Entschuldigung! Ich kehre zum Tagesordnungspunkt 15 zurück und lasse über den Antrag insgesamt abstimmen; das wollte ich dem Antrag eigentlich ersparen.
Wer dem Antrag in Drucksache 5/1916 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Diesmal ohne Enthaltungen, aber mit dem gleichen Ergebnis: Der Antrag ist abgelehnt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwischen den Jahren 2002 und 2007 führte das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport das Modellprojekt „Stärkung der Selbstständigkeit von Schulen“ - kurz: MoSeS - durch. Auftrag von MoSeS war es, zu erproben, wie die Qualität der schulischen Arbeit durch erweiterte Entscheidungsbefugnisse der Schulen verbessert werden kann. Neben der Verbesserung der Attraktivität der Schule sollte auch das Schulmanagement effizienter gestaltet und die Schule besser in das gesellschaftliche Umfeld eingebunden werden. 18 Schulen nahmen an dem Modellprojekt teil, und im Evaluationsbericht des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung wurde der Erfolg des Projekts auf nahezu ganzer Linie bestätigt.
MoSeS lief 2007 aus, und trotz seiner nachgewiesenen Erfolge finden nur sehr zaghafte Schritte in Richtung selbstständige Schule statt. Dabei hatte das Bildungsministerium die Absicht, die Entscheidungsbefugnisse auf weitere Schulen im Land auszuweiten, aber bis auf die Kapitalisierung von gerade einmal einem Prozent der Vertretungsreserve ist nichts weiter passiert. Das Modellprojekt „Selbstständige Schule“ beinhaltete aber viel mehr als das, nämlich dass die Schulen ihr Personal eigenständig auswählen und einstellen können. Der Schulleiter einer MoSeS-Schule ist berechtigt, Arbeitsverträge mit Lehrkräften und dem sonstigen pädagogischen Personal im Rahmen der Vorgaben des staatlichen Schulamtes abzuschließen. Allerdings wurde im Laufe des Modellprojekts die immer noch herrschende Dominanz bei der Zuweisung von Personal durch das staatliche Schulamt kritisiert. Der Abschlussbericht des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung bestätigt dies. Es heißt dazu, dass das vom Schulamt zugewiesene Personal nicht in jedem Fall den Bedürfnissen der Schule zu entsprechen schien.
Daher soll das von der Landesregierung verlangte Konzept darauf abzielen, die personalrechtlichen Befugnisse der Schulleiter so weit auszubauen, dass sie ihre Lehrkräfte vollkommen eigenständig und nach ihrem Bedarf einstellen können. In jedem Schuljahr werden Klagen von Eltern und Schülern über
ausfallende Unterrichtsstunden laut. Die Schulqualität leidet besonders darunter. Wenn die Schulen aber selbst die zentrale Rolle bei der Lehrereinstellung einnehmen, haben sie die Chance, flexibel auf Probleme wie den drohenden Unterrichtsausfall reagieren zu können, sie zu beheben und so bestmögliche Unterrichtsqualität für ihre Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten.
MoSeS beinhaltet auch die Budgetierung von Sach- und Personalmitteln, die sich im Laufe des Projekts bewährt haben. Freigesetzte Mittel können so zum Beispiel für Honorarverträge genutzt werden. Damit wird das Hinzuziehen von externen Experten für unterrichtsbegleitende und unterrichtsergänzende Angebote möglich. Dieser Weg wurde von den Schulleitern als positivster Aspekt des Modellvorhabens gelobt, da damit die Unterrichtsqualität stark verbessert werden kann. Die MoSeSSchulen waren so in der Lage, ihr Profil zu stärken, qualitativ zu ergänzen und ein besseres Bildungsangebot für ihre Schülerinnen und Schüler zu schaffen. Genau das ist das Ziel guter Bildungspolitik, und es sollte in allen Schulen des Landes umsetzbar sein.
Zudem soll es Schulen ermöglicht werden, wirtschaftlich tätig zu werden, indem sie Produkte, die in Schülerfirmen entstanden sind, verkaufen. Von Schülern geleitete Unternehmen haben außerdem den Vorteil, dass die Schüler dort den praktischen Umgang mit wirtschaftlichen Herangehensweisen lernen und Erfahrungen sammeln, die nicht nur für den Unterricht, sondern vor allem für das spätere Berufsleben hilfreich sind. Darüber hinaus können Schulen Spenden einwerben, um ihr Budget zu erhöhen und geplante Investitionen in die Tat umzusetzen. Diese Chance für die Schulen darf den Schülerinnen und Schülern nicht verwehrt werden.
