Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

Vierter Punkt: Was kann ein Justizminister noch machen, was muss er durch den Haushalt absichern? Er hat seit der Föderalismusreform den Strafvollzug ausschließlich in seiner Verantwortung. Wir haben heute in der „Märkischen Oderzeitung“ gelesen, dass der Justizminister zaghaft ist oder zaudert. Vielleicht haben meine Vorgänger nicht so zaghaft, sondern eher konzeptionslos agiert.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Vollzugslandschaft, die ich übernommen habe, ist überrepräsentiert. Es sind zum Teil Investruinen modernster Art, vielleicht Millionengräber.

(Zuruf von der CDU: Fragen Sie Herrn Bräutigam!)

Wir haben sechs Vollzugseinrichtungen, konzipiert für 2 500 Gefangene. Jetzt haben wir 1 524, und ich habe diese Altlast zu tragen und muss sie irgendwie abbauen. Aber ich mache es nicht so, dass ich einfach sage: Eine oder zwei Vollzugseinrichtungen werden geschlossen! - Wir sind im Moment dabei, ein vernünftiges, auch behandlungsorientiertes Konzept zu erarbeiten. Meine Spezialisten sitzen mit mir Anfang nächster Woche noch einmal zusammen, dann werden wir dieses Konzept diskutieren. Danach wird sich die Standortfrage stellen oder möglicherweise nicht stellen.

Der Abbau von Justizvollzugsbediensteten, der hier so gegeißelt worden ist, bewegt sich nach dem Personalkonzept erst einmal in Richtung der Zahl 993 bis zum Jahr 2014, nicht bis zum nächsten Jahr. Dann muss man es ins Verhältnis zu den Strafgefangenen setzen, die wir in unseren Anstalten haben. Es ist ja schön, dass wir weniger haben; es ist auch ein Zeichen dafür, dass es weniger Kriminalität im Lande gibt. Dann muss man das Problem anpacken, aber das kann man nicht so einfach machen, indem man neue Stellen schafft, da wirklich die Überalterung unserer Vollzugsbediensteten das Problem ist. Wir haben nicht das Problem, zu wenig Vollzugsbedienstete zu haben,

sondern das Problem, dass die Vollzugsbediensteten im Durchschnitt 50 Jahre alt sind und dass wir einen Krankenstand von über 10 % zu verzeichnen haben, sodass diejenigen, die dann die Arbeit machen, überlastet sind und sich dann krankschreiben lassen, wenn die anderen wiederkommen. Das ist etwas, was mir sozusagen übergeholfen worden ist. Wir versuchen jetzt wieder auszubilden, zunächst 20 Leute. Wir könnten auch mehr ausbilden. Wir werden für 2012 verhandeln, um diese Zahl zu erhöhen, weil wir diese Möglichkeiten in der Dienstleistungsabteilung Brandenburg an der Havel haben. Wir werden das Problem also offensiv lösen. Aber das geht nicht einfach mit der Rechnung eins plus eins oder mit dem, was hier so in den Raum gestellt worden ist.

Herr Vogel, noch einmal zu den Abordnungen: Es ist ein sehr ausgefeiltes und durchdachtes System, dass Richter aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Sozialgerichtsbarkeit eine Zeit lang im Ministerium arbeiten, um sich zu qualifizieren. Das sind Leute, die wir auch für Führungspositionen vorgesehen haben und bei denen ein entsprechender Austausch da ist. Ich bin eigentlich froh darüber, dass wir Leute aus der Praxis haben, die beim Ministerium arbeiten und sagen: „Wie geht es denn eigentlich an der Basis zu?“, und wir nicht nur Beamte haben, die im Elfenbeinturm sitzen und von oben herab Justizreformen organisieren.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Abordnungen sind eine gute Einrichtung.

Noch ein Wort zur Sicherungsverwahrung: Über das menschenrechtliche Problem diskutiere ich nicht noch einmal, weil: Wir haben die Aktuelle Stunde gehabt. Aber man sollte einmal den Artikel, das Interview in der aktuellen Ausgabe des „Spiegel“ mit Frau Renate Jaeger, Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, lesen. Wenn man sich der Europäischen Menschenrechtskonvention unterwirft, wenn man sie ratifiziert, hat man die Europäische Menschenrechtskonvention auch als Maßstab gelten zu lassen. Da Brandenburg so denkt, wird Brandenburg am Freitag im Bundesrat entsprechend argumentieren. Ob wir da allein, zu zweit, zu fünft stehen, ist mir eigentlich egal. Für mich ist die Menschenrechtskonvention bindend.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, gestatte ich nicht.

