Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

(Allgemeiner Beifall)

Verehrte Abgeordnete! Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erstes Gesetz zur Änderung des Landesstraßenbedarfsplangesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/2238 einschließlich Korrekturblatt

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Vogelsänger, Sie dürfen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin mir sicher, der Saal ist dann voller, wenn es um die Umsetzung der Projekte, das Planfeststellungsverfahren und andere Dinge geht. Kleinmachnow ist übrigens auch positiv betroffen. Wir versuchen, die Landesstraßen 40 und 77 Richtung Schönefeld besser auszubauen, damit man eine entsprechende Verkehrsverbindung Richtung Kleinmachnow hat.

Die Aktualisierung des Landesstraßenbedarfsplanes liegt voll im Zeitplan. Der alte Landesstraßenbedarfsplan ist 15 Jahre alt, also von 1995. Wir haben diesen entsprechend überprüft.

Der alte Landesstraßenbedarfsplan hatte noch 82 Projekte. Davon wurden allerdings nur 14 realisiert. Das muss man immer dazu sagen. Wir haben eine neue Situation. Der Ruf nach Ortsumgehungen ist leiser geworden. Wir brauchen zum Teil Ortsumgehungen, aber der Ruf ist leiser geworden, weil vielfach erkannt worden ist, dass zuerst die innerstädtische, innerörtliche Entwicklung geleistet werden soll.

Der neue Entwurf hat 18 Vorhaben. Dazu gab es ein sehr transparentes Verfahren. Minister Dellmann hatte dieses angeschoben. Es gab schon eine entsprechende Beteiligung der Öffentlichkeit. Es waren ursprünglich 28 Maßnahmen, 18 Maßnahmen sind jetzt aufgenommen worden.

Es ist also ein Plan der Vernunft: Erhalt geht vor Neubau. Insgesamt sind im Landesstraßenbedarfsplan 147 Millionen Euro an Baukosten bis 2024 mit einer Planungsreserve veranschlagt. Ich denke, wir sind gehalten, diese Mittel dann entsprechend umzusetzen.

Das ist auch gleich mein Appell an die Abgeordneten: Sollte es Änderungsvorschläge geben, muss man natürlich sagen, wo das Geld herkommt. Man kann Geld nicht einfach vermehren.

Ich habe mir vorgenommen, in den nächsten Jahren ab 2013 immer 90 % für den Erhalt einzusetzen und 10 % für den Neubautitel. Der Neubau ist also die absolute Ausnahme.

Alle Projekte sind mit den Bürgermeistern vor Ort entsprechend diskutiert worden. Ich habe natürlich eine sehr große Erwartungshaltung von den Bürgermeistern gespürt. Sie denken, wenn der Landtag das 2011 beschließt, geht es 2012 mit dem Bau los. So wird es nicht sein. Wir müssen dann sehen, wie die Mittel erkämpft werden können und welche Mittel zur Verfügung stehen.

Fünf Projekte sind im Bau bzw. unmittelbar in der Vorbereitung. Das sind die BBI-Projekte. Das nächste Projekt, das angefangen werden soll, ist der vierstreifige Ausbau der Landesstraße 33 Hönow Richtung Berlin. Dazu muss man sagen, dass wir hier über 30 000 Fahrzeuge haben; das geht irgendwann einmal nicht mehr zweistreifig zu realisieren.

Ein Netz von 5 800 Kilometern und ca. 1 580 Ortsdurchfahrten bedeutet eine große finanzielle Last. Dementsprechend ist Neubau nur die Ausnahme.

Ich komme jetzt zu den Grünen: Sie haben einen Änderungsantrag eingebracht. Ich bin nicht Parlamentarier, aber ich finde das schon eigenartig. Wir legen einen Vorschlag vor, und davon soll gleich etwas gestrichen werden. Ich denke, man sollte das zunächst sehr genau prüfen. Auch Abgeordnete bekommen sehr viel Post aus diesen Gemeinden, sie landet dann immer bei mir. Es gibt überwiegend sehr große Zustimmung zu diesen 18 Projekten, die wir aufgenommen haben.

