Die Länder sind nunmehr gefordert, einen neuen Glücksspielstaatsvertrag zu entwerfen. Insbesondere sind sie gefordert, einen Vertrag zu entwerfen, der von möglichst allen Bundesländern getragen wird.
Man muss sich in Erinnerung rufen, warum dieser Staatsvertrag scheitern musste. Der aktuelle Staatsvertrag hat bei der Kontrolle der Wettanbieter vollständig versagt. Etwa 94 % des Marktes fallen an unregulierte Anbieter. Die Leute wandern einfach über das Internet in einen ausländischen Markt. Deutsche Firmen sind in diesen Märkten ansässig geworden. Die Einnahmen gehen völlig am Staat vorbei. Suchtprävention findet nicht statt, und Gefahren für die Sicherheit sind nicht kontrollierbar. Oddset etwa hat einen Marktanteil von 3 bis 4 %. Es ist also absolut albern und sinnlos, von einem staatlichen Monopol zu sprechen, welches überhaupt irgendeinen Sinn haben würde. Die Menschen haben einfach mit den Füßen - in diesem Fall: mit den Händen über das Internet - abgestimmt und sind in einen freien Markt geflüchtet. Oddset hat ein Umsatzvolumen von 500 Millionen Euro, der ausländische Markt erreicht einen Umsatz von 7 Milliarden Euro! Der OnlineGlücksspielmarkt ist seit 2005 um etwa 30 % gestiegen.
- Genau. Das war die richtige Antwort. - Lassen Sie mich zur Suchtprävention kommen. Das Glücksspiel ist seit Inkrafttreten des aktuellen Vertrags genau in den Bereichen mit hohem Suchtpotenzial stark angestiegen. Die Kanalisierung des Spiels erfolgt durch den aktuellen Staatsvertrag genau in den falschen Bereich, denn dieser Bereich ist unreguliert und unterliegt dementsprechend nahezu keiner Kontrolle. Eine Begrenzung des Spielangebots, gerade für suchtgefährdete Spieler, ist daher überhaupt nicht möglich. Darüber hinaus ist gerade im unregulierten Markt die Gefahr krimineller Machenschaften besonders groß.
Besonders deutlich wird diese Entwicklung, wenn auch die Zahlen im Bereich des legalen Glücksspiels betrachtet werden. Hier zeigte sich exakt der gegenteilige Effekt: Der Umsatz mit legalen Lottoprodukten reduzierte sich von 9,9 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 8,3 Milliarden Euro im Jahr 2009. Dieser Trend setzt sich fort. Im I. Quartal 2010 sanken die Einnahmen der staatlichen Lottogesellschaften noch einmal um mehr als 20 %. Das Glücksspiel geht also seit dem Inkrafttreten des aktuellen Glücksspielstaatsvertrags ausgerechnet in dem Bereich zurück, in dem das Suchtpotenzial nach Meinung aller Fachleute sehr gering ist. Es gibt in Deutschland etwa 1 000 Lottosüchtige - es gibt wahrscheinlich mehr Haribosüchtige.
Der aufgrund des aktuellen Staatsvertrags boomende unregulierte Markt unterliegt keiner Steuer- und Abgabenpflicht. Über die nun einbrechenden Erträge des legalen Glücksspiels finanzieren die Bundesländer in hohem Maße die Förderung des Breitensports und der Kultur. Auf das Jahr 2010 hochgerechnet werden den Ländern angesichts der durch den aktuellen Glücksspielstaatsvertrag verursachten Entwicklung 400 Millionen Euro Steuern und Zweckerträge in diesem Bereich fehlen.
Ziel unseres Antrags ist es, über ein staatlich kontrolliertes Angebot die bestehenden Schwarzmarktstrukturen auszutrocknen. Es geht darum, illegale, aber faktisch vorhandene Glücksspielvarianten zu legalisieren, um sie kontrollieren zu können. Lot
toveranstaltungen haben sich im Monopol bewährt. Das Lotterieveranstaltungsmonopol soll deshalb auch erhalten bleiben. Die staatliche Veranstaltung von Lotterien mit Millionenjackpots gewährleistet das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität der Lotterieveranstaltung. Die übertriebenen Werbebeschränkungen werden gelockert. Anreizende und irreführende Werbung bleibt wie bisher verboten. Online-Casinospiele und Wetten im Internet allerdings finden zurzeit noch auf dem Schwarzmarkt statt. Ein Schutz der Spieler, eine Kontrolle und eine Kanalisierung sind zurzeit nicht möglich. Zudem zahlen die Anbieter in Deutschland keinerlei Abgaben.
