Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Bringen Sie bitte einen Antrag zu den Gefahren des Linksextremismus oder des Islamismus ein. Sie werden von mir sehr scharfe Worte auch in diese Richtung hören. Wir verharmlosen diesbezüglich überhaupt nichts, aber wir reden heute über den Rechtsextremismus. Im Übrigen geht es in diesem Antrag auch um Verstetigung und Berichte zum Konzept „Tolerantes Brandenburg“. Das wurde auch nicht aufgelegt, weil Al-Kaida seine Operationsbasis auf Brandenburg ausgeweitet hat.

Jetzt komme ich zum Rechtsextremismus. Auch wenn die DVU nach ihrem Wahldebakel bei der Landtagswahl 2009 in Brandenburg dahinschmilzt wie Schnee in der Frühlingssonne - so drückte sich Frau Schreiber neulich aus -, so ist doch weiterhin hohe Wachsamkeit angesagt. Die rechtsextremistische Szene ist mit 1 230 Mitgliedern weitgehend stabil. Einem leichten Rückgang der Gesamtzahl steht ein deutlicher Anstieg der Anzahl an ideologisch gefestigten Neonazis gegenüber. Mit 1 422 rechtsmotivierten Straftaten nimmt Brandenburg einwohnerbezogen leider immer noch einen sehr hohen Rang in der rechtsextremen Kriminalität ein. Das Resümee des Innenministers, wonach der Rechtsextremismus anhaltend die größte Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Brandenburg darstellt, gilt es ernst zu nehmen.

Auch wenn sich die DVU wirklich im Prozess der Auflösung befinden sollte, so muss der NPD weiterhin größte Aufmerksamkeit entgegengebracht werden. Aus dem Stand hat sie bei den Landtagswahlen 2,5 % der Wählerstimmen erreicht. Sie ist in den Nachbarländern, besonders in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, gut organisiert und konnte auch ihre Mitgliederbasis leicht vergrößern. Wahlkampfkostenerstattungen aus Bundestags- und Landtagswahlen von über 1 Million Euro jährlich verschaffen ihr in Brandenburg eine finanzielle Basis.

Daran, dass im Kampf gegen den Rechtsextremismus weiterhin Anstrengungen nötig sind, erinnern uns auch die Vorfälle in Zossen und Umgebung, wo es seit dem Sommer 2009 zu ständigen Übergriffen kommt: Drohungen gegen die Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“, Hakenkreuzschmierereien, wiederkehrende Anschläge gegen das „Haus der Demokratie“, welches Ende Januar einem Brandanschlag zum Opfer fiel, und provokante Neonazi-Auftritte am Holocaust-Gedenktag.

Für den 27. März - also übermorgen - haben die neonazistischen „Freien Kräfte Neuruppin“ zu einer Demonstration aufgerufen. Ermutigend ist, dass sich an beiden Orten erheblicher Widerstand der Zivilgesellschaft formiert und es anders als noch vor Jahren sofort Proteste gibt, sobald die Rechtsextremen aufmarschieren. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich einen Gruß an das Bündnis in Neuruppin „Neuruppin bleibt bunt“ senden

(Beifall GRÜNE/B90, DIE LINKE sowie SPD)

und die besten Wünsche für das Straßenfest „Demokratie im Quadrat - schöner Leben ohne Nazis“ am Samstag aussprechen. Ich rufe ausdrücklich dazu auf, an diesen friedlichen Protesten gegen Neonaziaufmärsche teilzunehmen.

Bürgerschaftliches Engagement wie in Neuruppin und die Initiative „Zossen zeigt Gesicht“ geben uns die Gewissheit, dass das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ richtig und wichtig ist und es weiterhin konsequent befolgt werden kann und muss.

Es wurde schon ein wenig auf die Extremismusforschung von Prof. Stöss und Prof. Niedermayer hingewiesen. Demnach haben wir hier in Brandenburg ein erhebliches rechtsradikales Potenzial. Ich erinnere auch an die Studie der Soziologen Decker und Brähler „Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008“. Sie zeichnen ein sehr differenziertes Bild aller Bundesländer und sagen uns auch, dass der Rechtsextremismus

nicht überwiegend ein Ostproblem ist, sondern in der gesamten Bundesrepublik - leider! - zu stark vertreten ist. In Brandenburg fällt weiterhin die erschreckend hohe Ausländerfeindlichkeit auf. Erfreulich niedrig ist die Rate an Antisemitismus.

