Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

Kommen wir zum Thema Erbschaftsteuer. Ich gebe zu, das könnte sich eventuell nach Reichen anhören. Aber auch hier muss ich Sie enttäuschen. Bei dieser Erbschaftsteuer geht es auch um die Vererbung von Unternehmen. In Brandenburg gibt es vielerlei Probleme mit der Erbnachfolge. 1 500 Unternehmen in Brandenburg wissen nicht, wie sie weitergeführt werden sollen, weil sie keinen Nachfolger finden. Das hängt auch mit der Erbschaftsteuer zusammen, weil sich jeder an den Kopf fasst und fragt, ob er zehn Jahre lang mit einer hundertprozentigen Lohnsumme dafür einstehen muss. Das wird Gott sei Dank korrigiert.

Herr Woidke, was sagen Sie zum Thema Biokraftstoffförderung? Waren Sie nicht dafür? Haben wir uns nicht furchtbar darüber aufgeregt, dass Biokraftstoffe plötzlich normal besteuert werden sollten? Genau das wird jetzt korrigiert. Das sind nur ein paar Beispiele.

Ich nehme wahr, dass Sie immer nur mehr wollen, Sie verweigern sich jeglichen Spargedanken, die dem Staat gut anstehen würden.

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Sie nehmen bei der Betrachtung der Probleme ausschließlich die Perspektive eines Hartz-IV-Empfängers ein. Dadurch produzieren Sie noch mehr bedürftige Menschen. Überlegen Sie endlich, was diejenigen in unserer Gesellschaft brauchen, die unsere Gesellschaft auch am Laufen halten. Dann werden wir es auch schaffen, in Zukunft mehr Leute aus Hartz IV herauszuholen, davon bin ich zutiefst überzeugt.

Steuersenkungen und -erleichtungen sind das einzig richtige Signal an diejenigen, die unser Land wieder flottmachen. Arbeiten und Eigenverantwortung lohnen sich. Vor allen Dingen ist Verantwortungsbewusstsein für die eigene Zukunft notwendig. Der Staat ist ein Lügner, wenn er verspricht, dass er sich als vorsorgender Sozialstaat um alles kümmern kann und wird. Wohin das geführt hat, konnte man mehr als einmal sehen.

Ich freue mich sehr über die klaren Botschaften aus dem Kabinett Merkel, und sehr viele Brandenburger werden sich über das ab dem 01.01.2010 zusätzlich in ihrem Portemonnaie verbleibende Geld freuen. Sie haben es verdient. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Wir setzen mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Der Abgeordnete Görke spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank der sozialdemokratischen Fraktion, dass wir dieses Thema „Wer soll die Lasten für diese Steuersenkungen bezahlen?“ heute hier erörtern können. Sehr geehrte Frau Dr. Ludwig, Sie haben mehrfach den Vorwurf geäußert, Rot-Rot wolle dem Bund den Schwarzen Peter für die angespannte Haushaltssituation zuschieben. Ich möchte Ihnen folgendes Zitat vorlesen:

„Der Bund darf uns nicht durch seine Steuersenkungen in einen Verschuldungskurs zwingen.“

Dieser Satz stammt von Ihrem sächsischen Parteikollegen Tillich aus der Regierungserklärung, und die ist nicht einmal acht Tage alt. Das dazu.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Anders als Sie, Frau Dr. Ludwig, erkennen Ihre Parteifreunde in Sachsen und auch in den meisten anderen Bundesländern das Problem. Der Kollege Müller hat gestern genau wie der Ministerpräsident Platzeck eine Regierungserklärung gehalten. Vielleicht schauen Sie einmal hinein, welche Einschätzungen er vornimmt. Er sagt, dass die avisierten Steuerschätzungen auf Pump verhängnisvoll für die Länder und Kommunen sind.

Meine Damen und Herren, die Regierung Merkel/Westerwelle nennt ihr Gesetz tatsächlich Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Das ist aus Sicht der Linksfraktion ein Etikettenschwindel dreister Art. Was das Gesetz wirklich beschleunigt - das hat mein Kollege Bischoff deutlich gemacht -, sind die Einnahmeverluste der öffentlichen Hand. Brandenburg hat in den nächsten beiden Jahren aufgrund dieses Gesetzes mit Mindereinnahmen in Höhe von 140 Millionen Euro zu rechnen. Das muss hier gesagt werden. Damit entwickelt sich die neue Bundesregierung neben der Finanz- und Wirtschaftskrise zum größten Haushaltsrisiko für die Länder und damit auch für die Kommunen in Brandenburg.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Und was machen Sie, Frau Dr. Ludwig? Sie loben diese fatale Entwicklung auch noch. Gleichzeitig fordern Sie, die Haushaltssperre in Brandenburg zu verhängen. Das ist ein unglaublicher Widerspruch, der eigentlich gelöst werden müsste, indem Sie jetzt einfach innehalten.

Nun ließe sich ja, weil Sie sagten, es müsste antizyklisch gehandelt werden, eine Steuersenkung realisieren - darüber kann man reden, aber bitte aus- bzw. gegenfinanziert -, um eine Konjunktur in der Zeit einer wirklich gravierenden Krise zu entfachen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Konjunkturpolitisch ist das Gesetz fast wirkungslos.

„Die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen sind vor allem Sozialtransfers und Subventionen. Das ist nicht das, was wir Ökonomen als Wachstumspolitik bezeichnen.“

Das sagte kein Wirtschaftsweiser, sondern Joachim Scheide vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

Ich komme einmal zur Perspektive eines Wirtschaftsweisen - davon kann man halten, was man will -, und zwar zu Bofinger:

„Die Bundesregierung betreibt keine verantwortliche Politik. Die Bundeskanzlerin und der Außenminister verhalten sich wie ein Ehepaar, dem das Geld fehlt, um das defekte Dach zu erneuern, und das erst einmal eine Weltreise unternimmt.“

Das hat er gesagt. Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Die erwähnten Sozialtransfers kommen in erster Linie den Vermögenden und den großen Unternehmen zugute. Die meisten Bürgerinnen und Bürger sowie kleine und mittlere Unternehmen werden bestenfalls symbolisch beachtet oder gehen gänzlich leer aus.

Nein, meine Damen und Herren, mit diesem Wachstumsbeschleunigungsgesetz wird Wachstum nicht beschleunigt, sondern es erfolgt eine Umverteilung von unten nach oben. Die märkische CDU hat dies auch noch gelobt. Ich glaube, Frau Prof. Wanka, soziale Marktwirtschaft sieht in dieser Hinsicht anders aus.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP! Sie nehmen zusammen mit Ihren Parteifreunden im Bund billigend in Kauf,

(Zurufe von der CDU)

dass sich mit Ihren Steuersenkungen die Defizite der öffentlichen Hand vergrößern und sich gleichzeitig die Schere zwischen Arm und Reich auch in Brandenburg weiter öffnet.

Übermäßig deutlich wird dies bei den Regelungen zum Kinderfreibetrag und dem Kindergeld. Der Kollege Bischoff hat die Jahresgröße genannt. Ich möchte einmal die monatliche Entlastung für Eltern mit hohem Einkommen transparent machen. Sie erhalten 37 Euro mehr im Monat. Dabei kommt eine Verkäuferin, alleinerziehend, mit sieben Euro mehr im Monat wirklich bescheiden weg.

Über das Kindergeld, Kollege Bischoff, kann man sich streiten; es ist nun einmal so. Es ist beschlossen, zumindest ist es avisiert, das Kindergeld um 20 Euro zu erhöhen. Es profitieren davon aber nicht die 70 000 Kinder und Jugendlichen in Brandenburg, deren Eltern Arbeitslosengeld II empfangen; denn es wird auf die Bedarfssätze von Hartz IV angerechnet, und das ist der eigentliche Skandal. Das finden wir als Fraktion zumindest schäbig.

(Beifall DIE LINKE - Zuruf des Abgeordneten Burkhardt [CDU])

Meine Damen und Herren! Im Gegenzug werden große Unternehmen mit Steuergeschenken bedacht - Kollege Bischoff hat es ausgeführt -, und damit knüpft diese schwarz-gelbe Koalition bei Rot-Grün und bei Schwarz-Rot an.

Liebe Kollegen von den Sozialdemokraten! Kollege Bischoff! Auch wenn wir jetzt gemeinsam regieren, darf natürlich nicht verschwiegen werden, dass auch Ihre Partei dafür Verantwortung trug, dass Großunternehmen und Besserverdienende aus ihrer Steuerpflicht entlassen wurden. Ich sage nur: Unternehmenssteuerreform, die Absenkung des Spitzensteuersatzes und die Entlastung der Kapitalgesellschaften - alles Geld, das jetzt in den öffentlichen Haushalten fehlt.

Aber die Signale vom SPD-Parteitag in Dresden, die ich zumindest verbal aufnehmen konnte, zeigen deutlich, dass es bei Ihnen diesbezüglich ein Umdenken gibt. Darüber freuen auch wir uns als Linksfraktion.

Die Lernbereitschaft bei Schwarz-Gelb ist dagegen wenig ausgeprägt, wenn es darum geht, die notwendigen Konsequenzen

aus dieser Finanzkrise zu ziehen. Mitunter haben wir als Fraktion den Eindruck, dass man in der CDU und in der FDP die internationale Finanzkrise für eine Naturkatastrophe hält, die über uns gekommen ist. Jedenfalls haben wir aus den Äußerungen des Bundeskabinetts keine Vorschläge gehört, wie die Finanzkrise zu bewältigen ist und die Ursachen wirksam zu bekämpfen sind.

Aus der Sicht unserer Fraktion ist es unerlässlich, den Finanzmarkt wirksam zu regulieren. Wirtschaftsspekulationen müssen unterbunden werden, und der internationale Kapitalmarktverkehr bedarf einer Regelung, dessen Einhaltung auch kontrolliert wird. Steueroasen müssen ausgetrocknet, die Hedgefonds und die Schrottpapiere müssen verboten werden. Solange sie existieren, bleiben Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Kapital muss für Investitionen genutzt werden, nicht für fragwürdige Finanzspekulationen.

(Beifall DIE LINKE sowie des Abgeordneten Bochow [SPD])

Diesbezüglich, meine Damen und Herren, muss die Bundesregierung endlich die Verantwortung übernehmen und ihre Hausaufgaben machen.

Wenig glaubwürdig wird es dann, wenn die CDU und die FDP sich vehement für die Schuldenbremse aussprechen und gleichzeitig mit ihrer Politik dafür sorgen, dass die Nettoneuverschuldung über 3 % im nächsten Jahr und ab dem Jahr 2011 sogar 5 % betragen wird. Das ist aus unserer Sicht unseriös und teilweise auch finanzpolitisch mit sehr vielen Fragezeichen zu versehen.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP! Sie können die Verantwortung als Opposition in diesem Haus auch wahrnehmen, indem Sie in Berlin den Bund dazu bewegen, den vorliegenden Entwurf des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes grundsätzlich zu überarbeiten. In der jetzigen Fassung stellt der Entwurf eine inakzeptable Belastung für alle in Brandenburg dar: für das Land, für die Kommunen und für die Bürger. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE - vereinzelt Beifall SPD)

Wir setzen mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Es spricht die Abgeordnete Vogdt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die zentrale Aufgabe muss deshalb sein, alle Anstrengungen zu unternehmen, aus dieser Krise herauszukommen. Man kann dies haushaltspolitisch auf verschiedene Weise angehen.

Erstens kann das Land sparen und nichts mehr investieren. Das führt zu Unternehmenszusammenbrüchen und kostet Arbeitsplätze, beschleunigt also die Krise. Zweitens kann man die Steuer- und Abgabenlast erhöhen, um damit die öffentlichen Haushalte zu sanieren. Das belastet aber gerade diejenigen, auf die es ankommt, um aus dieser Krise zu kommen, nämlich die Konsumenten und Investoren.

Drittens kann man die Leistungsträger der Gesellschaft, die Arbeitnehmer, die kleinen und mittleren Unternehmen, entlasten, um ihre Leistungskraft zu erhöhen. Durch finanzielle Freiheiten wird mehr konsumiert bzw. investiert. Es werden richtige und wichtige Impulse für Wirtschaftswachstum ausgelöst, das zu mehr Beschäftigung führt. Mehr Beschäftigung führt zu einer Stabilisierung der Staatseinnahmen und damit aus der Krise.

Natürlich wird es auch für das Land Brandenburg und seine Kommunen eine Zeitlang schwierig, die Mindereinnahmen auszugleichen, und zwar vor allem deshalb, weil die Regierung in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat und nach wie vor mit viel zu hohen Schulden dasteht.

Der Schuldenstand je Brandenburger, vom Neugeborenen bis zum Senior, betrug 2007 7 083 Euro, 2008 sogar 7 117 Euro, und das trotz Steuermehreinnahmen. Die Zinsbelastung im Jahr 2008 betrugt fast 1 Millarde Euro. Und wovon reden wir heute? - Wir reden von Steuermindereinnahmen aufgrund des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes in Höhe von lediglich 50 Millionen Euro im nächsten Jahr - so Ihre eigenen Angaben, Herr Platzeck.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition! Allein diese beiden Zahlen zeigen, dass das Haushaltsdefizit hausgemacht ist.

(Beifall FDP und CDU)