Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

Auf eine Antwort möchte ich hier noch gern eingehen, wonach es Studierenden aus allen sozialen Schichten bereits möglich sei, ein zielgerichtetes, zügiges und sozial abgesichertes Studium zu absolvieren. Diese Aussage ist als sehr vage zu bezeichnen, hat doch das Deutsche Studentenwerk vor nicht allzu langer Zeit festgestellt, dass die soziale Zusammensetzung der Studierenden nach wie vor von einer sozialen Schieflage geprägt ist. Danach studieren vier Fünftel der Kinder aus einkommensstarken Haushalten, jedoch nur ein Zehntel aus einkommensschwachen. Auch bei den Studienabbrüchen sind gemäß einer Studie zur Ursachenanalyse insbesondere finanzielle Probleme die Hauptursache.

Im Großen und Ganzen ist zu der Großen Anfrage zu sagen: Vie

le darin gestellte Fragen sind von Ministerin Prof. Dr. Wanka bereits im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur beantwortet worden. Deshalb war diese Große Anfrage weitgehend überflüssig. Wir werden im Ausschuss weiterhin von Frau Prof. Dr. Wanka Antworten erhalten.

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Niekisch.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es gut und durchaus begrüßenswert, dass die Fraktion DIE LINKE in Erinnerung ruft, dass heute vor zehn Jahren ein Prozess der führenden Wissenschafts- und Forschungspolitiker in Europa begonnen hat - der sogenannte Bologna-Prozess -, der zum Ziel hatte, in einer Welt, die vielfach miteinander verbunden und globalisiert ist, einheitliche Studienabschlüsse, einheitliche Studienbedingungen, einheitliche Studienwege zu schaffen, wobei die Studieninhalte als Module linear austauschbar sind, sodass man an allen Orten zu jeder Zeit ähnlich anfangen kann, zu studieren, weiter zu studieren oder auch Abschlüsse zu erwerben. Das waren die Kernziele dieser Reform.

Daran, dass wir heute, nach zehn Jahren, daran erinnern müssen, dass dies immer noch im Werden ist, können Sie erkennen, dass das eine Sache ist, die sehr viel länger dauert, als man gedacht hat, und dass es sehr, sehr viel komplizierter ist, unglaublich viele Staaten und Nationen und ihre Wissenschafts-, Forschungs- und Ausbildungstraditionen miteinander zu harmonisieren. Deswegen bin ich selbst auch ein Skeptiker des Bologna-Prozesses, obwohl ich die Erfolge und Fortschritte nicht verkenne, und bin deswegen nur in der Lage, eine vernünftige und keine leidenschaftlich engagierte Rede dafür zu halten.

Eines ist eindeutig: Die deutschen Hochschulen befinden sich in dem bedeutendsten Modernisierungs- oder auch Veränderungsprozess seit den Humboldtschen Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die - lateinisch formuliert - universitas magistrorum et scolarium, also die universelle Gemeinschaft der Lehrenden und der Lernenden, mit dem Recht der Selbstverwaltung und zur Vergabe von Abschlussgraden ist schon seit dem Mittelalter prägend für die deutschen und mitteleuropäischen Universitäten.

Die Humboldtsche Universitätsidee ist eng mit einem spezifischen Bildungsideal verknüpft. Geprägt durch humanistische Ideen und die Werte der Aufklärung, sollten die Universitäten ein Ort sein, an dem das Individuum sich ausformen, ausprobieren und entwickeln kann. Wissenschaftliches Arbeiten erzieht in seinem Ideal zur Selbstbestimmung und vor allem zur Mündigkeit des Menschen, gepaart natürlich auch mit Demut und Verantwortung. Bei naturwissenschaftlichen Forschungen und Ergebnissen weiß jeder, wovon wir sprechen. Wissenschaftlich zu arbeiten bedeutet, den eigenen Namen, die ganze persönliche Reputation in die Waagschale zu werfen, wenn es heißt, neue Erkenntnisse zu präsentieren, die nach bestem Wissen und Gewissen in dem Arbeitsprozess gewachsen sind.

