Protokoll der Sitzung vom 31.08.2011

(Jürgens [DIE LINKE]: Das ist billige Polemik!)

Herr Finanzminister Dr. Markov, Sie stellen sich hier hin und zeigen stolz, dass Sie nur 270 Millionen Euro neue Schulden aufnehmen wollen. Sie wissen, dass wir fast 500 Millionen Euro Steuermehreinnahmen haben. Wir sind das einzige ostdeutsche Bundesland, das zum jetzigen Zeitpunkt noch neue Schulden aufnimmt. Das einzige ostdeutsche Bundesland! Wir haben nicht die schlechteren Voraussetzungen im Gegensatz zu Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt.

Ich komme noch einmal auf die Trickserei und auf Ihre eigene Planung zu sprechen. Sie hatten in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, jedes Jahr 150 Millionen Euro weniger neue Schulden aufzunehmen. Das stand in der Finanzplanung 2010. Jetzt lesen wir, dass Sie im Jahr 2013 nur 70 Millionen Euro bei der Nettoneuverschuldung kürzen wollen. Das verstehen wir nicht, gerade angesichts der Steuermehreinnahmen. Erklären Sie einmal den Bürgern, warum Sie sich bei der hervorragenden Haushaltslage erstens nach wie vor neu verschulden und zweitens nicht einmal an Ihre eigenen Vorgaben halten. Alles in allem wird es eine sehr interessante 2. und 3. Lesung werden. Ich freue mich auf die Debatte.

(Anhaltender Beifall CDU und FDP)

Wir sind immer noch in der Haushaltsdebatte.

(Anhalter Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Der Abgeordnete Holzschuher erhält das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Frau Dr. Ludwig, ich habe mich gefreut, nach Ihnen reden zu können, weil ich dachte: Jetzt diskutieren wir einmal über Zukunftsprojekte. Jetzt diskutieren wir über Perspektiven, die dieses Land hat, über Ihre Vorschläge für die Zukunft von Branden

burg, über das, was Sie sich vorstellen, was Sie hier gestalterisch bewegen wollen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Tatsächlich aber war das nichts als eine völlig wirre Verteidigungsrede zu letztlich einem einzigen Thema: dem Flughafen. Das ist in der Tat ein herausragend wichtiges Projekt für diese Region. Aber aus Ihren Aussagen habe ich bis heute und auch eben nicht verstanden, wie jetzt Ihre Position ist, wie die Position der Ludwig-CDU insgesamt in diesem Lande zum Flughafen ist. Stehen Sie jetzt dazu? Stehen Sie nicht dazu? Stellen Sie ihn infrage? Stellen Sie ihn nicht mehr infrage, nur teilweise infrage? Natürlich reden wir auch, wie Sie es angemahnt haben, mit den Bürgerinnen und Bürgern.

(Oh! vom Abgeordneten Burkardt [CDU])

Ausgerechnet Sie werfen dem Ministerpräsidenten - Matthias Platzeck - vor, er würde sich vor den Diskussionen drücken. Er war, lange bevor Sie sich hier plötzlich auf den Zug setzen wollten, bei den Menschen vor Ort, die nachvollziehbare, berechtigte Sorgen haben. Er hat sich auspfeifen lassen - ich glaube, gerade erst gestern oder vorgestern das letzte Mal -, aber er diskutiert mit den Menschen. Er diskutiert seit Jahren mit ihnen darüber, und wir, die Sozialdemokraten in diesem Lande und natürlich auch unser Koalitionspartner, haben ein sehr großes Interesse daran, dass die berechtigten Sorgen der Bürgerinnern und Bürger im Zusammenhang mit dem Flughafen berücksichtigt werden.

(Vereinzelt Beifall SPD, DIE LINKE sowie GRÜNE/B90)

Aber wir stehen auch uneingeschränkt zum Standort des Flughafens Berlin-Brandenburg, unabhängig davon, dass wir alle vielleicht sagen: Die Entscheidung war ein Fehler. - Ich wundere mich, dass gerade die Grünen dazu klatschen, weil: Die Grünen gehörten zu jenen, die damals maßgeblich gegen Sperenberg aufgetreten sind.