(Zuruf von der CDU)

Der Vollzug, die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung ist konzeptionell anzugehen. Wir haben sieben Sicherungsverwahrte. Für die ist eine eigenständige Haftanstalt nicht zu bauen, also arbeiten wir mit Berlin zusammen. Wir werden auch mit Sachsen-Anhalt und Thüringen sprechen.

(Zuruf von der CDU)

- Wir machen das auch.

Ich komme zum Schluss. Ich denke, dass diese vier wichtigen Felder der Justizpolitik, einer funktionierenden Justiz durch den Justizhaushalt abgesichert sind. Trotzdem haben wir uns einem Konsolidierungskurs nicht verschließen können, aber wir haben dort gespart, wo es die Justiz in ihrer Funktionstüchtigkeit nicht trifft. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Damit ist die Rednerliste zum Einzelplan 04 erschöpft.

Ich stelle die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in der Drucksache 5/2404 zur Abstimmung. Wer ihr Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Gegenstimmen ist dieser Beschlussempfehlung mehrheitlich gefolgt worden und damit der Einzelplan 04 verabschiedet.

Ich schließe die Diskussion zu Einzelplan 04 und rufe Einzelplan 05 im Tagesordnungspunkt 4 auf:

Einzelplan 05 - Ministerium für Bildung, Jugend und Sport

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushalt und Finanzen

Drucksache 5/2405

Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der Linksfraktion, für die die Abgeordnete Große spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Bildung hat für Rot-Rot Priorität.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Das zeigt sich in diesem Haushalt ganz klar, ganz eindeutig trotz angespannter Haushaltslage, auch wenn vonseiten der Opposition hier, auf der rechten Seite, immer wieder anderes behauptet wird.

Der Bereich Bildung hat in gewisser Hinsicht eine Sonderstellung im Gesamtgefüge des Haushalts. Das ist unter anderem daran erkennbar, dass der Einzelplan 05 den prozentual größten Anteil am Gesamthaushalt bildet und inzwischen mit dem Gesamtvolumen von 1,44 Milliarden Euro sogar das Superministerium MIL von der Spitze verdrängt hat; so war es zumindest bisher.

Im Unterschied zu anderen Einzelhaushalten ist im Einzelplan 05 auch nicht gekürzt worden. Im Gegenteil: In einigen uns wichtigen Positionen gibt es sogar erhebliche Aufstockungen. Unser wichtigstes Projekt in dieser Hinsicht sind die Erhöhungen im Kita-Bereich. Durch die Verbesserung des Personalschlüssels das haben Sie alle in der Opposition mitgetragen -, die wir im vergangenen Jahr angeschoben haben und für die wir in diesem Jahr immerhin auch noch einmal 40 Millionen Euro mehr aus

geben, werden sich die Bedingungen im Bereich der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung weiter verbessern können, wohl wissend, dass damit noch nicht die zu Recht erhobenen Forderungen, auch die der Kita-Initiativen in diesem Land, erfüllt werden können, wohl wissend, dass die Einforderung einer besseren Leitungsfreistellung, einer besseren Praxisberatung und von anderen Personalschlüsselverbesserungen durchaus legitim ist, meinen wir, dass wir mit dem, was wir hier tun, eine ganze Menge geleistet haben.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass auch angesichts der 2013 einzuführenden Neuerungen - zum Beispiel der Rechtsanspruch für Kinder, der auch für unter Dreijährige erfüllt werden muss noch große Anstrengungen notwendig sind, die wir in den nächsten Jahren noch zu diskutieren haben werden. Wir wissen, dass wir schon jetzt bei einer etwa 50%igen Versorgung von Kindern auch im Bereich der unter Dreijährigen hier im Land Brandenburg liegen, was im Übrigen auch das riesige Volumen im Bereich der Kindertagesstättenfinanzierung ausmacht. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir im Jahre 2013 weit über 50 % liegen werden, und dafür müssen wir Vorsorge treffen. Die Kommunen müssen dafür Vorsorge treffen und wir auf Landesebene auch.

