Zudem ist ein zeitigeres Ansetzen der Frühförderung zu verzeichnen. Vor einigen Jahren setzte die Frühförderung bei den Kindern bei durchschnittlich 4,3 Jahren an und nun bereits bei unter 3-Jährigen. Es ist sehr wichtig, dass Frühförderung so früh wie möglich beginnt. Auch diese Indizien verdeutlichen die Wirksamkeit dieser Instrumente.
Es gibt auch sogenannte Stoßseufzer in diesem Bericht, das wollen wir einräumen. Unter anderem ist die Bürokratie beim Einladungs- und Rückmeldewesen zu hoch, gibt es einen hohen zeitlichen und personellen Aufwand beim Controlling-System und ist die Ermittlung der Hauskinder sehr kompliziert. Sie haben völlig Recht: Bei den Hauskindern gibt es enormen Nachholbedarf. Bislang erreichen wir lediglich 15 % der Hauskinder. Wie bereits erwähnt: Das eine oder andere muss noch besser werden.
Zu unserem Entschließungsantrag möchte ich noch zwei Punkte erwähnen; denn zwei Dinge können wir aus diesem Bericht konkret herauslesen, weshalb wir sie auch hervorgehoben haben.
Erstens: „Netzwerke Gesunde Kinder“. Diese Erfolgsgeschichte muss eine Regelstruktur in Brandenburg werden. Diesbezüglich schauen wir zur Bundesregierung in Berlin. Wir gehen davon aus - dafür werden wir uns starkmachen -, dass mit dem derzeit dort diskutierten Bundeskinderschutzgesetz die „Netzwerke Gesunde Kinder“ als Regelfinanzierung aufgenommen werden. Schauen wir einmal, ob uns das gelingt.
Zweitens: Im Bericht ist - das sagen auch Experten - deutlich zu erkennen: Es klafft eine große Lücke zwischen den Schuleingangs- und den Schulabgangsuntersuchungen. Dies resultiert daraus, dass es dazwischen keine weitere Untersuchung gibt, die wir jedoch gern einführen würden. Wir hoffen und erwarten, diesbezüglich die niedergelassenen Ärzte zu überzeugen, weil wir diese Untersuchung für sehr wichtig erachten.
Insofern wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diesen Bericht zur Kenntnis nehmen, ihn in den Fachausschüssen weiter diskutieren und unserem Entschließungsantrag zustimmen könnten. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinderschutz und Kindergesundheit geht uns alle an; denn uns allen liegt das Wohl der Kinder am Herzen. Die Kleinen müssen in Sicherheit aufwachsen und sich gemäß ihres Alters und ihrer Talente frei entwickeln können. Die Familie hat die Aufgabe, den Kindern dabei den Schutz und Rückhalt zu geben, den sie brauchen, um die Welt zu entdecken. Eltern bieten ihnen Liebe, Geborgenheit und Rückhalt.
„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“
Der Staat übernimmt also eine sogenannte Wächter- und Schutzfunktion, insbesondere dann, wenn Eltern ihrer Verantwortung nicht nachkommen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist zentrale Aufgabe des Staates, um das Wohl und die Gesundheit der Kinder zu sichern. Diese Aufgabe muss erfüllt werden, bevor etwas geschieht. Prävention ist - auch diesbezüglich sind wir uns wohl alle einig - das wichtigste Instrument; denn werden Misshandlungen oder Vernachlässigungen bei einem Kind entdeckt, hat es zumeist bereits einen langen Leidensweg hinter sich. Frau Ministerin Münch hat vorhin zwei traurige Schicksale erwähnt.
Es gilt, den Kindern diese Schicksale zu ersparen und sie in Frieden und Sicherheit aufwachsen zu lassen. Um das zu erreichen, sollte man schon vor der Geburt damit beginnen, die werdenden Eltern bei der Vorbereitung auf ihre Zukunft zu unterstützen und zu begleiten. Das „Netzwerk Gesunde Kinder“ leistet dies durch die Unterstützung ehrenamtlicher Paten, die
sich in einem Netzwerk zusammenschließen und sich gegenseitig beraten. Dieser nachhaltig angelegte Ansatz ist sehr erfolgreich. Wichtig ist, dass die Eltern hilfreiche Informationen bekommen und der Pate mit seinem Know-how zur Verfügung steht.