(Starker Beifall SPD und DIE LINKE)

Das gehört im Übrigen auch zur Ehrlichkeit.

Dann - daran kann ich mich noch erinnern, Frau Dr. Ludwig wollen Sie für die freien Schulen kämpfen. Ich wünsche den freien Schulen im Land alles Gute; das werde ich nachher noch etwas ausführen. Ich wünsche ihnen aber nicht, dass Sie so für die freien Schulen kämpfen, wie Sie für den Flughafen BerlinBrandenburg kämpfen. Das wäre fatal, das haben die freien Schulen nicht verdient.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Frau Dr. Ludwig, Sie sprachen auch von einem Schweigekartell, das in diesem Land herrsche. So ruhig ist es gar nicht in diesem Raum und auch sonst nicht; das ist mir bisher nicht aufgefallen. Was Herr Dombrowski da aufbrechen muss, ist mir schleierhaft. Wenn Sie sich selbst ein wenig mehr zum Schweigen verpflichten würden, wäre dem Land, Ihnen und Ihrer Partei viel mehr gedient.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Womit ich zum Thema käme, denn wir reden heute über die Zukunft des Landes, wozu immer Anlass besteht, wenn wir über den Haushalt reden. Das, was auf dem Tisch liegt - der Haushalt 2012 -, ist ein seriöser, gewichtiger Haushalt, ein Haushalt für die Zukunft. Helmuth Markov hat es gesagt: Unsere Politik steht unter dem Vorsatz „Wandel sozial gestalten“. Das ist es. Wir wollen in der Tat solide Haushalte. Wir wollen den Haushalt dieses Landes in den nächsten Jahren so gestalten, dass es keine neue Nettokreditaufnahme mehr gibt. Aber wir wollen ihn sozial gestalten, denn wir wollen das Erreichte, die großen Errungenschaften in diesem Land, nicht infrage stellen und werden es nicht infrage stellen.

Grob gerechnet 10 Milliarden Euro ist der Betrag, der als Ausgabenpotenzial für das nächste Jahr in diesem Buch vor Ihnen liegt; die dazugehörigen Einnahmen basieren auf Schätzungen, auf Steuerschätzungen, auf Vermutungen. Wer genau hinhört inzwischen, glaube ich, hat es jeder mitbekommen -, weiß, dass das, was vor einigen Wochen und Monaten noch angekündigt war - eine weiter anhaltende positive Wirtschafts- und damit auch Einnahmeentwicklung -, sich nicht unbedingt fortsetzen wird. Ich will hier nicht einer Rezession das Wort reden, aber wir müssen uns, wenn wir uns um die Haushaltspolitik des Landes kümmern, bewusst sein, dass positive Prognosen ganz schnell ins Gegenteil umschlagen können. Wir haben das im Mai 2010 erlebt. Da gab es eine Steuerschätzung, die Mindereinnahmen in Höhe von 80 Millionen Euro gegenüber der vorherigen Prognose vorhersagte, und ein halbes Jahr später, im November 2010, waren es Mehreinnahmen von 220 Millionen Euro. Innerhalb eines halben Jahres 300 Millionen Euro mehr oder weniger ist das, was derzeit angesichts der globalen Finanzkrise, die nicht beendet ist, bei Steuerschätzungen Realität ist; das ist manchmal mehr Kaffeesatzleserei.

Deswegen bin ich sehr froh, dass unser Finanzminister und das Landeskabinett sich nicht dazu haben bringen lassen, mit unseriösen Zahlen eine scheinbar schnellere Konsolidierung des Haushalts in den Raum zu stellen, obwohl es nichts gibt, was dafür spricht, dass es sich so schnell umsetzen lässt, wie es uns manch andere Länder im Augenblick weismachen wollen - etwa Thüringen oder Sachsen-Anhalt. Wenn die dort bis zu 1 Milliarde Euro globale Minderausgabe im Haushalt vorsehen also einen nicht gedeckten Scheck, kann man sagen; in dieser Höhe ist das ein nicht gedeckter Scheck - und hoffen, die Liquidität wäre dann, wenn es an die Abrechnung geht, schon da, so ist das nicht seriös. Man kann diese globalen Minderausgaben bis zu einem gewissen - kleineren - Teil immer in einem Haushalt vorsehen. Aber so, wie dort gerechnet wird, ist es nicht seriös.