Dieses Ethos sollte eigentlich auch im Alltag verinnerlicht sein, insbesondere auch im politischen Wettbewerb der besten Konzepte und Ideen zum Wohle der Bürger. Aber bei manchen Beiträgen der Fraktion DIE LINKE ist das nicht unmittelbar und hundertprozentig nachvollziehbar.

Die beschriebene Forschungs-, Lern- und Lehrgemeinschaft, diese universitas magistrorum et scolarium, gepaart mit den Idealen Humboldts, auch wenn das zuweilen bestritten und kritisiert wird, ist auch im Bologna-Prozess noch aktuell und konstituierend für das Sein und die Existenz unserer Universitäten und Hochschulen.

Zentrales Ziel war die Erhöhung der Mobilität sowohl der Studenten als auch der Absolventen in der globalisierten Welt. Allgemein verständliche Abschlüsse, die aufgrund verbindlicher Kriterien höchsten qualitativen Standards Genüge tun, sind wesentliches Ziel der Reform gewesen. Wir in Brandenburg haben die Mehrzahl - über 90 % - unserer Studiengänge umgestellt. Eine globalisierte Welt verlangt vergleichbare Abschlüsse, auch wenn das - das kann ich nicht verhehlen - den Verlust althergebrachter akademischer Titel, Traditionen und mancher Feiheiten bedeutet, zum Beispiel die Teilung in ein Bachelor- und ein Masterstudium. Ein Bachelor, den man nach einem grundständigen Studium als solchen bezeichnen und der nach drei bis dreieinhalb Jahren abgeschlossen werden kann, und ein Masterstudium sind in ganz klassischen Studiengängen wie bei der Medizin, der Theologie, den Rechtswissenschaften nur schwer umzusetzen.

Dass dieser Prozess nicht allein auf Brandenburg, Deutschland oder Europa gemünzt ist und wir dabei als internationale Vorreiter fungieren, ist an einem Beispiel ersichtlich, sogar wenn man über den großen Teich, über den Atlantischen Ozean, hinausschaut: In drei Bundesstaaten der Vereinigten Staaten wird aktuell das Projekt „Tuning USA“ etabliert. Hochschulen aus Indiana, Minnesota und Utah machen sich, verkürzt gesprochen, auf den Weg, ein Mini-Bologna umzusetzen. Es ist aber eindeutig: Die Weiterentwicklung der Studieninhalte wird im kommenden Jahrzehnt entscheidend für die erfolgreiche Umorganisation des Bologna-Prozesses sein.

Der Bericht „Bologna-Prozess - Nationaler Bericht 2005 bis 2007 für Deutschland“ seitens der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geben hier eindeutige Hinweise. Klar ist, dass vonseiten der Hochschulen die Breite und Tiefe der Studieninhalte kritisch zu überprüfen sind. Dabei müssen berufspraktische Ansprüche stärker berücksichtigt werden, Mobilitätshemmnisse müssen vermieden werden, wenn sie neu auftreten, weil die ja gerade aufgehoben werden sollten, und die Studierbarkeit der Studiengänge muss tatsächlich und praktisch gewährleistet sein.

Die Hochschulen haben durch die Reformen mehr Spielräume erhalten, ein eigenes Profil zu entwickeln und Verantwortung für die Inhalte und die Qualität ihres Angebotes zu übernehmen. Das müssen sie auch nutzen. Das birgt jedoch die Gefahr, verwechselbar zu sein bzw. eigene Wege zu gehen, die so nicht passfähig und austauschbar sind.

