Meine Damen und Herren! Wir stimmen über den Antrag auf Überweisung des Antrags der FDP-Fraktion in der Drucksache 5/2066 an den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft ab. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Beides ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag in den Ausschuss überwiesen.
Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der CDU in der Drucksache 5/2106, Neudruck, vor.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben am 16. September dieses Jahres im Bildungsausschuss eine Anhörung zum Thema Dyskalkulie durchgeführt. Heute liegen uns zu diesem Thema zwei Anträge zur Beratung vor: der gemeinsam von der FDP-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachte Antrag und der Entschließungsantrag der anderen drei Fraktionen. Wenn ich mir beide Anträge anschaue, stelle ich fest, dass ihre Grundintention offensichtlich in dieselbe Richtung geht. Insofern hätten wir einen Entschließungsantrag nicht gebraucht. Sie hätten einfach vorher bei uns anrufen können, um zu versuchen, mit uns zusammen einen Antrag auszuarbeiten.
Ja, ja, bleiben Sie ruhig. - Die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern gemäß ihren Begabungen und Fähigkeiten ist für uns Liberale das Kennzeichen einer hervorragenden Schulbildung. Der Politik wird dabei die Aufgabe zuteil, in ihren Gesetzen und Verwaltungsvorschriften Ungleichbehandlungen auszuräumen und für Chancengleichheit zu sorgen. Das sollte insbesondere für Kinder und Jugendliche gelten, die besondere Probleme beim Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen haben. Für diese Probleme können sie nichts. Denn es ist klar festzustellen: Diese Schwächen sagen nicht aus, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht intelligent genug seien, um sprachliche oder mathematische Aufgaben zu lösen. Auf diese wissenschaftlich begründete Erkenntnis wurde in der Anhörung zum Thema im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport mehrmals hingewiesen.
Im Gegenteil. LRS und Rechenschwäche haben keinen Bezug zur Intelligenz, sondern basieren auf fehlgelaufenen Lernprozessen oder sind Ausdruck eines Lernrückstandes.
In der Verwaltungsvorschrift über die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit einer besonderen Schwierigkeit beim Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen werden den betroffenen Schulkindern Nachteilsausgleiche wie längere Zeiträume zur Bearbeitung schriftlicher Aufgaben oder die Bereitstellung von technischen und didaktischen Hilfsmitteln zugestanden. Das ist auch gut so.
Allerdings können nur Schülerinnen und Schüler mit LeseRechtschreib-Schwäche von Abweichungen von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung profitieren. Das heißt, dass mündliche Leistungen stärker berücksichtigt werden oder auf eine Bewertung der Lese-Rechtschreib-Leistung generell verzichtet wird.
Das trifft jedoch nicht für Schüler mit Rechenschwäche zu. Ihre Leistungen müssen von den Lehrkräften bewertet werden, was natürlich zu einer ungerechten Behandlung führt, da diese Schüler für ihre Rechenschwäche genauso wenig können wie die anderen Kinder für ihre Lese-Rechtschreib-Schwäche. Daher fordern wir die Landesregierung mit diesem Antrag auf, dass bei der Leistungsbewertung bei rechenschwachen Schülern gleichermaßen von den allgemeinen Maßstäben abgewichen werden soll.
Alternativ zur Benotung mit einer Ziffernote, die in diesem Fall nichts über den Lernfortschritt der Schüler aussagen kann, sollen beispielsweise Verbalbeurteilungen oder Beschreibungen zum Lernfortschritt erfolgen. Damit bekommen die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Erfolgserlebnisse zu sammeln, die ihnen den Schulalltag erleichtern und ihre Motivation stärken.
Schulabgänger mit Rechenschwäche hätten darüber hinaus auch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Denn wenn der Arbeitgeber einen realitätsnahen Eindruck über die Lernerfolge und Bemühungen seines Bewerbers bekommt, ist er natürlich eher gewillt, ihn einzustellen, als wenn im Zeugnis eine 5 steht.
Darüber hinaus müssen Schülerinnen und Schüler mit LeseRechtschreib-Schwäche oder Rechenschwäche in der Schulpolitik die Aufmerksamkeit bekommen, die sie eigentlich benötigen. Es fehlt an individueller Förderung im Unterricht und ganz und gar in der frühkindlichen Bildung, um auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Die Lehrerinnen und Lehrer werden in ihrer Ausbildung zu wenig auf den Umgang mit diesen sogenannten besonderen Schwächen der Kinder vorbereitet. Dabei wurde in der Anhörung des Bildungsausschusses immer wieder darauf hingewiesen, dass Kinder und Jugendliche mit LeseRechtschreib-Schwäche oder Rechenschwäche so früh wie möglich gefördert werden müssen, um die Schwächen nicht zu verstärken und das Ausmaß der Probleme so gering wie möglich zu halten.