Insgesamt gehen rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung zurück. Der Nährboden schrumpft, ist aber weiterhin vorhanden. Deshalb bitte ich, unserem gemeinsamen Antrag zuzustimmen.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD sowie DIE LINKE)

Minister Rupprecht spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen und der Grünen zeigt: Der Landtag Brandenburg wird auch in seiner 5. Wahlperiode unvermindert an seinem Ringen um ein weltoffenes und tolerantes Brandenburg festhalten. Dafür werden wir sorgen. Daran ändern auch Redebeiträge wie der von Herrn Hoffmann nichts.

Dankbar bin ich vor allem dafür, dass in dem Antrag der Koalitionsfraktionen und der Grünen nicht nur allgemein die Bekämpfung von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und rechtsextremer Gewalt als Ziele benannt werden, sondern der Antrag darüber hinaus konkrete Handlungsschritte benennt, die wir gemeinsam in Angriff nehmen wollen.

Ich möchte beispielhaft die fortzusetzende Förderung des landesweiten Aktionsbündnisses, der mobilen Beratungsteams, der RAA und des Vereins Opferperspektive nennen. Die Netzwerke auf Landesebene, aber vor allem die regionalen und die örtlichen Netzwerke gehören inzwischen zu den wichtigsten Säulen des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“. Weltoffenheit, Toleranz und demokratische Kultur sind Dinge, deren Belastbarkeit sich zuallererst im kommunalen Raum bewähren muss, dort, wo Menschen tagtäglich auf engem Raum miteinander umgehen und gesellschaftliche Realität gestalten.

Es fehlt die Zeit, weitere Details aufzuzählen. Lassen Sie mich exemplarisch aber zwei Beispiele nennen, die meine Vorrednerin schon erwähnt hat. Zurzeit bewegt uns sicherlich alle das Klima in der Stadt Zossen. Daher liegt im Moment, quasi tagesaktuell, der Schwerpunkt der Arbeit unserer Beratungsstrukturen in dieser Stadt und beim Bündnis „Zossen zeigt Gesicht“. Ich bin mir sicher: Die aktiven Zossener Demokraten brauchen unsere Unterstützung; sie werden sie auch erhalten.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Auch ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf Neuruppin lenken, insbesondere auf das Demokratiefest am 27. März, also übermorgen. „Demokratie im Quadrat - Schöner leben ohne Nazis Neuruppin bleibt bunt“ ist das Motto. Ich lade Sie als Landtagsabgeordnete herzlich ein, möglichst zahlreich an die Seite der Neuruppiner Demokraten zu treten und mit ihnen gemeinsam gegen den rechtsextremen Aufmarsch aufzustehen. Damit machen Sie deutlich, wo die Mehrheiten in dieser Stadt und in diesem Land stehen.

Lassen Sie mich noch kurz auf den Bund eingehen. Sie wissen vielleicht - Herr Hoffmann hat darauf hingewiesen -, dass in der vergangenen Woche in Potsdam eine überaus gut besuchte Veranstaltung des Moses Mendelssohn Zentrums und der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ zur Bilanz der Bundesprogramme „Vielfalt tut gut“ und „Kompetent für Demokratie“ stattgefunden hat. Ich war sehr erfreut darüber, dass der Vertreter des Bundes die Gelegenheit genutzt hat, deutlich zu machen: Die verstärkten Anstrengungen des Bundes gegen alle Formen von Extremismus gehen nicht zulasten der bisherigen Haushaltsansätze der Programme gegen den Rechtsextremismus. - Wenn das tatsächlich so eintritt, dann ist das eine sehr erfreuliche Nachricht.

Zum Schluss versichere ich Ihnen, meine Damen und Herren, dass wir - auch ich persönlich - mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln an unserer gemeinsamen Aufgabe weiterarbeiten werden. Die von Ihnen angeregte Debatte im Juni wird uns die Gelegenheit bieten, einzelne Fragen und Vorhaben im Rahmen des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ in diesem Haus vertiefter und intensiver in den Blick zu nehmen. Dafür danke ich Ihnen. - Jetzt danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie GRÜNE/B90)

Kollege Senftleben möchte hierauf mit einer Kurzintervention reagieren.

(Unruhe bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Sie können gern stöhnen; das hilft aber nichts, wenn es darum geht, zuzuhören. - Herr Minister, ich habe mir einen Satz Ihrer Rede aufgeschrieben. Er lautet sinngemäß: Wir werden den Weg zu einem toleranten Brandenburg nicht verlassen, sondern daran festhalten. Daran wird auch der Redebeitrag des Kollegen Hoffmann nichts ändern.

