Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

Ich bitte Sie also, bei der Wahrheit zu bleiben. Diese 15 Millionen Euro zweckgebundene Mittel sind nicht weitergereicht worden. Das möchte ich ganz klar festhalten.

Herr Jürgens, diese ganze Lobhudelei über die Universitäten und die Statistiken, die wir dazu gehört haben - alles wunderbar. Nur reicht es nicht, sich immer das Mäntelchen umzuhängen und zu sagen: „Wir haben schöne Universitäten, es ist alles ganz toll“, sondern man muss auch etwas dafür tun.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Derzeit sind zwei Strukturkommissionen im Land unterwegs. Die Strukturkommissionen stiften aber derzeit mehr Verwirrung, als dass sie wirklich Klarheit bringen. Es bleibt zu befürchten, dass wir genauso lange auf ein Ergebnis warten wie zum Beispiel auf das Musikschulgesetz – darauf warten wir fast zwei Jahre -; das wäre prekär für die Wissenschaft und die Hochschullandschaft. Und wenn sich jetzt schon an der BTU ein Professor vor die Studenten stellt und sagt: „Ich gehe dann mal!“ - mitten im Semester -, dann ist das ein Alarmzeichen, das auch wahrgenommen werden muss. Es wird aber nicht wahrgenommen.

Wir haben über Hochschulrücklagen gesprochen. Frau Dr. Münch hat vor ca. einem Jahr gesagt, dass das eine einmalige Angelegenheit, ein einmaliger Vorgang gewesen sei. Ich frage mich heute noch, ob sie das selbst geglaubt hat.

(Zuruf von Ministerin Dr. Münch)

- Doch, Sie haben gesagt, das sei eine einmalige Sache und werde nicht wieder vorkommen. Jetzt greifen wir wieder Hochschulrücklagen an, zwar für den Bau, aber auch Hochschulrücklagen. Es ist fraglich, inwieweit man hier wem noch vertrauen kann. Wenn Sie in den Koalitionsvertrag schauen, werden auch Sie feststellen: Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

So, wie mir der Glaube fehlt, fehlt vielen Hochschullehrern, dem Mittelbau und Studenten mittlerweile der Glaube an diese Hochschullandschaft in Brandenburg und an die Hochschulpolitik in Brandenburg.

Wir haben gelesen, dass es am Vorabend der Reichspogromnacht fast zu einem weiteren Eklat kam; Frau Ministerin Kunst hat ihn noch abwenden können. Es ist schon teilweise peinlich, was man dazu in der Presse lesen muss bzw. was an den Universitäten läuft. Ich muss deutlich sagen: Das MWFK ist für die Hochschulen da. Es ist nicht der Selbstbedienungsladen für Herrn Markov.

(Zurufe von der SPD sowie der Fraktion DIE LINKE)

Herr Markov, für diesen Vorgang, der hier stattgefunden hat, gibt es in der freien Wirtschaft klare Begrifflichkeiten, die auch justiziabel sind. Ich möchte fast rufen: Herr Justizminister, werden Sie tätig! - Aber das brauchen wir an der Stelle noch nicht, wir werden sehen.

Die Hochschulen sind leistungsstark, aber es gibt auch Schwächen. Man muss diese Schwächen herausarbeiten und punktuell dort ansetzen, wo sie bestehen.

Manch ein Profil muss eben noch gestärkt werden. Natürlich gibt es stark profilierte Hochschulen. Die Hochschule Eberswalde ist ein leuchtendes Beispiel. Wenn ich aber sehe, dass teilweise 8 Millionen Euro für sehr spezielle Projekte ausgereicht werden und danach einfach nichts in Gang kommt, dann muss ich nachfragen - und das wird eben nicht getan. Das ist auch Aufgabe des MWFK, der aber zu wenig nachgekommen wird.

Es muss für eine Profilierung gewisse politische Vorgaben geben, das heißt, es muss die Frage geklärt werden: Wohin wollen wir in der Wissenschaft und in unserer Wirtschaftspolitik überhaupt? Wenn es um die Fragen der Energiewirtschaft, der Gesundheitswirtschaft, der Ernährungswissenschaften oder der Kohlenstoffforschung geht, dann sind das prioritäre Ziele, die wir in Brandenburg verfolgen können und müssen. Dafür müssen wir auch die Hochschulen ausstatten. Wir müssen klare Ansagen machen.