Ich habe mich oft mit Universitätsforschungs- und -lehrgeschichte beschäftigt. Auch früher war die Welt miteinander stark vernetzt und global, bevor es die Katastrophen des 20. Jahrhunderts mit den vielen Abschottungen, Kriegen und Grenzziehungen gegeben hat. Damals genügten gewisse Standards, was man wissen und aufnehmen musste. Es gab eine einheitliche Universitätssprache und Sprache der Gelehrten. Die ist manchmal viel wichtiger als zentrale Abschlüsse, wenn man weiß, was man inhaltlich zu leisten, wie man sich auszuformen hat und sich in einer gemeinsamen Sprache verständlich austauschen kann. Früher war es das Lateinische. Auch Deutsch

war einmal eine stark verbreitete Wissenschaftssprache. Darum haben wir uns durch den Zweiten Weltkrieg und durch unsere fürchterliche Rassenpolitik zu einem großen Teil selber gebracht. Heute ist es in vielfältiger Weise das Englische, aber es ist doch fragmentarisch und nicht so einheitlich, wie es einmal war.

Ich bin davon überzeugt, dass man hier weiter arbeiten kann. Die Akkreditierungsquote, also die Anmeldungsquote für bestimmte Studiengänge nach den von Bologna vorgeschriebenen Regeln der gestuften Studiengänge, ist in Brandenburg hoch und ein Hinweis für die Güte und Qualität unseres Angebotes.

Für die Studenten hat sich mit der Reform vieles geändert. Die Freiheitsgrade, auch die persönlichen, sind gesunken. Dafür ist die Strukturierung gestiegen. Manches ist auch ein Ausdruck dessen, dass unsere Schülerinnen und Schüler nach dem Abitur nicht mehr das Maß an Tiefe und Breite der Allgemeinbildung mit sich bringen, wie es eigentlich erforderlich ist.

In Europa einheitlich, miteinander vergleichbar studieren, zu lernen und sich ausbilden lassen zu können ist ein hohes Gut. Aber wir müssen aufpassen, dass diese angestrebte Einheitlichkeit nicht plötzlich in den unterschiedlichsten Versuchen und in Beliebigkeit mündet, die wir nicht gebrauchen können, und dass der Druck, in drei Jahren einen Bachelorabschluss zu erreichen, nicht dazu führt, dass die Mobilitätsrate sinkt und nicht wieder steigt. Hier ist noch eine ganze Menge zu tun. Dieser Bologna-Prozess mit all seinen Erfahrungen ist ganz dringend zu evaluieren. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. Das Wort erhält Ministerin Prof. Dr. Wanka.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon vieles zu dem, was in der Antwort auf die Große Anfrage von uns erarbeitet und an Daten und Fakten zusammengestellt wurde, gesagt worden.

Noch einmal zum Grundsätzlichen: Zehn Jahre Bologna. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es starke Bestrebungen, nicht aus den Hochschulen heraus, sondern eindeutig aus der Wirtschaft und der Politik. Es wurde bemängelt, dass das deutsche Diplom im Ausland nicht anerkannt wird und keiner weiß, was man damit anfangen kann. Es gab starke Forderungen danach, dass man Hochschulabschlüsse, wie es sie in den USA und anderswo gibt, anbieten kann und deswegen die deutsche Studienstruktur von Diplom- und Magister- auf Master- und Bachelorabschlüsse umstellen muss.

Die Hochschulen haben auf die Bedeutung des deutschen Diploms und des deutschen Ingenieurs als qualitativ hohe Abschlüsse seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts hingewiesen. Trotzdem war der politische Druck so groß, dass die Hochschulen dem Rechnung tragen mussten. Sie haben auf die neuen Abschlüsse umgestellt. Die damit verbundene Intention, dass man hier in Potsdam einen Abschluss erwirbt, der dann in Spanien, Frankreich und überall nur durch Vorlage des Titels

anerkannt wird, hat sich bisher nicht erfüllt. Ich halte das auch nicht für das einzig Wichtige beim Bologna-Prozess.

Die Studienstrukturumstellung war unter anderem erforderlich, weil früher weniger junge Menschen eines Altersjahrgangs studierten. In dem Moment, in dem sich der Anteil erhöht, muss man das Studium individueller gestalten, um den unterschiedlichen Interessenlagen gerecht zu werden. Das ist mit einer gestuften Studienstruktur möglich. Das ist für mich der große Vorteil von Bologna.