Ich möchte den Abgeordneten daher einen Vorschlag machen: Wir schauen uns das am besten einmal vor Ort an und fahren nach Melzow, nach Mühlberg oder nach Cottbus. Ich bin gespannt, welche Diskussionen dann auch mit den Grünen geführt werden.

Ich nenne zwei Beispiele: Die L 77n wird in der Region Stahnsdorf dringend gefordert - zum einen zwecks Anschluss an den BBI, zum anderen aber auch zwecks Entlastung einer hochbelasteten Ortsdurchfahrt. Die Netzergänzung Mühlberg wollen Sie ebenfalls streichen. Aber das ist der Anschluss an die neue Elbbrücke. Die Elbbrücke steht und auf sächsischer Seite ist man bereits fertig. Das wollen Sie einfach so herausstreichen das geht nicht. Ich hoffe, das machen die Abgeordneten des brandenburgischen Landtages nicht mit.

Ich möchte noch etwas ankündigen, was sicherlich viele Diskussionen nach sich ziehen wird: Das, was wir jetzt mit dem Landesstraßenbedarfsplan machen, werde ich 2011 auch für die Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplanes vorschlagen. Hierzu werde ich ein Programm für den Zeitraum von 2011 bis 2020 auflegen - ich müsste das nicht, aber ich denke, die Menschen in Brandenburg haben ein Recht auf Transparenz, auch was diese Maßnahmen betrifft -, und das werden wir dann gemeinsam diskutieren. Wir haben einen guten und vernünftigen Plan erarbeitet. Ich hoffe auf eine engagierte Diskussion in den Fachausschüssen. Natürlich hoffe ich auch, dass dieses Gesetz dann vom Landtag verabschiedet wird. - Herzlichen Dank.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Genilke hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch von mir zunächst eine Schelte, wie gestern angekündigt, in Richtung der Grünen: In Ihrem Änderungsantrag zur heutigen Tagesordnung ist die L 66, Netzergänzung Mühlberg, als Streichung enthalten. Das ist natürlich völlig kontraproduktiv. Ich empfehle Ihnen, in der Antwort auf meine Kleine Anfrage 880 nachzulesen, wofür diese Straße wichtig ist. Natürlich ist sie einerseits für die Brücke wichtig. Andererseits wollen wir - in Zusammenhang mit der Ertüchtigung des Hafens, wofür wir übrigens K2-Mittel verwendet haben -, dass die Firma Vestas, die in Lauchhammer eine neue Generation von Rotorblättern baut, diese über den Flussweg bis nach Hamburg bringen kann. Ich weiß nicht, was daran schlecht sein soll, wenn wir in Bezug auf die regenerativen Energien Möglichkeiten schaffen, die Rotorblätter sogar noch relativ verkehrsfreundlich bis an die Nordsee zu bringen. Von daher bitte ich Sie, wenn Sie in Zukunft derartige Pläne bringen, diese noch einmal zu überdenken, denn offensichtlich haben Sie diesen Straßenbautitel völlig falsch aufgefasst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch nie in der Geschichte des Landes Brandenburg wurde dem Landesstraßenbau ein derart niedriger Stellenwert eingeräumt wie unter dieser rot-roten Landesregierung. Noch nie wurden die beiden wichtigen Politikfelder Bildung und Infrastruktur derart gegeneinander ausgespielt wie unter der Regierung von SPD und die Linke.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist praktisch nur eine logische Folge dieser Philosophie, die nämlich ignoriert, dass unser Wohlstand eben auch mit der Qualität unserer Infrastruktur zusammenhängt. Wer bei einem Haushaltsvolumen von derzeit ungefähr 10 Milliarden Euro und auch in Zukunft immerhin noch rund 8 Milliarden Euro lediglich 5 Millionen Euro in den Neubau seiner Landesstraßen investiert, hat den Glauben an die Zukunft unseres Landes zumindest zum Teil schon aufgegeben. Um es einmal bildlicher zu formulieren: Sage und schreibe 0,06 % des Haushaltsvolumens sollen in Zukunft für den Landesstraßenneubau verwendet werden.

(Zuruf des Abgeordneten Krause [DIE LINKE])

Oder anders formuliert: Mit diesem Geld können wir alle fünf Jahre - wohlgemerkt für das gesamte Land Brandenburg - gerade einmal eine einzige Ortsumgehung in den Ausmaßen der Ortsumgehung Güterfelde realisieren.

