Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

17-Jährige verantwortlich von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können. Jugendliche sind heute bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres politisch entscheidungsfähig. Die Erfahrungen in anderen Bundesländern, die das aktive Wahlrecht auf kommunaler Ebene auf 16 Jahre gesenkt haben, zeigen, dass Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren ihr Wahlrecht verantwortlich wahrnehmen.

Das Wahlrecht ab 16 ist ein Gewinn für die Demokratie. Das sieht übrigens auch der Verein Mehr Demokratie so und begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf ausdrücklich. Viele Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren engagieren sich schon heute vielfältig für unser Gemeinwesen. Sie beteiligen sich an Jugendparlamenten und Bürgerinitiativen, sie stellen ihre Mündigkeit für verantwortungsvolle Entscheidungen unter Beweis. Sie übernehmen ehrenamtliche Aufgaben, und zwar genau in ihrem direkten Lebensumfeld, in ihrer Gemeinde, ihrer Kommune.

Um einem weit verbreiteten Einwand gleich entgegenzutreten: Die Kommunalwahlen werden durch unterschiedliche Altersgrenzen für Länder- und Gemeindewahlen nicht zu Wahlen zweiter Klasse, im Gegenteil, gerade hier geht es um Fragen, die Jugendliche ganz direkt betreffen.

Wenn man Jugendliche näher an die Politik heranführen und ihnen mehr Mitspracherechte geben möchte, dann sind Fragen aus ihrem unmittelbaren Umfeld am ehesten dazu geeignet, demokratische Verfahrensweisen kennenzulernen. Wenn es beispielsweise darum geht, welche Jugendeinrichtungen gebaut werden sollen, betrifft das Jugendliche ganz direkt.

Es geht um die Beteiligungsrechte von Jugendlichen; es geht darum, sie mit ihren Interessen und Anliegen ernst zu nehmen. Das ist ein wichtiger Baustein für die Demokratieerziehung, nämlich wahrzunehmen und zu akzeptieren, dass es widerstreitende und doch gleichermaßen legitime Interessen in unserer Gesellschaft gibt, die die Politik wahrnehmen und abwägen muss. Das kann man anhand von Fragen der Kommunalpolitik viel leichter veranschaulichen als zum Beispiel anhand der Gesundheitsreform.

Allerdings wäre es ein Trugschluss zu denken, ab 16 wählen zu können, würde genügen. Nein, wir brauchen begleitend ein ganzes Paket von Maßnahmen politischer Bildung, um Jugendliche zu ermutigen, ihre gesetzlich garantierten Rechte wahrzunehmen. Aber da gilt wie so oft im Leben: Man soll das eine tun und das andere nicht lassen.

Richtig ist, dass es auf kommunaler Ebene schon Partizipationsmöglichkeiten für Jugendliche gibt, zum Beispiel die Einwohneranträge. Aber solche Instrumente direkter Bürgerbeteiligung werden kaum genutzt. Das gilt nicht nur für die Jugendlichen, sondern für unsere Wahlbevölkerung insgesamt.

Es geht also darum, jungen Menschen frühzeitig den Weg zur Übernahme von politischer Verantwortung aufzuzeigen. Schule und Elternhaus sind insoweit genauso gefordert. Interesse, Verständnis und Engagement für Politik können nicht von oben verordnet werden. Wer aber erfahren hat, dass seine Stimme tatsächlich etwas zählt, bringt sich auch eher ein. Wir müssen die Instrumente direkter Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie zunächst einmal besser bekanntmachen. Im Plenum des Landtags - wir sehen es gerade wieder - gehören Schulklassen

als Besucher schon fast zum festen Bild - warum nicht auch auf kommunaler Ebene, in Gemeindevertretungen und Kreistagen?

