Protokoll der Sitzung vom 18.05.2011

Zweiter Irrtum Ihrerseits ist, dass in der brandenburgischen Landtagsfraktion der Linken Menschen sitzen würden, die mit ihrer Vergangenheit nicht offen umgehen. Ich versichere Ihnen: Dort sitzen Personen, die ausdrücklich offen mit ihrer Vergangenheit umgegangen sind. Diejenigen, die das nicht können oder nicht wollen, haben zu dieser Fraktion keinen Zugang. Daran gibt es auch in dieser Legislaturperiode keine Zweifel in diesem Haus.

(Zuruf von der CDU)

Wie immer ist es so: Durch Wiederholen der falschen Aussagen werden sie nicht richtig. Egal, wie oft Sie es noch wiederholen: Sie werden damit eher Ihr Amt als Ausschussvorsitzender beschädigen als das Ansehen meiner Fraktion.

(Frau Lehmann [SPD]: So ist es! - Beifall DIE LINKE, SPD, des Ministerpräsidenten Platzeck sowie von Minis- ter Dr. Markov)

Die Debatte wird mit dem Beitrag der Abgeordneten Teuteberg von der FDP-Fraktion fortgesetzt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich dachte und ich hoffe immer noch, dass wir in den letzten Monaten ein Stück weitergekommen sind, dass die Anhörungen in der Enquetekommission nicht umsonst gewesen sind, dass wir die Menschen nicht wieder vergessen, die uns in der Enquetekommission von ihren leidvollen Erfahrungen berichtet haben. Ich hatte nach diesen Anhörungen das Gefühl, wir würden uns einem partei- und fraktionsübergreifenden Konsens nähern.

Ausgangspunkt unserer weiteren Überlegungen sollten dabei die Versäumnisse, die Fehler, von denen uns berichtet wurde, sein - Fehler, Versäumnisse, die im Umgang mit den Opfern gemacht wurden und die für jeden, der zuhörte offenkundig waren. Sollte ich mich da geirrt haben? Haben wir die schon wieder aus den Augen verloren, die um Anerkennung, um Respekt baten, die endlich verstanden werden wollten in dem, was ihnen angetan wurde?

Wenn wir tatsächlich eine gemeinsame Geschäftsgrundlage bei unserem Neuanfang nicht verlassen wollen, dann muss sie auch Ausgangspunkt unserer heutigen Überlegungen sein. Sie muss ganz konkrete Richtschnur sein bei der Frage, wem wir was schuldig sind, wem wir was zumuten und wessen Interessen bei uns jetzt im Vordergrund stehen.

Wir alle wissen, dass den Opfern nichts wichtiger ist als Klarheit, als eine ehrliche Suche nach der Wahrheit. Dies schließt immer ganz zwangsläufig auch die Frage nach der Verantwortung derer ein, die dazu beitrugen, dass Menschen Unrecht geschah.

Die Behörde, die die Stasi-Akten aufbewahrt und ihre Verwendung ermöglicht, öffnet dabei nur einen von vielen Wegen auf der Suche nach Wahrheit. Er mag nicht alles erklären, aber er darf nicht ignoriert werden. Das würde uns erneut dem Verdacht aussetzen, gar nicht zu wollen, was wir sagen, wenn wir von Versöhnung und fairem Umgang mit den Opfern reden. Denn es ist doch einsichtig, dass denen, die in der DDR politische Gefangene waren, aus gutem Grund nicht gleichgültig sein kann, wer heute in der Polizei oder in der Justiz des Landes arbeitet.