Es gibt in Deutschland immer wieder Diskussionen darüber, dass Studenten ihr Studium abbrechen; Herr Jürgens sprach es an. Es gibt vielfältige Gründe dafür, dass man anfängt zu studieren und dann aufgibt. Einer der Gründe ist, dass man sich nach dem Lernen in der Schule mit den vielen Freiheitsgraden und der Unübersichtlichkeit an den Hochschulen nicht so schnell orientieren kann. Durch die Bachelorstruktur der Studiengänge haben wir eine viel stärkere Orientierung für die Studenten. Das wird sich auch deutlich in den Ergebnissen niederschlagen. Wir haben die Möglichkeit, dass jemand, der anfängt zu studieren und merkt, dass er es nicht bis zum Masterabschluss schafft, dann einen Abschluss hat, mit dem er in der Berufswelt etwas anfangen kann. Er gibt nicht auf, weil er das Diplom nicht schaffen kann, sondern er hat die Möglichkeit, gestuft zu studieren, nach drei Jahren in die berufliche Praxis zu gehen und eventuell für einen Masterstudiengang wiederzukommen. Frühzeitig und mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Abschluss zu erlangen ist einer der Vorteile des Umstellungsprozesses.

Es gibt eindeutig auch Schwächen und Dinge, bei denen das Land Brandenburg überlegt, ob etwas geändert werden muss oder ob es einen Vorstoß in der Kultusministerkonferenz machen soll. Wenn ich mir das System der Akkreditierung anschaue, dann sehe ich, dass es mittlerweile eine richtige Maschinerie geworden ist. Wenn ein Studiengang akkreditiert, also akzeptiert ist, dann muss er nicht nach vier oder fünf Jahren schon wieder überprüft werden. Aber es gab schon damals ganz viele Diskussionen darüber und Aussagen wie: Das kann die staatliche Seite nicht. - Was man zum Beispiel in einem Studiengang Biologie können muss, können unabhängige Akkreditierungsagenturen am besten sagen.

Jetzt sagen an den Hochschulen viele, dass die Rahmenstudienordnungen, die allen Bundesländern Orientierung gaben, ein vernünftiger Weg waren. Trotz der Schwäche wird dieser Prozess in keiner Weise zurückgedreht; denn die Vorteile überwiegen, wie ich glaube.

Wir haben in Brandenburg etwas gemacht, was uns zum Teil von anderen Bundesländern unterscheidet. Wir haben keinen Zwang verkündet. In anderen Ländern wurde festgelegt, dass alle Studiengänge bis zu einem festen Zeitpunkt umgestellt werden müssen und sonst nicht finanziert werden. Wir haben keinen Zwang für den Umstellungsprozess festgelegt und befinden uns trotzdem an der Spitze der Bundesländer, die umgestellt haben. Wie schon mehrfach gesagt wurde, sind 90 % unserer Angebote bereits umgestellt worden. Dabei haben wir viele Erfahrungen gesammelt. Ihre Fragen, Herr Jürgens, dazu, was aus dem Diplomstudiengang geworden ist, fand ich kontraproduktiv. Das ist das alte Bild: Man nimmt ein Diplom, schneidet etwas ab und macht einen Bachelor und Master daraus. Diese Fragen sind ohne Informationswert. Wenn es in

einem Fall - was ich gar nicht ausschließen möchte - einmal so erfolgt, dann ist das genau nicht die Intention von Bologna.

Zu sagen, wir brauchen einen Master für alle, einen Master wie das Diplom, geht an der Idee von Bologna vorbei. Es geht darum, dass ein Masterstudium für jeden, der dazu qualifiziert ist, möglich sein muss. Deswegen ist es völlig legitim, dass man zum Beispiel Notenanforderungen stellt oder manchmal spezielle Praxiserfahrungen prüft. Wir haben im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine Übergangsquote festgelegt. Bei uns gibt es keinen einzigen Studiengang, bei dem festgelegt ist, dass nur 30, 40 oder 60 % der Bachelorabsolventen einen Master machen dürfen. Es gibt nur eine inhaltliche Orientierung. Es wird danach geschaut, wie gut jemand mit seinem Bachelorabschluss ist und ob er es schaffen kann, den Master zu realisieren.

