Schwieriger wird es dann bei den Themen, bei denen Widerstand zu erwarten ist. Aber davon kann hier keine Rede sein. Hier handelt es sich um ein echtes Gewinnerthema, und so geht die Regierung mutigen Schrittes voran. „Inklusion“ weiß man in Brandenburg noch kaum zu buchstabieren, da schreibt die rot-rote Regierung in ihren Koalitionsvertrag, der Studiengang Sonderpädagogik werde wieder in den Kanon der an der Uni Potsdam angebotenen Fächer aufgenommen. Einzig die oppositionellen Grünen spotten: Nur, weil die Länder Berlin und Brandenburg mit ihren beiden bis dato rot-roten Regierungen nicht imstande waren, ihre Regeln und Studienangebote besser aufeinander abzustimmen, müsse doch das Ziel eigentlich eine bessere Kooperation mit Berlin sein und nicht der Rückfall in die Kleinstaaterei. Sehr viel mehr kritischere Töne gab es gar nicht, und so geht denn auch jetzt alles glatt.
Schlappe zwei Jahre nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags liegt der Antrag vor, dass in weiteren zwei Jahren die Ausbildung von Lehrkräften im Bereich Inklusionspädagogik begonnen werden kann. Unangenehme Haushaltsfragen verschieben wir mal lieber in die Zukunft. Weitere fünf Jahre später werden dann die ersten fertig ausgebildeten Absolventen an der Uni Potsdam begrüßt. Neun Jahre nach dem rot-roten Regierungsantritt - wenn das mal keine Leistung ist.
Die kleine Flunkerei, das Konzept sei in den Ausschüssen beschlossen worden, hätten wir Ihnen auch noch verziehen. Wahrscheinlich wollten Sie mit diesem Antrag die Aura von Kraft und Tatendrang versprühen. Sei Ihnen der Erfolg gegönnt. Wir wollen natürlich auch auf der Siegerseite stehen. Klar stimmen wir zu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Münch und ich haben im September dieses Jahres den beiden zuständigen Ausschüssen das Konzept zur Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung in Brandenburg vorgelegt und es gemeinsam mit den Abgeordneten diskutiert, nicht beschlossen das als Ergänzung zu dem eben gehörten Beitrag.
Die Tatsache, meine Damen und Herren Abgeordneten, dass Sie die Landesregierung auffordern, sich jetzt um die Einrich
tung von Studienangeboten zur Sonder- und Inklusionspädagogik zu kümmern, wird der Thematik durchaus gerecht. Es ist vorausschauend, denn die anstehende Novelle des Lehrerbildungsgesetzes ist ja noch nicht vom Landtag beschlossen worden. Andererseits gibt es den Handlungsdruck, zeitgerecht das vorzubereiten, was geplant ist, sodass 2013/14 das Angebot steht.
Einer der Kernpunkte des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderung ist es, dass erstmals nicht nur der gesetzliche Schutz bzw. die gesetzliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderung gefordert wird, sondern diesen Menschen positive einklagbare Rechte zugeschrieben werden. Man könnte sagen, die Konvention setzt stärker auf die Tat denn auf die gute Absicht. Die UN-Konvention verlangt die soziale Inklusion. Es geht nicht mehr nur darum, Menschen, die am Rande stehen, zu integrieren, sondern darum, allen Menschen von vornherein die Teilhabe an allen gesellschaftlichen Aktivitäten zu ermöglichen.
Die Landesregierung bekennt sich zur Inklusion. Die Reform bzw. der Ausbau der Lehrerbildung im Bereich der Sonderund Inklusionspädagogik ist eine Voraussetzung dafür. Die Umsetzung der Idee einer inklusiven Schule erfordert eine Neuausrichtung der Lehrerausbildung insgesamt, ist also mehr als nur eine kleine Aufgabe und systemisch zu sehen.
Um die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen, benötigen wir Lehrerinnen und Lehrer mit erweiterten Kompetenzen. Wir benötigen Lehrerinnen und Lehrer, denen es gelingt, Lerngeschehen im Unterricht für möglichst viele Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichem Vorwissen, unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und unterschiedlich verlaufenden Lernprozessen erfolgreich zu gestalten. Deshalb sind bereits in der Ausbildung die erforderlichen Kompetenzen zu entwickeln.
Das bedeutet konkret für das Land Brandenburg, dass zunächst und als erster Schritt im Lehramtsstudium für die Primarstufe ein Schwerpunkt Inklusionspädagogik eingeführt werden soll: dies für die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung. Für diesen Studiengang sind jährlich 60 Studienplätze vorgesehen. Die Vorbereitungen, um ein entsprechendes Angebot ab 2013 parat zu haben, laufen auf Hochtouren und sind im Zeitplan. Das Modell ist fertig erarbeitet und die Universität Potsdam auf die Einführung des Studiengangs vorbereitet.
Weiterhin müssen entsprechende Studienangebote für das Lehramt für die Sekundarstufen I und II an allgemeinbildenden Schulen angegangen werden. Den Kontext hatte Frau Große bereits erläutert. Sie können aber erst nach einer noch ausstehenden bundesweiten Einigung auf KMK-Ebene auf den Weg gebracht werden. Das bedeutet, dass perspektivisch alle Lehramtsstudiengänge so gestaltet werden müssen, dass Kompetenzen in der allgemeinen Inklusionspädagogik vermittelt werden. Künftige Lehrkräfte aller Schulstufen sollen über ein profundes Grundlagenwissen der Förderpädagogik und Inklusionspädagogik verfügen. Auch hierzu laufen die Gespräche zwischen MBJS, der Universität Potsdam und meinem Haus. Vorgesehen ist eine stufenweise Einführung ab dem Wintersemester 2013/14, beginnend zunächst nur mit der Primarstufe.
Meine Damen und Herren! Die UN-Behindertenrechtskonvention hat - ich sagte es bereits - neben den Willen die Tat gestellt. Ihren Willen entnehme ich dem ersten Teil des Antrags. Erlau
ben Sie mir aber auch, an die Tat zu erinnern. Diese finden Sie im letzten Teil des Antrags; das ist auch der Knackpunkt, Herr Büttner. Im Klartext: Die geschilderten zusätzlichen Studienangebote kosten Geld. Aus dem reduzierten Hochschuletat sind die zusätzlichen Angebote nicht zu finanzieren. Entsprechend ergibt sich, dass eine Erhöhung des Eckwertes für den Hochschuletat zur Einführung sowie zur Ausweitung des Angebots in den Folgejahren - jeweils pro Jahr - unumgänglich ist. Von daher hoffe ich auf Ihre Unterstützung. - Danke schön.
Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der Rednerliste zum Tagesordnungspunkt 15 angelangt, und ich stelle
den Antrag in der Drucksache 5/4211, Neudruck, zur Abstimmung. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? Beides ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag einstimmig angenommen.
Ich schließe Tagesordnungspunkt 15 und damit die heutige Sitzung. Ich erinnere Sie daran, dass wir nach den heute teilweise stürmischen Debatten einen Parlamentarischen Abend haben werden, der sich mit dem Thema Wind befasst. Die Firma ENERTRAG erwartet uns in der Landtagskantine. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.