Wir bewerten die Tatsache durchaus positiv, dass wir zumindest in der Tendenz von 2010 geblieben sind, was die Bereiche Personal und Schule betrifft. Wir haben die im Koalitionsvertrag beschlossene Ausstattung der Schulen und damit das LehrerSchüler-Verhältnis von 1 : 15,4 haushalterisch sowohl stellenals auch ausgabenmäßig abgesichert. Dennoch wissen wir: Die Haushaltssituation ist im Bereich der Stellenbewirtschaftung angespannt. Wir wissen, dass es Unterrichtsausfälle gibt, dass die Situation insbesondere dort, wo es kleinere Schulen gibt, für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort häufig schwer handelbar ist. Vor diesem Hintergrund meinen wir, dass es ein riesiger Kraftakt war, Personal für die Schulen zur Verfügung zu stellen, welches für diesen Schlüssel gebraucht wird, und es fiel uns wirklich nicht leicht, einige Anträge der Opposition abzulehnen, weil wir sie teilweise in ihrer inhaltlichen Ausrichtung für richtig und für wirklich berechtigt halten. Ich denke hier zum Beispiel an die Aufstockung der Anzahl der Schulpsychologen, an mehr Geld für die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte gemessen an den Ergebnissen, die wir bei den letzten Ländervergleichen erreicht haben. Insofern sind die gestellten Anträge - insbesondere die der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - zumindest von uns mit großer Sympathie begleitet worden. Wir haben uns in dieser Koalition für das SchülerBAföG entschieden; darüber ist heute Morgen ausreichend debattiert worden.

Da auch wir dieses Geld nur ein Mal verteilen können, war die Entscheidung so, wie sie war.

Als Erfolg wollen wir trotzdem werten - das kann auch die Opposition nicht kleinreden -, dass wir die Referendariatsplätze auf 150 erhöht haben, dass wir damit die Kapazität für die Ausbildung junger Lehrerinnen und Lehrer signifkant erhöht haben. Es ist ja bekannt, dass zum Schuljahresbeginn 400 Lehrerinnen und Lehrer neu eingestellt wurden und dass von den 50 noch verbleibenden inzwischen auch einige einen Vertrag erhalten haben. Es ist auch nicht neu, dass uns davon insbesondere im Bereich der Sonderpädagogik 60 Sonderpädagogen „zugelaufen sind“, dass weitere 50 Lehrkräfte, die jetzt dazukommen, insbesondere im Bereich Primarstufe, gebraucht werden.

Zur langfristigen Realisierung der Schüler-Lehrer-Relation von 1 : 15,4 müssen wir diese Einstellungsquote unbedingt erhalten. Das wird uns noch vor riesige Herausforderungen stellen. Das wird ein großer Kraftakt für die nächsten Haushalte werden. Das sage ich vor dem Hintergrund, dass wir es in diesem Haushalt zunächst noch geschafft haben.

Wir können außerdem davon ausgehen, dass diese großen Aufgaben, die wir bezüglich der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung noch zu lösen haben, nur dann gelingen können, wenn wir dem aus unserer Sicht dringenden Handlungsbedarf im Bereich der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung an den Universitäten entgegenkommen. Dazu ist in den beiden Ausschüssen Wissenschaft und Bildung schon gesprochen worden. Wir werden hierzu in der nächsten Zeit Schritte unternehmen müssen, um das auch in Haushaltspositionen zu gießen.

