Die leitenden Krankenhausärzte Deutschlands sprechen von einem Versorgungsgesetz für Vertragsärzte. Ihnen werden weitere Honorarsteigerungen in Aussicht gestellt, von denen nur ein kleiner Teil bei den Landärzten selbst ankommt. Nach massiven Honorarsteigerungen von 2007 bis 2010 um 4,7 Milliarden Euro oder 17 % gibt es jetzt unter dem Deckmäntelchen der Landarztförderung erneut einen kräftigen Schluck aus der Pulle.
sicherten finanziert werden, ohne dass eine Gegenfinanzierung durch konsequenten Abbau der Überversorgung erfolgt.
Die Honorarmittel für Ärzte steigen ohne spezielle Steuerungswirkung für alle, egal ob sie sich in unter- oder in überversorgten Gebieten niederlassen.
Für die Förderung der Landärzte stellt das Gesetz etwa 100 Millionen Euro in Aussicht; das geht in Ordnung. Über die Idee, dies könne durch erhebliche Einsparungen bei der stationären Versorgung gegenfinanziert werden, darf laut und herzlich gelacht werden. Die Kassen rechnen mit Kostenrisiken von etwa 600 Millionen Euro im Jahr 2012 und bis zu 2 Milliarden Euro ab 2013. Dabei werden besonders die sogenannte ambulante spezialärztliche Versorgung und die unsinnige Methodenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss als Preistreiber befürchtet. Für die Mehrkosten dürfen die gesetzlich Versicherten aufkommen.
Aus grüner Sicht ist dieser Gesetzentwurf nur durch grundlegende Neuorientierung an den Interessen der Patientinnen und Patienten und nicht an den wirtschaftlichen Interessen einiger Leistungserbringer zu retten. Der Antrag der Koalitionsfraktionen nennt einige der wichtigsten Punkte mit Nachbesserungsbedarf und wird von uns voll unterstützt; die Liste könnte von meiner Seite aus noch viel länger sein.
Merke: Die Versorgung der Bevölkerung wird dieser Gesetzentwurf nicht nachhaltig verbessern. Wer aber den Bock zum Gärtner machen will, der überlässt der Klientelpartei FDP weiterhin das Gesundheitsministerium.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Für die Landesregierung setzt Frau Ministerin Tack die Aussprache fort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich haben es Frau Nonnemacher, Frau Lehmann und Frau Wöllert auf den Punkt gebracht; Frau Nonnemacher hat es noch einmal zusammengefasst.
Herr Prof. Schierack, ich frage mich, wer Sie beraten hat. Ehrlich: Wir liegen weit auseinander; mit Landesinteressen hat das nichts zu tun, was Sie hier deutlich gemacht haben.
Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Das Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nur, es hat fast nichts mit dem zu tun, was vergangenes Jahr die 16 Gesundheitsminister einstimmig zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung, insbesondere im ländlichen Bereich, beschlossen haben.
Einige Kritikpunkte sind schon laut geworden. Ich möchte noch einige Punkte nennen, die uns im Gesetzentwurf fehlen: Das Umverteilungsmoment wird nicht berücksichtigt; das ist
bereits gesagt worden. Die Probleme der hausärztlichen Versorgung in der Fläche werden nicht ansatzweise gelöst. Wenn Sie etwas anderes sagen, sind Sie einfach auf dem falschen Dampfer. Das hat mit diesem Gesetz nichts zu tun! Es gibt weder Maßnahmen zur Schließung von Versorgungslücken noch Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität der ärztlichen Tätigkeit in strukturschwachen Gebieten.
Sie werden ja immer gut beraten von den Kollegen der Landesärztekammer und anderen. In diesem Fall liegen wir wirklich weit auseinander.
Vorhin ist von Frau Nonnemacher das Stichwort „Klientelpolitik“ gefallen. Ich kann nur unterstreichen: Genau diese Klientelpolitik steht im Vordergrund des Gesetzes. Mit einer wirklichen Strukturreform hat es nichts zu tun.
Andere Punkte sind von der Bundesregierung - das ist hier schon erwähnt worden - entgegen der Bund-Länder-Absprache neu in den Gesetzentwurf eingebracht worden. Ich nenne vor allem die Regelung zur sogenannten spezialärztlichen Versorgung. Es ist hier schon vieles gesagt worden; ich will es noch einmal unterstreichen. So, wie der Bund die Regelung zur spezialärztlichen Versorgung angelegt hat, ohne den Rahmen einer Bedarfsplanung oder einer Mengensteuerung festzulegen, steigen sowohl die Kostenbelastung als auch die Qualitätsrisiken. Das wissen Sie ganz genau, Herr Prof. Schierack.
Außerdem werden damit die hausärztliche und die Grundversorgung weiter geschwächt. Spezialisierung wird immer attraktiver - auch finanziell -, die Grundversorgung und die Allgemeinmedizin geraten dagegen weiter aus dem Fokus. Das ist das Gegenteil dessen, was wir in Brandenburg, aber auch - das haben die Gesundheitsminister mit ihren Beschlüssen deutlich gemacht - in ganz Deutschland brauchen.
