Ich konzentriere mich nun auf die Frage, mit welcher Mehrheit die Wahl des Verfassungsgerichtspräsidenten erfolgen sollte. Die bisherige Praxis, im Wege der Auslegung eine einfache Mehrheit genügen zu lassen, ist bereits fragwürdig. Ihre fragwürdigen Praktiken wollen die Koalitionsfraktionen auch noch gesetzlich festschreiben lassen.
Das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit - so steht es auch in einer Stellungnahme des Ministeriums der Justiz zu dieser Frage - soll verhindern, dass Verfassungsrichter allein durch die jeweils tragende Parlamentsmehrheit und ohne jede Beteiligung der Opposition bestimmt werden;
denn schon der Anschein, das Landesverfassungsgericht könne ein Instrument allein der jeweiligen Parlamentsmehrheit sein, würde dem Ansehen des Gerichtes schaden.
Die Mitwirkung der Opposition hingegen fördert die ausgewogene Besetzung des Verfassungsgerichtes. Die Entscheidungen der Verfassungsgerichtsbarkeit brauchen mehr als jede andere Form staatlicher Machtausübung den besonderen Respekt derer, die sie zu beachten haben, und der Mann oder die Frau, dem bzw. der es obliegt, dieses Verfassungsorgan zu vertreten, benötigt deshalb auch einen breiten Rückhalt. Zu Recht hat in dieser Sache die Kollegin Stark in einer früheren Plenardebatte gesagt, es werden Persönlichkeiten gewählt, denen alle Seiten Vertrauen entgegenbringen können und müssen.
Genau dieses verfassungspolitische Anliegen aber schwächen Sie mit Ihrem Vorhaben. Sie beschädigen ohne Not genau das Verfassungsorgan, das in besonderem Maße unser aller Achtung bedarf.
Wir feiern im nächsten Jahr 20 Jahre Landesverfassung Brandenburg, 20 wichtige Jahre - zugleich nur 20 Jahre. Im geschichtlichen und verfassungspolitischen Zusammenhang ist das ein eher kurzer Zeitraum. Eigentlich liegt es auf der Hand, dass in verfassungspolitischen Fragen Sensibilität erforderlich ist, dass in Sachen freiheitlicher politischer Kultur Brandenburg nicht etwa fertig, sondern auf dem Weg ist. Ich erinnere hierzu an die Worte des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde, dass der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er nicht selbst garantieren kann.
Der freiheitliche Rechtsstaat bedarf einer freiheitlichen, pluralen Kultur und Mentalität derer, die ihn ausgestalten, und aller, die ihn zu achten haben, und ich betone im Namen meiner Fraktion: Wir Liberale wollen auf diesem Weg weitergehen. Wir wollen eine politische Kultur der Freiheit, des Pluralismus und der Rechtsstaatlichkeit fortsetzen. Wir wollen diese Werte stärken, und wir wollen sie verteidigen, wo immer sie in Brandenburg infrage gestellt werden.
Als läge dieses Erfordernis verfassungspolitischer Behutsamkeit, manchmal auch zu tun, was man nicht muss, aber was doch sinnvoll ist, nicht nahe, hat uns Rot-Rot in den letzten Tagen wieder einmal trauriges Anschauungsmaterial dafür geliefert, wie bitter nötig gerade in Brandenburg ein unabhängiger, über die Regierungsmehrheit hinaus getragener Verfassungsgerichtspräsident ist. Ich nenne hierzu nur zwei Beispiele: Nichtjuristen, die im Brustton der Überzeugung meinen, die Sinnhaftigkeit eines Mediationsverfahrens in einem beispiellosen
oder auch ein stellvertretender Ministerpräsident, der sich anmaßt, nach eigenem Belieben zu beurteilen, welche Bundesgesetze zur sogenannten Arbeitsgrundlage gemacht werden, als stünden rechtmäßig zustande gekommene Bundesgesetze im Belieben der Landesregierung.
Sie wollen jetzt diese Änderungen. Sie wollen in Zukunft allein bestimmen können. Das sind wir von Ihnen gewohnt. Das passt zu der Art, wie Sie regieren. In Brandenburg soll nicht nur nichts gegen Ihren Willen geschehen - denn dafür genügt die einfache Mehrheit -, nein, Sie wollen tatsächlich möglichst allein überall bestimmen. Selbst das Verfassungsgericht ist davon nicht ausgenommen.
Sie wollen mit Ihrem Änderungsantrag nämlich gesetzlich feststellen, dass Sie die Opposition, genau genommen, fast die Hälfte aller Abgeordneten, bei der Auswahl des Verfassungsgerichtspräsidenten nicht beteiligen müssen. Der Hinweis auf einzelne sogenannte alte Bundesländer ist dabei nicht hilfreich. Bei den Verfassungsgerichten, deren Mitglieder mit Zweidrittelmehrheit zu wählen sind, ist regelmäßig die gleiche Mehrheit für die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten vorgesehen. So ist es beim Bundesverfassungsgericht - warum also in Brandenburg Sonderwege beschreiten?