Selbstständige Schulen einzuführen heißt auch, die Mitwirkungsmöglichkeiten von Lehrern, Schülern und Eltern an Entscheidungsprozessen zu erhöhen. An einer selbstständigen Schule fallen viele Entscheidungen an, die von Lehrern, Schülern und Eltern anhand von Zielvereinbarungen gemeinsam und nicht allein von der Schulleitung getroffen werden müssen. Das Modellprojekt hat gezeigt, dass alle Mitbestimmungsgremien erheblich gestärkt worden sind. Das Ziel der Landesregierung, die Schule als Lern- und Lebensort zu profilieren, kann nur dann nachhaltig erreicht werden, wenn Schülerinnen und Schüler, Lehrer und Eltern ihn selbst mitgestalten können und das selbst Erreichte zu schätzen wissen.
Meine Damen und Herren, ein Mehr an Selbstständigkeit von Schulen zieht eine Erhöhung der Schul- und Bildungsqualität nach sich, die immer weiter verstetigt und ausgebaut werden kann. Die Annahmen des Bildungsministeriums wurden also bestätigt. Darum begreife ich nicht, warum Sie Schulen, die es wollen, nicht mehr Eigenverantwortlichkeit ermöglichen. Die steigende Schulqualität kommt den Kindern in unserem Land zugute. Wir sind auf gute Bildung angewiesen, damit wir junge Menschen in Brandenburg halten und die Auswirkungen des Fachkräftemangels beheben können. Schulen sollen unseren Kindern Chancen eröffnen anstatt Wege zu verbauen. Deshalb müssen wir sie in die Freiheit entlassen, um das beste Bildungsangebot bereitstellen zu können. Wir werben darum, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! MoSeS für alle - das ist der gemeinsame Antrag der FDP-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aber die geistigen Mütter und Väter des Antrags kommen aus der FDP-Fraktion. Bei ihnen muss es in den letzten Wochen so drunter und drüber gegangen sein, dass sie vergessen haben, welche Anträge sie hier bereits gestellt haben. Sie haben nämlich erst im Juni dieses Jahres einen Antrag gestellt, der auch im Titel plakativ „Freiheit für Schulen“ forderte. In der ganzen Aufregung haben Sie offenbar auch versäumt, die Plenarprotokolle zu lesen, denn bereits damals bescheinigte Ihnen der Bildungsminister in seiner Rede, dass er die Freiheit für Schulen auch für eine tolle Sache hält und dass alle Schulen auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift Dienstvorgesetztenaufgaben-Übertragung einen Antrag auf Aufgabenübertragung stellen können. Wie umfangreich der Aufgabenkatalog ist, können Sie der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Hoffmann, Drucksache 5/1676, Frage 3, entnehmen. Vieles von dem, Herr Büttner, was Sie hier genannt haben, ist dort bereits als Kompetenz, die die Schulleitung wahrnehmen kann, geregelt. Aus meiner Sicht beschreibt die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage von Herrn Hoffmann insgesamt auch sehr gut die erwähnten positiven Erfahrungen, die Möglichkeiten, aber auch das zusätzliche Aufgabenpensum und die Grenzen der Aufgabenübertragung. Auch was das Sachkostenbudget und das Sponsoring angeht, ist alles geregelt. Selbst Schulverbünde sind meines Wissens nicht verboten. Es ist also vieles möglich, man muss es nur tun.
Der vorliegende Antrag ist also schlichtweg überflüssig, auch wenn ich Ihnen zugute halte, dass Sie niemanden zur Freiheit zwingen wollen. Das geht geschichtlich betrachtet meist schief. Wir ermöglichen Schulen bereits zu diesem Zeitpunkt viel Freiheit - das ist auch gut so. Diese Freiheit müssen aber alle an der Schule Beteiligten auch nutzen wollen. Eine Freiheit, die lediglich als zusätzliche Arbeitsbelastung empfunden wird das ist sie für die Schulleitung im Endeffekt in gewissem Maße -, wird mit Sicherheit nicht die gewünschten positiven Effekte für das Schulklima haben.
