Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Der Aufwuchs von 1,7 Milliarden Euro würde unsere Zinsbelastung noch einmal um rund 30 Millionen Euro erhöhen.

Meine Damen und Herren! Wir haben nicht nur eine Belastung im Haushalt von zurzeit 700 Millionen Euro. Diese Schulden beinhalten auch ein erhebliches Zinsänderungsrisiko. Wenn das Land heute Schulden aufnimmt, dann liegt der Zinssatz knapp über 2 %. Das ist ein exorbitant niedriger Zinssatz. In den Jahren, als ich in anderer Verantwortung Stadtkämmerer war, lag der durchschnittliche Zinssatz bei 6,5 bis 7 %.

Eine kleine Nebenrechnung: Mit den 2 % beim Arbeits- und Sozialminister hat das, Frau Schier, nicht so ganz geklappt. Nehmen wir doch einmal 1 %. Eine Veränderung des Zinssatzes um 1 % macht bei 20 Milliarden Euro eine Mehrbelastung von 200 Millionen Euro aus.

Dabei haben wir bei diesen Schulden noch nicht berechnet, was wir an Pensionslasten mit uns schleppen. In den Haushaltsplänen, in den Übersichten bekommen wir die Zahllasten, also das, was konkret gezahlt werden muss, in den einzelnen Haushaltsjahren und dann auch addiert dargestellt.

Es wäre mal interessant zu erfahren, was wir denn an Rückstellungen bilden müssten, wenn wir so, Herr Holzschuher, wie beispielsweise die Stadt Brandenburg oder Kleinmachnow oder andere unserer Kommunen nach der Doppik bilanzen, also die jetzt bereits eingegangenen Verpflichtungen voll mit Rückstellungen decken müssten. Dann würde ein Vielfaches dieses Betrages herauskommen. Ich fürchte, dass wir in die Nähe des Betrages kommen, den wir als Schulden ohnehin schon ausgewiesen haben.

Was können wir also tun? Wir nehmen die Steuermehreinnahmen, wir tilgen und wir müssen tilgen. Was können Sie tun? Sie vergessen einfach mal, dass der Antrag von uns, von der CDU und der FDP, kommt. Sie stimmen dem Antrag zu. Sie legen einfach den Schalter wieder zur Wirklichkeit um und sehen, wie schön es ist, ein Jahr früher bei der Nettoneuverschuldung null anzukommen, ein Jahr früher mehr politischen Handlungsspielraum und Gestaltungsfähigkeit zu haben, und folgen den Worten Ihres vormaligen Fraktionsvorsitzenden Dr. Woidke, man werde gute Vorschläge der Opposition nicht deswegen ablehnen, weil sie von der Opposition kommen. Versuchen Sie es! Es tut auch gar nicht weh; dem Lande tut es gut. Schönen Dank.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Der Abgeordnete Bischoff spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass der Kollege Abgeordnete Petke auch noch da ist. Das ist schon mal ganz gut.

Herr Kollege Ausschussvorsitzender, in Sonntagsreden sagt Ihre Partei, sagen Sie persönlich, sagt die Union, sagt auch die FDP - übrigens auch die Grünen - ganz gern: Ja, man muss sparen. Man muss den Haushalt konsolidieren. Wir dürfen nicht so viele Schulden machen. Wir müssen sie herunterfahren. Wir zahlen zu viele Zinsen. - In Sonntagsreden hören wir das immer, auch heute mit diesen Anträgen.

Aber montags, wenn sich dann alle wieder treffen im Parlament, auf der Straße, auf Bürgerversammlungen und wenn es um Reformen geht - eine Reform ist zum Beispiel die Polizeistrukturreform -, dann wird nicht nur dagegen geredet, dann wird auch dagegen beantragt.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Bei der Polizeistrukturreform können wir uns 1 000 Beamtinnen und Beamte mehr leisten. Wir sollten ohnehin viel mehr Lehrer einstellen. Wir sollten ohnehin viel mehr investieren. Wir sollten schneller Schulden tilgen.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Also das passt überhaupt nicht zusammen. Wenn Sie davon reden, wir sollten einmal den Schalter zur Wirklichkeit umlegen, dann empfehle ich Ihnen, über Ihre eigenen Worte an der Stelle sehr intensiv nachzudenken.

