Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Herr Kollege Holzschuher, ich finde es schon bezeichnend, dass Sie die Bundesregierung ins Blickfeld Ihrer Betrachtungen rücken,

(Frau Lehmann [SPD]: Das geht doch nur so! Dagegen haben Sie was?)

aber nicht einmal ein Bedauern zum Ausdruck bringen oder Ihre eigene Landesregierung mit Nachdruck darauf hinweisen, dass sie ihre Hausaufgaben nicht erfüllt hat. Das ist auch bezeichnend für die innere Verfasstheit und die Glaubwürdigkeit, von der Sie sprachen.

(Beifall CDU und FDP)

Herr Minister Christoffers, Sie haben ein Referat „Strategische Kommunikation“ zur Steigerung der Akzeptanz gegründet. Was hat dieses Referat „Strategische Kommunikation“ bisher geleistet? Wo können wir messbare Erfolge dieses Referats feststellen? Offenkundig ist es so strategisch, dass wir bisher noch nichts davon vernommen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass auch Umweltministerin Anita Tack in einer bunten Broschüre eine Biomassestrategie vorstellte. Diese Biomassestrategie - sage ich auch mit vollem Ernst - ist nichts weiter als eine Zustandsbeschreibung, sie verdient das Wort „Strategie“ nicht.

(Beifall CDU)

Deshalb komme ich zum Fazit meines Redebeitrages und sage Ihnen: Wer von Glaubwürdigkeit spricht, wer sich an anderen abarbeitet,

(Frau Lehmann [SPD]: Wie Sie!)

der muss sich an den Punkten messen lassen, wo er konkret Verantwortung trägt, und dazu müssen wir feststellen: Sie haben heute die zugesagten Unterlagen nicht geliefert. Das ist Ausdruck Ihrer Unglaubwürdigkeit, und deshalb ist das, was Sie hier bisher vorgetragen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, zumindest in der Glaubwürdigkeit höchst zweifelhaft. Wir hätten erwartet, dass Sie uns konkret sagen, was Sie wollen und wie Sie zu den Themen stehen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Das hätten wir von Ihnen erwartet. Dazu haben wir nichts gehört. Das bedauern wir sehr. - Danke.

(Beifall CDU und FDP)

Die Abgeordnete Kaiser spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja - meine Vorredner haben es unterstrichen -, die Nachrichten und Bilder aus Japan halten uns seit fast zwei Wochen gefangen, und sie überlagern zurzeit jede Debatte.

Allerdings, Herr Kollege Bretz, besonders nachhaltig scheinen die Eindrücke bei Ihnen wirklich nicht zu sein.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich bin sehr erschrocken über Ihr Looping, mit dem Sie hier zur Tagesordnung übergegangen sind: Getöse, Verdrängen, der Ruf „Haltet den Dieb!“ - immer die anderen sind’s.

Ich brauche Ihnen einfach nur die Frage zu stellen: Was ist mit dem Zurückfahren der Förderung der Erzeugung regenerativer Energien seitens der Bundesregierung? Was ist mit der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken? Das war der Beginn, der falsche Beginn einer innerdeutschen Debatte im vergangenen Herbst - der überflüssige Beginn.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Es ist ein schwieriger Zeitpunkt. Das ist so. Es ist schwierig, jetzt eine energiepolitische Debatte zu führen. Aber ich frage Sie: Mahnen uns die Ereignisse nicht unmissverständlich, wie dringlich Veränderungen jetzt in der Energiepolitik sind? - Die Linke unterstreicht deshalb auch noch einmal - gemeinsam mit der SPD - hier und heute in unserem Entschließungsantrag: Wir sind für die unverzügliche Rücknahme der beschlossenen Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke durch ein Gesetzgebungsverfahren. Wir sind für die unverzügliche und endgültige Stilllegung der sieben ältesten Reaktoren, und zwar ohne die Möglichkeit der Übertragung von Restlaufzeiten bzw. der nicht produzierten Reststrommenge auf andere Atomkraftwerke. Das ist auch der Unterschied zum vorliegenden Antrag der FDP.

Es ist unumstritten: Die sofortige Stilllegung von sieben Atomkraftwerken ohne Einschränkung der Versorgungssicherheit und ohne zusätzliche Stromimporte ist möglich. Dies bestätigte sogar der Präsident des Bundesumweltamtes in der vergangenen Woche. Er geht davon aus, dass durch die momentanen Überkapazitäten bereits 2017 aus der Atomenergie ausgestiegen werden kann.