Ziele unseres Antrags sind auch ein wirksamer Jugend- und Spielerschutz sowie eine wirksame Suchtprävention und -bekämpfung. Unser Antrag führt dazu, dass das Hauptanliegen des Glücksspielstaatsvertrags, nämlich die Hinführung des natürlichen Spieltriebs zu einem staatlich kontrollierten Angebot, erstmals erreicht werden kann. Schwarzmarktstrukturen werden ausgetrocknet, der deutsche Spitzensport profitiert von den Einnahmen aus dem Sponsoring, und die Schrumpfung des Lotteriemarktes in Deutschland in den vergangenen vier Jahren wird rückgängig gemacht. Von der Einnahmenerhöhung bei Lotto, Sozial- und Klassenlotterien profitieren die öffentlichen Haushalte, aber insbesondere der deutsche Breitensport und die freie Wohlfahrtspflege.
Das alles sind Gründe, die für unseren Antrag sprechen. Deswegen werben wir um Zustimmung. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Geywitz hat das Wort.
Es freut mich, dass dieses wichtige Thema auch zu so später Stunde noch auf breites Interesse der Abgeordneten trifft.
Herr Büttner, ich habe Ihren Worten gelauscht und grob verstanden, dass die FDP der Meinung ist, es entstünden in allen Wirtschaftsbereichen zusätzliche Arbeitsplätze und Mehreinnahmen, wenn man möglichst viel liberalisiere.
Sie haben mir nicht erklären können, warum es irgendeinen Anreiz für einen kommerziellen Spieleanbieter geben sollte, sich bei 40 % Besteuerung in Deutschland niederzulassen und es nicht in Malta oder Gibraltar zu tun, wo man unter 1 % zahlt. Vielleicht können wir das hinterher noch einmal separat klären.
Ich jedenfalls interpretiere das EuGH-Urteil gänzlich anders als Sie. Das deutsche Modell des gemeinwohlorientierten Glücksspielvertrages ist nämlich im Gegensatz zu Ihren Behauptungen durch die aktuellen Entscheidungen des EuGH eben nicht infrage gestellt. Im Gegenteil. Der EuGH bleibt bei den Grundsätzen seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der ein ausschließlich staatliches Glücksspielangebot durchaus zulässig ist, wenn damit Ziele des Spielerschutzes, des Jugendschutzes, der Suchtprävention oder der Eindämmung der Kriminalität verfolgt werden. Die Herren haben vielleicht gestern
auch den Sportteil der Nachrichten gesehen. Da merkte man, dass durchaus nicht das Interesse besteht, dass die falschen Leute ihre Einnahmen steigern, indem sie auf kriminelle Art und Weise die Spielausgänge beim Fußball manipulieren.
Diese Ziele sind im Glücksspielstaatsvertrag, der auch weiterhin gültig bleibt, ausdrücklich festgeschrieben. Sie sind weiterhin die zentralen Leitplanken für die Lotto-Gesellschaften.
Die Entscheidung über die Konsistenz und Kohärenz der Glücksspielregulierung obliegt nun den nationalen Gerichten, denen der EuGH Auslegungshilfen gab. Der EuGH hat deutlich gemacht, dass im aktuellen Regulierungsansatz eine Kohärenzlücke besteht. Für eine konsistente Regulierung ist jedoch erforderlich, dass bei Weitem suchtgefährdende Glücksspielbereiche, insbesondere das gewerbliche Automatenspiel in Spielhallen, mindestens im gleichen Maße und konsequent am Spielerschutz orientiert reguliert werden müssen. Hier ist die Politik gefragt.
Nach diesem Urteil ist auch klar, dass den Forderungen nach einer Teilkommerzialisierung der Sportwetten endgültig jegliche Grundlage entzogen worden ist. Eine Teilkommerzialisierung der Wetten würde die vom EuGH kritisierte Inkohärenz noch verstärken und nicht heilen. Deshalb ist Ihre Dualität im Ansatz abzulehnen.