Frau Prof. Kunst, machen Sie klare Ansagen! Schaffen Sie effiziente Konzepte, die schnell umgesetzt werden können! Stärken Sie die Hochschulen in ihrer Autonomie! Verzahnen Sie das MWFK und das Bildungsministerium stärker, damit der Übergang von der Schule zur Hochschule besser klappt! Denn wenn Vorkurse mittlerweile an der Tagesordnung sind, dann stimmt etwas nicht. Das behindert die Wissenschaft und kostet zusätzlich Mittel. Frau Ministerin, ziehen Sie diese Projekte, die angeschoben worden sind, durch und treten Sie all denen auf die Füße, die der Wissenschaft in Brandenburg entgegenstehen! - Danke.

(Beifall FDP)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Kunst.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den großen preußischen Reformen, die mit dem Namen von Stein und Har

denberg verbunden sind, gehört auch die von Wilhelm von Humboldt geprägte Bildungsreform. Ihr Ziel - damals ganz im Sinne der Aufklärung - war es, der befreienden Kraft von Bildung im damaligen Preußen Gewicht zu verschaffen. Das liegt zwar zeitlich schon etwas zurück, aber thematisch passt es durchaus zu dieser Aktuellen Stunde.

Der sich selbst bildende verantwortungsbewusste Bürger muss auch im heutigen Brandenburg als Erziehungsziel gelten. Die Teilhabe an einer freien Gesellschaft in einem freien Staat sollte nach den Vorstellungen Humboldts auch Aufgabe der nach aufklärerischen Vorbildern reformierten Universitäten sein.

Nicht nur im damaligen Preußen, sondern auch im heutigen Brandenburg besteht die Notwendigkeit und die Bereitschaft, unter den Bedingungen materieller Begrenztheit notwendige Reformen anzugehen, und zwar nicht durch die Beliebigkeit der Mittel, sondern durch eine bewusste Prioritätensetzung. Nach diesen Leitlinien richtet sich auch die brandenburgische Hochschulpolitik als Gegenstand unserer heutigen Debatte.

Meine Damen und Herren! Im Antrag zur heutigen Aktuellen Stunde finden sich einige Aussagen, die ich so nicht stehen lassen möchte. Sie nennen die in der Tat sehr hohe Anzahl von Bewerbern um einen Studienplatz - bis zu 80 000 - und stellen sie der im Vergleich dazu gering anmutenden Zahl von rund 9 500 Studienplätzen gegenüber. Damit zeichnen Sie - bewusst oder unbewusst - ein schiefes Bild. Denn wir alle wissen, dass sich interessierte Studenten mittlerweile an vielen Hochschulen - bis zu 25 Hochschulen - gleichzeitig bewerben. Das ist nicht schön, aber eine bundesweite Misere, die nicht das Land Brandenburg zu verantworten hat.

(Genau! bei der SPD - Beifall SPD)

Daraus resultiert, dass die Anzahl der Bewerber kein Beleg dafür ist, dass die Hochschulen im Verhältnis 1:10 regelrecht überrannt werden. Allerdings ist sie ein Indiz dafür - das ist positiv -, dass Brandenburgs Hochschullandschaft attraktiv und stark nachgefragt ist.

(Genau! bei der SPD - Beifall SPD und DIE LINKE)

Nach dem derzeitigen Trend scheint es in den alten Bundesländern tatsächlich sehr hohe Immatrikulationszahlen und damit verbundene Engpässe zu geben. Diese hohen Zahlen sind aber angesichts der Aussetzung von Wehr- und Zivildienst in Kopplung mit doppelten Abiturjahrgängen und den geburtenstarken Jahrgängen, die auf die Hochschulen zukommen, nicht überraschend. Die Situation in Brandenburg ist anders. Brandenburg ist nach wie vor stark nachgefragt. Wir werden die Zahlen der Studienanfänger des Vorjahres zumindest halten, aber wir werden nicht überrannt.

Die mir bisher vorliegenden Einschreibezahlen für Brandenburgs Universitäten zum Wintersemester bestätigen, dass die Hochschulen mit der erhöhten Nachfrage verantwortungsvoll umgehen und nicht ohne Rücksicht auf ihre Kapazitäten Studienanfänger einschreiben. Damit verbunden ist, dass kein Chaos herrscht oder besondere Überlastungen entstehen werden.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Es ist mir wichtig, noch ein weiteres schiefes Bild geradezurücken: Hochschulpaktmittel verdunsten nicht! - Auch dabei gilt der Erhalt der Materie.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie Beifall DIE LINKE)

Im Antrag zur Aktuellen Stunde wird der Eindruck erweckt, dass der Bund für die brandenburgischen Hochschulen 25 Millionen Euro bereitstellt, damit mehr Studienplätze geschaffen werden, die Landesregierung das aber nicht tut, deshalb nur 15 Millionen Euro eingeplant hat und davon auch noch 5 Millionen Euro für andere Zwecke als zum Nutzen der Hochschulen ausgegeben werden. Das alles ist falsch. Man muss es leider so deutlich sagen.