Frau Melior hat gestern in der Aktuellen Stunde zur Hochschulpolitik mit berechtigtem Hinweis auf das geschichtsträchtige Datum von folgenden Themen gesprochen: Toleranz, Minderheitenschutz, deutsche Einheit. Alles zu seiner Zeit. Heute haben Sie Gelegenheit, den großen Worten Taten folgen zu lassen. Schließen Sie an diesem Punkt die Kluft zwischen den Sonntagsreden von Vielfalt und Toleranz und der tatsächlichen Machtausübung! Erinnern Sie sich zur Abwechslung einmal an die positiven Aspekte des vielbeschworenen Brandenburger Weges, möglichst viele im Parlament mitzunehmen. Ergreifen Sie die Chance, bei der namentlichen Abstimmung in einer wesentlichen Frage politischer Kultur Sensibilität und Rückgrat zu beweisen. Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu. - Vielen Dank.
Herr Minister Markov hat darum gebeten, von seinem Rederecht Gebrauch machen zu dürfen. Dies räume ich jetzt ein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Teuteberg! Wir hatten gestern die Debatte bezüglich der Petition. Ich habe klar und deutlich gesagt, dass eine Mediation die Möglichkeit, sich zu einigen, voraussetzt. Diese Möglichkeit sehe ich nicht, wenn die eine Partei sagt, die Haftung habe zu greifen, und die andere Partei sagt, die Haftung habe nicht zu greifen, weil verjährt oder eben nicht. Dann muss ein Gericht das feststellen. Das ist nicht anders lösbar, weil sich von diesen Positionen keine Seite wegbewegen wird. Demzufolge ist eine Mediation zum Scheitern verurteilt.
Zum Zweiten: Wenn Sie meine Pressemitteilung gelesen hätten, dann hätten Sie feststellen können, dass in dieser Pressemitteilung kein einziger Satz, nicht einmal ein Gedanke zu finden ist, dass Gesetze, die verabschiedet werden, in Brandenburg nicht anzuwenden sind.
Herr Abgeordneter Burkardt hat jetzt eine Kurzintervention angemeldet. Herr Minister Markov hat soeben von § 31 Abs. 1, wonach Mitglieder der Regierung jederzeit Rederecht haben, Gebrauch gemacht. Wir sind daher ein wenig unschlüssig, aber ich erteile Ihnen jetzt das Rederecht zu einer Kurzintervention, obwohl das eigentlich ein Instrumentarium ist, um auf die Redebeiträge von Abgeordneten zu reagieren.
Nach den Ausführungen des Finanzministers muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass ihm die Kollegin Teuteberg vorgehalten hat, sich über den wohlgemeinten Rat, die wohlgemeinte Empfehlung eines höchsten Richters in diesem Land hinwegzusetzen,
der gesagt hat, genau dieser Fall sei für eine Mediation geeignet, weil eben unterschiedliche Positionen gegeneinander im Raum stünden. Wenn das nicht so wäre, dann brauchte man überhaupt keine Mediation.
(Zuruf der Abgeordneten Krause und Frau Kaiser [DIE LINKE] sowie des Abgeordneten Holzschuher [SPD])
Der Vorwurf von Frau Teuteberg lautet im Kern: Diese Regierung setzt sich über die Gerichtsbarkeit dieses Landes mit schnöden Argumenten hinweg. Das kann ich nur nachdrücklich unterstreichen. Das ist falsch und begründet den Antrag.
Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Der Abgeordnete Görke hat das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihre Polemik, Herr Kollege Burkardt, ist zu diesem Tagesordnungspunkt völlig unangemessen.
Deshalb möchte ich auf die Beratung des Gesetzentwurfes zurückkommen, der vor der Sommerpause eingebracht worden ist und nun seit mehreren Monaten in diesem Parlament bera
ten wird. Es hat am 24. August dazu eine Anhörung im Hauptausschuss gegeben, als der Präsident des Landesverfassungsgerichts angehört wurde.
Bei dieser Beratung ist deutlich geworden, dass der Gesetzentwurf eine rein technische Anpassung an EU- und Bundesgesetzgebung ist. Es ist eine Anpassung, weil sich die Geschäftsstelle durch den Umzug ins Justizzentrum verändert hat; das muss nachjustiert werden. Auch die Frage der Gleichstellung der Lebenspartnerschaften ist rein formal in diesem Gesetz neu geregelt worden.
Am 22. August hat sich der Rechtsausschuss damit beschäftigt. Das Protokoll über diese Ausschusssitzung liegt Ihnen auch vor.
„Der Rechtsausschuss beschloss einstimmig, ohne Stimmenthaltung, dem Hauptausschuss die Annahme des Gesetzentwurfs der Landesregierung in 2. Lesung in unveränderter Fassung zu empfehlen.“
Vorausgegangen waren zwei Fragen von Abgeordneten der SPD, die die Regelung der Altersgrenzen - Herr Kollege Ziel hat es soeben noch einmal getan - thematisiert hatten.
Herr Abgeordneter Görke, lassen Sie eine Zwischenfrage, gestellt von Frau Abgeordnete Teuteberg, zu? Das ist eine neue Frage.
Zwei Fragen zum Inhalt Ihres Beitrages: Inwiefern ist die Festschreibung der einfachen Mehrheit eine Angleichung an Bundesrecht, wenn im Bundesverfassungsgerichtsgesetz für die Wahl des Präsidenten die Zweidrittelmehrheit gefordert wird? Und haben Sie mitbekommen, dass im Rechtsausschuss nur eine Frage gestellt wurde und die Frage der einfachen Mehrheit gerade nicht Gegenstand des Beschlusses des Rechtsausschusses wurde? Wir wurden im Rechtsausschuss auch nicht nochmals gefragt, bevor der Hauptausschuss Ihre Tischvorlage beschlossen hat.