Dazu stelle ich fest: Mein Kollege Hoffmann ist einer derjenigen, die mit Sicherheit keine Belehrung brauchen, schon gar nicht in der Form, wie Sie sie soeben ausgesprochen haben.

(Beifall CDU und FDP)

Auch im Interesse des kollegialen Umgangs miteinander im Landtag empfehle ich Ihnen, im Anschluss unter vier Augen zu verdeutlichen, wie Sie das gemeint haben. Vielleicht besitzen Sie entsprechend ihrem Alter auch den Anstand, sich zu entschuldigen. Punkt eins.

(Unruhe - Zurufe)

Punkt zwei: Ich habe als Bürgermeister die leidvolle Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn ein Döner-Imbiss abbrennt. Ich habe erfahren, wie es ist, wenn hinterher - noch ohne Erkenntnis, wer den Brandanschlag verübt hatte - eine Gesellschaft von Demokraten aufsteht und sich dazu bekennt: Wir stehen zusammen, um genau diesen Dingen entgegenzutreten. Wir wollen das nicht. - Unsere Stadt bekam dafür sogar eine Auszeichnung der Türkischen Gemeinde, die erste überhaupt in Deutschland.

Wir haben in Lauchhammer vor der Landtagswahl 2009 parteiübergreifend einer Demonstration der NPD etwas Demokratisches entgegengesetzt. Das finde ich richtig und auch sinnvoll.

Aber eines finde ich merkwürdig: Wenn Linksextremisten Deutschlandfahnen von öffentlichen Plätzen entfernen oder Aufkleber an Polizeidienststellen anbringen, die verdeutlichen, dass eine Diktatur von Links gewollt wird, dann steht niemand auf und sagt: Das geht nicht. - Wenn Sie, die Antragsteller, uns hier im Landtag sagen wollen, dagegen dürften wir nicht vorgehen, entgegne ich Ihnen: Dann sind Sie eindeutig auf dem Holzweg!

(Beifall CDU und FDP - Widerspruch SPD und DIE LINKE)

Noch kurz zum Inhalt des Antrags: Sie von der Koalition haben auch in der heutigen Sitzung wiederholt die Behauptung aufgestellt, in unseren Anträgen sei der eine oder andere Inhalt falsch oder etwas sei nicht richtig beschrieben. In dem Antrag der Koalitionsfraktionen und der Grünen lese ich, dass Sie sich gegen „Bestrebungen“ von Bundesfamilienministerin Schröder aussprechen, Gelder für Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus den Projekten für den Kampf gegen den Rechtsextremismus zu entnehmen. Diese Aussage ist falsch. Sie hätten die Größe haben können, das einzugestehen und den Antrag umzuformulieren. Die jetzige Formulierung entspricht einfach nicht den Tatsachen. Aber Kollege Hoffmann hatte schon Recht: Wer auf einem Auge blind sein will, der bleibt es auch.

(Beifall CDU)

Deswegen ist meine große Bitte: Helfen Sie Brandenburg, wirklich tolerant zu werden, indem wir gemeinsam allen intoleranten Menschen entgegentreten - auf allen Seiten. - Danke schön.

(Beifall CDU und FDP)

Das Instrument der Kurzintervention hat eigentlich den Sinn, auf den Vorredner einzugehen, aber nicht, die Debatte zwischen den Fraktionen fortzusetzen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Dennoch hat der Minister, wenn er das Bedürfnis hat, jetzt die Möglichkeit, darauf zu reagieren.

(Minister Rupprecht: Das Bedürfnis hat er nicht!)

Das Wort erhält noch einmal die Fraktion DIE LINKE. Kollege Dr. Scharfenberg erhält das Schlusswort. Er hat noch dreieinhalb Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt genügend Themen, zu denen wir uns in diesem Haus streiten können und zu denen wir eine Auseinandersetzung führen sollten. Ich werbe aber dafür, dass wir bei diesem Thema die Gemeinsamkeit, nicht das Trennende in den Mittelpunkt stellen.

(Beifall DIE LINKE, SPD sowie GRÜNE/B90)

Mir scheint, dass Sie das bei der heutigen Debatte etwas verkannt haben.

(Frau Prof. Dr. Wanka [CDU]: Nein, Sie!)

- Jetzt geht es ja schon wieder weiter, Frau Wanka.

Ich möchte einfach zum Schluss noch einmal Zahlen aus der PMK-Statistik des Landes Brandenburg nennen.

Herr Abgeordneter, es gibt Bedarf, Zwischenfragen zu stellen. Lassen Sie Zwischenfragen zu?

Nein, ich bringe das zu Ende. Bei Herrn Bretz sehe ich sowieso keinen Bedarf zu antworten.