Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

- wir schon - und Abstimmungen einführen. Nein, uns ist klar, dass es nicht damit getan sein kann, die Verfassung zu ändern. Wir müssen den 16- und 17-Jährigen gleichzeitig vor Augen führen, welche Rechte sie ganz praktisch haben werden und warum es nützlich ist und warum es Spaß machen kann, genau diese Rechte zu nutzen. Dafür brauchen wir eine Informationskampagne mit langem Atem, wofür wir ebenfalls zusätzliches Geld bereitstellen werden. Das alles sollte man bedenken bei der Frage, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Man sollte es zumindest einmal zur Kenntnis nehmen.

Trotzdem sprechen einige - wir haben es heute erlebt - immer noch von Kürzungen. Ehrlich gesagt, wäre auch ich glücklicher, wenn dieser Krug an uns vorübergegangen wäre, vor allem, weil diese „Kürzungen“ - ich setze das Wort einmal in Anführungszeichen - von Personalrücklagen, also Geld, das man für unvorhergesehene Ereignisse oder schlechte Zeiten, wie man sagen kann, beiseite gelegt hat, mittlerweile für alle möglichen Probleme im Bildungshaushalt herhalten müssen, egal ob es einen Zusammenhang damit gibt. Meistens gibt es ihn nicht.

Nur damit man es einmal gehört hat, möchte ich als kleines Potpourri darauf hinweisen, welche Leistungen alle in diesem rund 1,5 Milliarden Euro großen Haushalt des MBJS nicht gekürzt werden: Die Schüler-Lehrer-Relation ist koalitionsvertraglich bis zum Ende der Legislaturperiode gesichert. Hier wird nicht gekürzt. Beim Sport und bei der Jugendarbeit: keine Einschnitte. Das „Tolerante Brandenburg“ wird unverändert gefördert. Wir merken jetzt, wie wichtig das ist und auch in Zukunft bleiben wird. Die Volkshochschulen werden auch im kommenden Jahr in unveränderter Höhe unterstützt genauso wie die Jugendarbeit der Kommunen.

Die soziale Flankierung von Bildungsanstrengungen wird durch den Rechtsanspruch auf Schüler-BAföG und - wo das nicht greift - durch Mittel aus dem Schulsozialfonds gewährleistet. Das alles geschieht in einer Zeit, in der überall sonst Haushaltsvolumen sinken und Förderprogramme gekürzt werden oder ganz auslaufen. Wer diese Zusammenhänge sehen möchte, kann erkennen, dass Bildung im Brandenburger Landeshaushalt sehr gut aufgestellt ist.

(Beifall SPD und des Abgeordneten Krause [DIE LIN- KE])

Wenn das so ist, heißt das eben auch, verantwortungsvoll und effektiv mit Geld umzugehen. Genau darum geht es bei der viel diskutierten Reform der Schulamtsstrukturen. Dass reine Verwaltung zentral und effektiv stattfindet, Beratung, Unterstützung und - ich sage auch - Lehrereinsatz so nah wie möglich an den Schulen passiert, ist das Thema. Das scheint im Prinzip doch ziemlich jedem einzuleuchten. Deshalb hoffe ich, dass wir im neuen Jahr hier wieder zu einer sachlichen Diskussion zurückkommen.

Diese sachliche Diskussion hätte ich mir auch über und mit den Schulen in freier Trägerschaft gewünscht. Ich sage das ganz offen. Ich erkenne das Engagement von Lehrern, Eltern und Kindern, denen wir in den letzten Wochen und Monaten begegnet sind, hoch an. Ich muss rückblickend aber feststellen, dass aus meiner Sicht einiges in der Kampagne der letzten Woche die Grenzen des guten Geschmacks deutlich überschritten hat.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Nicht alles, aber einiges, was ich an starken und lauten Worten von Schülerinnen und Schülern gehört habe, auf Transparenten, Postkarten und in E-Mails gelesen habe, geht über diese Geschmacksgrenze bei mir hinaus. Ich sage das ganz offen.

Ich möchte es so ausdrücken: Von einem Umfeld, das sich besonders innovativer Pädagogik verschrieben hat, hätte ich eine etwas elegantere Argumentation erwartet. Ich bin nur selten so oft - und ich unterstelle - bewusst falsch interpretiert worden

oder wir als Koalition sind falsch interpretiert worden. Uns ist so viel Unrichtiges unterstellt worden: Wir wären der Meinung, dass an freien Schulen nur die Reichen und Schönen wären. Das haben wir nie gesagt und nirgends aufgeschrieben. Das ist gängige Unterstellung. Dass wir Schulen in freier Trägerschaft jetzt überhaupt nicht mehr genehmigen oder gar abschaffen wollen, ist auch eine Unterstellung. Dass uns dabei ideologische Motive leiten, passt auch so gut ins Bild. Auch das ist uns immer wieder vorgehalten worden.