Gestatten Sie mir noch einige Worte zu den Schulen in freier Trägerschaft. Auch hier ist die Opposition schon einmal sehr deutlich geworden mit Angriffen zu Dingen, die gar nicht vollzogen worden sind. Ich möchte einfach noch einmal deutlich machen: Im Haushalt 2011 haben wir diesmal nur 3,2 Millionen Euro mehr für Schulen in freier Trägerschaft eingestellt. „Nur“ sage ich deshalb, weil wir im Jahr 2010 schon einmal 19 Millionen Euro mehr eingestellt hatten. Wenn wir diese Summe vom Jahr 2001 an aufrechnen, sind die Zuschüsse für die Schulen in freier Trägerschaft inzwischen von 40 Millionen Euro auf ca. 120 Millionen Euro gestiegen. Ich sage ganz klar, dass die steigenden Schülerzahlen dafür verantwortlich sind, dass wir aber inzwischen im Land Brandenburg eine Entwicklung haben, die uns schon zu Überlegungen anregen muss. Wir haben im Land Brandenburg inzwischen bundesweit mit die höchsten Quoten, bezogen auf Schülerinnen und Schüler von Schulen in freier Trägerschaft. In einigen Regionen des Landes ist daraus auch eine ganz schwierige Entwicklung erwachsen. Wir wissen, dass Schulstandorte in öffentlicher Trägerschaft ins Wanken geraten sind, weil sich freie Schulen im Land Brandenburg letztendlich gut entwickelt haben. Ich sage auch ganz klar, dass die rot-rote Koalition vor allem eines möchte: Sie möchte, dass öffentliche Schulen gegenüber den freien Schulen wirklich wettbewerbsfähig sind.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Darauf werden wir unser Hauptaugenmerk richten, und wir werden über diese Entwicklung weiter nachdenken, um zu Lösungen zu kommen, die bedeuten, dass die Arbeit an den Schulen in freier Trägerschaft natürlich auch weiterhin von uns unterstützt und gefördert wird, wir aber zugleich die öffentlichen Schulen so ausstatten, dass sie dem standhalten können. Das wird die große Herausforderung der nächsten Zeit sein.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir im Bereich der Weiterbildung mit den 300 000 Euro, die wir den Weiterbildnerinnen und Weiterbildnern zur Verfügung stellen, damit die Honorare auf ein vernünftiges Maß aufgestockt werden können, unser Versprechen gehalten haben. Es ist dabei geblieben.

Ich möchte noch etwas zu einer Entwicklung sagen, die uns durchaus Bauchschmerzen bereitet hat, das ist die Entwicklung in der Landeszentrale für politische Bildung. Es ist Ihnen nicht entgangen, meine Damen und Herren Abgeordnete, dass in diesem Bereich schon Sparmaßnahmen angesetzt wurden, die da hießen, 50 000 Euro weniger im Bereich der freien Träger

für politische Bildung. Wir alle haben gewusst, dass das unglaublich hart ist für oft sehr kleine Träger und für sehr geringfügig untermauerte Projektmaßnahmen. Wir haben deswegen gesagt, dass wir diese Sparmaßnahmen nicht mittragen können, und haben versucht, diese 50 000 Euro zu kompensieren. Das ist uns nicht in Gänze gelungen. Das ist auch weiter schmerzlich für die freien Träger. Aber immerhin waren wir noch einmal fündig, bezogen auf 30 000 Euro, und wir werden erstmals versuchen, das hat uns von den Linken besonders wehgetan, geringfügige Gebühren für die Materialien, die in der Landeszentrale für politische Bildung verteilt werden, zu erheben, um Einnahmen zu erzielen, und diese dann wieder den freien Trägern zuzuführen.

Zum Fazit Folgendes: Trotz der angespannten Haushaltslage in diesem Bereich ist aus unserer Sicht vor dem Hintergrund eben dieser Haushaltslage das, was möglich war, nicht das, was wünschenswert wäre, in Erfüllung gegangen. Ich werbe deswegen bei allen Problemen für die Zustimmung zu diesem Einzelplan.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Die Abgeordnete von Halem setzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fort.

Sehr geehrte Präsidenten!

(Vereinzelt Heiterkeit)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich rede heute über Grundsatzfragen, über den bildungspolitischen Duktus der Regierungsparteien bzw. der Landesregierung, über Fettaugen, und ich rede über Geld.

Vorneweg ein kleiner Exkurs zu Geld und Bildung. Letzte Woche ist der internationale PISA-Vergleich 2009 veröffentlicht worden, an dem sich mittlerweile weltweit 65 Staaten beteiligten, darunter alle OECD-Staaten. Wir haben deutlich aufgeholt, das ist die gute Nachricht. Die Schweden, die lange Zeit zu den bildungspolitischen Spitzenreitern gehörten, liegen nur noch im oberen Mittelfeld. Wissen Sie, unter welcher Überschrift das in Schweden diskutiert wird? „Dagens Nyheter“, eine der größten schwedischen Zeitungen, zitiert den Leiter des Unternehmerforums und Ökonomieprofessor an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm, Braunerkjelm: