Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe nicht, dass es am Mittagessen lag, dass der Plenarsaal so leer ist, denn so wenige Abgeordnete habe ich hier noch nicht gesehen.

Die freien Berufe sind Dienstleister im öffentlichen Interesse. Sie tragen zur Entwicklung und Sicherung unseres Gemeinwesens bei und versorgen die Bevölkerung mit notwendigen und hochwertigen, meist wissensgestützten Dienstleistungen.

In den vergangenen Jahren haben die freien Berufe bewiesen, dass sie mit Eigeninitiative, Flexibilität und hohem eigenen Risiko ihre hochqualifizierten Dienstleistungen organisieren, Qualität sichern und flächendeckend anbieten können - das alles ohne wesentliche Fördergelder oder Hilfen des Staates. Damit haben die freien Berufe ihre bedeutende sowie wachsende gesellschaftliche Rolle gefestigt.

Nahezu jeder von uns hat mit den freien Berufen zu tun: Von der Geburt bis zu dem Tag, an dem man diese Erde verlässt, hat man mit Freiberuflern zu tun. Ein Leben ohne sie ist nicht denkbar - vom Arzt, der uns heilt, der Gesundheit und Leben garantieren soll, über den Architekten, dem wir darin vertrauen müssen, dass sein Bauwerk sicher ist, vom Rechtsanwalt, der uns Beistand gibt, bis zum Kulturschaffenden. Die Vielfalt dieser Berufe ist so weitreichend, dass sie gar nicht so im öffentlichen Bewusstsein ist. Dies sind und waren für uns wesentliche Gründe, eine solche Anfrage zu stellen. Damit wir diese Daten auch objektiv vergleichen können, sind gleichlautende Anfragen von der CDU in Sachsen-Anhalt gestellt worden.

Neben der Zusammenstellung von Datenmaterial, wofür ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanken möchte, war es uns wichtig, die Chancen und Probleme der freien Berufe in Brandenburg hier in den Mittelpunkt einer Debatte zu stellen.

Insgesamt umfasst der Bereich der freien Berufe ca. 170 000 Erwerbstätige, von denen mehr als 30 000 selbstständig sind. Auch hier zeigt sich das typische Wirtschaftsbild Brandenburgs: 70 % davon fallen in die Kategorie Kleinstbetriebe. Noch ein statistischer Wert ist durchaus beachtlich: 10 % der auszubildenden Lehrlinge werden in freien Berufen ausgebildet. Diesen Wert muss man umso höher schätzen, als die meisten Unternehmen in dieser Kategorie kleine inhabergeführte Unternehmen sind.

Die freien Berufe haben in der Wirtschaft und in der Gesellschaft eine besondere Stellung, und das nicht nur, weil man für einen freien Beruf, wenn man ihn denn ausüben möchte - ob angestellt oder selbstständig -, eine besonders hohe, über dem Durchschnitt liegende Qualifikation braucht, sondern weil die meisten Berufe auch eine ganz besondere Vertrauensstellung zwischen Nachfragenden und Anzubietenden von Dienstleistungen innehaben, so, wie sie in anderen Bereichen nicht gegeben ist. Man liefert sich sozusagen manchem Freiberufler aus: Er könnte meinen Prozess vergeigen. Bei einer Zahnoperation könnte er den falschen Zahn ziehen. Es geht hin bis zu wirklich unvorstellbaren Dingen. Man geht zum Freiberufler, bringt ihm jede Menge Vorschuss, jede Menge Vertrauen entgegen und ist ihm ausgeliefert. Der Berufsstand der Freiberufler weiß das.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Wurde bei Ihnen schon so viel falsch gemacht, oder warum stellen Sie das ständig so negativ dar?)

- Ich stelle es nicht negativ dar, sondern ich beschreibe, was sein könnte. Ich möchte nur einmal darstellen, welche Verantwortung diese Leute haben. Wenn dies bei Ihnen nicht richtig angekommen ist, dann müssen Sie besser zuhören.

(Beifall CDU)

Der Berufsstand der Freiberufler weiß das, und daher ist es auch gut, dass die freien Berufe über Kammern und Verbände straff organisiert sind. Lassen Sie mich an einem Beispiel veranschaulichen, was in diesen freien Berufen geleistet wird. Wir führen seit mehr als zwei Jahren die Diskussion über die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise. Wenn man sich zurückerinnert, stellt man fest, dass meistens die Banken beschimpft wurden. Am längsten in der Diskussion und mit den meisten Artikeln versehen war die Debatte um ein Unternehmen in Deutschland, nämlich um Opel. Opel beschäftigt deutschlandweit rund 30 000 Mitarbeiter. In Brandenburg sind, wie schon erwähnt, in den freien Berufen 170 000 Mitarbeiter und damit über 20 % aller Berufstätigen des Landes beschäftigt - vorbei an allen Förderprogrammen, also ohne Förderung, ohne Subvention und bei hohem eigenem Risiko. Dieser Punkt sollte angesichts vieler Diskussionen um öffentlich geförderte Arbeitsplätze und andere Prestigeobjekte jedem höchsten Respekt abringen, womit auch bewiesen wäre, dass dieser Wirtschaftszweig ein Garant für Arbeitsplätze und Wohlstand und eine wichtige Säule im Unternehmertum in Brandenburg ist.

Die freien Berufe haben trotz aller Krisen und zunehmendem Wettbewerbsdruck, auch durch die Öffnung der Grenzen in Europa und der Globalisierung, ein überdurchschnittliches Wachstum erzielt.

(Beifall CDU)

Im Durchschnitt lag der Zuwachs des Wirtschaftswachstums bei den freien Berufen bei 5 %. Das liegt weit über dem Durchschnitt der Europäischen Union und ist doppelt so hoch wie in den zurückliegenden Jahren in Deutschland. All dies geschah, ohne dass es jemand wirklich bemerkt hätte.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich gibt es auch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Betriebsarten und Berufsgruppen innerhalb der freien Berufe. Das betrifft die Ärzteschaft genauso wie die Rechtsanwälte. In anderen Be

rufszweigen, beispielsweise bei den Hebammen, gibt es leider sogar existenzielle Probleme. Hier muss und sollte die Landesregierung eingreifen. Aus anderen Bereichen sollte sie sich allerdings heraushalten. Ich denke dabei insbesondere an den Bereich der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen oder landeseigenen Unternehmen. Durch die angekündigte Gesetzesänderung ist eine Verdrängung der freien Berufe - insbesondere von Planern, Architekten und Ingenieuren - zu befürchten. Meiner Meinung nach kann man davon ausgehen, dass die eben angesprochenen Wachstumsraten gerade in diesem Bereich dann auf absehbare Zeit Geschichte sein werden.

Meine Damen und Herren, Freiberufler sind Scharnier zwischen Staat und Bürger und in ihrem Handeln auf Nutzen und Wohl der gesamten Gesellschaft ausgerichtet. Die freiberufliche Dienstleistung zeichnet sich durch ihre kreative Anwendung und Entfaltung aus. Dies sollten wir gemeinsam weiter unterstützen und fördern. Diese Debatte zu der Großen Anfrage unserer Fraktion sollten wir zum Anlass nehmen, die Probleme der Freiberufler künftig genauer und zielsicher zu beachten und auf sie einzugehen.

Natürlich hat die Anfrage auch die eine oder andere Frage offen gelassen oder offen lassen müssen. Die eine oder andere Zahl fehlte, weil hierüber keine Statistik erstellt wurde. Dies kann ich aber verschmerzen, denn ich möchte die Freiberufler nicht mit noch mehr Berichtspflichten überziehen, nur um in jedem Fall eine Antwort zu bekommen. Im Zweifel sind wir an dieser Stelle für den Bürokratieabbau und gegen die Berichtspflichten, damit sich die Freiberufler, die in erster Linie Unternehmer sind, ihrem Kerngeschäft widmen können. - Danke.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bommert. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Kosanke hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Bommert, Verantwortung haben wir alle, und es ist gut, wenn wir sie auch tragen. Das unterscheidet die Angehörigen freier Berufe nicht von anderen Menschen. Ich glaube, das erste Missverständnis, mit dem wir hier aufräumen müssen, ist es, die freien Berufe als den einen Wirtschaftszweig „freie Berufe“ zu bezeichnen und zu verstehen. Damit tun wir nämlich den Menschen Unrecht, die in diesen freien Berufen sehr verschiedene Tätigkeiten ausführen, sehr verschiedene Probleme haben, ganz unterschiedliche Chancen haben und ganz unterschiedlichen Risiken unterliegen.