(Zuruf der Abgeordneten Nonnemacher [GRÜNE/B90])

Dazu sage ich ganz gelassen: Gucken Sie sich einfach in der Umgebung in Ostdeutschland um. Die gleichen unedlen Motive muss man dann auch der CDU in Sachsen oder der Großen Koalition in Thüringen unterstellen.

(Frau Melior [SPD]: Genau!)

Nein, könnten es nicht einfach sowohl dort als auch hier ganz pragmatische Motive sein, die auch andere Länder, gerade ostdeutsche Bundesländer, dazu brachten, nach einer Aufbauphase zu überlegen, wie private Schulen im Vergleich zu öffentlichen Schulen finanziert werden und wie das nebeneinander funktioniert?

Ganz grundsätzlich: Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sich dafür entschieden, dass Bildung in erster Linie Aufgabe des Staates sein soll. Es sollte aber kein staatliches Monopol geben. Deshalb soll es in Ergänzung Schulen in freier Trägerschaft geben. Jetzt behaupten die Schulen in freier Trägerschaft permanent, sie würden benachteiligt. Gleichzeitig werden alle Zahlen, die uns diesbezüglich vom Bildungsministerium geliefert werden, in Zweifel gestellt.

Legen wir die Zahlen in Euro und Cent so, wie sie sind, beiseite! Was sehen wir dann? Wir sehen, dass es freie Träger schaffen, noch kleinere Schulen an den Start zu bringen als das Land Brandenburg mit seinem Modell „Kleine Grundschule“ - und das nur wenige Kilometer von einer anderen staatlichen Grundschule entfernt.

Auch die Zweizügigkeit in der Oberstufe und die Mindestzahl von 30 Schülern scheinen für Schulen in freier Trägerschaft keine ökonomische Notwendigkeit zu sein. Im Berliner Umland schaffen es diese Schulen sogar, die Klassengröße auf unter 20 Schülerinnen und Schüler zu begrenzen und damit aktiv zu werben.

Das alles kann man Ihnen nicht vorwerfen, aber es scheint zumindest keine Anzeichen für Benachteiligung zu geben. Auch das, was wir in den letzten Wochen und Monaten mit dieser gut durchgestylten und durchorganisierten Kampagne in hoher Qualität bekommen haben, nährt bei mir nicht den Eindruck von Benachteiligung. Nein, ich habe nur Schulen in freier Trägerschaft gesehen, die unter sehr guten Bedingungen arbeiten.

Mit der neuen Finanzierung werden es dann immer noch gute Bedingungen sein, die sich an den Konditionen des öffentlichen Schulsystems orientieren. Meine Hoffnung ist, dass sich der Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Schulen dann wieder auf das konzentrieren wird, worum es gehen muss, nämlich auf einen Wettbewerb um die beste Pädagogik und nicht auf einen Wettbewerb um die kleinste Klasse. Wir haben

in den letzten Wochen die Kürzung bei Schulen in freier Trägerschaft um rund 3,5 Millionen Euro reduziert. Wer sich auf der Website der Kampagne umschaut und den dortigen Newsletter abonniert hat, erfährt aber eigenartigerweise nichts von dieser Reduzierung.

Nachdem wir uns die Dimension der Kürzung in den einzelnen Schulformen noch einmal genau angeschaut haben - wir haben sehr genau differenziert nach Grundschulen, Oberschulen und beruflichen Schulen -, haben wir diese Reduzierung vorgenommen. Jetzt befindet sich Brandenburg da, wo andere Bundesländer schon seit Jahren sind. Überall dort existieren auch freie Schulen auf verfassungsgemäßer Basis sowie ein vielfältiges System von Schulen in freier Trägerschaft, so wie es auch in Brandenburg ist und bleiben wird. Denn die Schulen in freier Trägerschaft gehören zu unserer Schullandschaft dazu. Darüber werden wir uns im Bildungsausschuss regelmäßig informieren lassen, und nicht nur dann, wenn - wie in unserem Entschließungsantrag vorgesehen - sich die Faktoren der Berechnungsformel ändern sollten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ein Fazit, wenn auch ein eher unpolitisches, der Debatten der letzten Wochen um die Schulen in freier Trägerschaft kann ich nur den dringenden Appell an öffentliche Schulen senden: Gehen Sie mit Ihrem Profil, Ihrem Programm, Ihren Projekten viel öfter in die Öffentlichkeit! Laden Sie Presse und Politiker genauso oft ein wie die Privaten! Zeigen Sie, was Sie machen, wie sich Eltern, Schüler und Lehrer engagieren! Zeigen Sie, wie Sie FLEX machen, Ganztagsschule, Berufs- und Studienorientierung! Das wird nicht nur den Ruf Ihrer Schule deutlich verbessern, sondern auch das Ansehen der Bildung in Brandenburg insgesamt. Denn ich habe gelernt: Gute Bildung muss man nicht nur machen, sondern man muss auch darüber reden. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen einmal einen kurzen Zwischenstand, weil es in dieser Konstellation nicht so ganz leicht ist, die Redezeiten in den Fraktionen einzuteilen. Wir haben zum Haushalt insgesamt zehn Blöcke und 120 Minuten Redezeit, das heißt im Schnitt pro Block 12 Minuten Redezeit. Wenn man dann Einzelredezeiten von bis zu 23 Minuten und zum selben Haushaltsplan noch einen zweiten Redner hat, könnte das zum Schluss der Debatte Schwierigkeiten geben.