Ich bin den Fraktionen SPD, DIE LINKE und CDU ausdrücklich dankbar dafür, dass sie diese Punkte noch aufgegriffen haben. Herr Jürgens, wenn Sie hier dazwischenrufen, Ihr Antrag sei qualifizierter, Ihr Antrag ergänze den Antrag, den FDP und GRÜNE/B90 vorgelegt haben, dann sage ich: Einer sinnvollen und positiven Ergänzung verschließen wir uns nie. - Vielen Dank.
Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten im letzten Ausschuss in der Tat diese Anhörung. Am Ende sagte der Vorsitzende des Ausschusses: Lassen Sie uns die Anhörung und deren Ergebnisse in den Fraktionen auswerten. Dann wäre es, glaube ich, sinnvoll und gut gewesen, wenn wir in der darauffolgenden Ausschusssitzung genau das gemacht Sie sind jetzt vorgeprescht - und die Anhörung ausgewertet hätten. Dann hätten wir gemeinsam zu einem Antrag kommen
Ich glaube, die Anhörung hat wirklich einiges hergegeben. Sie war sehr interessant. Sie war sehr wissenschaftlich. Sie war sehr vielfältig. Sie war aber auch strittig. Wir haben als Bildungspolitiker einiges erfahren. Es ist ja auch für Bildungspolitiker gut, wenn sie selber dazulernen. Wir haben zum Beispiel erfahren, dass die Fachwelt allgemein Schülerinnen und Schüler mit Rechenschwäche auf einen Prozentsatz von etwa 5 bis 7 einschätzt. Darin waren sich alle Anzuhörenden einig.
Uneinig waren sie sich aber, was die Gründe für eine Rechenschwäche angeht. Die einen haben gesagt, das waren sozusagen die Extreme, man könnte das klar sehen und wie in einem Röntgenbild im Gehirn abbilden. Die anderen haben gesagt eine ganz einfache Auffassung -: Rechenschwäche resultiert aus schlechtem Mathematikunterricht. Dazwischen bewegte sich die ganze Spannbreite der Anhörung.
Die Frage des Verzichts auf die Benotung ab der Klasse 5 - nur ab dieser Klasse geht es um den Verzicht - spielte in der Tat auch eine Rolle - Sie haben ja immer wieder nachgefragt -, aber nur am Rande.
Das Protokoll liegt noch nicht vor. Deswegen würde ich einfach einmal aus der Erinnerung zitieren. Ein Anzuhörender sagte: Der Verzicht auf Benotung kann zur seelischen Entlastung beitragen. - Das heißt im Umkehrschluss - darin waren sich auch wieder alle einig -, man kann über Benotung generell positiv oder negativ reden, aber in dem Fall löst der Verzicht auf Benotung das Problem dieser Schülerinnen und Schüler nicht und trägt auch nicht zur Verbesserung ihrer Leistungen bei. Ob es Leistungsfortschritte transparent macht, das ist eine Frage, die ich für offen halte. Ob es ihnen bei einem zukünftigen Arbeitgeber hilft, mehr Resonanz zu finden, auch da bin ich eher skeptisch.
Wir konstatieren aber eines: Wir haben einen Beschluss der Kultusministerkonferenz, an den hält sich Brandenburg. Der Entschließungsantrag von SPD, Linke und CDU sagt auch, wir wollen nicht aus dem Konzert der Kultusministerkonferenz ausscheren. Wir wollen aber, dass dieser Beschluss der Kultusministerkonferenz, der Niederschlag in der von Ihnen zitierten Verwaltungsvorschrift gefunden hat, überprüft wird. Er ist drei Jahre alt, das ist noch nicht so lange her. Nichtsdestotrotz kann man sagen, wir wollen anhand der Anhörung und ihrer Ergebnisse in der Kultusministerkonferenz noch einmal über dieses Thema reden und gemeinsam überlegen, ob wir hier ein Umsteuern einleiten.
Ich fände es zu wenig - daher der Entschließungsantrag -, wenn aus der Anhörung nur die Anregung des Verzichts auf Notengebung ab Klasse 5 aufgegriffen würde. Klar, das ist für die Betroffenen wichtig, sie haben das eingefordert. Aber das wäre als einziges Ergebnis der Anhörung doch sehr mager. Ich behaupte sogar, dann hätten wir uns die lange und ausführliche Anhörung sparen können. Deshalb schlagen wir vor, weitere Punkte in die Auswertung aufzunehmen.
In der Tat, die diagnostische Kompetenz der Lehrkräfte muss überprüft werden. Wir müssen schauen: Sind sie in der Ausbildung darauf vorbereitet worden, eine Rechenschwäche zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen? Wir müs
sen die vorhandenen Fort- und Weiterbildungsangebote auf ihre Qualität hin, vielleicht auch auf ihren Umfang hin prüfen. Wir müssen in puncto Nachteilsausgleich etwas machen, denn die Verwaltungsvorschrift beinhaltet ja auch diese Möglichkeit. Da gab es in der Anhörung die Anregung, dass das spezifischer auf die Rechenschwäche bezogen wird. Daher der Hinweis an die Landesregierung, die Verwaltungsvorschrift zu überarbeiten und zu sehen, wie man Kindern mit einer Rechenschwäche durch bestimmte Nachteilsausgleiche mehr gerecht werden kann.