Wir sagen: Erforderlich ist die Neubewertung der Atomkraftwerke mit dem Ziel der konsequenten und wirksamen Schadensvorsorge, und zwar unabhängig von der Rücknahme der Laufzeitverlängerung. Sicherheit muss über allem stehen, nicht aber, Herr Kollege Bretz, wie das die Bundesregierung immer so gut tut, die Gewinne der AKW-Betreiber; denn die waren das Motiv für die Umkehr.

(Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Erforderlich ist der schnellstmögliche und konsequente, das heißt nicht rückholbare Atomausstieg auf europäischer Ebene. Radioaktive Wolken machen vor Ländergrenzen nicht halt. Des

wegen reden wir auch nicht über einen „brandenburgischen Globus“ an dieser Stelle, sondern wir reden darüber, dass sich Länderpolitiken mit der Bundespolitik sowie mit der europäischen Politik und der Weltpolitik verzahnen müssen. In diesem Zusammenhang ist es wirklich überflüssig, so zu tun, als sei alleine die Brandenburger Landesregierung an verfehlter Energiepolitik schuld. Wir haben unseren Beitrag in den letzten Jahren gemeinsam mit Ihnen geleistet. Brandenburg ist Vorreiter bei erneuerbarer Energie. Reden Sie doch die Politik Ihrer eigenen früheren Minister nicht klein! Unsere Minister werden sich dazu nachher hier selber äußern, und zwar zu Ihrem Beitrag. Diesen Beitrag fand ich im Übrigen nicht besonders glaubwürdig.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Klimawandel ist genauso real wie der GAU in Atomkraftwerken. Braunkohle ist keine Brücke. Sie ist nicht das kleinere Übel. Das wissen wir. Sie wird aber für eine bestimmte Zeit noch notwendig sein. Die Diskussion um die Braunkohleverstromung begleitet uns seit einigen Monaten.

Ich kann Ihnen Ihre Frage aber beantworten: Mittelfristiger Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis 2040 ist die Position der Linken. Dabei bleiben wir auch.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, erst am 28. Oktober vergangenen Jahres beschloss der Deutsche Bundestag mit den Stimmen von Schwarz-Gelb den Ausstieg aus dem Atomkonsens. Das war der Beginn einer falschen politischen Richtung. Jeder weiß, dass damit die Entwicklung und Förderung der erneuerbaren Energien verzögert und erschwert wurde. Die wenig originelle Begründung dafür lautete: Deutsche Atomkraftwerke sind die sichersten der Welt. - Sie hielt keine sechs Monate vor.

Ganz nebenbei wurde das Ganze schon damals in einer verfassungsrechtlichen Grauzone „durchgezockt“. Stets der Atomindustrie zu Diensten wurde auf die notwendige Zustimmung des Bundesrates verzichtet; denn die Umsetzung des Atomgesetzes ist bekanntlich Ländersache. Die entsprechende Normenkontrollklage, an der sich Brandenburg bekanntlich beteiligt, ist folgerichtig auf den Weg gebracht worden.

Jetzt, nach dem 11. März, angesichts der katastrophalen Folgen des Erdbebens und des Tsunamis in Japan, ist nichts mehr, wie es war. Kanzlerin Merkel meint, dass dort das Unmögliche möglich geworden ist. Allerdings teile ich im Gegensatz zu ihr die Auffassung, dass in Fukushima nicht das Unmögliche möglich, sondern das Mögliche leider wirklich geworden ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Deshalb ist die Aussetzung der Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke mit einem Federstrich kein Moratorium, keine Umkehr, sondern das Aussetzen eines Gesetzes. Natürlich geht jedes stillgelegte AKW in Ordnung; das ist doch keine Frage. Aber das darf nicht auf dem Weg eines Rechtsbruchs geschehen. Eine Regierung hat Gesetze umzusetzen, nicht aber auszusetzen. Das ist die Kritik, die die Bundesregierung hier an dieser Stelle trifft. Deshalb möge sie einen Gesetzentwurf zur Änderung ihrer eigenen Strategie einbringen. Bitte, die Möglichkeit steht ihr frei. Das ginge, wenn sie es wirk

lich wollte und nicht nur über die nächsten Wahlen kommen möchte.