(Beifall FDP und CDU)

Dietmar Woidke hat mit seinem Vorgehen gezeigt, dass wir tatsächlich ein Stück weitergekommen sind. Es war eine mutige Entscheidung, Polizeiangehörige mit Erkenntnissen zu konfrontieren, die ihren bisherigen Einlassungen widersprechen. Er hat sich damit auch den Schwierigkeiten ausgesetzt, die mit dieser Suche nach der Wahrheit verbunden sind. Solches Vorgehen verdient ausdrücklich Anerkennung und Respekt,

(Beifall FDP, CDU, GRÜNE/B90 und der Abgeordneten Melior [SPD])

und ich kann ihn nur darum bitten, dass dies nicht durch eine zugespitzte Auseinandersetzung mit der Jahn-Behörde um den Umfang der Überprüfungen icht wieder verspielt wird. Dazu gäbe es viel zu sagen, wofür ich leider nicht die Zeit habe. Aber vergessen Sie bitte nicht, dass Sozialdemokraten im Bund intensiv an der Debatte beteiligt waren, Verantwortung für die jetzige Rechtslage tragen und Roland Jahn mit einer ganz großen

Mehrheit des Bundestages gewählt wurde. Er taugt nicht als billiger Sündenbock für diese Debatte.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Es wäre ohnehin grotesk, wenn Brandenburg plötzlich mit Vorwürfen aufwartete, obwohl das Land über viele Jahre hinweg die Möglichkeiten zur Überprüfung nicht nutzte, ja, sich sogar rühmte, mit menschlichem Maß zu handeln, indem man früher als andere Bundesländer die Regelanfrage beendete.

Wir werden auch in der Polizei, unabhängig vom Ausgang der Kontroverse mit der Behörde, Wege finden, mehr Klarheit zu schaffen. Dort, wo Überprüfungen ohne Probleme möglich sind, sollten sie dann aber auch durchgeführt werden. Ich finde es bezeichnend, dass der Justizminister hier noch nicht einmal als Redner vorgesehen ist.

Im Übrigen denke ich, dass der weitaus größte Teil unserer Richterschaft dieses Landes nicht nur einsichtig genug ist, dort mitzumachen. Viele werden sogar gern ihren Beitrag leisten, damit genau diese Klarheit hergestellt werden kann, die den Opfern ein wenig hilft.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Die Richter unseres Landes haben es nicht nötig, von wem auch immer geschützt zu werden. Sie wissen sehr genau, dass sie nicht unter einem herbeigeredeten Generalverdacht stehen. Überprüfungsanträge haben mit einer Jagd nicht das Geringste zu tun. Der Begriff ist in diesem Zusammenhang geradezu obszön;

(Beifall FDP, CDU und GRÜNE/B90)

denn er unterstellt anderen Teilnehmern an dieser Debatte, Vergnügen an dieser ernsten Situation zu haben.

(Ludwig [DIE LINKE]: Das scheint nur so!)

Das beste Resultat einer jeden Überprüfung wäre eine Trefferquote von null, übrigens gerade für diejenigen, die zu DDRZeiten vor Richtern standen.

Herr Schöneburg, wenn Sie es ernst meinen mit einem anderen, der Menschenwürde verpflichteten Umgang mit Opfern der DDR-Justiz, dann verstecken Sie sich nicht hinter einer freischaffenden Publizistin, die bei Ihnen auch noch als Staatssekretärin unterschreibt. Sorgen Sie für Klarheit! - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und GRÜNE/B90)

Für die Landesregierung spricht Ministerpräsident Platzeck.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verhehle nicht, dass es mir schwerfällt, ruhig zu bleiben. Ich versuche trotzdem, mich nicht auf das Niveau zu begeben, das Kollege Petke dem Landtag gerade angeboten hat; denn Herr Kollege Petke, Sie haben ein Bild an die Wand gezeichnet, eine Konstruktion unterstellt - ich verkürze jetzt einmal -: Weil der

Justizminister aus einer bestimmten Partei kommt, unterlässt er bestimmte Handlungen und hält seine Hand über die Richter und Staatsanwälte. Wenn diese Konstruktion irgendeine Begründung hätte, frage ich Sie: Aus welchem Grund haben drei CDU-Justizminister ihre Hand über diese Mitarbeiter gehalten? Diese Frage ist ja wohl berechtigt. Deshalb ist es unerhört, was Sie hier konstruieren.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Eichelbaum, dass Sie hier mit einer Blasphemie auftreten und völlig ausblenden, dass die beiden von Ihnen angesprochenen Ressorts und Bereiche ein volles Jahrzehnt unter voller Verantwortung der CDU-Minister gestanden haben, und Sie tun so, als hätte es das nicht gegeben, ist unerhört!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Eichelbaum, Sie haben vorhin gesagt, Sie würden gern erfahren, wie Menschen, die 1989 auf die Straße gegangen sind, mit dieser Situation, die Sie herbeireden, umgehen. Ich werde versuchen, Ihnen das zu sagen. Ich gehöre zu denen; ich bin in Stasi-Unterlagen als „feindlich-negatives Element“ klassifiziert worden. Ich habe im Mai '89 bei der Staatssicherheit Oberstleutnant und Hauptmann gegenübergesessen, die wüste Drohungen ausgestoßen haben. Ich hätte Andreas Kuhnert, wenn es anders gekommen wäre, im Lager kennengelernt, denn wir waren für dasselbe Lager vorgesehen. Ich kann Ihnen also sagen, wie es mir geht, wie ich mir die Welt vorstelle, wie ich sie mir damals vorgestellt habe und sie mir heute vorstelle.

Frau Teuteberg, es ist fast schon süß, wenn Sie mir sagen wollen, was den Geist der Stasi-Unterlagen-Behörde ausmacht. Ich kann Ihnen zur Vervollständigung Ihres Geschichtsbildes sagen: Ich war 1990 Parlamentarischer Geschäftsführer der Volkskammerfraktion BÜNDNIS 90, die sich zuvorderst für die Einrichtung und den Geist dieser Unterlagenbehörde stark gemacht hat. Ich spreche also durchaus von Dingen, bei denen ich dabei war und weiß, worum es geht, verehrte Frau Teuteberg.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Vogel, ich nehme an, Sie wissen, was Sie getan haben und was Sie tun. Sie haben mehrfach gesagt, dass Sie keinen Generalverdacht aussprechen wollen. Dies tut man immer dann, wenn man ahnt, dass man es eigentlich doch tut, dass man gerade dabei ist, einen Generalverdacht auszusprechen.

Sie haben sich nun die Richter vorgenommen. Sie sprechen über Polizisten. Vielleicht sprechen Sie morgen über Lehrer. Ich weiß nicht, welche Berufsgruppe Ihnen übermorgen einfällt. Bitte beachten Sie dabei: Das ist das Aussprechen eines Generalverdachts gegenüber ostdeutschen Beschäftigten. Wie lange wollen Sie das eigentlich machen? Sie sagen, jetzt müsse eine generelle Überprüfung stattfinden, es könnten ja neue Erkenntnisse vorliegen. Ja, bitte, verehrter Herr Vogel, die Behörde arbeitet weiter. In drei Jahren liegen wieder neue Erkenntnisse vor, und in sechs Jahren liegen weitere neue Erkenntnisse vor. Wollen Sie alle paar Jahre bei allen ostdeutschen Beschäftigten diese Regelüberprüfung anlegen, bis der Letzte des Jahrgangs '71 aus dem Berufsleben ausgeschieden ist? Wollen Sie das? Dann sagen Sie es ganz deutlich. Ich nenne das Generalverdacht, meine Damen und Herren. Das sollten wir nicht tun.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das erzeugt genau dieses Bild, mit dem ich im Westen Deutschlands nicht selten konfrontiert werde. Ein falsches Bild, aber es ist vorhanden. Bei Veranstaltungen wird gesagt: Was wir so lesen und hören - bei euch sind doch die Hebel der Macht schon längst alle wieder in Stasi-Händen oder sie waren es immer. Ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen: Dass man sich insofern überhaupt rechtfertigen muss, ist das Ergebnis einer falsch geführten, verkürzten, skandalisierten und schlagzeilenträchtigen Aufarbeitungsdebatte. Dann entstehen in Deutschland solche falschen Bilder, und ich schäme mich fast, dass ich die statistischen Daten dagegensetzen muss, dass die Hebel der Macht im Osten Deutschlands, wie eine Studie zum 20. Jahrestag der Einheit sagte, zu 90 % in westdeutschen Händen sind, also auf jeden Fall nicht in Staatssicherheitshänden; und wir sollten eine Debatte führen, die verdeutlicht, dass im Osten Deutschlands die Demokratie eingezogen ist und an den Hebeln der Macht gewählte Menschen sitzen, die überprüft wurden und die ohne Fehl und Tadel sind.