Nicht, dass Sie mich hier falsch verstehen: Der Grundsatz „Erhalt vor Neubau“ ist sinnvoll. Angesichts eines Investitionsstaus auf den bestehenden Landesstraßen, den bereits der Landesrechnungshof im Jahr 2008 - zu Recht, wie ich meine - bemängelt hat, ist dies unausweichlich. Auch die formale Kürzung der Liste der vorgesehenen Maßnahmen ist angesichts der für den Landesstraßenbau zur Verfügung gestellten geringen Mittel nur konsequent und ehrlich. Es bringt nichts, weiterhin eine riesengroße Zahl von Maßnahmen zur Beruhigung der Gemeinden aufzulisten, wenn die tatsächlichen Realisierungschancen gleich null sind. Aber die perspektivische Fortsetzung von gerade einmal 5 Millionen Euro für den Neubau der Landesstraßen ist klar Politik gegen die Zukunft des Landes.

(Krause [DIE LINKE]: Blödsinn!)

Wir reden hier also nicht über einen Landesstraßenbedarfsplan, sondern über einen Landesstraßenmangelplan.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte die Möglichkeit nutzen, noch einmal die Sinnhaftigkeit von gut ausgebauten Landesstraßen zu verdeutlichen. Von Regierungsseite wird ja geradezu der Eindruck vermittelt, Landesstraßen seien nutzlos und schädlich für die Menschen. Tatsächlich ist es aber so, dass oftmals gerade der Straßenneubau enorme Lärmentlastungen für die überbelasteten Ortsdurchfahrten im Land mit sich bringt. Straßenneubau führt zu spürbaren Verbesserungen der Lebensbedingungen der Bürger bei gleichzeitiger Verbesserung der Mobilitäts- und Verkehrsbedingungen, auch für die Wirtschaft.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Fahren Sie einmal nach Schmerzke oder Radebrück und fragen Sie die Menschen dort einmal danach, was sie davon halten, dass sie mindestens noch weitere 15 Jahre mit dem wachsenden Verkehr vor Ort leben müssen, und lassen Sie uns dann noch einmal über die Notwendigkeit von Landesstraßenneubau reden.

Ich denke, wir werden intensiv im Ausschuss diskutieren müssen. Wir haben erhebliche Zweifel, dass mit dem Entwurf die Herausforderungen der Zukunft gemeistert werden können. Ein weiteres Problem, das Sie klären müssen, sind die zugrundeliegenden Auswahlkriterien. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso dem Kosten-Nutzen-Verhältnis eine derart zweitrangige, ja eigentlich fast überhaupt keine Bedeutung mehr zugemessen wird. Maßnahmen mit höchstem Kosten-Nutzen-Wert werden nicht realisiert, weil Umweltschutzmaßnahmen dagegen sprechen. Hier erwarten wir in den Ausschussberatungen eine eindeutige Klarstellung. Die bisherigen Erklärungen stellen weder uns noch die Anwohner der jeweils nun nicht realisierten Maßnahmen zufrieden. Wir blicken also mit Spannung der Beratung im Ausschuss entgegen.

Weil Sie es angesprochen haben, Herr Vogelsänger: Ich werde auch speziell noch einmal vor Ort nachfragen. Sie sagten, Sie hätten mit allen Bürgermeistern diese Liste abgesprochen. Ich hoffe, Sie haben die Liste auch mit allen Bürgermeistern abgesprochen, die jetzt nicht mehr auf Ihrem neuen Landes

straßenbedarfsplan stehen - das wäre die viel interessantere Frage.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Wir blicken also mit Spannung den Beratungen im Ausschuss entgegen. Der Überweisung stimmen wir selbstverständlich zu. Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Genilke. - Für die SPD-Fraktion spricht nun die Abgeordnete Kircheis zu uns.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für 15 Jahre war der Landesstraßenbedarfsplan angelegt, den der Landtag im Jahr 1995 beschlossen hatte. Für diese 15 Jahre hatte sich das Land viel vorgenommen. Es war richtig, in dieser Anfangszeit nicht kleinmütig zu sein, denn die Entwicklung der Wirtschafts- und Einwohnerstrukturen war seinerzeit lange nicht so verlässlich abschätzbar wie heute.