Gespart wird nämlich, sehr verehrter Herr Kollege Burkardt, nicht dadurch, dass man darüber redet, sondern indem man handelt. Das macht diese Koalition. Wir haben an mehreren Stellen, an mehreren Fronten im Moment eine heftige Strukturdebatte. Wir reformieren dieses Land übrigens nicht erst seit diesem Jahr, sondern schon seit 20 Jahren. Es ist ein fortlaufender Prozess. Aber immer - ich sagte es am Anfang -, wenn es unbequem wird, wollen Sie von den notwendigen Sparbeschlüssen nichts wissen. Das können wir Ihnen nicht ersparen. Wir werden - Herr Kollege, wenn Sie mir noch einmal Ihr Ohr leihen würden - Sie in den Haushaltsdebatten und auch in allen anderen Reformdebatten immer wieder sehr freundlich an Ihre Worte erinnern. Das heutige Protokoll werde ich mir unter das Kopfkissen legen

(Burkardt [CDU]: Sehr gut! - Beifall des Abgeordneten Burkardt [CDU])

und Sie einmal mit Ihrer Grundsatzrede vom zweiten Semester Finanzpolitik konfrontieren.

Ich bin heute Morgen in mich gegangen und habe festgestellt, dass dieser Antrag der CDU- und FDP-Opposition im Kern ziemlich unbrauchbar ist. Denn wir werden ständig mit irgendwelchen Anträgen bombardiert - ich sagte es gerade -, die nur dazu dienen, dass wir einmal darüber reden. Das Wort Parlament kommt übersetzt aus ganz alten Zeiten von dem französischen Wort „mal darüber reden“. Wir werden über dieses Thema heute reden, weil Sie es auf die Tagesordnung gesetzt haben. Nur sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wir reden in vier Wochen über den Landeshaushalt 2011. Der Landeshaushalt ist die in Zahlen gegossene Politik. Da entscheidet sich, wie wir mit den Einnahmen und mit den Ausgaben des Landes Brandenburg umgehen. Dazu benötigt es eine Mehrheit, die vom Volk legitimiert ist. Diese Mehrheit haben wir gemeinsam gebildet, und deshalb machen wir gemeinsam nicht nur konkrete Politik für die Menschen, sondern auch das, was dazugehört, nämlich eine vernünftige und solide Finanzpolitik.

Auf eines können wir uns, glaube ich, verständigen: Wenn es unerwartet Mehreinnahmen gibt, werden wir uns auf jeden Fall sehr stark darum bemühen, dass es keine zusätzlichen Ausgaben gibt. Das ist auch ein Gebot der Stunde. Ich möchte Sie noch einmal kurz daran erinnern, Sie hatten ja sozusagen ein paar inhaltliche Erläuterungen gemacht, aber ich will es noch einmal auf den Punkt bringen: Wenn es in einem Land wie Deutschland mit einem Wirtschaftswachstum von über 3 % - das ist ja dieses Jahr gerade der Fall - auf Bundesebene nicht möglich ist, den Haushalt auch nur ansatzweise ins Gleichgewicht zu bringen, dann ist das auf Landesebene schon deshalb nicht möglich, weil wir keine eigene Steuerkompetenz haben.

Aber das zeigt eben auch, meine Damen und Herren, gegenüber den Oppositionsfraktionen, dass noch ein erheblicher struktureller Konsolidierungsbedarf besteht. Wir werden mit unserer fleißigen, auch eher geräuschlosen finanzpolitischen Arbeit - das gebe ich zu, das ist auch unser Ziel - dazu beitragen, dass in diesem Land Brandenburg auch noch in 10, 20, 50 und 100 Jahren sozialdemokratische Politik gemacht werden kann.

(Finanzminister Dr. Markov: Und linke auch!)

Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Die Abgeordnete Vogdt setzt für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss mich jetzt konzentrieren, denn die nächsten 100 Jahre - das wäre ja furchtbar.