Ich glaube, das ist es, was in der Antwort auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion herausgekommen ist, dass man nämlich die freien Berufe nicht über einen Kamm scheren kann. Der Kollege Eichelbaum hat ja schon angekündigt, dass er das Problem verstanden hat und deswegen demnächst die Rechtsanwälte einer weiteren Großen Anfrage unterziehen möchte, um dann ganz differenziert auf eine Berufsgruppe, die sicher ihre spezifischen Probleme hat, einzugehen. Hier pauschal über die freien Berufe zu reden macht an bestimmten Punkten wenig Sinn. Gleichwohl macht es viel Sinn, über einzelne Gruppen inner

halb dieser freien Berufe sowie über einzelne Probleme zu reden. Dies alles über einen Kamm zu scheren hilft uns und auch den Menschen, die in diesen Berufen ihre Arbeit leisten, nicht weiter.

Wir haben eigentlich - und das ist es, wenn man sich die Antwort auf die Große Anfrage anschaut, worauf Herr Kollege Bommert leider jetzt nicht so intensiv eingegangen ist - drei Problemkreise, die man hervorheben kann. Der eine Problemkreis beschäftigt sich mit der Hochschulausbildung. Hier gibt es im Bereich der Ingenieure - aber nur im Bereich der Ingenieure - Klage darüber, dass die Umstellung der Hochschulausbildung auf Bachelor und Master den Anforderungen an den Beruf nicht ganz gerecht wird. Hier müssen wir nachsteuern, das müssen wir uns anschauen. Das gilt aber nur für den Bereich der Ingenieure - also da, wo der Diplomingenieur eine gute Marke war bzw. ist, die man erhalten sollte, und nicht für Ärzte oder Rechtsanwälte. Zu diesen hat Herr Eichelbaum ja schon angekündigt, dass wir uns darüber gesondert unterhalten sollten.

Wir haben ein weiteres Problem in den freien Berufen: Das ist die Doppelbelastung, der einige der freien Berufe unterliegen. Das sind zum einen Doppelmitgliedschaften in Kammern, das ist zum anderen die Frage, ob man Gewerbesteuer zu zahlen hat oder ob die Einkommenssteuer ausreicht, wo also Aufwand entsteht. Der Präsident des Landesverbandes der freien Berufe hat dies auch erwähnt und eingeschätzt, dass es den Leuten insgesamt relativ gut geht, von daher könnte man überlegen, ob man die Gewerbesteuer für bestimmte freie Berufsgruppen einführt. Man muss wirklich gut überlegen, ob man sie einbezieht. Ziel ist, die Kommunen, die sich darum kümmern, dass bestimmte Berufsgruppen dort vernünftig arbeiten können, auch an den Einkünften zu beteiligen. Ob wir dabei über einen anderen Schlüssel beim Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer oder einen anderen Mechanismus bei der Gewerbesteuer reden, ist letztlich ziemlich egal, an der Summe änderte es nichts. Eigentlich ist es nur ein internes Problem der öffentlichen Hand, wie die Mittel zwischen Bund, Ländern und Kommunen verteilt werden, und hat mit den freien Berufen letztlich nur sehr wenig zu tun. Hier ergeht nur der Appell, diesen Dissens nicht auf dem Rücken derjenigen, die einen freien Beruf ausüben, auszutragen.

Ein dritter Punkt ist das Fachkräfteproblem. Auch hier ist der Unterschied zwischen den freien Berufen und der sonstigen Wirtschaft nicht sonderlich groß. Der einzige Unterschied ist, dass es im Bereich der nichtfreien Berufe sehr große Unternehmen gibt, die eine Schlüsselposition innehaben und auch selbst Prozesse steuern können. In den freien Berufen haben wir dagegen teilweise sehr kleine Einheiten, die mehr Unterstützung brauchen und ebenso wie die gesamtgesellschaftlichen Prozesse, wie der fortschreitende Fachkräftemangel einer ist, gehandelt werden müssen. Insofern muss hier die öffentliche Hand sicherlich mehr Unterstützung leisten als in Branchen und Wirtschaftsbereichen, in denen große Konzerne die Probleme aus eigener Kraft schultern können.

