Wie ich bereits in der Fragestunde sagte, bin ich zuversichtlich, dass es uns gelingt, das System der Anerkennung von Berufsqualifikationen in Deutschland deutlich bürgerfreundlicher und homogener zu gestalten. Ich freue mich, wenn wir dafür die Unterstützung des Landtages haben. Den vorgelegten Entschließungsantrag benötigen wir dezidiert nicht.
Vielen Dank, Frau Ministerin Kunst. - Das Wort erhält noch einmal die einbringende Fraktion. Herr Abgeordneter Büttner, Sie haben die Gelegenheit, sechs Minuten zu sprechen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Frau Ministerin Prof. Kunst, ich glaube nicht, dass wir Landtagsbeschlüsse fällen, um Sie aufzumuntern. Mein Verständnis war immer, dass wir Landtagsbeschlüsse fassen, um die Landesregierung zum Handeln aufzufordern. Sie behaupten, Sie seien tätig, und insofern kann ein Landtagsbeschluss ja nicht schädlich sein. Was hilft mir ein Lob, wenn es nicht zu einer Zustimmung zu dem Antrag führt? Ich finde es etwas schade, denn offensichtlich teilen wir alle dieses.
Frau Melior, Sie haben gesagt, wir sollten die Hausaufgaben machen bzw. wir hätten schon 2009 dem Antrag der SPDBundestagsfraktion zustimmen können. Das ist ein wenig einfach.
Ende 2009 hat sich die SPD aus der Bundesregierung verabschieden müssen, nachdem sie elf Jahre Zeit hatte, ein Anerkennungsgesetz auf den Weg zu bringen. Zwei Monate, nachdem man die Regierungsverantwortung abgegeben hat, einen Antrag im Deutschen Bundestag zu stellen, die Bundesregierung möge doch bitte endlich ein Anerkennungsgesetz vorlegen, ist ein bisschen wenig.
Ich denke, dass die Bundesregierung vernünftig gearbeitet hat. Im Übrigen war die FDP-Fraktion der Motor; sie hat sich schon 2008 für einen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren ausgesprochen. Für uns ist es wichtig, dass die erworbene Qualifikation von in Deutschland lebenden Ausländern zügig geprüft wird, und ein zentrales Kriterium - damit hat Frau Kollegin Schier völlig Recht - im Anerkennungsprozess ist die
Gleichwertigkeit. Deswegen ist es richtig, dass Ausländer innerhalb von drei Monaten Klarheit darüber haben, wie ihre Qualifikation in Deutschland bewertet wird und welche Weiterbildung gegebenenfalls notwendig ist, damit der Abschluss als gleichwertig anerkannt wird. Die Frist von drei Monaten - darin gebe ich der Kollegin Schier ebenfalls Recht - ist für deutsche Verhältnisse und unsere überbordende Bürokratie sehr ambitioniert.
Was die der Länderzuständigkeit unterfallenden reglementierten Berufe angeht, so ist eine Regelung auf Bundesebene nicht möglich, denn damit griffe man in die Eigenständigkeit der Bundesländer ein. Ich denke, dass die Kultusministerkonferenz, die Sie ja so toll finden, im Zusammenspiel der Länder sicherlich eine Lösung finden wird. Ich halte es allerdings für ein sehr ambitioniertes Vorhaben, es bis Mitte des Jahres 2012 vorlegen zu wollen. Denken wir nur einmal - der Föderalismus macht es möglich - an die unterschiedlichen Lehrerausbildungen und die unterschiedlichen Qualifikationen in den Ländern. Das wird ein schwieriges Unterfangen. Sie haben ausdrücklich auch die Unterstützung der FDP-Fraktion, Frau Ministerin. Ich denke, dass wir schnell auf diesen Weg kommen müssen.
Zu der Frage, ob man eine Telefon-Hotline schaltet - Frau Nonnemacher, Sie haben es angesprochen -: Das ist richtig, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks kümmern sich ebenfalls darum und unterstützen das. Es wird auch die Möglichkeit des Abrufs über die Internetseite der Bundesregierung geben. Ich denke, Informationsmöglichkeiten sind auf jeden Fall gegeben. Es gibt in allen Ländern Deutsche Botschaften, die selbstverständlich auch in diesem Bereich tätig werden und die Informationen entsprechend verbreiten werden.