Im Bericht werden positive Einflüsse genannt. Zum Beispiel wird im Vergleich nur bei 5,8 % der Netzwerk-Kinder ein Förderbedarf festgestellt und nehmen sie häufiger an der U7aUntersuchung teil. An dieser Stelle sind wir in Brandenburg bereits auf einem guten Weg. Jedoch ist es für uns alle nicht angebracht, die Hände in den Schoß zu legen. Alle Eltern müssen unabhängig von der sozialen Herkunft für die Wichtigkeit dieser Untersuchungen sensibilisiert werden.
Auch der Gesetzentwurf zur Novellierung des Kinderschutzgesetzes, der von der Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde, greift diese Methode der Prävention, der „Frühen Hilfen“ auf. Dies soll helfen, von Anfang an die Potenziale und Kompetenzen der Eltern zu stärken. Sie sollen verstetigt und entwickelt werden. Zudem sollen die elterlichen Erziehungskompetenzen unter anderem durch den Einsatz von Familienhebammen gestärkt werden.
Auf dieser Grundlage und auf der Grundlage der Erfahrungen, die wir auch durch das „Netzwerk Gesunde Kinder“ gesammelt haben, halten wir es für sinnvoll, dass es eine Neuregelung im SGB V gibt - so, wie Sie es in Ihrem Entschließungsantrag fordern - und wir eine Regelfinanzierung für die „Netzwerke Gesunde Kinder“ eingehen.
Der Einsatz von Familienhebammen soll gestärkt werden. Familienhebammen sind staatlich examinierte Hebammen, die über eine Zusatzqualifikation verfügen. Für deren Fortbildung ist das Land zuständig. Ihre Aufgabe ist es, die Eltern in belastenden Lebenslagen - sowohl in medizinischen als auch in psychisch-sozialen Angelegenheiten - zu unterstützen. Im Rahmen von regionalen Netzwerken „Frühe Hilfen“ sind sie eine zentrale Unterstützung und haben eine wichtige Lotsenfunktion.
Im Bericht der Landesregierung wurde richtig erkannt, dass das neue Bundeskinderschutzgesetz den Ansätzen des Landes Brandenburg im Bereich der Prävention, Intervention und Kooperation entgegenkommt und diese nachhaltig unterstützt. Genannt wird neben den frühen Hilfen auch die Befugnis zur Weitergabe von gewichtigen Anhaltspunkten bei Kindeswohlgefährdung. Es wird eine bundeseinheitliche Regelung der Befugnis von kinder- und jugendnahen Berufsgeheimnisträgern geben, die die Weitergabe von Informationen an das Jugendamt erlaubt. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit der Jugendämter verbessert, sodass Eltern, die sich durch Umzug der Kontaktaufnahme entziehen wollen, keine Chance mehr dazu haben.
Aufgrund der Zeit konnte ich nur einige Punkte nennen, die nun neu geregelt werden. Aber ich denke, dass sie es wert sind, dass die Landesregierung sie im Bundesrat konstruktiv unterstützt. Wir sollten nicht davon ablassen, den Kinderschutz stetig zu qualifizieren. Die Realität zeigt, dass es immer wieder Bereiche gibt, in denen wir etwas tun oder in denen wir Dinge verbessern müssen. Eine intensive Forschung zu Indikatoren, die mögliche Kindeswohlgefährdung anzeigen, aber auch eine hervorragende frühkindliche Bildung sind wichtiger Bestandteil des Kinderschutzes und der Kindergesundheit.
Zum Antrag der Regierungsfraktionen, Frau Lehmann: Wir werden diesem Antrag zustimmen, und wir wünschen uns, dass Sie unserem Antrag ebenfalls zustimmen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Der Kinderschutz und die Kindergesundheit haben einen wichtigen Platz in unserem Koalitionsvertrag. Deshalb gab es den Auftrag, die Instrumente und Vorschriften zur Kindergesundheit und zum Kinderschutz zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Dazu liegt uns ein umfassender Bericht vor, der unter der Federführung des Bildungsministeriums entstanden ist und Zuarbeiten durch das Sozialministerium, das Gesundheitsministerium und das Justizministerium enthält.
Die Komplexität der Evaluation entspricht den Anforderungen an einen modernen Kinderschutz, unter dem wir Linken mehr verstehen als die Abwesenheit von Misshandlung und Vernachlässigung. Grundlage für einen umfassenden Kinderschutz ist für uns die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, die für Deutschland am 5. April 1992 in Kraft trat. In diesem Sinne sehen wir Kinderschutz als systemischen Ansatz aus Gesundheitshilfe, Bildungswesen, Jugendhilfe, Familienunterstützung und Justiz.
Ihnen liegt ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor, in dem wir uns besonders auf die drei erstgenannten Bereiche beziehen. Das hat einen Grund, den ich etwas genauer erläutern möchte: Mit der Neufassung des Gesetzes zum öffentlichen Gesundheitsdienst im Jahre 2008 verschwand auch die Verpflichtung der Gesundheitsämter zur Untersuchung der Kinder in der 5. oder 6. Klasse. In meinem Kreis Spree-Neiße und in meiner Stadt Spremberg gab es diesbezüglich viele Proteste von Eltern, weil sie diese Untersuchung sehr zu schätzen wussten. Wenn wir diese Untersuchung mit der jugendzahnärztlichen Untersuchung vergleichen - in diesen Bereichen gibt es noch Untersuchungen und die diesbezügliche Datenerfassung -, dann können wir nachweisen, wie wirksam diese Untersuchungen im Sinne einer frühzeitigen Prävention sind. Es geht eben nicht in erster Linie um das Erkennen von Krankheiten, sondern um das frühzeitige Verhindern von Krankheiten. Das ist ein wesentlicher Teil von Kinderschutz, den wir uns genau so vorstellen.
Die Vertreter der Amtsärzte sagten bei der Anhörung damals, dass Schülerinnen und Schüler die einzige „Berufsgruppe“ im öffentlichen Dienst sind, die innerhalb von zehn Jahren keinen Anspruch auf eine Gesundheitsversorgung durch einen Betriebsarzt haben. Während sich also in Brandenburg die Gesundheitsdaten, zum Beispiel bei den Einschülern, in den letzten Jahren in wesentlichen Krankheitsbildern wie beispielsweise Adipositas und Übergewicht sehr positiv entwickelt haben, können wir das Gleiche am Ende der Untersuchungen nicht sagen. Da ist die Anzahl der Jugendlichen, die von Adipositas und Übergewicht betroffen sind, etwa um das Fünffache höher als bei der Einschulung. Also müssen wir sagen: Da
stimmt doch etwas zwischendurch nicht! Welche Bedingungen sind es, die hier auf die Gesundheit unserer Kinder schlecht einwirken? Diesen Ansatz wollen wir wieder genauso gestalten. Deshalb unser umfassender Entschließungsantrag.
Ihr Entschließungsantrag, Herr Kollege Büttner, geht genau in diese Richtung nicht. Darin steht etwas von Fehlermanagement für strukturelle Mängel im Kinderschutz, um Optimierungsmöglichkeiten zu erreichen. Wir können gern in den entsprechenden Fachausschüssen darüber reden, aber ich verstehe gar nicht, was Sie mit einem solchen Fehlermanagement meinen. Wenn Sie den Bericht gelesen haben, dann haben Sie gemerkt, dass jeder Fall von Misshandlung und Vernachlässigung sehr individuell ist und keine generellen Rückschlüsse zulässt. Das steht dem also direkt entgegen.
Ich sage auch noch etwas: Qualität der Betreuungsangebote zu verbessern, Angebote in der Familienbildung, das alles ist in unseren Maßnahmenplänen schon enthalten. Deswegen ist es überhaupt nicht notwendig, das noch einmal zu beschließen. Das sind Selbstverständlichkeiten.
Deshalb sind wir der Meinung, dass wir diesen Antrag ablehnen sollten. In unserem Entschließungsantrag ist alles Wesentliche auf den Weg gebracht, und wir hoffen, dass wir hiermit gute Maßnahmen zustande bringen.
zu den Kindesmisshandlungen mit Todesfolge auf der Grundlage von Staatsanwaltsakten? Aus diesem Bericht gehen erhebliche Mängel gerade bei den Jugendämtern hervor, strukturelle Mängel und menschliches Versagen, was man durchaus abstellen könnte.
Ja, da stimme ich Ihnen durchaus zu. Da wir diesen Bericht aber schon haben, müssen wir ihn nicht nochmals einfordern.
Vielen Dank. - Wir sind nun beim Beitrag der Abgeordneten Nonnemacher für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als wir in der 7. Plenarsitzung im Dezember 2009 auf Antrag der CDU und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über ein Landeskinderschutzgesetz diskutierten, haben wir uns allerhand anhören müssen. Ich bringe einmal eine kleine Auswahl an Zitaten:
„Wir, die Sozialdemokraten, haben ein Kindergesundheits- und Kinderschutzgesetz in unserem Wahlprogramm.... Wir haben das in der Koalition vereinbart. Diese Illusion muss ich Ihnen nehmen: Es ist nicht Ihre Idee.“
„Wir fordern ein Kindergesundheits- und Kinderschutzgesetz. Zunächst - auch das steht in der Koalitionsvereinbarung - sollen die Wirkungen der bisherigen Initiativen evaluiert werden.“
Dazu wurde damals der Beschluss „Instrumente und Vorschriften zur Kindergesundheit und zum Kinderschutz evaluieren und sachgerecht weiterentwickeln“ gefasst, dessen Ergebnis uns nunmehr, eineinhalb Jahre später, vorliegt. Wir haben in dieser Wahlperiode schon eine ganze Menge Berichte vorgelegt bekommen, die gut waren oder zumindest einen gewissen Erkenntnisgewinn gebracht haben. Dieser Bericht gehört leider nicht dazu.
In seinem Editorial kommt er zu der Erkenntnis, dass sich das, was evaluiert werden sollte, mangels operationalisierbarer Ziele nicht eindeutig im Hinblick auf ihre Wirkungen evaluieren lässt. Daher habe der vorliegende Bericht eher den Charakter einer beschreibenden Berichterstattung, der nicht die methodischen Maßstäbe einer wissenschaftlichen Evaluation einhalten kann. Wie wahr!
Die vorliegende Nichtevaluation reiht eine Menge teils interessanter, teils redundanter Beobachtungen aneinander. Über das Einladungs- und Rückmeldewesen können wir noch nichts sagen, weil erst die Schuleingangsuntersuchungen der Jahre 2011 bis 2014 abgewartet werden müssen. Außerdem hat „die Teilnahmerate an den Früherkennungsuntersuchungen als alleiniger Indikator hinsichtlich der Gesundheit der Kinder wenig Aussagekraft“.
Im „Netzwerk Gesunde Kinder“ arbeiten fast ausschließlich Frauen mit einem Durchschnittsalter von 47 Jahren als Patinnen. Sie bekommen häufig Geschenke, weil die Eltern zufrieden sind. Verbessert das die Gesundheit der Kinder? Eine Arbeitsgruppe des Netzwerkes befasst sich mit frühen Hilfen, jedoch wird ihre Arbeit gar nicht beschrieben.
30 % der Kinder weisen bei Schuleingangsuntersuchungen einen Beobachtungsbedarf und 8 bis 9 % einen Förderbedarf auf. Jungen und Kinder aus benachteiligten Milieus sind doppelt so oft betroffen. Warum ist das so? Nimmt das zu? Wo liegen wir
im Vergleich mit anderen Ländern? Eine absolut alarmierende Nachricht ist, dass 27 % aller Zweieinhalb- bis Dreieinhalbjährigen medizinisch relevante Befunde aufweisen, angeführt von Sprach- und Sprechstörungen. Was machen wir daraus?