Wir haben in diesem Jahr schon mehrfach über die desaströse Finanzpolitik der rot-roten Regierung gesprochen. Schon mehrfach hat sich die Opposition dafür eingesetzt, die Nettoneuverschuldung zu verringern, eine Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen oder verbindliche Konsolidierungsziele festzulegen. Alles mit dem Ziel, den nachfolgenden Generationen keinen stetig steigenden Schuldenberg zu hinterlassen, zumal diese bereits durch die Finanzierung der demografisch bedingten Altersvorsorge belastet werden.

Aber die Zukunft scheint der derzeitigen Regierung nicht wichtig zu sein. Die Finanzpolitik ist von einer mangelnden Ausgabendisziplin und falscher Prioritätensetzung gekennzeichnet. Man kann es auf einen Nenner bringen: Klientelpolitik.

Bestes Beispiel für diese Politik ist die Einführung des sogenannten Schüler-BAföG. Es wurde entgegen aller Expertenmeinungen durchgedrückt und drei Stunden später eine Haushaltssperre verhängt.

(Widerspruch und Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Bereits heute muss mehr als jeder sechste Euro, den das Land aus Steuereinnahmen erzielt,

(Anhaltende Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

zur Zinszahlung für die aufgenommenen Kredite eingesetzt werden. Insgesamt sind das 742 Millionen Euro, nur im Jahr 2011. Hoffen wir, dass das Zinsniveau nicht steigt.

Im vorangegangenen Jahr haben wir immer wieder - fast schon mantraartig - gehört, dass nicht die Landesregierung mit ihren hausgemachten Problemen, sondern Schwarz-Gelb im Bund für alle finanziellen Probleme des Landes verantwortlich sei.

Eines muss aber heute klar gesagt werden: Wir debattieren hier über die Verwendung von unerwarteten Steuermehreinnahmen, die dem Land zufließen - Einnahmen, die aufgrund der erfolgreichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik von SchwarzGelb im Bund deutlich über den Erwartungen liegen. Schon in diesem Jahr ist das nominelle Bruttoinlandsprodukt höher als 2008. Die wirtschaftliche Erholung lässt die Gewinne der Unternehmen und damit deren Steueraufkommen steigen. Vertun Sie daher diese Chance für Brandenburg nicht, folgen Sie dem vorliegenden Antrag und senken Sie die Nettokreditaufnahme

im Interesse aller Brandenburger, vor allem aber der folgenden Generationen! - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU und FDP)

Der Abgeordnete Görke spricht nun für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die JamaikaOpposition ist sich einig: Alle Steuereinnahmen sollen mit heutigem Beschluss zur Senkung der Nettokreditaufnahme verwendet werden. CDU und FDP stellen einen Antrag, und die Grünen holen ihre schärfste Waffe, eine Presseerklärung, heraus, um ihren politischen Willen kundzutun, nämlich die Nettokreditaufnahme zu senken.

(Lachen des Abgeordneten Vogel [GRÜNE/B90])

Ihrem Konzept, Herr Kollege Burkardt, wie Sie es heute vorgelegt haben, können wir nicht folgen. Ich möchte das folgendermaßen begründen: Die CDU fordert schon mit ihrem Antrag für das Jahr 2010, alle Steuermehreinnahmen zur Senkung der Nettokreditaufnahme zu verwenden. Dabei ist Ihnen offensichtlich entgangen, dass die vieldiskutierte Deckungslücke mit den erwarteten positiven Steuermehreinnahmen bereits geschlossen wurde. Man kann es also nicht zweimal verwenden. Ich sage nur: Stichwort Kompensierung ESF-Erstattung. Es macht keinen Sinn, mit sämtlichen Steuermehreinnahmen die NKA zu senken und dann auf der anderen Seite geplante Einnahmen aus EU-Erstattungen durch Kredite zu finanzieren. - So viel zunächst nur zum Jahr 2010.