Deswegen ist es überhaupt kein Problem, wenn wir sagen: Wir rechnen konservativ damit, dass leider auch im nächsten Jahr eine Nettokreditaufnahme in Höhe von etwa 270 Millionen Euro erforderlich ist. - Das ist nicht schön, aber es ist seriöse Haushaltspolitik, wenn wir das Ziel - bis spätestens 2014 die Nettokreditaufnahme auf null zu senken - in den nächsten Jahren weiterverfolgen.

Das ist übrigens - davon bin ich überzeugt - nicht etwa konservative, sondern linke Politik. Haushaltskonsolidierung ist eine Politik, zu der diese rot-rote Koalition uneingeschränkt steht und stehen muss, denn Haushaltskonsolidierung ist auch ein Gebot sozialer Gerechtigkeit. Wir wollen die Banken nicht

dauerhaft mit unseren Zinsen finanzieren, sondern Spielräume für soziale Politik in diesem Land eröffnen,

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

und dafür brauchen wir einen soliden Haushalt.

Deswegen - noch einmal - stehen wir uneingeschränkt zum Ziel der Haushaltskonsolidierung. „Die Küken werden im Herbst gezählt“ sagt ein altes Sprichwort. Im Herbst dieses Jahres - eigentlich im Winter - werden wir prüfen, wie viel wir tatsächlich an Krediten aufnehmen. Wenn ich es richtig sehe, sieht es im Augenblick gegenüber der ursprünglichen Planung noch ganz gut aus. Es wird sehr wenig, fast gar nichts sein. Das ist doch mal ein Beispiel dafür, wie sich seriöse Haushaltspolitik im Konkreten auszahlt. Wir setzen seriös, weil wir etwas pessimistischer herangehen als die großartigen Prognosen auf Bundesebene, eine Nettokreditaufnahme an, werden aber natürlich im Haushaltsvollzug alles daransetzen, diese so wenig wie möglich auszuschöpfen.

Wenn wir uns angucken, welche Vorschläge die Opposition heute habe ich gar nichts gehört, das sagte ich schon - im Übrigen hat, dann stellen wir fest, dass das das Gegenteil von seriöser Haushaltspolitik, von Haushaltskonsolidierung ist. Die Ludwig-CDU will mehr Polizisten. Die Ludwig-CDU will mehr Geld für freie Schulen - natürlich - und für viele andere Projekte. Die Ludwig-CDU will keine Kürzungen bei Investitionen und Wirtschaftsförderung - alles gute Sachen, selbstverständlich. Die Ludwig-CDU will mehr Geld für Kultur, Bildung und Familienzentren.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Sie will längst überfällige Strukturreformen verweigern. Die Ludwig-CDU bekämpft Investitionen in erneuerbare Energien, einem Wachstumsmarkt, auf dem wir in Brandenburg Vorreiter sind.

Und dann: Wollen Sie jetzt den Flughafenstandort oder nicht, Frau Dr. Ludwig und Ihre CDU? Ich weiß es immer noch nicht, auch nicht nach Ihrer Rede. Das alles ist etwas, was unserem Standort schadet und was einfach verdammt viel Geld kosten würde.

Gucken wir noch etwas auf das, was die andere CDU - die auf Bundesebene tätige - gemeinsam mit der FDP anstellt: Da geht es immer nur darum, die Steuern zu senken; das hören wir; wir verweisen auf die Schuldenbremse. Sie wollen im europäischen Maßstab die Haushalte konsolidieren, aber für den eigenen Haushalt gilt das nicht. Fast jeder zehnte Euro im Bundeshaushalt wird 2012 nach der Planung kreditfinanziert. Da machen wir im Land Brandenburg zum Glück weit bessere Politik als die CDU im Bund. Mir ist eine seriöse Haushaltspolitik nach Brandenburger Motto viel, viel lieber.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE - Zuruf von der CDU: Ja, ja!)