Hier muss man anfügen: Alle diese MoSeS-Schulen haben freiwillig an diesem Modellprojekt teilgenommen. Außerdem - das habe ich Ihnen schon im Juni in der Parlamentsdebatte zum geschilderten Antrag gesagt - hat Freiheit bekanntlich auch ihre Grenzen. Wenn denn beispielsweise in einer kleinen feinen Oberschule im Landkreis Elbe-Elster plötzlich und unerwartet der Physiklehrer dauerhaft krank wird und das Personalkostenbudget leider schon ausgeschöpft ist, Herr Büttner, dann kann Freiheit auch sehr einsam machen. Eine solche Schule ist dann nicht traurig darüber, wenn sie einmal die solidarische Unterstützung des Schulamtes mit all seinen Möglichkeiten in Anspruch nehmen kann.
Die Lehre daraus ist gerade für mich als Sozialdemokrat wieder einmal die Erkenntnis: Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiheit und Solidarität ist wichtig in der Gesellschaft
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP hatte zwar diese Intention, wie Sie es gesagt haben, Herr Günther, bereits im Juni deutlich gemacht. Aber mit diesem neuen und konkretisierten Antrag habe ich noch einmal die Gelegenheit, die bewusste Irreführung der Regierungskoalition zur Frage der größeren Selbstständigkeit von Schulen ein bisschen aufzuklären.
Das Projekt MoSeS, um das es hier geht, hatte zum Ziel, durch die Schaffung größerer Gestaltungsräume bei der Bewirtschaftung von Personal- und Sachmitteln positive Effekte auf das Lernklima in der Schule zu erzielen. Darüber sind wir uns ja einig. Dieses Ziel, Herr Günther, wurde erreicht. Die wissenschaftliche Begleitung hat dem Modellprojekt in ihrem Abschlussbericht sehr wohl diese positiven Effekte auf das Lernklima an den teilnehmenden Schulen bescheinigt. Daher wollten die teilnehmenden Schulen diese Selbstständigkeit nach Abschluss des Projektes natürlich auch behalten.
Der Abschlussbericht belegt eindeutig, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen dem gewährten größeren Spielraum und dem Lernklima an der Schule gibt und dass dies mit geringeren Lern- und Leistungsproblemen einhergeht.
„Es bleibt... festzuhalten, dass offensichtlich die Eigenständigkeiten der Profilbildung der Schulen, Gestaltungsspielräume im curricularen Bereich und in der Unterrichtsorganisation einen Einflussfaktor auf schul- und lernklimatische Bedingungen darstellen und dass die Schulleitungsmitglieder, Lehrer sowie Partner der Schulen positive Gesamteinschätzungen zum Weg der schulischen Eigenverantwortung treffen.“
„Besonders erwähnenswert sind die positiven Entwicklungen im Bereich der Lernkultur, die vor allem von den Schülerinnen und Schülern selbst als förderlich wahrgenommen wurde.“
Ich weiß nicht, warum man sich dem verschließen sollte, Herr Günther. Wenn Sie wie in der Sitzung im Juni dieses Thema einfach nur auf die inhaltliche Profilierung von Schulen einengen, dann muss ich Ihnen sagen: Sie sollten den Abschlussbericht vielleicht doch noch einmal lesen. Das mit den eingerichteten Schulporträts auch noch zu vergleichen, das zeigt ganz klar Ihr bildungspolitisches Verständnis: Hauptsache nach außen eine gut aussehende Hülle, und wenn sich dahinter ein Vakuum verbirgt, dann hoffen Sie einfach, dass es keiner merkt.
Aber das, Herr Günther, scheint mir nicht nur in der Bildungspolitik Ihr Credo zu sein, das scheint insgesamt die Richtschnur Ihres Handelns zu sein.
Meine Damen und Herren! Die größere Eigenständigkeit der Schulen trägt zur Verbesserung des Lernklimas vor Ort bei. Das hat dieses Modellprojekt wissenschaftlich fundiert nachgewiesen.
Wir wollen - das habe ich in der letzten Debatte bereits gesagt, und ich wiederhole es noch einmal - die positiven Effekte dieses Modellprojektes endlich auch den anderen Schülerinnen und Schülern an Brandenburger Schulen zugänglich machen, damit sie in den Genuss kommen, dieses Konzept an ihren Schulen umgesetzt zu sehen.
Ein Konzept, wie das geschehen kann, ist dafür natürlich Voraussetzung. Aber ich glaube, die Haltung der Regierungskoalition in der Debatte im Juni und auch heute macht deutlich, dass die Koalition die Möglichkeit, wirklich etwas für die Verbesserung der Qualität von Bildung und für die Arbeitsebene von Schulen zu tun, verschenkt.
Meine Damen und Herren! Die Diskussion in der letzten Woche hat gezeigt, dass bei den Menschen das Verständnis dafür, dass die Landesregierung etwas zu verschenken hat, nicht mehr vorhanden ist. Wir haben dieses Verständnis auch nicht. Deshalb stimmen wir für den Antrag der FDP. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein Kompliment, Herr Kollege Büttner. Sie haben einen ausführlich begründeten Antrag vorgelegt und sich offensichtlich mit dem wissenschaftlichen Ergebnisbericht beschäftigt.
Leider haben Sie aber eines nicht berücksichtigt, dass inzwischen aus dem Modellprojekt heraus, welches 2007 abgeschlossen wurde, nunmehr seit drei Jahren Schulen einer ganzen Schulform in das wirkliche Leben geführt wurden. Wir haben alle Oberstufenzentren des Landes Brandenburg zu selbstständigen Schulen gemacht. Das sind übrigens die größten Schulen, die größten Einheiten mit den meisten Lehrerinnen und Lehrern und auch mit den größten Problemen in der beruflichen Bildung. Wir haben schon eine ganze Schulform dorthin entwickelt. Dazu gibt es übrigens weitgehende Erfahrungen.
Ich will daran erinnern, dass die Linke eben auch deswegen 2009 vor das Verfassungsgericht gegangen ist, weil wir wollen, dass an selbstständigen Schulen die Lehrerräte den Personalräten wirklich völlig gleichgestellt sind. Das haben wir mit dem Urteil ja auch erreicht. Es sind übrigens noch nicht ganz die richtigen Nachfolgedurchführungsbestimmungen erschienen; aber immerhin. Damit war eine wesentliche Hürde im Interesse der Beschäftigten, selbstständige Schule zu machen, genommen.
Auch für alle noch nicht im Sinne dieses Antrages selbstständigen Schulen gibt es durch die von Herrn Günther benannte DAÜVV, also die Verwaltungsvorschrift Dienstvorgesetztenaufgaben-Übertragung, Schritte zu mehr Selbstständigkeit. Der Prozess ist also schon weiter, als von Ihnen hier beschrieben. Das muss ich wirklich sagen.
Entscheidungsbefugnisse über Sachmittel gibt es übrigens überall, ob das Schulen sind, die sich beteiligen oder nicht, mit den Schulträgern. Natürlich entscheiden vor allem die Schulen, welche Sachmittel sie insbesondere brauchen.
Sie wollen die Selbstständigkeit jetzt auf alle Schulen ausweiten. Ich hoffe, dass Ihnen klar ist, Herr Kollege Büttner und auch Frau Kollegin von Halem, dass aller Selbstständigkeit die verbeamteten Lehrerinnen und Lehrer im Weg stehen. Sie wissen, warum wir es in diesem Land tun müssen. Wir können nicht das eine tun und zugleich die Selbstständigkeit einfordern, weil verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer mit ihrer Laufbahnberechtigung dem völlig im Weg stehen. Da ist nichts mehr mit wirklich freier Entscheidung für die Schulleiterinnen und Schulleiter. Die erkrankte Grundschullehrerin, die verbeamtet ist, wird eben einfach nicht ersetzt.
Die personalrechtlichen Befugnisse sind nur für Angestellte möglich. Das haben wir immer auch an diesem Modell „Selbstständige Schule“ kritisiert. Da wir aber zunehmend verbeamtete Lehrer im System haben werden, weil wir das müssen, wird es schwieriger werden.
Ich sehe übrigens auch mit Sorge, dass die gleichen Politikerinnen und Politiker, die nach der Selbstständigkeit von Schule rufen - da schaue ich vor allem in Richtung CDU -, immer stärkere Eingriffe in die innere Schulentwicklung wollen. Ich erinnere an die Debatte von heute Morgen. Ich sehe mit Sorge, dass den Schulen, bezogen auf ihre innere Schulentwicklung, eher weniger Selbstständigkeit zugetraut wird.
Ich sage Ihnen auch umumwunden - insbesondere in Richtung FDP und mit großer Verwunderung und Enttäuschung in Richtung Grüne -, dass die Erwirtschaftung von Drittmitteln und die wirtschaftliche Tätigkeit von Schulen für die Linke keine auszubauende, erstrebenswerte Option ist und wir vor einer Betriebsverwirtschaftlichung von Schule immer gewarnt haben.