Insofern möchte ich dafür werben, die von der Landesregierung gegebenen Antworten differenziert zu betrachten und auf die differenzierten Probleme genauso differenziert einzugehen. Ich denke, wir werden das tun. Ich glaube, dass uns auch die CDU-Fraktion auf diesem Weg begleiten wird - kritisch und konstruktiv wie immer -, und wenn wir vorher über bestimmte

Sachen reden, sparen wir uns vielleicht auch ein bisschen Zeit. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kosanke. - Die FDP-Fraktion erhält das Wort. Herr Abgeordneter Tomczak, bitte.

Bevor er spricht, möchte ich ganz herzlich Schülerinnen und Schüler des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums Eberswalde begrüßen. Seien Sie willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich feststellen: Freie Berufe sind eine entscheidende Voraussetzung für die Aufrechterhaltung und Entwicklung freiheitlichen Denkens und für eine von staatlichem Zwang freie berufliche und geistige Haltung. - Das können Sie übrigens auf den Internetseiten des Bundesverbandes der Freien Berufe nachlesen.

Schon in der Antike wurde die Bedeutung der Artes liberales, der freien Künste, anerkannt. Erkannt wurde aber auch, dass die Angehörigen dieser Künste mit Privilegien und Immunitäten auszustatten sind, damit sie dem Gemeinwohl auch dienen können. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Freiberufler besitzen mit der Bereitstellung ihrer Dienste nach wie vor eine große gemeinschaftswichtige Verpflichtung. Hier könnte ich exemplarisch die Gruppe der freiberuflichen Ärzte erwähnen. Sie sind gegenwärtig mit etwa 3 300 die größte Gruppe der 34 000 Freiberufler im Land Brandenburg. Ausdruck ihrer gemeinschaftswichtigen Verpflichtung ist der Dienst an der Gesundheit jedes einzelnen Menschen, also an der Gesamtbevölkerung.

Auch hier leisten die Freiberufler einen wichtigen Beitrag für die Volkswirtschaft. 1950 betrug der Anteil der freien Berufe am Bruttoinlandsprodukt ungefähr 1 %, heute sind es 10 %. Freiberufler sind also auch Leistungsmotor unseres Landes. Die gemeinschaftswichtige Verpflichtung einerseits und ihr volkswirtschaftlicher Beitrag andererseits sind Anlass genug, sich intensiv mit den freien Berufen auseinanderzusetzen und sie zu fördern. Aber vor allem auch mit Blick auf den demografischen Wandel im Land Brandenburg muss man sich mit dieser Gruppe befassen. Sich damit befassen heißt, sich intensiv mit dieser Herausforderung auseinanderzusetzen, im Ergebnis Lösungen aufzuzeigen. Die freien Berufe können in den ausgedünnten Gebieten einen Anker bilden, einen Anker für soziokulturelle Bindungen, die durch ihn aufrechterhalten werden; denn auch die Brandenburger Freiberufler leben gern in ihrem Land. Auch sie möchten ihr Land nicht aufgeben, weil die Perspektiven für die Ausbildung ihrer Tätigkeit und die Tätigkeit an sich, zum Beispiel bei Apothekern oder Rechtsanwälten - diese seien hier nur stellvertretend genannt -, nicht mehr gegeben sind.

Dass 70 % der freien Berufe Kleinstunternehmen darstellen, zeigt einmal mehr die Bedeutung der soziokulturellen Bindung. Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Angebot von und die Nachfrage nach Fachkräften wurden - so die

Landesregierung in ihrer Antwort - frühzeitig erkannt, Gremien wurden geschaffen, um die Fachkräfte zu bündeln und bereichsübergreifend zu arbeiten.

Herr Christoffers, ich frage Sie: Welche Ergebnisse wurden bis heute erzielt? Welche Konzepte liegen denn für die einzelnen Berufsgruppen der freien Berufe vor, wenn diese, wie Sie selbst schreiben, ganz unterschiedlich vom demografischen Wandel unseres Landes betroffen sind?