(Beifall FDP)

Die Stärkung der lokalen Demokratie ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Noch ein Aspekt ist mir wichtig: Gerade in Brandenburg sind wir vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gut beraten, die Stimme der Jugendlichen frühzeitig zu hören. Unsere Gesellschaft wird immer älter, und es gibt immer weniger junge Menschen, die aber in Zukunft über wichtige Fragen unseres Gemeinwesens zu entscheiden haben. Es ist an der Zeit, ihnen frühzeitig die Möglichkeit zu geben, nicht nur mitzuwirken, sondern auch mitzuentscheiden. In diesem Sinne bitte ich Sie heute um eine breite Mehrheit, um die vorliegenden Gesetzentwürfe eingehend in den Ausschüssen beraten zu können. Das wäre ein gutes Signal an die Jugend. Und einmal einen Gesetzentwurf der Opposition positiv zu beraten wäre ein gutes Zeichen für die Demokratie in Brandenburg. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Teuteberg. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD Fraktion fort. Der Abgeordnete Richter erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die beiden Gesetzentwürfe, die uns vorliegen, befassen sich mit der Herabsetzung des Wahlalters auf kommunaler Ebene auf 16 Jahre - kein neues Thema. In einer Reihe von Bundesländern ist dieses Vorhaben schon umgesetzt. Auch im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien Brandenburgs ist der Auftrag enthalten, genau das zu prüfen.

Warum sprechen wir so lange darüber? Frau Teuteberg hat schon gesagt, dass das Thema seit langem in der Diskussion ist. Aber wir kommen einfach nicht zum Ziel. Was ist eigentlich so umstritten bei diesem Thema? Ich habe mich sachkundig gemacht, wie die Kritiker begründen, warum sie nicht dafür sind, junge Leute schon ab 16 wählen zu lassen. Die Argumente ähneln sich; ich will ein paar nennen. So wird die Meinung vertreten, Jugendliche mit 16 seien in ihrer Persönlichkeit und ihrem Urteilsvermögen noch nicht so weit entwickelt, dass sie weitreichende Entscheidungen treffen sollten. Auch wird behauptet, es bestünde die Gefahr, dass relativ uninformierte Jugendliche leichter auf Versprechungen und Parolen hereinfielen. Es gibt die Sorge, dass Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren leichter zu beeinflussen seien als ältere Menschen. Das sind die Hauptargumente der Kritiker.

Ganz ehrlich - trifft das alles nur auf Jugendliche zu? Kann man dasselbe nicht für bestimmte Erwachsenengruppen genauso feststellen?

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie FDP)

Sind Erwachsene in ihren Entscheidungen tatsächlich so viel reifer, so viel sicherer, so viel zuverlässiger in der Demokratie? Das kann man zumindest bezweifeln.

Die Befürworter der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre haben gewichtige Argumente auf ihrer Seite; eine ganze Reihe ist von meiner Vorrednerin schon genannt worden.

Ich finde, zunächst einmal sollten alle Bürger, die von einer Entscheidung betroffen sind, mitentscheiden dürfen. Jugendliche können gerade im kommunalen Bereich sehr wohl umfassend einschätzen, welche Sorgen die Bürger haben, unter anderem deshalb, weil die Jugendlichen selbst Bürger der Gemeinde und von einer Reihe von Problemen unmittelbar betroffen sind. Kita, Schule, Sportplatz, Arbeitsplätze in der Region, zu Hause - all das sind Dinge, die die jungen Leute berühren und die sie auch beurteilen können. Darüber können sie, wie ich meine, am Ende auch abstimmen.

Die 16- bis 18-Jährigen werden durch die früh eingeräumte Möglichkeit, Einfluss auf die Politik auszuüben, auch früher mit der Demokratie, ihren Grundsätzen und Regeln bekannt gemacht. Dadurch kann vielleicht auch der Wert der Demokratie besser erkannt und geschätzt werden. Die durch extreme Parteien hevorgerufene Gefahr für die Demokratie wird offensichtlicher, wenn man sich selbst in den demokratischen Prozess einbringen kann.

Wer Jugendliche für die Politik gewinnen will - das wollen wir alle hier im Plenarsaal -, der muss sie auch mitentscheiden lassen. Insofern herrscht volle Übereinstimmung mit meiner Vorrednerin. Das ist heute mit Sicherheit einer der wenigen Fälle, in denen wir uns alle einig sind.