Ich sage deshalb einmal, wie viel Redezeit jede einzelne Fraktion jetzt noch übrig hat; dann können Sie überlegen, wie Sie das einteilen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat noch 67 Minuten, DIE LINKE noch 57 Minuten, die SPD noch 77, die CDU noch 87, und die FDP hat es am besten - sie hat noch 91 Minuten.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Schierack [CDU])

Da die FDP aber mit dem nächsten Redebeitrag an der Reihe ist, wird sich das sofort mindern.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sicher, dass wir das jetzt etwas verringern können.

(Holzschuher [SPD]: Müssen wir aber nicht!)

- Herr Holzschuher, wir müssen Sie ja auch ertragen.

Herr Kollege Günther, Sie haben Ihre Rede begonnen, indem Sie gesagt haben, Sie wollten ein realistisches Bild von der Bildungspolitik in diesem Land zeichnen. Man hat den Eindruck, Sie haben diesen Teil Ihrer Rede völlig vergessen. Sie haben hier Märchen erzählt, und diese Märchen können wir Ihnen jetzt auch gleich nachweisen.

(Vereinzelt Beifall FDP und CDU - Zuruf des Abgeord- neten Jürgens [DIE LINKE])

Ich bin ja ein fleißiger Leser des Brandenburg-Kuriers, dieses Pamphlets der sozialdemokratischen Fraktion hier im Parlament. Darin gibt es eine Anzeige: „11 Millionen Euro mehr für die Bildung“. Dort steht dann unter anderem, man habe 11 Millionen Euro mehr für die Bildung unserer Kinder eingeplant,

(Holzschuher [SPD]: 36 Millionen!)

und das sei ein ganz großer Erfolg, weil die Landesregierung bzw. die SPD will, dass alle Kinder von Anfang an gute Lebenschancen haben, und deswegen müsse man die Priorität auf gute Bildung legen. Es gebe ein Maßnahmenpaket der SPDFraktion - darin kommen die Linken gar nicht mehr vor - mit zusätzlichen 11 Millionen Euro. Meine Damen und Herren, das ist nun wirklich ein tiefer Griff in die Mottenkiste der politischen Propaganda! Das ist Sand in die Augen der Menschen streuen!

(Vereinzelt Beifall FDP, CDU sowie GRÜNE/B90)

Sie haben 13 Millionen Euro im Bildungshaushalt gestrichen! Da können Sie doch nicht allen Ernstes den Menschen verkünden, dass Sie 11 Millionen Euro mehr investieren würden!

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Herr Günther, kommen wir einmal gleich zu Ihnen: Sie haben hier gerade gesagt - weil Sie ja keine Ahnung von Steuerökonomie haben -, dass man nicht auf der einen Seite Steuern senken und auf der anderen Seite Geld in Bildung investieren könne.

Ich nenne Ihnen ein paar Zahlen, die Sie scheinbar permanent vergessen: Diese Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP hat in dieser Legislaturperiode 12 Milliarden Euro mehr für die Bildung eingeplant.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Das ist deutlich mehr, als Ihre letzte sozialdemokratische Bildungsministerin Bulmahn jemals in ihrem Haushalt hatte.

(Vereinzelt Beifall FDP und CDU)

Wir haben übrigens, Herr Jürgens, weil Sie sich so furchtbar

aufregen, 2 Milliarden Euro für den Qualitätspakt Lehre eingestellt. Insofern erzählen Sie uns hier nicht, das eine und das andere würde nicht gehen. Es funktioniert - man muss nur Ahnung davon haben, wie es funktioniert. Wenn Sie diese nicht haben, kann ich nichts dafür, meine Damen und Herren.

Beginnen wir doch einmal mit dem Thema frühkindliche Bildung. Frau Kollegin Große, es hilft doch überhaupt nichts, dass Sie hier permanent die Schuld an der Unterfinanzierung den Vorgängerregierungen zuweisen. Sie sind es doch, die es jetzt anders machen sollen. Das Problem ist: Sie machen es nicht.

(Zuruf der Abgeordneten Wöllert [DIE LINKE])

- Frau Wöllert, zu Ihnen komme ich später.

Sie haben für den Haushalt 2012 erklärt, diese Regierungskoalition sei so toll und sie habe den Betreuungsschlüssel in den Kindertagesstätten verbessert. Das war alles, was Sie bis jetzt gemacht haben!