Ich finde es schade, dass Sie dem Antrag so nicht zustimmen. Aber ich bin zumindest froh, dass wir hinsichtlich der grundlegenden Intention des Anerkennungsgesetzes offensichtlich einer Meinung sind. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 5/3040, eingebracht von der FDP-Fraktion: „Chancen bieten, Potenziale nutzen - Anerkennungsgesetz der Bundesregierung für im Ausland erworbene Berufsqualifikationen unterstützen!“ Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? Bei einer kleinen Anzahl an Enthaltungen und deutlicher Mehrheit der Gegenstimmen ist dieser Antrag abgelehnt.
Eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im gesamten Land Brandenburg sicherstellen!
Dazu liegen Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/3082 sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/3095 vor.
Ich eröffne die Aussprache mit der einbringenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abgeordnete Nonnemacher, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Sie kennen sicher alle das schöne Sprichwort: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg' auch keinem andern zu.“ Wenn wir uns diese goldene Regel für das Sozialverhalten, die sich übrigens aus der Bibel ableitet - das Stichwort lautet: Nächstenliebe -, einmal auf der Zunge zergehen lassen, so frage ich mich: Warum müssen Flüchtlinge und Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die bei uns Zuflucht suchen, in alten Kasernen im Wald, weitab der nächsten Ortschaft, also auch weitab von Ämtern, Ärzten und Bildungseinrichtungen, wohnen? Warum müssen sie sich Zimmer, Bäder, Küchen und Toiletten mit mehreren, ihnen unbekannten Personen teilen? Warum stehen ihnen dabei pro Person nur 6 m2 Wohnfläche zu? Warum müssen sie in maroden Gebäuden wohnen, in denen der Putz von der Decke fällt?
Angesichts dessen frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Möchten Sie selbst so leben? Diese Menschen verdienen unseren Schutz und eine Umgebung, in der sie sich von dem, was sie durchgemacht haben, erholen können.
Sicher sind nicht alle Flüchtlingsunterkünfte in Brandenburg in diesem Zustand, sicherlich müssen nicht alle Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften leben. Aber: Einige schwarze Schafe geistern des Öfteren durch die Presse. Zum Beispiel wurde Ende März auf das Heim in Hohenleipisch im Landkreis Elbe-Elster wegen seiner isolierten Lage aufmerksam gemacht. Leider ändert sich nichts. Dies wollen wir angehen und einen menschenwürdigen Standard im gesamten Land Brandenburg erreichen.
In unserer Kleinen Anfrage vom September 2010 haben wir die Situation von Flüchtlingen im Land Brandenburg erfragt. Nun haben die Flüchtlingsräte in ihrem Sonderheft „AusgeLAGERt“ zur Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland die Situation in den Gemeinschaftsunterkünften ausführlich beschrieben. Ich kann Ihnen dieses Heft zur Lektüre sehr empfehlen. Es zeigt schauderhafte Bilder, auf denen man Heime sieht, die eher an KZs erinnern.
In Brandenburg lebten Ende 2009 1 183 Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie 1 757 geduldete Flüchtlinge. Landesweit gibt es 17 Lager; in jedem Landkreis eines, nur das Lager in der Prignitz wurde mangels Belegung aufgelöst.
Dabei ist die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften nicht zwingend vorgeschrieben. Deshalb sollten die Landkreise und die kreisfreien Städte ihre Ermessensspielräume nutzen.
- Meine Damen und Herren von der Linken, wir haben bezüglich dieses Antrags offensichtlich ein gemeinsames Anliegen. Ich würde mich über etwas mehr Ruhe freuen. Ich finde es sehr schwierig, hier zu reden.
In diesem Zusammenhang möchte ich die Stadt Cottbus positiv hervorheben. Dort wurde 2001 durchgesetzt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner nach einem Jahr Lagerunterbringung in Wohnungen umziehen können. Eine menschenwürdige Unterbringung in Wohnungen ist also möglich.
Deshalb fordern wir: Der Unterbringung in Wohnungen oder abgetrennten Wohneinheiten ist der Vorzug vor Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zu geben. Die Unterbringung sollte zentrumsnah und mit Anbindung an den öffentlichen Nachverkehr erfolgen; der Zugang zu Ämtern, Ärzten, Arbeit, Bildung, Kindertagesstätten und Schulen sollte ohne größeren Aufwand möglich sein. Die Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Betreuung müssen in diesem Sinne überarbeitet werden.