Es ist allen Fachleuten völlig klar, dass es so nicht geht. Deshalb gab es zu diesem Thema ein einstimmiges Votum aller Länder im Bundesrat. Wir haben die Bundesregierung mit größtem Nachdruck aufgefordert, diese Frage jetzt aus dem Gesetz auszugliedern und zu einem späteren Zeitpunkt zu regeln. Dem kommt die Bundesregierung nicht nach. Der Bund hat in seiner Gegenäußerung erkennen lassen, dass ihm die Einwände der Länder letztendlich völlig egal sind und dass sie überhaupt keine Rolle spielen.
Um unsere Probleme im Land Brandenburg zu lösen, gibt es also aus unserer Sicht noch eine Menge Handlungs- und Verhandlungsbedarf.
Ein besonderer Kritikpunkt, der diesen Gesetzentwurf betrifft das war noch unter Gesundheitsminister Rösler -, ist, dass der gesamte Komplex Aus- und Weiterbildung aus dem Gesetz ausgegliedert worden ist. Das hat zur Folge, dass das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf und damit die Länderinteressen und ein Votum der Länder nicht gefragt sind. Das kritisieren wir sehr.
Vielleicht muss ich Ihnen das Verfahren im Bundesrat noch einmal verdeutlichen. Es gab zum Beispiel während der Beratung im Gesundheitsausschuss mehr als 100 Änderungsanträge; das Gesetz in Gänze ist jedoch nicht zustimmungsbedürftig, weil genau dieser Passus herausgenommen wurde und die Länder an der Nase herumgeführt wurden.
- Das sind ganz sicher die eigentlichen Probleme, die auf der Tagesordnung stehen, und die haben Sie ausgelagert.
(Bretz [CDU]: Mäßigen Sie sich bitte, ja! - Lachen bei der Fraktion DIE LINKE und bei der SPD - Frau Leh- mann [SPD]: Jetzt ist Herr Bretz gerade aufgewacht! - Zuruf des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])
Ursprünglich sollte heute im Bundestag das Gesetz in 2. und 3. Lesung beschlossen werden; das ist aber auf Anfang Dezember verschoben worden. Daran wird deutlich, dass es noch eine Menge Regelungsbedarf gibt. Möglicherweise bietet dieser Zeitraum, der nun gegeben ist, auch die Möglichkeit zum Nachdenken. Ich empfehle Ihnen, in den Gesetzentwurf zu schauen.
Mit der Beschlussfassung - es soll ab 01.01.2012 in Kraft treten - ist sicher, dass die Länder die Möglichkeit haben, ein Gremium zur sektorenübergreifenden Rahmenplanung mit beratendem Charakter zu installieren. Wir werden dafür Landesrecht schaffen und diese Möglichkeit wahrnehmen. Ich sage Ihnen schon heute zu, dass wir den Gesundheitsausschuss rechtzeitig informieren werden, damit wir uns dazu beraten können. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin Tack. - Das Wort erhält noch einmal die Fraktion DIE LINKE. Frau Abgeordnete Wöllert setzt die Aussprache abschließend fort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schierack, ich gebe Ihnen mit Ihrer Feststellung ausdrücklich Recht: Dieses Gesetz ist kein Spargesetz. Aber die Rechnung bezahlen die gesetzlich Versicherten. Über die ungerechten Zusatzbeiträge,
die Sie verursacht haben, zahlen sie die Kosten, von denen Frau Nonnemacher gesprochen hat, allein. Ihre Gesundheitsversorgung wird dadurch aber keinen Deut besser.
Denken Sie daran: Es geht um gesundheitliche Versorgung, nicht nur um medizinische Versorgung. Ich glaube, Sie kranken daran, dass Sie Klientelpolitik betreiben und dafür sorgen, dass die medizinische Versorgung als das alleinige Drehrad betrachtet wird
Ihr KBV-Vorsitzender, Herr Köhler, hat das, was Frau Nonnemacher hier schon als Begründung des Gesetzes vorgetragen hat, als das Positive an diesem Versorgungsstrukturgesetz benannt: dass es nun endlich Freiberuflichkeit gibt, Therapiefreiheit und Diagnosefreiheit sichert.
An die Diagnosefreiheit und die Therapiefreiheit möchte kein einziger Politiker heran. Insofern weiß ich nicht, woher Sie immer diese Angstzustände bekommen. Diese beiden Dinge haben auch nichts damit zu tun, ob ein Arzt niedergelassen oder angestellt ist. Therapiefreiheit und Diagnosefreiheit sind jedem Arzt - auch im Krankenhaus - zugesichert. Das hat mit seiner Stellung im Beruf nichts zu tun. Betreiben Sie also nicht immer eine Politik der Angstmache; die bringt unterm Strich nichts.