Herr Kollege Vogel, Sie legen im oppositionellen Wettstreit noch eine Kohle auf; ich sprach ja schon von dieser Presseerklärung. Dort haben Sie sogar gefordert, die Steuermehreinnahmen für die in der Finanzplanung bis zum Jahr 2012 kulminierte NKA von 1,5 Milliarden auf 1 Milliarde Euro abzusenken. Leider haben Sie bei dieser duften Rechnung einfach einmal den kommunalen Anteil weggelassen. Ich glaube, die kommunale Familie wird dies mit vielen Fragezeichen versehen. Somit ist Ihre Rechnung ein wenig oberflächlich, aber das passt manchmal auch zu dieser Betrachtung.

Zurück zum CDU-Antrag: Hier wird gefordert, die Steuermehreinnahmen und damit die korrespondierenden Mehreinnahmen aus dem Länderfinanzausgleich in vollem Umfang zur NKA-Absenkung einzusetzen. Jedoch kann man diese Forderung rechnerisch und technisch gar nicht erfüllen, denn die Steuermehreinnahmen korrespondieren eben nicht mit den Mehreinnahmen aus dem Länderfinanzausgleich. Die Steuermehreinnahmen für 2010 belaufen sich auf die prognostizierten 239 Millionen Euro beim Länderfinanzausgleich. Bei den Fehlbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen wird dagegen mit Mindereinnahmen von 55 Millionen Euro gerechnet.

Insgesamt geht diese regionalisierte Steuerschätzung für 2010 von Mehreinnahmen in Höhe von 184 Millionen Euro aus. Die Umsetzung des von Ihnen beantragten Beschlusstextes ist technisch überhaupt nicht möglich. So könnte ich das weiter fortsetzen. Auch der Verweis auf die Schuldenbremse ist nicht ziel

führend. Wie Sie wissen, sieht die Finanzplanung dieser rot-roten Koalition für 2014 eine Null vor, und zwar eine Null bei der Nettoneuverschuldung. Das ist Gesetz.

Gleichzeitig - das wissen Sie auch - haben wir nach der mittelfristigen Finanzplanung, je nach den Prognosen, Deckungslücken zwischen 380 und 430 Millionen Euro, die wir noch zu schließen haben. Bislang war Ihr Beitrag dazu - Herr Kollege Bischoff hat eine ganze Reihe von Beispielen genannt - gleich null. Selbst Ihre stereotyp wiederholten Forderungen nach Absenkung der NKA konterkarieren Sie mit Ihren Vorschlägen in Zusammenhang mit der Polizeireform, deren Umsetzung zu deutlichen Mehrausgaben in Höhe von 30 Millionen Euro führen würde.

Auch bei der FDP gibt es derartige Widersprüche. Ich verweise nur auf die von Ihnen geforderte kostenlose Schülerbeförderung für alle Schülerinnen und Schüler in Brandenburg.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wenn Sie tatsächlich haushaltspolitische Akzente für Brandenburg setzen wollen, dann erteilen Sie den im Bund aus Ihren Reihen der Regierungskoalition in Berlin jetzt wieder aufkeimenden Forderungen nach Steuersenkungen eine klare Absage. Mit der positiven Entwicklung der Steuereinnahmen sind die Ausfälle infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise noch längst nicht kompensiert. Zudem müssen das Land Brandenburg und seine Kommunen immer noch in hohem Maße die Ergebnisse dieser verfehlten Finanzpolitik wegtragen.

Zum Stichwort Jamaika-Opposition: Bevor Sie Ihre Vorgehensweise nachher noch einmal begründen und uns wieder kritisieren, schauen Sie doch bitte einmal über den Tellerrand von Brandenburg hinaus, und zwar ins Saarland, Herr Kollege Vogel. Dort plant eine Jamaika-Koalition, wo Sie als Grüne der Regierung angehören und wo Sie schon 2010 das gleiche Spiel gemacht haben, für 2011 eine Nettokreditneuaufnahme von sage und schreibe 1 Milliarde Euro, übrigens bei einem Haushaltsvolumen von nur 3 Milliarden Euro. Der dortige Finanzminister nimmt diese Mehreinnahmen, die er jetzt auch für sich prognostiziert, zunächst für den Ausgleich der durch die Wirtschaftskrise verursachten konjunkturellen Defizite, um Vorsorge zu treffen. Darüber sollten Sie ebenfalls nachdenken. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Der Abgeordnete Vogel spricht jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.