Gleichzeitig sind uns die CDU und die FDP auf Bundes- und Landesebene aber immer noch Antworten schuldig, auch zu dem, was Helmuth Markov schon angemahnt hat. Wo ist denn die versprochene Finanztransaktionssteuer, die wir doch brau

chen, um auch Landesaufgaben zu finanzieren? Weil: Alles, was auf dieser Ebene erfolgt, spielt eben nicht in Davos, sondern hier - in Potsdam -, das spielt auch in Elsterwerda eine ganz große Rolle.

(Zuruf von der CDU: Und in Cottbus!)

Und wo ist die Beteiligung der Besserverdienenden? Nehmen Sie doch das Angebot der vernünftigen Besserverdienenden an, die selbst sagen: Wir sind bereit, mehr Steuern zu zahlen! Die Vernunft ist doch bei diesen Leuten viel ausgeprägter als bei Ihnen.

(Burkardt [CDU]: Ich sage nur Cottbus!)

Wo ist denn ein hartes Durchgreifen gegen Steuersünder? Wo bzw. wann bekommen wir endlich einmal Regulierungsvorschriften für den Bankensektor? - All das, meine Damen und Herren, spielt hier eine ganz massive Rolle; denn jeder Euro, der auf Bundesebene nicht eingenommen wird, weil man diese Dinge nicht ausschöpft, fehlt letzten Endes anteilig auch unserem Land Brandenburg für unsere sozialen und anderen Verpflichtungen, die wir hier erfüllen müssen und wollen.

Das ist eine Politik der Beliebigkeit und Verantwortungslosigkeit, die allen etwas verspricht, aber im Grunde genommen nur den Reichen in diesem Land etwas gibt. Eine sehr fatale Politik! Das, meine Damen und Herren, werden wir nicht unterstützen.

(Beifall SPD)

Diesbezüglich sind wir ganz entschieden anderer Meinung als Sie. Ich bin stolz darauf, dass wir hier weiter eine Politik mit sozialem Augenmaß verfolgen - eine Politik, die alle Menschen mitnimmt und für den sozialen Ausgleich und für Gerechtigkeit in unserem Land sorgt.

Vor wenigen Minuten kam die Meldung, dass wir im August die niedrigste Arbeitslosigkeit in diesem Land seit 20 Jahren haben. 10,3 % beträgt die Arbeitslosenquote im August. Das ist noch immer zu viel, jedoch ist es die niedrigste Quote seit 20 Jahren. Und dann sprechen Sie davon, dass die Menschen in diesem Land mit der Politik unzufrieden sind? - Die große Zufriedenheit der Menschen in diesem Land manifestiert sich doch nicht nur in Umfragen,

(Dombrowski [CDU]: Hat die Umfrage ergeben!)

sondern auch in solchen Zahlen, durch die erkennbar wird: Wir sind auf dem richtigen Weg - auch hinsichtlich der Wirtschaftspolitik -, und zwar seit langem. Nicht ohne Grund ist die Sozialdemokratische Partei mit Bezug auf die Wirtschaftskompetenz in Umfragen lange an der CDU vorbeigezogen.

Das sollte Ihnen zu denken geben, wenn Sie stets das Menetekel von veränderten Vorschriften an die Wand malen, die angeblich die Wirtschaft im Land blockieren. Das ist absurd; das wissen alle. Auch diesbezüglich sind wir im ständigen Gespräch mit allen Interessierten und vor allem mit den Vereinen und Verbänden im Land, die wissen, dass wir eine seriöse, zukunftsgerichtete Politik betreiben, die den Wirtschaftsstandort und natürlich auch die Privatinitiative nicht schwächt, sondern stärkt.

Zudem werden wir selbstverständlich weiterhin für Prioritäten eintreten. Priorität hat vorrangig die Bildung in diesem Land.