Sie hat ihn aufgekündigt, ohne dass ein einziges Atomkraftwerk in den vergangenen zehn Jahren sicherer geworden wäre, ohne dass etwas dazugekommen wäre, bezüglich dessen man hätte sagen können: Wir fußen jetzt auf einem anderen Erkenntnisstand. - Man ahnt, was die Beweggründe waren, aber darüber will ich mich hier nicht verbreiten.
Nach Fukushima wiederum gab es erneut eine komplette Kehrtwende um 180 Grad, eine Kehrtwende, deren Inhalte, wie es ausgeformt werden soll, wie es rechtssicher gemacht werden soll, noch keiner genau kennt - ich nehme an, auch die Bundesregierung nicht. Gestern das und nun das: Zwei Tage vor dem Energiegipfel, zu dem die Bundeskanzlerin alle Ministerpräsidenten Deutschlands eingeladen hat, um sich zu verständigen, wie es bezüglich der Energieversorgung und der nötigen Brückentechnologien weitergehen soll, verabschiedet man in aller Schnelle das CCS-Gesetz. Ich sage nicht nur am Rande, dass es auch eine Stilfrage ist, was da in den gestrigen Morgenstunden passiert ist.
Wenn die CDU in einer Pressekonferenz sagt, es sei genau das richtige Gesetz zum richtigen Zeitpunkt, empfehle ich, heute alle deutschen Zeitungen herzunehmen. Ich sage bewusst „alle“. Von München bis Hamburg, von Köln bis Frankfurt (Oder) gibt es nur eine durchgängige Kommentierung: „Rohrkrepierer“, „K.-o.-Schlag“ und Ähnliches.
Wie man da noch von einem „richtigen Gesetzentwurf zur richtigen Zeit“ sprechen kann, wissen wahrscheinlich nur Sie; sonst weiß es in Deutschland keiner, meine Damen und Herren.
Sie können auch die „FAZ“ oder den „Münchner Merkur“ lesen; auch dort werden Sie sehr eindrucksvolle Kommentierungen dazu finden. Das ist genau das Gegenteil von langen Linien. Das ist das Gegenteil von fundiertem, nachvollziehbarem Handeln.
Meine Damen und Herren, ein nationales Energiekonzept muss von der ganzen Nation getragen werden und die ganze Nation in die Pflicht nehmen.
Wir wissen sehr wohl, dass neue Technologien nicht selten Akzeptanzprobleme haben. Das ist auch bei CCS so. Aber die Akzeptanzprobleme, die offenkundig sind, löst man doch nicht durch dieses Gesetz.
Bleiben wir doch bitte mit den Füßen auf dem Boden: Wir alle leben im selben Kontext, wir alle leben in derselben Gesellschaft. Es ist doch politisch undenkbar in einer demokratisch verfassten Gesellschaft, die für jeden Schritt Mehrheiten braucht, dass man ein Gesetz schafft bzw. öffnet, damit die eine Landesregierung, weil sie vielleicht gerade vor Wahlen steht, sagen kann: „Diese Technologie kann ich meinen Menschen nicht zumuten!“, aber die Nachbar-Landesregierung ermuntert wrid: „Ihr solltet es euren Menschen zumuten!“ Das ist ein Nonsens-Gesetzentwurf, meine Damen und Herren! So kann man Politik nicht machen.
Wie soll man das - vor allem: wer - in einer so verfassten Gesellschaft hinbekommen? Ich gehe sehr wohl davon aus, dass
wir für die nächsten Jahrzehnte Brückentechnologien brauchen werden. Dazu haben wir durchaus noch differente Ansichten. Wenn es Atomenergie nicht ist - und das ist gut und sinnvoll so -, können es nur fossile Energieträger sein. In den nächsten Monaten - darauf gehe ich jede Wette ein - wird sich die Klimadebatte in Deutschland, was die Hauptthemen angeht, verschieben. Wir werden die beiden Themen Versorgungssicherheit und Preiswürdigkeit auf den ersten Plätzen erleben. Das wird das sein, was die Menschen zunehmend umtreibt. Das wird die Debatte bestimmen.
