Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

(Heiterkeit)

(Unterbrechung der Sitzung: 12.17 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.16 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich eröffne den Nachmittagsteil der 45. Plenarsitzung! Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, begrüße ich ganz herzlich Schülerinnen und Schüler aus dem Beruflichen Gymnasium in Falkenberg. Seien Sie herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ich bitte darum, dass der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD dafür sorgt, dass der Schriftführer Sören Kosanke hier erscheint; denn wir haben eine namentliche Abstimmung, bei der seine Anwesenheit hilfreich wäre.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweites Gesetz zur Änderung des Verfassungsgerichtsgesetzes Brandenburg

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/3350

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 5/4215

Die Aussprache wird mit dem Beitrag der CDU-Fraktion eröffnet. Der Abgeordnete Eichelbaum hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute die Novellierung des Landesverfassungsgerichtsgesetzes, das auch die Grundlage für die Arbeit unseres höchsten Gerichts in Brandenburg darstellt. Ich freue mich, dass heute auch der Präsident des Landesverfassungsgerichts, Herr Postier, der Debatte beiwohnt.

Ich möchte zunächst die Gelegenheit nutzen, mich im Namen meiner Fraktion bei den ehemaligen und amtierenden Verfassungsrichtern für ihre Arbeit zu bedanken.

(Allgemeiner Beifall)

Nicht alle Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts sind unumstritten, aber jeder einzelne Verfassungsrichter hat einen Beitrag dazu geleistet, das Gemeinwesen in Brandenburg weiterzuentwickeln, und dafür gesorgt, dass die Grundrechte in Brandenburg gewahrt und geschützt werden. Dafür ein herzliches Dankeschön!

Die Urteile des Landesverfassungsgerichts sind aber auch nur deshalb anerkannt und allseits akzeptiert, weil die grundsätzlichen Fragen der Arbeitsweise und der Besetzung des Gerichts hier im Landtag in der Vergangenheit immer fraktions- und parteiübergreifend beraten und beschlossen wurden. Wir müssen heute leider feststellen, dass die Koalitionsfraktionen diesen Konsens aufgekündigt haben. In der vergangenen Woche brachten SPD und Linke im Hauptausschuss einen Änderungsantrag als Tischvorlage ein, wonach der Präsident und der Vizepräsident im Landtag mit einfacher Mehrheit gewählt werden sollen. Dies geschah ohne Einbeziehung der Oppositionsfraktionen und ohne Einbeziehung des mitberatenden Rechtsausschusses. Ich sage Ihnen: So geht das nicht, so kann man kein Verfassungsgerichtsgesetz verabschieden, das auf einer breiten parlamentarischen Basis stehen soll.

(Beifall CDU)

Natürlich kann man über Ihren Vorschlag diskutieren, den Präsidenten und den Vizepräsidenten mit einfacher Mehrheit zu wählen. Dies wurde ja auch, zwar ohne gesetzliche Verankerung, in der Vergangenheit so praktiziert.

Aber wir müssen doch auch zur Kenntnis nehmen, dass sich die Stellung des Präsidenten und des Vizepräsidenten in den letzten Jahren verändert hat. Der Präsident des Landesverfassungsgerichts wird heute in der Öffentlichkeit nicht mehr als einer unter Gleichen wahrgenommen, er ist in einer herausgehobenen Position und wird deshalb auch oft als oberster Richter des Landes bezeichnet. Besonders deutlich wurde dies beispielsweise beim Thema Stasi-Überprüfung in der Justiz. Hier hat der Präsident des Landesverfassungsgerichts öffentlich auch die Position des Justizministers unterstützt, ohne dass eine Klage hierzu beim Landesverfassungsgericht anhängig war. Auch wenn ich in dieser Frage einer anderen Meinung bin, so habe ich die öffentliche Äußerung des Verfassungsgerichtspräsidenten nicht zu bewerten. Aber dieses Beispiel zeigt eben exemplarisch, dass die Worte des Präsidenten eine ganz andere Wirkung entfalten als die eines „normalen“ Verfassungsrichters.

Auf diese veränderte Stellung und Position des Verfassungsgerichtspräsidenten muss man gesetzgeberisch reagieren. Wir schlagen Ihnen deshalb mit unserem Änderungsantrag vor, den Präsidenten und den Vizepräsidenten ebenfalls mit einer Zweidrittelmehrheit zu wählen. Dies wird so bereits auf Bundesebene und auch in den meisten anderen Bundesländern praktiziert. Nur so kann man zumindest verhindern, dass der Anschein erweckt werden könnte, der Präsident oder der Vizepräsident wären ein Instrument der jeweiligen Regierungsmehrheit.

(Beifall der Abgeordneten von Halem [GRÜNE/B90])

Oder, wie es der Präsident des Verfassungsgerichts, Rüdiger Postier, 2009 richtigerweise sagte:

„Erst Politikdistanz schafft die Voraussetzung für eine akzeptierte Politikkontrolle.“

Der Präsident und der Vizepräsident wären durch die Mitwirkung der Opposition mit einer größtmöglichen Legitimation und Neutralität ausgestattet. Zu diesem Ergebnis kommt auch die verfassungsrechtliche Stellungnahme des Justizministers, der wir uns voll und ganz anschließen können.

Ein weiterer Punkt unseres Änderungsantrages betrifft die Aufhebung der Altershöchstgrenze für Verfassungsrichter. Dieses Thema wurde schon oft im Rechtsausschuss diskutiert. Nach der derzeitigen Rechtslage endet das Amt des Verfassungsrichters mit Ablauf des vollendeten 68. Lebensjahres. Uns erschließt sich aber nicht, warum diese Beschränkung in Brandenburg überhaupt noch besteht. Wir haben ein ehrenamtliches und kein hauptamtliches Gericht, wie es das Bundesverfassungsgericht darstellt. In keinem anderen Verfassungsorgan gibt es eine Altershöchstgrenze für deren Mitglieder, weder bei Abgeordneten noch bei Ministern. Warum also bei Verfassungsrichtern? Es ist jedenfalls nicht erkennbar, warum ehrenamtliche Verfassungsrichter nicht auch über das 68. Lebensjahr hinaus in dieser Funktion tätig sein sollten, wenn sie sich fit dafür fühlen und wenn sie auch fit dafür sind. Wir sollten die Erfahrung und das Wissen, über das diese Altersgruppe verfügt, nicht nur in anderen gesellschaftlichen Bereichen, son

dern auch für die Entscheidungen unseres Landesverfassungsgerichts nutzen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Der Abgeordnete Ziel hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir schätzen die Arbeit des Verfassungsgerichts und des Präsidenten sehr hoch und sind sehr dankbar dafür, dass das Verfassungsgericht uns wegweisende Hinweise für unsere Arbeit gibt, dafür ist es da, und diesen Dank möchte ich ebenfalls aussprechen.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, die Zielstellung war, eine Gesetzesänderung, eigentlich eine Anpassung vorzunehmen. Diese Zielstellung ist durch eine Reihe technischer Anpassungen, über die es hier im Haus keinerlei Streit gibt, erfüllt worden. Deshalb möchte ich dazu auch nicht Stellung nehmen, sondern nur zu zwei Punkten Stellung beziehen.

Der erste Punkt betrifft den § 4 des Gesetzes: die Zweidrittelmehrheit, die eben schon angesprochen worden ist. Verfassungsrichter werden in unserem Land mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Dies soll nach dem Antrag der Opposition nun auch auf die Wahl der Präsidenten und Vizepräsidenten ausgedehnt werden. Das kann man machen, aber man muss es nicht machen. Ich denke, wer schon einmal mit zwei Dritteln gewählt worden ist, muss nicht ein zweites Mal mit zwei Dritteln gewählt werden.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE - Zuruf von der CDU: Er muss überhaupt nicht mehr gewählt werden!)