Eine ambitionierte Liste möglicher Bauvorhaben, wie sie der bisherige Landesstraßenbedarfsplan enthielt, weckt allerdings auch Begehrlichkeiten, nährt Hoffnungen und ist somit auch der Keim von Enttäuschungen.

Von den 82 Maßnahmen, die 1995 als Bedarf bezeichnet wurden, sind heute nur 14 realisiert. Dabei besteht kein Zweifel: Die Festlegungen im Landesstraßenbedarfsplan von 1995 waren ernst gemeint, und sie wurden auch ernst genommen. Aber wenn das Geld knapp ist, muss man natürlich noch genauer schauen, wie groß der Bedarf ist, bevor man entscheidet, welche dieser Bauprojekte in den nächsten Haushaltsplänen noch enthalten sein können, für die wir letztendlich auch die Mittel haben.

Dieser Realitätssinn liegt auch dem Landesstraßenbedarfsplan 2010 zugrunde. Er ist ebenfalls für 15 Jahre ausgelegt. Aber er enthält nur noch 18 Maßnahmen. Nur vier davon sind wirklich neu. Das ist deutlich weniger als noch 1995.

Viele der damals geplanten Maßnahmen, die nicht realisiert wurden, tauchen in dem Plan nicht wieder auf. Warum? Die Menschen wollen nicht lauter schöne Versprechungen, die am Ende niemand einlösen kann. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger erwarten vor allem, dass man ihnen sagt, was geht und was eben nicht geht. Genau das ist es, was diese Koalition tut, und dabei haben wir klare Prioritäten gesetzt. Allein ein Drittel der geplanten Mittel wird für die Anbindung des BBI fließen, weitere 45 Millionen Euro sind für den Bau neuer Ortsumfahrungen vorgesehen. Diese Bauvorhaben sind keinesfalls überflüssig, wie uns der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN glauben machen will, sondern es sind genau die Ausnahmen, von denen auch in Ihrem Antrag die Rede ist. Hier besteht noch Bedarf, und hier brauchen wir noch Straßen.

Wie man mit solch einem Antrag in der 1. Lesung, in der ein Gesetz eigentlich nur eingebracht wird, umgeht, das werden wir nachher entscheiden. Wir lehnen das so pauschal ab. Wir

lassen gerne mit uns im entsprechenden Ausschuss diskutieren. Das, was wir mit dem Landesstraßenbedarfsplan vorgeschlagen haben, ist letztendlich auch finanziert. Die Schlussfolgerungen in Ihrem Antrag, Herr Kollege Vogel, sind natürlich ebenso falsch; denn es ist geprüft worden, ob diese Neubaumaßnahmen noch notwendig sind. Wie der Begründung des Gesetzentwurfes leicht zu entnehmen ist, gab es im Vorfeld eine Schwachstellenanalyse für alle Ortsdurchfahrten des Landesstraßennetzes, zusätzlich wurde auch eine strategische Umweltprüfung vorgenommen. Ihr Änderungsantrag geht deshalb von einer völlig falschen Grundannahme aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem aktuellen Landesstraßenbedarfsplan haben wir eine verlässliche Grundlage für den Straßenbau für die nächsten 15 Jahre. Was jetzt im Plan steht, ist auch finanziert. Es werden ca. 150 Millionen Euro gebraucht, um diese Maßnahmen zu realisieren. Das ist eine Größenordnung, die trotz der voraussehbar sinkenden Einnahmen des Landes finanzierbar sein wird. Damit sind wir besser als der Bund. Der Bundesverkehrswegeplan enthält viele schöne Projekte. Er ist aber seit Jahren hoffnungslos unterfinanziert, und wie es aussieht, wird die Bundesregierung daran in nächster Zeit auch nichts ändern.

(Senftleben [CDU]: Das war bei Ihnen anders?)

Das muss man ja auch einmal sagen. Es hilft doch nicht, einen Plan zu machen, den am Ende niemand ausfinanzieren kann.

(Senftleben [CDU]: Dann sagen Sie, dass es bei Ihnen nicht anders war!)