Apropos soziale Betreuung: Es bedarf auch einer umfassenden sozialen Betreuung, einer Betreuung für besonders Schutzbedürftige und einer Integrationsförderung mit Personal, das qualifiziert und interkulturell geschult ist. Der Flüchtlingsrat Brandenburg stellt in seinem Sonderheft fest, dass der Schlüssel für Sozialbetreuung, der aktuell als Mindeststandard finanziert wird, bei 1:120 Personen liegt. Eine Person betreut also 120 oftmals traumatisierte - Menschen.
Last, but not least müssen die Vorschriften auf Bundesebene - im Asylverfahrensgesetz und im Asylbewerberleistungsgesetz -, die eine Lagerunterbringung weiterhin fördern, geändert werden.
Dies sind die absoluten Mindestforderungen. Wir Grünen würden uns noch viel mehr wünschen, nämlich eine umfassende Integration anstatt der zurzeit vorherrschenden Isolation. Allerdings ist die derzeitige Politik eher integrationsfeindlich als integrationsfördernd. Ich nenne nur die Stichworte Residenzpflicht, Sachleistungsprinzip und Arbeitsverbote, die verhindern, dass sich diese Menschen selbst ernähren können.
Die letzten Punkte müssten allerdings auf der Bundesebene geändert werden. Doch dort arbeitet seit kurzem ein neuer Bundesinnenminister verbissen an seinem Hardlinerimage: Abschottung ist angesagt, die Flüchtlinge auf Lampedusa in Italien seien doch deren Problem, Berlusconi solle sie doch einfach zurückschicken.
Heute meldet die Presse, dass erste italienische Politiker ein militärisches Vorgehen gegen Flüchtlinge fordern. Wir können in einer globalisierten Welt nicht so tun, als ginge uns das Flüchtlingselend im Mittelmeerraum nichts an.
Wir können die „Wohlstandsinsel“ Europa nicht mit einem Schutzwall umgeben und von Grenztruppen verteidigen lassen. Wir können nicht Freude über die Demokratisierung der arabischen Welt heucheln und gleichzeitig beklagen, dass nordafrikanische Tyrannen nicht mehr ihren Job erledigen, nämlich uns die Flüchtlinge vom Hals zu halten.
Die gleiche Mentalität, sich „lästige Eindringlinge“ mit allen erdenklichen Mitteln vom Hals zu halten, steckt auch dann dahinter, wenn sie in alten Baracken im Wald möglichst nicht wahrnehmbar kaserniert werden.
Ich sehe schwarz für eine grundsätzliche Besserung der Flüchtlings- und Asylpolitik in Deutschland. Lassen Sie uns wenigstens die Wohnsituation und die Betreuung der Flüchtlinge in Brandenburg verbessern.
Zum Schluss noch ein Wort zu den Entschließungsanträgen. Zum Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen: Ich finde ihn, ehrlich gesagt, ein wenig kleinkariert. Wir fordern in unserem Antrag die Überarbeitung der Mindestbedingungen für Unterkunft und soziale Betreuung sowie die Ausschöpfung der Ermessensspielräume und das Einwirken auf die Bundesebene. Sie fordern das Einwirken auf die Bundesebene, die Überprüfung der Mindestbedingungen für Unterkunft und soziale Betreuung, das Ausschöpfen der Ermessensspielräume und die Einhaltung der geltenden Mindestbedingungen. Bei uns steht die Forderung an die Bundesebene am Ende, bei Ihnen steht sie am Anfang. Sicher wird mir im Laufe der Debatte die Erleuchtung zuteilwerden, wo der geistige Quantensprung zwischen unserem Antrag und Ihrem Entschließungsantrag liegt. Wenn es Ihnen zwingend notwendig erscheint, dass in diesem Landtag ein rot-roter Antrag statt eines inhaltlich gleichlautenden grünen Antrags verabschiedet wird, so können wir auch mit der Rolle des Katalysators leben. Hauptsache, in der Sache wird für die Betroffenen ein wenig Verbesserung erreicht.