Wenn wir schon Vergleiche anstellen - wir können mit anderen Bundesländern vergleichen; ich habe das natürlich gelesen, auch die Stellungnahmen dazu -, so können wir es auch mit der Wahl der Ministerpräsidenten in den Ländern vergleichen. Ich denke, sie genießen ebenfalls ein außerordentlich hohes Ansehen. Manche Ministerpräsidenten haben das allerhöchste Ansehen in ihren Ländern, und sie werden mit einfacher Mehrheit gewählt, und soviel ich weiß, Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler ebenfalls. Man sollte sich also nicht allzu sehr echauffieren.

Wie der Antrag nun in den zuständigen Hauptausschuss gekommen ist, darüber kann man noch einmal sprechen, finde ich. Wenn es daran Kritik gibt, so nehmen wir diese entgegen und werden daraus auch Schlussfolgerungen ziehen können.

(Frau Lehmann [SPD]: Genau!)

Der zweite Punkt ist schon ein wenig kritischer. Das ist § 6, die Altersgrenze. Ich möchte einmal etwas zur Entstehung des ersten Gesetzes sagen. Damals war es so, dass wir Anfang der 90er-Jahre sehr schnell alle Gesetze für das Land Brandenburg auf den Weg bringen mussten. Wir haben immer auch geschaut, wie die Bundesregelungen aussehen, die 68er-Regelung vorge

funden und sie übernommen. Bundesverfassungsrichter sind jedoch hauptamtlich tätig. Hierbei geht es um ein Ehrenamt, und ich meine schon, dass - wir heben das überall so hoch - die Menschen, auch wenn sie älter sind, Ehrenämter ausüben sollen. Dort gibt es Auszeichnungen, und alle Fraktionen sind sich darin einig, dass wir das achten wollen, und ich sage: Dann sollten wir das an dieser Stelle auch tun.

(Beifall SPD und CDU)

Das war auch mein Vorschlag im Rechtsausschuss. Aber ich habe nicht umsonst damit begonnen, dass technische Änderungen erfolgen sollten. Das war der Auftrag, und dieser ist erfüllt worden. Dabei, wie wir mit der Altersgrenze umgehen, möchte ich vor allem eines vermeiden: Mir ist später gesagt worden: Herr Ziel, Sie möchten eine bestimmte Lex für derzeitige Amtsinhaber entwerfen. - Ich kann jeden beruhigen: Die derzeitigen Amtsinhaber stehen so hoch über den Dingen, dass sie das für sich überhaupt nicht fordern. Man sollte die Kirche bitte im Dorf lassen. Aber was künftige Amtsinhaber angeht, könnte man darüber sprechen, denke ich. Frau Prof. Heppener hat mir zum Glück eine Broschüre der Landesregierung in die Hand gedrückt, in der sich auch Kollege Baaske dazu äußert.

(Zuruf der Abgeordneten Muhß [SPD])

Daraus geht hervor, dass die Landesregierung vorhat, diesen Punkt ohnehin noch für alle Gesetze zu prüfen. Dazu kann ich nur sagen: Nur zu! Wir werden uns daran beteiligen, und wir wollen darin einbezogen werden.

Was die Anträge der Opposition betrifft, so ist meine Empfehlung, diese abzulehnen und das Gesetz so anzunehmen, wie es erarbeitet worden ist. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ziel. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Die Abgeordnete Teuteberg hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den Grund, aus dem wir heute ausführlicher debattieren, hat Herr Kollege Eichelbaum bereits genannt: die kurzfristige Tischvorlage im Hauptausschuss - und das bei einem Gesetz, das in besonderer Weise die Verfassung unseres Landes ausgestaltet.

Änderungsanträge zu zwei Regelungsgegenständen haben wir heute zu beraten und abzustimmen: zur Frage einer Altersgrenze für Landesverfassungsrichter und zur Frage, welcher Mehrheit die Wahl eines Verfassungsgerichtspräsidenten und seines Stellvertreters bedarf.

Ich konzentriere mich nun auf die Frage, mit welcher Mehrheit die Wahl des Verfassungsgerichtspräsidenten erfolgen sollte. Die bisherige Praxis, im Wege der Auslegung eine einfache Mehrheit genügen zu lassen, ist bereits fragwürdig. Ihre fragwürdigen Praktiken wollen die Koalitionsfraktionen auch noch gesetzlich festschreiben lassen.