Meine Damen und Herren, Brandenburg ist ein Energieland. Es wird bei uns mehr Strom produziert, als Strom verbraucht wird. Zwei Drittel davon werden exportiert. Damit wird Brandenburg seiner energiepolitische Verantwortung in der Bundesrepublik durchaus gerecht. Brandenburg ist auch führend im Ausbau der erneuerbaren Energien, und die rot-rote Landesregierung wird diesen Ausbau weiter forcieren.

Es gilt aber auch, die Energieeinsparung und die Steigerung der Energieeffizienz weiter voranzutreiben. Das gilt aber nicht nur in Brandenburg, sondern bundesweit. Herr Senftleben, wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie mitbekommen, dass ich die Leistungen der Vorgängerregierungen durchaus in Rechnung gestellt habe. Seien Sie daher bitte nicht so aufgeregt.

Ein Blick auf die Statistiken des Länderarbeitskreises „Energiebilanzen“ beweist: Neben dem Bund haben auch unionsregierte Länder wie Baden-Württemberg, Thüringen oder Bayern ihre Hausaufgaben in der Frage der Energiebilanzen überhaupt nicht gemacht. An denen können Sie sich noch abarbeiten. Ich kann Ihnen deshalb nur sagen: Wir haben eine Energiestrategie 2020. Die gilt, Herr Kollege Bretz. Haben Sie hier bitte keine Sorge. Mir sind heute nicht die Abgabetermine wichtig, sondern Ausstiegstermine, und zwar der Ausstiegstermin aus der Atomkraft.

(Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Die Regierung schweigt nicht. Der Koalitionsvertrag gilt, nämlich Vorrang für erneuerbaren Energien. Den werden wir umsetzen.

Ich sage Ihnen: Man kann nicht losgelöst von allen bundespolitischen Entscheidungen hier so tun, als könnten wir die Brandenburger Energiestrategie so weiterschreiben, wie es uns beliebt. Ich habe mir bereits erlaubt, auf Ländergrenzen aufmerksam zu machen. Ich denke, das werden auch Sie teilen.

Das Thema der nachhaltigen Energieversorgung kann nur im Verbund mit bundes- und europaweiten Aktivitäten angegangen werden. Der Bund hat hier ebenfalls noch eine Menge zu tun. Wir werden daran mitwirken. Es geht dabei um die Erdverkabelung und die Hochspannungsleitungen. Überall fehlen uns die gesetzlichen Grundlagen. Lassen Sie uns das angehen, statt hier billige Polemik Raum greifen zu lassen.

(Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Meine Damen und Herren, nach den Worten aller Politiker will nun ganz Deutschland die Energiewende. Aber auch dann, wenn Energie aus Wind, Biomasse, Sonne und Wasser heute schon mehr als 16 % des deutschen Strombedarfs deckt, steht der größte Teil des Weges zur Veränderung noch bevor. Dabei meine ich nicht nur den größten Anteil an Prozenten, sondern eine Veränderung im Denken, das heißt auch eine Veränderung der Politik, eine Veränderung in industriellen Strukturen und in den technischen Entwicklungen. Der Beitrag meines Vorredners hat diese Mammutaufgabe deutlich gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Studie des Bundesumweltamtes „Energieziel 2050 - 100 % Strom aus erneuerbaren

Quellen“ aus dem Juli 2010 belegt mit ihren zentralen Ergebnissen:

1. „Eine vollständig auf erneuerbaren Energien beruhende Stromerzeugung ist im Jahr 2050 auf technisch und auf ökologisch verträgliche Weise machbar.“ 2. „Eine vollständig auf erneuerbaren Energien beruhende Stromversorgung kann die Versorgungssicherheit jederzeit auf dem hohen heutigen Niveau gewährleisten.“

Wenn das so ist, dann sieht zu dieser Entwicklung wohl niemand hier im Hause eine sichere und nachhaltige Alternative. Unsere Verantwortung besteht darin, nicht nur zu versichern, dass wir diesen Weg gehen, sondern die politischen Weichen auch entsprechend zu stellen. Mein Kollege Domres wird das nachher noch untersetzen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Zu diesem Beitrag hat der Abgeordnete Dombrowski eine Kurzintervention angemeldet.