Alles in allem hätte ich mir eigentlich gewünscht, dass die Auswertung im Ausschuss stattfindet. Nun ist es im Plenum. Deshalb gibt es unseren Entschließungsantrag, und wir bitten um Zustimmung. - Vielen Dank.
„Zahlreiche Studien belegen, dass das Zustandekommen von Zeugnisnoten immer auch anhand subjektiver Kriterien erfolgt und deshalb äußerst kritisch betrachtet werden muss. Ziffernnoten machen keinerlei Aussagen über individuelle Lernerfolge und sind als Instrument der Dokumentation von Lernfortschritten nur bedingt tauglich. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen als ersten Schritt den Schulkonferenzen das Recht einräumen, eine schrittweise Ersetzung der Schulnoten durch alternative Formen selbst beschließen zu können. An ihre Stelle sollen individuelle Lernentwicklungsberichte treten, die Leistungsprofile differenzierter beschreiben, die Entwicklung einer Schülerin bzw. eines Schülers darstellen und die Bedingungen sichtbar machen, unter denen diese Entwicklung stattgefunden hat.“
Das ist kein besonders prickelnder Text, aber es ist ein Zitat aus unserem letzten Landtagswahlprogramm.
Wir möchten gern individuelle Lernfortschrittsberichte, und zwar nicht nur für Schülerinnen und Schüler mit einer Rechenschwäche oder einer Lese-Rechtschreib-Schwäche, sondern gern weitgehend für alle Schüler. Denn alle sind anders.
Auf dieser Grundlage ist es völlig klar gewesen, dass wir den vorliegenden Antrag, der Verbalbeurteilungen und Lernfortschrittsbeschreibungen für Kinder mit Rechenschwäche vorsah, mit eingebracht haben.
Ich muss allerdings sagen: Der Entschließungsantrag der Regierungskoalition übertrifft den unseren - das gestehe ich gerne ein -, und zwar sowohl an Intention, vor allem im Hinblick auf
die Fortbildung der Lehrkräfte bezüglich ihrer Diagnosekompetenzen, als auch an Präzision. Da zeigt sich, dass es lohnenswert ist, eine funktionierende Verwaltung hinter sich zu haben.
Wir werden beiden Anträgen zustimmen. Das Anliegen als solches ist nicht besonders komplex. Meine beiden Vorredner haben sich schon ausführlich dazu geäußert, sodass ich den Eindruck habe, alles weitere, was ich inhaltlich beizutragen hätte, würde dem Motto folgen: Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von mir. - Ich verzichte deshalb darauf.
Vielen Dank. - Die Abgeordnete Große spricht für die Linksfraktion, vielleicht dem gleichen Prinzip folgend.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche, mich kurzzufassen. Herr Kollege Büttner, Sie waren genauso hibbelig wie Ihr Kollege zuvor und haben sehr schnell nach der Anhörung einen Antrag erarbeitet, der zudem das ganze Thema von hinten aufzäumt. Die Bewertung des Lernfortschritts von Kindern mit einer Rechenschwäche steht an letzter Stelle. Am Beginn - das hat uns die Anhörung gelehrt - steht die Diagnostik, zu der die Lehrerinnen und Lehrer befähigt sein müssen.
Ich werfe es Ihnen nicht vor, denn Sie haben in der Anhörung, genau wie wir, den Leidensdruck der Eltern und Schüler wahrgenommen. Sie wollen die „Kümmererpartei“ werden und sich nun auch um solche Probleme kümmern. Ich finde es schade - Thomas Günther hat es auch gesagt -, dass Sie die Verständigung im Ausschuss nicht abgewartet haben. Ich finde es auch bedauerlich, dass Sie sich in der Jamaika-Opposition nicht darauf verständigt haben, sich unserem Entschließungsantrag anzuschließen, da er ja auch allen Anforderungen Ihrerseits entspricht. Ein Anruf unsererseits ist nicht zu erwarten gewesen, vielmehr hätten Sie Ihren Zuspruch zu unserem Antrag bekunden und Ihren Antrag zurückziehen können, weil er in unserem Entschließungsantrag aufgegangen ist. Das wäre eine Möglichkeit gewesen.
Insofern ist es schade, aber wir lernen das noch. Ich finde es schon revolutionär, dass die CDU ihren Namen auf einen Entschließungsantrag der Linken und der SPD gesetzt hat. Weiter so! Wir sollten bei Dingen, die mit Ideologie nichts zu tun haben, zusammenarbeiten.