Frau Münch sprach es dankenswerterweise an: Wenn ein Bachelorstudiengang erfolgreich sein soll, dann bedarf es vernünftiger Voraussetzungen, was die Qualität der Lehre betrifft. Deswegen ist unser Hauptaugenmerk auch auf die Qualität der Lehre gerichtet. Nur dann kann es gelingen, in drei Jahren einen berufsqualifizierenden Abschluss zu erwerben. Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, ob nun mit Mentoren über das Hochschulgesetz oder auch mit dem Zentrum für Didaktik und Qualitätssicherung, sind richtig. Aber man kann heute noch nicht mit messbaren Zahlen belegen, wie erfolgreich sie sind.

Herr Jürgens, Sie haben ein wenig höhnisch Zahlen dazu genannt, wie viele Studenten tatsächlich ins Ausland gehen. Das war schon immer problematisch in Deutschland. Der Anteil der Studenten, die für ein Praktikum oder sogar für einen gesamten Studiengang ins Ausland gehen, ist geringer als in anderen Ländern. Dabei sind auch noch Fächerunterschiede zu berücksichtigen: Betriebswirte und Sozialwissenschaftlicher gehen viel eher ins Ausland als Informatiker.

Nach einer Einschätzung von Anfang Mai ist es so, dass innerhalb des ERASMUS-Programms - mithilfe dessen viele Auslandsaufenthalte finanziert werden - Deutschland so viele Studenten im Ausland hat wie noch nie. Aus diesem Grund kann man sagen: Alles nicht genug; es müssen mehr sein. - Aber es hat sich verbessert. Wir haben so viele Studenten im Ausland wie noch nie und liegen von allen europäischen Ländern - nach Spanien und Frankreich - an der Spitze.

Ein weiterer Punkt ist das Auslands-BAföG, das es noch nicht sehr lange gibt. Die Tatsache, dass man als deutscher Student in Österreich oder anderswo studieren kann und dieses Studium mit BAföG finanziert wird, gibt es erst seit dem vorletzten Sommer. Deswegen kann man daran noch nicht die Effekte nachweisen, aber auch diese werden sich einstellen.

Bezüglich der Erfolgsquoten - wie viele Studenten ihren Abschluss machen - ist zu sagen: Wir stehen hinsichtlich der Anzahl der Bachelor- und der Master-Studenten natürlich am Anfang der Entwicklung. Belastbare Zahlen, in welchem Maße es Verbesserungen gegenüber der klassischen Studienorganisation bringt, sind noch nicht vorzuweisen. Jedoch glaube ich, dass man - ausgehend von den mittelbaren Zahlen, die wir haben und die Sie auch in diesen Untersuchungen lesen konnten dort recht optimistisch sein kann.

Es ist wie mit jeder Reform: Eine Reform hat Chancen, aber

auch Risiken, und sie kann an manchen Stellen fehlschlagen. Bologna ist nicht umkehrbar. Der Hochschulverband führte seine Präsidiumstagung zum ersten Mal in Brandenburg durch. Die zwei- bis dreistündige Diskussion über diese Thematik wurde sehr lebhaft geführt mit der klaren Ansage bzw. mit der Gemeinsamkeit: Wir wollen hinsichtlich der einen oder anderen inhaltlichen Korrektur gern Vorreiter sein, aber zu versuchen, den Prozess jetzt zurückzudrängen, wäre kontraproduktiv.

Die vielfältigen Umfragen zeigen, dass die Akzeptanz der Bachelorabschlüsse in der Industrie enorm wächst.

Diese Reform ist vom Prinzip her richtig. Wir müssen in Brandenburg versuchen, alles zu tun, damit wir es vor allem in diesem Bereich qualitativ besonders gut machen. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank. - Herr Abgeordneter Jürgens erhält noch einmal für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe - abgesehen von Herrn Nonninger, der ein wenig daneben gelaufen ist - eine große Einstimmigkeit gesehen, was den Prozess an sich angeht. Es hat hier, glaube ich, niemand gesagt, dass wir den Prozess zurückdrehen wollen. Es ist sehr sinnvoll, dass wir den Prozess in dieser Form haben. Dennoch haben wir alle hervorgehoben, dass es noch Schwächen in diesem Prozess gibt, deren Beseitigung wir einfach vorantreiben müssen. Insofern war es richtig, dass wir die Anfrage gestellt und dazu im Plenum - nicht nur im nichtöffentlichen Wissenschaftsausschuss - eine Debatte geführt haben.

Zu zwei kleinen Punkten möchte ich noch etwas sagen, die ich vorhin nicht nennen konnte, die aber zeigen, dass tatsächlich Bedarf besteht, hier nachzusteuern. Das eine betrifft das BAföG. BAföG wird derzeit bis zu einer bestimmten Altersgrenze gezahlt. Wenn ich nach dem Bachelorstudium eine Praxiszeit einlege und anschließend das Masterstudium beginne, falle ich häufig aus dieser Altersstruktur heraus und bekomme kein BAföG mehr, obwohl es sich immer noch um ein Studium handelt. Diesbezüglich muss man auch auf Bundesebene sehen, hier nachzusteuern, damit man auch noch BAföG beantragen kann und bewilligt bekommt, wenn man ein Zweitstudium im Master beginnt.

Beim Zweiten - dies liegt mir sehr am Herzen - geht es um die Frage des Engagements parallel zum Bachelor. Auf unsere Anfrage bekamen wir von der Landesregierung folgende Antwort: Die Landesregierung schätzt es nicht so ein, dass das Engagement wegen der Belastung zurückgeht. Wir dagegen schätzen es schon so ein. Sowohl von Herrn Vahrson von der FH Eberswalde als auch von der HFF in Potsdam wird bestätigt: Die Studierenden haben weniger Zeit, die Zahl der Projekte von Studierenden geht zurück, die Campus-Zeitung kann oft nicht mehr erscheinen und bestimmte Theaterprojekte finden nicht mehr statt, weil die Studierenden aufgrund des Zeitdrucks im Bachelor nicht mehr in der Lage sind, sich parallel noch freiwillig zu engagieren. Wenn wir dies verlieren, wäre das sehr

schade für das Campusleben in Brandenburg. Deswegen müssen wir hier nachsteuern.

Herr Niekisch hat gesagt, man solle den eigenen Namen in die Waagschale werfen. Manchmal ist es jedoch recht sinnvoll, sich auch an Namen zu halten, die vielleicht etwas kompetenter und wohlklingender sind als mein eigener. Deswegen möchte ich Ihnen etwas zitieren:

„Der Bologna-Prozess in Deutschland ist nur noch zu retten, wenn massiv gegengesteuert wird. Mit einem bloßen Nachsteuern ist es nicht getan. Eine Zwischenbilanz der Bologna-Reform fällt ernüchternd aus. Die neuen, im Rahmen der Profilierung entstandenen Studiengänge sind so spezialisiert, dass ein Standortwechsel während des Bachelorstudiums im In- wie im Ausland nahezu unmöglich ist. Damit wird das Ziel, einen europäischen Hochschulraum zu schaffen, konterkariert. Bei der Mobilität haben wir kein Plus, sondern ein Minus. Von einem suggerierten Automatismus bei der Anerkennung von Studienleistungen sind wir weiter entfernt als vor der Reform, da das ECTS-Kreditpunktesystem von Land zu Land unterschiedlich gehandhabt wird und Leistungen kaum noch vergleichbar sind. Zudem hat sich die Zahl der Studienabbrecher erhöht und nicht verringert. Während jeder Fünfte das Universitätsstudium nicht zu Ende geführt hat, ist es im Bachelorstudium jeder Vierte. So wie bisher kann es nicht weitergehen.“

Dieses Zitat ist von Prof. Dr. Bernhard Kempen. Er ist der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes. Ich glaube, er ist sehr kompetent und kann dazu sehr gut Aussagen treffen. Dennoch danke ich Ihnen für die Debatte. Wir müssen hier einfach weitermachen. - Danke schön.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)