Im Übrigen ist nachzuvollziehen, dass sich der Breitensport gegen eine Kommerzialisierung ausspricht. Denn im Gegensatz zu einigen von Ihnen angeführten Profivereinen kann er eben gerade nicht mit Sponsoreneinnahmen von Wettanbietern rechnen.
Der EuGH fordert - wie von der Brandenburger FDP- und der CDU-Landtagsfraktion ausgeführt - keine Verstaatlichung des gewerblichen Automatenspiels, sondern er fordert eine konsistente und kohärente Regelung des Glücksspiels, wobei man sich nicht hinter den zentralen, regionalen und lokalen Zuständigkeitsfragen verstecken darf. Für die Länder bedeutet dies, dass sie im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeiten alle regulativen Möglichkeiten hinsichtlich des gewerblichen Automatenspiels ausschöpfen müssen, um den Vorgaben des EuGH zu entsprechen.
Fazit: Nicht der Glücksspielstaatsvertrag, sondern das Modell der Kommerzialisierungsbefürworter nach einer Teilkommerzialisierung der Sportwetten unter Beibehaltung des staatlichen Monopols für Lotterien ist gescheitert.
Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der EuGH haben das Modell des gemeinwohlorientierten Glücksspielstaatsvertrages bestätigt. Mittels eines solchen Modells lassen sich ein effektiver Spielerschutz und aktive Suchtprävention gewährleisten. Nur so ist es möglich, im staatlichen Auftrag ein moderates, ausreichendes Glücksspielangebot bei Lotterien und Sportwetten zur Verfügung zu stellen. Jährlich werden aufgrund der Abschöpfung der Erträge aus der Veranstaltung von Lotterien und Sportwetten bundesweit ca. 2,8 Milliarden Euro für die Bundesländer und das Gemeinwohl in den Bereichen Breitensport, Wohlfahrt und Soziales, Umwelt- und Denkmalschutz sowie Kunst und Kultur zur Verfügung gestellt, davon rund 500 Millionen Euro für den Sport. In Brandenburg sind das fest durch unser Gesetz geregelt 15 Millionen. Das ist auch das, was der Breitensport zum Antrag der CDU und der FDP
denkt. Wir brauchen eine stabile Finanzierung unserer Breitensportstrukturen auch durch die Lottoeinnahmen. - Danke schön.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Geywitz. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Homeyer hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Geywitz, der Glücksspielvertrag ist 2008 in Kraft getreten. Das ist zwei Jahre her. Nach knapp drei Jahren und dem vernichtenden EuGHUrteil ist nach unserer Ansicht eine schonungslose Bestandsaufnahme notwendig. Wir müssen uns fragen: Was hat uns dieser Staatsvertrag eigentlich gebracht?
Ich kann mich noch an die Diskussion hier im Landtag um diesen Staatsvertrag erinnern. Ich weiß, es hat kontroverse Meinungen gegeben. Schon damals gab es einige Kollegen, an die ich mich erinnern kann, die gewarnt haben, ihn zu verabschieden. Wenn ich mich recht erinnere, war das meine Fraktionsvorsitzende, Frau Dr. Ludwig.
Nun haben etliche Hundert Unternehmen beim EuGH geklagt, und sie haben Recht bekommen. Man fragt sich: Was hat der Vertrag gebracht? Statt Rechtssicherheit hat er Chaos angerichtet, Hunderte Klagen vor deutschen Verwaltungsgerichten, vorm Europäischen Gerichtshof. Der hat nun die Notbremse gezogen. Er hat erklärt, dass das deutsche Glücksspielmonopol und so nüchtern muss man das sehen - europarechtlich unzulässig ist.
Bei der Suchtbekämpfung versagt der Staatsvertrag auf ganzer Linie, weil er private Anbieter und ganz normale Spieler in die Illegalität treibt. Denn trotz Verbotspolitik wird weiter gespielt und gerade im Internet. Wo es eine Nachfrage gibt, gibt es auch einen Markt. Der Sportwettenmonopolist Oddset deckt aber gerade einmal 5 % des prognostizierten Gesamtmarktes in Deutschland ab. Der Rest der Spiele wird über ausländische Anbieter abgewickelt, ohne dass der Staat regulierend und kontrollierend eingreifen könnte. Und, meine Damen und Herren, Frau Geywitz, die Einnahmen aus Lotto und Sportwetten sind im Sinkflug.