Einen Aspekt muss man allerdings dazusagen: Wir leben in einer menschlichen Gesellschaft, die nie Reinstraumbedingungen aufweisen wird. Wir werden nie Cleantech-Mechanismen für eine menschliche Gesellschaft anwenden können, und wenn Sie sagen, dass bei den Richtern eine Stasi-Belastung aufkomme, Herr Vogel: 0,5 % der Richterschaft - wenn Sie solche Zahlen verwenden - sind es, und alle Fälle sind bekannt und vor Richterwahlkommissionen besprochen und bestätigt worden. Malen Sie deshalb hier kein Bild, was Herr Eichelbaum so schön aufgeführt hat: Stasi in Polizei, Stasi in Gerichten, Stasi in der Staatsanwaltschaft, Stasi in der ganzen Welt. - Das ist genau ein Bild, das dieser Gesellschaft überhaupt nicht gerecht wird, Herr Eichelbaum.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir haben gegen dieses Vorurteil - ich hätte im Traum nicht gedacht, dass wir 20 Jahre später in diesem Haus noch in diesem Gestus sprechen müssen - Anfang der Neunzigerjahre hart gearbeitet, auch Ihre Fraktion, Herr Eichelbaum, damit Klarheit und eine vernünftige Aufarbeitung geschaffen werden. Es hat unzählige Kommissionen gegeben. Es gab Kriterienkataloge. Wir haben uns Lebensläufe angeschaut - ich selbst habe in solchen Kommissionen gesessen - nach Art, Umfang und Dauer der Tätigkeit; ich möchte das von Andreas Kuhnert Gesagte nicht wiederholen. Wir haben das mit aller Kraft gemacht, um Klarheit und eine gute Grundlage zum Weiterarbeiten zu bekommen. Das waren rechtsstaatliche Verfahren; aber wir haben in diesem Landtag auch noch etwas anderes gesagt und es mit großer Mehrheit in diesem Raum beschlossen: Wir wollen Aufarbeitung nach menschlichem Maß.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Christlich Demokratischen Union, bitte vergessen Sie nicht den von Ihnen teilweise mitgefassten Beschluss: „Aufarbeitung nach menschlichem Maß.“ Ja, wir wollten beides zusammenführen.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

Wir wollten ein juristisches, ein rechtsstaatliches und das menschliche Maß zusammenführen, und das war harte Arbeit. Wir müssen uns, denke ich, auch heute immer wieder beide Lebenswelten anschauen: vor und nach 89. Ich stehe dazu, und ich sage es hier noch einmal ganz deutlich: Ich weigere mich, Menschen und ihre Lebensleistungen auf eine Vergangenheit zu reduzieren, die über zwei Jahrzehnte zurückliegt. Das wird

Menschen nicht gerecht, meine Damen und Herren. Wer sich 20 Jahre in der Demokratie bewährt hat, wer beispielsweise von einem Richterwahlausschuss geprüft und rechtsstaatlich gewählt wurde, sich dann bewährt, hat das Recht, dass seine gesamte Lebensleistung berücksichtigt wird. Alles andere wäre nicht nach menschlichem Maß. Das hat etwas mit Vertrauensschutz, aber eben auch mit Rechtsstaatlichkeit zu tun.