(Beifall SPD und DIE LINKE )

Das alles ist hier jetzt so falsch dargestellt worden, obwohl wir es in der vergangenen Woche im Wissenschaftsausschuss besprochen haben.

(Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE: Ge- nau!)

Insofern ist es mir eine Freude, noch einmal zu erläutern:

(Heiterkeit - Beifall DIE LINKE)

Der Hochschulpakt verlangt von Brandenburg nicht, mehr Studienplätze zu schaffen, sondern er verlangt, dass keine Studienplätze abgebaut werden. Das halten wir seit Jahren ein. Brandenburg gehört zu den sogenannten Halteländern und nicht zu denen, die zusätzliche Studienplätze aufbauen müssen.

Mehr noch: Brandenburg wird für Studienanfänger oberhalb der Referenzlinie mit allerdings zweijähriger Verzögerung zusätzliche Bundesmittel erhalten. Zu deren Höhe kann ich noch keine konkreten Summen nennen. Das Verfahren ist so, dass bisher, für das jetzige Wintersemester noch keine aktuellen letzten Zahlen vorliegen. Erst im Jahr 2013 wird ein zusätzlicher Mittelabfluss in Sack und Tüten sein. Zurzeit ist er ein ungefangener Fisch.

Der Hochschulpakt sagt Brandenburg keine 25 Millionen Euro zu, sondern er stellt diese als Höchstbetrag in Aussicht. Ich bin angesichts der Leistungsfähigkeit der brandenburgischen Hochschulen zuversichtlich, dass wir diesem Betrag nahekommen, aber: Das ist im Moment nicht mein Job, sondern mein Job ist, so seriös zu sein, zunächst nur mit dem wirklich Sicheren zu rechnen, und zwar einen Ansatz für die Veranschlagung als Drittmittel, der sicher realistisch ist, zu finden.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Deswegen kommt es zu den 15 Millionen Euro. Kommt mehr, werden wir es auch an die Hochschulen geben - so steht es ausdrücklich im Haushaltsplan -, sodass ich bitte, an der Stelle noch einmal genau nachzulesen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das steht im Protokoll, Herr Prof. Schierack!)

- Es steht im Protokoll.

(Frau Melior [SPD]: Im Protokoll der vorletzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses! Das wurde ausdrücklich gesagt! - Görke [DIE LINKE]: Das Protokoll des Wissen- schaftsausschusses lesen!)

In Kopplung der verschiedenen Zurufe: Es steht ergänzend zu den Informationen im Protokoll des Wissenschaftsausschusses, sodass es jedermann als Information zur Verfügung steht.

Zu den verschwundenen 5 Millionen Euro: Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass der Haushaltsplanentwurf an dieser Stelle nicht glücklich war. Aber, Frau von Halem, Sie haben in der letzten Woche im Ausschuss den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen gelesen, und Sie haben mitbekommen, dass er angenommen wurde. Somit wissen Sie doch, dass wir uns korrigiert haben - oder dass wir korrigiert wurden, wie Sie wollen.

(Frau Lehmann [SPD]: Ja!)

Sie wissen, dass das Thema erledigt ist und nichts verschwindet.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, blendet man die offensichtlichen Unrichtigkeiten in der Begründung aus, habe ich durchaus große Sympathien für Ihren Antrag und das Thema der Aktuellen Stunde, für das ich dankbar bin. Wir müssen - da sind wir uns einig - die Hochschulen weiter stärken, um wichtige Impulse für die Landesentwicklung zu erhalten und zu verstärken. Wir brauchen Studierende; wir müssen junge Menschen ins Land holen bzw. im Land halten. Wir benötigen eine starke Hochschulinfrastruktur, die schon ganz hervorragend vorhanden ist, um angesichts neuer aktueller Herausforderungen in Bezug auf die Weiterbildung, die Fachkräftesicherung oder die Innovationsfähigkeit handlungsfähig zu sein. Noch studieren mehr als die Hälfte der Studienberechtigten des Landes Brandenburg weder in Brandenburg noch in Berlin, sondern sie wandern in die anderen Bundesländer ab. Damit können wir uns nicht zufriedengeben.

Ich komme gleich dazu, wie wir unser Hochschulsystem weiter stärken und zukunftsfähig machen wollen. Erlauben Sie mir jedoch zunächst, auch zum Themenfeld Finanzen ein schiefes Bild aus dem Antrag zur Aktuellen Stunde geradezurücken.