Ich will Ihnen einmal ein paar Zahlen von Brandenburg nennen; wir sind nämlich massiv davon betroffen. Während 2006 das Aufkommen der Lotteriesteuer und der Glücksspielabgabe über 90 Millionen Euro betrug, flossen 2008 nur noch 61 Millionen in die Landeskasse. Das ist ein Einbruch von ca. 30 %. 2009 sieht es übrigens auch nicht besser aus. Ich frage mich an dieser Stelle, warum wir uns bei dieser Einnahmesituation in Brandenburg immer noch zwei Geschäftsführer leisten können. Ich will aber nicht näher untersuchen, welche Gründe das damals hatte; das steht auf einem anderen Blatt.
- Ich meine, es ist doch berechtigt, das angesichts eines Umsatzeinbruchs von 30 % einmal zu hinterfragen. Es geht doch darum, dass wir unseren Breitensport und die Kultur mit den Lottomitteln unterstützen wollen. Das kann man bei einem Einbruch von 30 % der Einnahmen doch jetzt einmal hinterfragen, ohne sich gleich so aufzuregen, Herr Görke.
Der Glücksspielvertrag hat somit das Hauptziel einer konsequenten Suchtbekämpfung völlig verfehlt. Er hat erheblichen wirtschaftlichen Schaden sowie ein rechtliches und ordnungspolitisches Chaos angerichtet und einen dramatischen Einbruch der Einnahmen ausgelöst. Das ist Fakt.
Halten Sie mich nicht für zynisch, aber bei geschätzten 1 000 Lottosüchtigen in ganz Deutschland frage ich mich, ob wir mit diesem Staatsvertrag wirklich auf dem richtigen Weg waren und noch sind.
Reagieren Sie jetzt! Wir legen einen Antrag vor. Wir machen konkrete Vorschläge, wie man das in Zukunft auf den richtigen Weg bringt und wir uns als Parlament von vornherein einbringen.
Sie sagen, wir lassen es da, wo es immer gewesen ist, bei den Glücksspielreferenten in der Staatskanzlei; die werden es schon richten. - Die haben es 2008 schon einmal versucht und sind kläglich gescheitert.
Sie sagen, lieber Augen zu und durch, statt einfach mal sachlich und vorurteilsfrei die Lage zu analysieren. Sofort haben Sie die altbekannten Antworten wieder zur Hand. Statt über eine kontrollierte Öffnung der Sportwetten nachzudenken, sollen nun auch noch die Pferdewetten und das Automatenspiel monopolisiert werden; na toll!
Hier haben Sie aber die Rechnung ohne den Bund gemacht. Denn der Bund wird nicht so dumm sein, jetzt diesen Holzweg zu beschreiten. Das können Sie vergessen.
Wenn tatsächlich von Lotto über Sportwetten bis zur Pferdewette alle Spiele im Zeichen einer rigorosen Suchtbekämpfung reguliert werden, sind Umsatzeinbrüche in Milliardenhöhe zu befürchten. Was das für den Sport und die Kultur in diesem Land bedeutet, will ich mir gar nicht ausmalen; die Konsequenz für unseren Landeshaushalt übrigens auch nicht.
Eine Verstaatlichung der Automatenwirtschaft wird rechtlich keinen Bestand haben. Es sei denn, der Staat zahlt horrende Entschädigungen an private Anbieter. Das wollen wir sicherlich nicht.
Diese Perspektive zeigt, dass es höchste Zeit ist, den verkorksten Staatsvertrag hinter sich zu lassen und neue Wege zu beschreiten. Mit unserem Antrag plädieren wir für eine pragmatische Lösung, die die Einnahmeinteressen des Landes im Blick
hat, die Rechte der privaten Anbieter schützt und den Jugendund Spielerschutz gewährleistet. Das steht im klaren Kontrast zu den Koalitionsfraktionen, die keine Richtung vorgeben, keine konkreten Vorschläge unterbreiten und daher der Landesregierung freie Hand lassen.
Noch ein Wort zur Suchtprävention und zur Suchtbekämpfung: Es ist ein Fakt, dass ein regulierter Markt und lizensierte Anbieter die strengen Auflagen erfüllen müssen und auch können und definitiv ein höheres Schutzniveau ermöglichen als ein völlig unkontrollierbarer Schwarzmarkt. Das hat die Entwicklung zum Beispiel in Italien und Frankreich eindeutig belegt.