gemeinsam mit der Stahlbranche aufstellen. Das große Thema CCS zur Absenkung der CO2-Emissionen in unserem Land ist auch am Stahlstandort ein Thema, womit einmal mehr belegt wird, wie wir gemeinsam mit den Verantwortlichen des Konzerns, aber vor allen Dingen auch denen des Standorts dafür Sorge tragen, dass dieser Stahlstandort, der ganz besonders für die Industriestruktur und die Industriekultur unseres Landes steht, eine lange und eine sichere Zukunft hat.
Wenn ich sage, dass die Bedingungen, die wir dort gegenwärtig vorfinden, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, überhaupt nicht mit Vorsituationen bezüglich Privatisierungen und Verkäufe oder mit anderen Strukturanpassungsperioden der Stahlbranche europaweit zu vergleichen sind, so haben aber alle diese Etappen eines gemeinsam - das gilt in dieser Situation einmal mehr und im Besonderen -, dass der Stahlstandort in dem Maße an Kraft und an Zukunft gewonnen hat, wie die Verantwortlichen am Standort - das ist das Management, das ist die Arbeitnehmerschaft, das ist die Kommunalpolitik, das sind insbesondere auch die Landespolitik und die Bundespolitik - enger zusammenrücken, um hier die Bedingungen zu sichern, die den geschäftlichen Erfolg dieses Standorts auf lange Sicht gemeinsam gestalten und organisieren lassen.
In diesem Sinne sind wir dabei - auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass diese Entscheidungen, die der Konzern getroffen hat, teilweise drastische Auswirkungen auf mittelständische Strukturen im Umfeld haben - sicherzustellen - es ist sichergestellt; dafür bin ich dem Management außerordentlich dankbar -, dass es eine regelmäßige, monatliche Information für die mittelständischen Strukturen im Umfeld des Standorts gibt. Dort wird gegenwärtig aufgrund dieser Marktentwicklung nichts Einfaches gesagt. Aber es wird auf alle Fälle fair miteinander umgegangen, sodass man miteinander Planungen vornehmen kann und die Mittelständler auch die Chance bekommen, sich darauf einzustellen. Es ist insofern ein Beispiel dafür, dass örtliche Cluster- bzw. Netzwerkstrukturen nicht nur dafür geschaffen worden sind, Wachstum zu organisieren, sondern dass man in diesen schwierigen Zeiten, in der Krisensituation auch dazu beiträgt, dass es zu keiner Kannibalisierung der wirtschaftlichen Strukturen kommt, sondern dass man miteinander über diese schwere Phase hinwegkommt. - Danke schön.
Herr Minister, ich habe zwei Nachfragen. Wir alle wissen, dass die Region um Eisenhüttenstadt im östlichsten Teil des Landes von EKO - so wird es ja im Volksmund genannt - lebt. 2 700 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer plus 3 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in angeschlossenen Firmen in dieser Region arbeiten, sind von EKO abhängig. Es war heute zu lesen, dass der Konzern plant, 9 000 Stellen zu streichen, davon 750 in Deutschland, 300 am Stahlstandort Eisenhüttenstadt. Ich frage: Welche Alternative nennen Sie den Menschen vor Ort?
Zweitens war mir das nicht ausreichend begründet. Wie wollen Sie koordiniert und konkret bundes- und landespolitisch herangehen, um diesen regionalen Wachstumskern zu erhalten und vielleicht auch auszubauen?
Erstens: Über die Bedeutung dieses Standortes in der Region sind wir uns einig. Ich habe ja selbst verschiedene Entwicklungsphasen mit durchlebt.
Zweitens: Es steht das Wort des Konzerns im Raum, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt. Daneben steht jetzt - das ist der Informationsstand - die Zahl des Abbaus von Arbeitsplätzen. Dazwischen gibt es gegenwärtig ein Delta, das noch erläutert werden muss. Das ist eine Frage, die ich dem Konzern genauso stelle, wie Sie sie mir gerade gestellt haben. Darauf muss der Konzern eine Antwort geben. Im Vergleich zu anderen, insbesondere mittelständischen Strukturen geht der Konzern außerordentlich verantwortlich mit seinen Mitarbeitern um und sucht nach Möglichkeiten, den Abbau unter den gegebenen Bedingungen sozialverträglich zu gestalten. Wie sich das konkret, bezogen auf die genannte Zahl, realisieren lässt, darüber erwarte ich auch noch Auskunft.
Das koordinierte Vorgehen zwischen Bundes- und Landespolitik in einer Zeit differenziert beschreiben zu wollen, wo man jeden Tag mit verschiedensten Unternehmen zu tun hat - heute wird beispielsweise die Schaeffler-Gruppe darüber informieren, was sie in Brandenburg tun wird, um Zukunft zu gewinnen -, ist nicht so einfach. Es ist aber sichergestellt, dass es angesichts der betroffenen herausragenden Industriethemen, auch wegen ihrer Wirkung auf die mittelständischen Strukturen, eine direkte Information sowohl der Fachministerien als auch des Bundeskanzleramtes und der Bundesebene gibt. Darüber hinaus gibt es eine abgestimmte Kontaktaufnahme bzw. Gesprächsführung, über die wir uns gegenseitig informieren. Je nach Bedeutung des einzelnen Konzerns bzw. des Standortes wird dann regelmäßig entschieden, wer die Federführung auf diesen Gebieten übernimmt.
Hier ist nicht der Ort, über weitere Details zu informieren. Ein Teil der Hilfe ist nämlich in einer Form zu organisieren, dass sie vertrauenswürdig abläuft und die Sachkunde bei den Entscheidungen für alle Beteiligten intern nachvollzogen werden kann.
Ich antworte also auf die Fragen, die Sie mir stellen, erlaube mir aber den Hinweis, dass es nicht immer die geeignete Form ist, Probleme einzelner Firmen in einem so wichtigen, natür
lich in seiner Autorität uneingeschränkten Gremium öffentlich zu debattieren. Das hat Grenzen. Dafür bitte ich um Verständnis;
denn das macht das vertrauensvolle Miteinander von Landespolitik und Konzernstrukturen, die international regelmäßig nicht nur mit einem Land, sondern mit mehreren Nationalstaaten und in den Nationalstaaten noch mit den regional Verantwortlichen zu tun haben, mitunter nicht einfach. Aber, wie gesagt, wir haben ein offenes Verhältnis zueinander. Wir diskutieren auch mit Arbeitgebern und der Arbeitnehmerschaft am Standort. Deshalb nehmen Sie mit: Der Landesregierung liegt der Stahlstandort sehr am Herzen, nicht nur, weil wir dort investiert haben, sondern auch, weil dort wirklich ein Stück Industriekultur und -struktur unseres Landes lebt und Zukunft braucht. - Danke.