Der Wille zu eigener Kreativität, zu eigenständigem Handeln muss vorrangig den Auszubildenden und Studierenden mit auf den Weg gegeben werden. Sie müssen in unserem schönen Land Brandenburg eine Perspektive hinsichtlich der Ausbildung und Ausübung ihres freien Berufes sehen. Das ist die Aufgabe der Landesregierung. Wir, die FDP-Fraktion, fordern Sie auf: Stärken Sie den freiberuflichen Mittelstand gerade im Blick auf die demografischen Veränderungen in unserem Land! Fördern Sie die freie Entscheidung und das selbstständige Handeln der Berufseinsteiger in Brandenburg! Schützen Sie das wertvolle Gut Vertrauen, das eine essenzielle Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausübung der freien Berufe ist und historisch immer war!

Zum Schluss möchte ich noch einmal den Berufsverband der Freien Berufe zitieren:

„Freie Berufe dienen dem freien Bürger.“

Diesem Gedanken schließt sich die FDP-Fraktion in diesem Hause voll und ganz an. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tomczak. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Henschke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer die Mitte der Gesellschaft sucht, findet sie hier.

Freiberufler sind ein starker Faktor für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Ausbildung, Kultur, Gesundheit der Menschen und in Summe auch der größte Arbeitgeber in unserem Lande. Das ist eine gewaltige Größe. Wir nehmen sie aber Gott sei Dank so wahr, wie sie tatsächlich existiert, nämlich hoch differenziert und heterogen. Ich will aber auch meine These wiederholen: Wer die Mitte der Gesellschaft sucht, findet sie hier.

Ich meine, das wird vor allem in dem Spannungsfeld, in dem sich Freiberufler bewegen, deutlich. Das ist also das Antipodenpaar von Freiheit und Sicherheit. Freiberufler legen sehr großen Wert auf die freie Entfaltung ihrer Individualität. Sie wollen ihre Dienstleistung selbstbestimmt erbringen. Aber sie wünschen sich natürlich auch die Sicherheit eines gutsituierten Systems.

Wir befinden uns im Spannungsfeld von Innovation, Kreativität, aber zugleich auch von Beständigkeit und Bewahrung. Ich nenne nur ein Stichwort in dieser Richtung, zum Beispiel die aktuelle Diskussion, die wir um das Berufsbild und den

Stand des Restaurators führen. Ohne freiberufliche Leistung lässt sich keine Wertschöpfungskette dauerhaft knüpfen. Das ist die eine Seite der Medaille.

Auf der anderen Seite entzieht sich freiberufliche Leistung in vielen Fällen der nunmehr globalen und dominierenden Wertschöpfungslogik, weil sie auf die eigentliche materielle und geistige Leistung fixiert ist. Das lässt sich in betriebswirtschaftlichen Kennziffern nur sehr schwer messen. Da das alles Bestandteil des Gesamtkomplexes der Landesentwicklung ist, tun wir uns mit der Diskussion zu dieser Großen Anfrage etwas schwer. Wir wissen, dass es gut ist, jetzt einen Überblick über die Komplexität dieser Problematik zu haben. Aber wir wissen auch, dass wir sie im Rahmen der Antwort auf eine Große Anfrage nicht erfassen können. Dazu gehört, dass wir viele, viele Einzelkonzeptionen, Landespläne und die Gesamtentwicklung mit im Auge haben müssen. Deswegen, meine ich, sind wir am besten beraten, wenn wir den Mittelstand bzw. die Existenz der freien Berufe an der Umsetzung jeder einzelnen Konzeption messen. Ich stimme meinem Kollegen Kosanke vollkommen zu: Wir müssen dann an der Konkretisierung arbeiten. Ich glaube auch, dass wir, insbesondere was die Ingenieure angeht, etwas tun müssen, um den Bologna-Prozess in dieser Richtung noch einmal zu durchleuchten.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Bitte äußern. Ich fand es am vergangenen Montag gut - einige unserer Kolleginnen und Kollegen hatten die Gelegenheit, Gast des Neujahrsempfangs der Kammern und Verbände zu sein -, einmal die geballte Kraft dieser Kompetenz zu spüren zu bekommen. Dennoch erwarten alle, auch die berufsständischen Vertretungen, von uns dann die konkrete Hilfe und die Rahmensetzung. Wir sollten aber den Blick aufs Ganze nicht verlieren. - Herzlichen Dank.