Wenn aber das Gesetz und die Verfassung jetzt angefasst werden, dann sollten im Zuge der Diskussion doch noch einige Details geklärt werden. Wir haben die Zeit, das zu tun. Ich nenne nur zwei Beispiele. Man kann prüfen, ob nicht auch Nicht EU Bürger, die schon lange in unseren Gemeinden leben, auf der kommunalen Ebene das Wahlrecht übertragen bekommen können. Es sollte auch überlegt werden, ob nicht auch im Volksabstimmungsgesetz - es befindet sich in der Debatte gleich eine entsprechende Änderung vorgesehen werden kann; dort ist für die meisten Entscheidungen noch das Mindestalter von 18 Jahren vorgeschrieben.

Zeitdruck haben wir nicht, da die nächsten Kommunalwahlen noch Jahre vor uns liegen. Insofern stimme ich dem Vorschlag von Frau Teuteberg zu. Wir sollten in den Ausschüssen sorgfältig beraten. Der Hauptausschuss sollte die Federführung übernehmen; der Bildungsausschuss, der Innenausschuss und der Rechtsausschuss sollten an dem Verfahren beteiligt werden. Danke schön.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Richter. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU Fraktion fort. Der Abgeordnete Lakenmacher erhält das Wort für seine, wie ich glaube, erste Rede.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP Fraktion fordert in ihrem Gesetzentwurf die Herabsetzung des Mindestalters für die Teilnahme an Kommunalwahlen auf

16 Jahre. Sie von der FDP wollen damit nicht nur etwas ändern, was sich über viele Jahre hinweg bewährt hat; gegen Ihr Ansinnen sprechen nach unserer Meinung auch viele Fakten und Aspekte. Insofern muss ich Sie leider enttäuschen, Herr Richter: Wir sind da anderer Meinung.

Zum einen ist auf die rein rechtlichen Bedenken zu verweisen. Artikel 20 Abs. 2 unseres Grundgesetzes spricht allgemein von Wahlen und bietet keinen Raum dafür, im Hinblick auf Wahlrecht einen Unterschied zwischen Kommunalwahlen einerseits sowie Bundestags-, Landtags- und Europawahlen andererseits zu machen und sie jeweils anders zu behandeln. Dieses rechtliche Argument spricht gegen Ihr Vorhaben. Das Mindestalter für die Ausübung des aktiven Wahlrechts darf schon deshalb nicht beliebig auseinandergerissen oder beliebig verortet werden.

Frau Kollegin Teuteberg, in einem Punkt muss ich Ihnen energisch widersprechen: Die Herabsetzung des Mindestalters für die Teilnahme an Kommunalwahlen kommt einer Abwertung der Kommunalwahlen gleich. Das wird der Bedeutung dieser Wahlen, der Wahlen vor Ort, nicht gerecht.

Herr Abgeordneter Lakenmacher, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Goetz von der FDP-Fraktion zu?

Am Ende, Frau Präsidentin.

Entweder jetzt oder gar nicht. Die Zeit für die Beantwortung der Frage verkürzt nicht Ihre Redezeit, sondern fällt bei der Berechnung heraus.

Nein, ich lasse die Zwischenfrage nicht zu. Danke. - Ich fahre fort. Kommunalwahlen dürfen nicht per Gesetz geringer bewertet werden als andere Wahlen. Sie dürfen nicht zu Wahlen minderer Qualität werden.

Zudem argumentieren Sie, dass sich die Jugendlichen durch ein Wahlrecht mit 16 früher für die Politik interessierten, womit der Politikverdrossenheit entgegengewirkt werden könne. Auch das ist unseres Erachtens mehr als fraglich. So wenig wie 50 oder 100 Euro Schüler-BAföG mehr Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Familien in Brandenburg zum Abitur führen, genauso wenig lassen sich das Interesse und das Verständnis für Demokratie durch den bloßen Akt der Wahlrechtsverleihung ab 16 verordnen. Vielmehr liegt hierin gerade ein Auftrag an uns Politiker und an alle demokratischen Parteien, und zwar ein fortwährender Auftrag.

Mit anderen Worten, meine Damen und Herren: Vor einer nicht durchdachten Herabsetzung des Wahlalters bei Kommunalwahlen muss zunächst einmal die Reform der politischen Bildung im Land Brandenburg erfolgen; denn eine frühe politische Bildung ist das Fundament einer Erziehung zum Interesse am Gemeinwesen und an den politischen Geschehnissen im Land.

(Beifall CDU)

Allein dies führt zum politischen Mittun und zur Wahrnehmung des höchsten staatspolitischen Rechts: des Wahlrechts.

Meine Damen und Herren, ein Argument wurde hier noch nicht beleuchtet. Was gibt denn einen konsequenten und durch weitere Rechte und Pflichten eingebetteten Fixpunkt zur Festsetzung des Wahlrechtsalters? Das kann doch nur die Volljährigkeit, sprich die Vollendung des 18. Lebensjahrs, sein. Denn Frau Teuteberg und Herr Richter, Sie haben es angesprochen es gibt bestimmt 16-Jährige, die weitaus vernünftiger agieren als manch 50-Jähriger. Bestimmt können auch viele 16- und 17-Jährige verantwortungsvoller mit Geld umgehen als manch Erwachsener. Man braucht da nur einmal den Blick auf den Umgang mit Geld, Besitztümern und Sachwerten seitens der Landesregierung zu werfen. Das kann eben nicht das Argument sein.

Mit 18 Jahren erkennt unsere Rechtsordnung einen Menschen als unbeschränkt geschäftsfähig an. Er verliert seine beschränkte Geschäftsfähigkeit, die zuvor bestand, und ist volljährig. Mit der Volljährigkeit - das ist breit anerkannter gesellschaftlicher Konsens - ist ein junger Mensch in der Lage, seine Lebensinteressen zu regeln, Verträge zu schließen und die volle Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Gerade deshalb besteht zwischen der Volljährigkeit und der Verleihung des aktiven Wahlrechts ein tiefer innerer Zusammenhang, der nicht auseinandergerissen werden darf; genauso wenig - das ist auch Folge Ihres Ansinnens - dürfen das aktive und das passive Wahlrecht auseinandergerissen werden. Dies gehört als innere Einheit zusammen. Es kann nicht sein, dass ein junger Mensch zwar wählen, aber nicht gewählt werden darf. Das ist eine unzulässige systematische Aufsplittung.

(Beifall CDU)

Alles andere als die Manifestation des Wahlrechts beim Alter von 18 Jahren wäre eine verbilligte Abgabe und Entwertung des höchsten staatspolitischen Rechts, eben des Rechts zu wählen.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist seit geraumer Zeit abgelaufen.

Ich schließe. Unserer Auffassung nach kann allein durch eine bessere Bildungspolitik bzw. eine bessere Politik im Hinblick auf die politische Bildung agiert und somit die Wahlbeteiligung erhöht werden. Gleichwohl stimmen wir für eine Überweisung des Antrags an die zuständigen Ausschüsse unter Federführung des Hauptausschusses. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Lakenmacher. - Wir fahren in der Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Krause von der Fraktion DIE LINKE fort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kollegen von der FDP, mit der Forderung der Absen

kung des Wahlalters auf 16 Jahre rennen Sie bei uns keine offenen Türen ein, sondern stehen bei uns schon längst auf dem Hof.

(Beifall DIE LINKE)

Das wird Sie nicht verwundern, da wir diese Forderung bereits im Verfassungsausschuss Anfang der 90er Jahre erhoben und den Vorschlag in den vergangenen Legislaturperioden mehrfach thematisiert, eingebracht und diskutiert haben. Bislang hat er keine Mehrheit gefunden. Sie haben dieses Thema nun erneut aufgegriffen. In unserem Koalitionsvertrag haben wir einen Diskussionsprozess zu diesem Thema vereinbart, und insofern wird es Sie nicht verwundern, dass wir diesen nun zulassen werden. Die Linksfraktion wird der Überweisung an die Fachausschüsse zustimmen, um die Diskussion zu ermöglichen.