Übrigens, bis 2006 - es ist vorhin gesagt worden - war die Unterlagenbehörde verpflichtet, neue Erkenntnisse bekannt zu geben. Nicht eine einzige Meldung ist gekommen. Das sagt ja auch schon etwas über die Verhältnisse. Wenn Sie sagen, hier sind unterschiedliche Handlungsweisen, dann sage ich: Das stimmt nicht! Herr Woidke hat Anlässe gehabt, es müssen Positionen neu besetzt werden, und er hat daraufhin gesagt: Aufgrund harscher, nicht hinnehmbarer Anlässe und weil Positionen neu besetzt werden, entschließt er sich zu diesem Schritt. Und der Kollege Schöneburg hat ganz klar gesagt: Wenn er solche Anlässe findet, handelt er genauso - bis zur dienstrechtlichen Konsequenz. Das ist eine völlig konsistente Sicht und ist ein konsistentes Handeln.

Ich konnte vor wenigen Tagen beim Generalkonvent der Evangelischen Kirche - eine sehr gute, sehr schöne Veranstaltung vor vollem Haus über das Thema Versöhnung diskutieren. Dort herrschte ein Klima, wie ich es mir auch in diesem Hause wünschen würde. Übrigens: Es waren Betroffene, Nichtbetroffene, unzählige Pfarrer und Menschen, die sehr viel mit Seelsorge von Opfern zu tun haben, im Saal, und es war ein tolles Klima. Das hatte wirklich etwas mit Aufarbeitung zu tun, da hat man miteinander gearbeitet. Ich habe dort noch einmal klargemacht, dass Versöhnung, an der mir liegt, nichts, aber auch gar nichts mit Schlussstrich, Vergessen und „Schwamm drüber!“ zu tun hat. Aber: Vergangenheitsaufarbeitung, Erinnerung an vergangenes Unrecht muss um der Zukunft der Gesellschaft willen in solcher Weise praktiziert werden, dass sie einen positiven Beitrag dazu leisten, dass eine bessere Zukunft möglich wird. Das ist die Aufgabe der Aufarbeitung. Deshalb stellen wir uns dieser Aufgabe. Das muss der Geist sein, und ich wünsche mir, dass dieser Geist in diesem Hause obsiegt, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

Ich habe vorhin über Reinstraumbedingungen gesprochen. Es wird immer Zielkonflikte geben. Das einzelne Opfer wünscht sich individuelle Schuldanerkenntnis und Sühne, das ist völlig klar, nachvollziehbar und verständlich. Alles andere anzunehmen wäre unmenschlich. Es wünscht sich dieses als Grundlage der Versöhnung und sieht in der Versöhnung keine politische Kategorie, sondern immer nur eine persönliche. Ich habe allerhöchsten Respekt vor dieser Sicht auf Versöhnung, aber ich teile sie nicht, das ist bekannt, das habe ich schon öfter gesagt. Selbstverständlich ist für mich Versöhnung auch eine politische Kategorie, und ich verlange von niemandem, der gelitten hat, dass er meiner Meinung ist. Aber für mich ist Versöhnung auch eine politische Kategorie. Das politische Streben nach innergesellschaftlicher Versöhnung hat sein eigenes Recht, hat auch seine eigene Würde und vor allem seine eigene Notwendigkeit. Wenn es diese politische Kategorie nicht gäbe, würde in Ländern wie Südafrika, Chile und vielen anderen Ländern niemals Versöhnung stattfinden können, weil die persönlich nicht organisierbar ist. Natürlich ist Versöhnung in ehemals zerrissenen Gesellschaften immer auch eine politische Kategorie und muss es sein, und sie muss von der Politik betrieben werden.