Wenn behauptet wird, wir könnten in einem überschaubaren Zeitraum von 20 Jahren - es gibt ja solche Entwürfe und Konzepte; ich werde mich gleich mit Vertretern von Greenpeace treffen, die mir ein solches Konzept übergeben werden - die Energieversorgung ausschließlich mit regenerativen Energien darstellen, dann sage ich als überzeugter Anhänger dieser Energieerzeugungsform: Ich glaube das nicht. Ich glaube das auch deshalb nicht, weil wir in Brandenburg nicht ohne Grund den „Leitstern“ tragen, also das Bundesland sind, das mit erneuerbaren Energien die meisten und fundiertesten Erfahrungen hat. Alle Studien, die ich kenne, sind technikgeleitet in der Form, dass gesagt wird: Wenn man on- und offshore genügend Windkraftanlagen und Solarzellen hinstellt und die entsprechenden Leitungen baut, schafft man es in 20 Jahren.
Eine Frage wird dort aber noch nicht berücksichtigt: Wie stelle ich Akzeptanz dafür her? Wir haben hier einen Wandel in der Gesellschaft. Die zentralisierte Energieerzeugung der Vergangenheit - Kohle und Atom - hat es mit sich gebracht, dass die Belastungen nur punktuell, an wenigen Orten des Landes, zu spüren waren. Dies galt speziell für die Kohle in der Lausitz; dort gab es Probleme mit der Akzeptanz. Der Rest der Gesellschaft hat nur den Strom aus der Steckdose gezogen, ohne irgendwie mit einer Belastung oder Belästigung beaufschlagt zu werden. Die Belastung wird sich bei dezentraler Erzeugung erneuerbarer Energie flächendeckend verteilen. Das spüren wir; Ralf Christoffers hat sich gerade mit 30 Bürgerinitiativen getroffen, die gegen Windenergie sind. Dieses Akzeptanzproblem wird dazu führen, dass wir länger brauchen werden. Davon gehe ich fest aus. Dieses Länger-Brauchen wird andere Brückentechnologien einfach noch bedingen.
Deshalb sage ich: Der schnelle gesellschaftliche Konsens, den wir alle bei jeder Versammlung verspüren - „Atom - nein danke“, „Kohle wegen CO2 nicht“, „Wind haben wir genug“, „Biogas nur im Nachbardorf“, „Stromleitungen wollen wir nicht“ -, wird das Industrieland Deutschland und damit die Grundlage unseres Wohlstandes nicht retten und bewahren. Deshalb wünsche ich mir sehr, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten - vielleicht kann der Freitag ein Auftakt sein - in der Lage sein und die Kraft haben werden, einen wirklich ehrlichen Energiedialog zu führen. Dessen Grundlage muss die Akzeptanz der Aussage sein: Ein Industrieland wie Deutschland, das auf Mobilität, Energieversorgung und viele andere Dinge angewiesen ist, kann den Bürgern nicht garantieren, dass sie von dem Wandel nichts spüren, nichts hören, nichts sehen und nichts riechen werden. Das wird nicht gehen. So werden wir keine Zukunft haben. Lassen Sie uns eine parteiübergreifende Debatte mit der Zielrichtung führen, dass sie ehrlich ist und Deutschland dadurch wieder zukunftsfähig wird. - Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Bretz von der CDUFraktion fort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben gerade Stilfragen thematisiert. Lassen Sie mich das aufgreifen: Ich finde, es ist eine zumindest nachdenkenswerte Stilfrage, dass es eine Oppositionsfraktion in diesem Hause war, die Sie heute um eine Stellungnahme zu diesem - wie Sie ja selbst sagen - wichtigen Thema gebeten hat. Nur so viel dazu von unserer Seite.
Zum Zweiten: Sie sprachen von einem Energiekonzept und einem gesellschaftlichen Konsens. Herr Ministerpräsident, lassen Sie mich feststellen, dass Sie, obwohl Sie die Bundesregierung kritisiert haben, als Landesregierung erst gar kein Konzept vorgelegt haben.
Sie versprechen uns seit Ihrer Amtsübernahme vor anderthalb Jahren, die Eckwerte Ihrer Energiestrategie hier vorzulegen. Aber wir erleben ständig Verschiebungen und hören ständig Begründungen, warum dies nicht möglich sei.
(Beifall CDU - Frau Gregor-Ness [SPD]: Mit ständig wechselnden Rahmenbedingungen kann man das nicht!)
Sie haben ja zu Recht erwähnt, dass das Land Brandenburg Träger der Auszeichnung „Leitstern“ ist. Herr Ministerpräsident, ich frage Sie: Ist Ihnen eigentlich bekannt, wie viel Windenergie in diesem Land gar nicht ins Netz eingespeist werden kann, weil die Voraussetzungen zur Einspeisung dieser Energieform überhaupt nicht gegeben sind?
Vor diesem Hintergrund ist diese Auszeichnung noch unter einer ganz anderen Perspektive zu sehen. Übrigens ist dies ein Tagesordnungspunkt, der die Stellungnahme zum CCS Gesetz beinhaltet. Ich hätte mich schon gefreut, wenn Sie uns zu diesem Tagesordnungspunkt etwas Konkreteres gesagt hätten, insbesondere zu der Frage, wie sich die Landesregierung zu diesem Gesetz positioniert.
Sie haben über Atompolitik gesprochen, Sie haben über Verschiedenes gesprochen. Aber Sie haben wenig zum Thema CCS gesagt.
Herr Ministerpräsident, ich glaube, Sie haben zwei entscheidende, schwere administrative Fehler begangen. Der erste entscheidende strategische Fehler war: Sie selbst haben vor die
sem Haus die Zukunft der Braunkohle an die CCS-Technologie gekoppelt. Wir spüren, dass Sie Gefangener Ihrer eigenen Argumentation sind, weil Sie merken, dass Sie aus der Kombination dieser beiden Aussagen nicht herauskommen.
(Beifall CDU - Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD] - Weitere Zurufe von den Fraktionen SPD und DIE LINKE)
Ihr zweiter wesentlicher Fehler ist: Sie haben es versäumt, von Ihrer Richtlinienkompetenz im Kabinett Gebrauch zu machen und Ihrer Regierung, der Regierung Platzeck, der rot-roten Landesregierung, eine energiepolitische Leitlinie zu verpassen. Wir spüren allenthalben und in jeder Ihrer Stellungnahmen, dass genau das Ihr entscheidendes Problem ist.
Ihre künstliche Aufregung - auch heute in der Presse - ist ja nur Zeugnis dessen, dass Sie die Enge Ihrer eigenen Argumente plötzlich selbst spüren, weil Sie nämlich gar keinen Ausweg aus diesen Thesen parat haben. Das merken wir hier auch.
Ich komme zurück zu CCS. Was steht eigentlich in der Richtlinie der EU? Dort steht wörtlich, dass die Mitgliedsstaaten das Recht haben, Gebiete auszuweisen, in denen sie die CCS-Technologie erforschen können. Es steht weiter darin, dass die Mitgliedsstaaten das Recht haben, auch Gebiete auszuweisen, wo sie es nicht tun wollen.
Es waren der Herr Ministerpräsident und der Herr Wirtschaftsminister Christoffers, die in unendlichen Pressemitteilungen die Bundesregierung aufgefordert haben, ein CCS-Gesetz vorzulegen. Jetzt liegt es vor, und es macht nichts anderes, als dass es den Bundesländern die Möglichkeit eröffnet, von dieser Technologie Gebrauch zu machen.
Jetzt geht es um eine ganz einfache Frage - meine Damen und Herren von der Koalition, um deren Beantwortung drücken Sie sich, Sie versuchen auszubüxen -: Wollen Sie die Anwendung und Erforschung dieser Technologie in Brandenburg, ja oder nein?
Da bedarf es gar nicht vieler Worte, da braucht man einfach nur Ja oder Nein zu sagen, und dann haben wir diese Entscheidung.
- Schauen Sie, Herr Holzschuher, die Aufregung in Ihren eigenen Reihen macht doch deutlich, was bei Ihnen Sache ist.
Ich will Ihnen deutlich sagen: In Ihrem Koalitionsvertrag, zu dem Frau Kaiser in der letzten Debatte sagte: „Der gilt.“, steht, dass Sie für die Erforschung der CCS-Technologie sind und dies als eine Option in Brandenburg wahrnehmen. - Was wollen Sie denn jetzt? Frau Kaiser, Sie haben jeder einzelnen Seite des Vertrages zugestimmt und ihn handschriftlich signiert.
Wenn Sie also CO2 im Land Brandenburg verpressen wollen, dann sagen Sie es bitte auch hier, aber drücken Sie sich nicht um diese Aussage herum, meine Damen und Herren!
Wir werden in diesem Landtag wiederum Zeuge dessen, dass Sie als Landesregierung nicht wissen, wo Sie in der Energiepolitik hinwollen, was Ihre Richtlinie ist und wozu Sie stehen. Das bemerken wir auch wieder bei der Frage der CCS-Technologie. Sie wissen eben nicht, wie Ihre Antwort ist.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich stelle Ihnen jetzt noch einmal die Frage - es reicht ja ein einfaches Nicken oder Kopfschütteln -: Wollen Sie nun, dass die CCS-Technologie in Brandenburg zur Anwendung kommt, ja oder nein? - Er reagiert nicht.