Protokoll der Sitzung vom 16.12.2011

Ich darf Ihnen das Abstimmungsergebnis bekannt geben. Wir haben 30 Jastimmen, 50 Neinstimmen und 1 Enthaltung. Damit ist dieser Entschließungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 3980)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 2 und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Achtes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/4163

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 5/4411

Der Abgeordnete Lakenmacher beginnt die Debatte für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Meine Damen und Herren! Nach fünf Jahren Überprüfung und umfassender Evaluierung sehen wir uns darin bestätigt, dass es richtig und wichtig war, die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für die Maßnahmen Kennzeichenfahndung, Verkehrsdatenabfrage und Mobilfunkortung zur Gefahrenabwehr im Jahr 2006 im Polizeigesetz Brandenburg zu verankern. Ich habe in meiner Rede hier vor knapp einem Monat, noch im Vertrauen auf Vernunft, darauf gebaut, dass diese Maßnahmen nun endlich entfristet und dauerhaft für die Polizei im Land Brandenburg zur Verfügung stehen werden. Diese Annahme hatte ich vor allem nach den ganz unmissverständlichen und positiven Ergebnissen, die uns die Experten des Max-Planck-Instituts entsprechend ihrer unabhängigen wissenschaftlichen Begleitforschung zu diesen Maßnahmen - im Innenausschuss präsentiert haben.

Die Evaluation hat hier den absoluten Ausweis der Unbedenklichkeit und Unersetzbarkeit dieser Maßnahmen zum Ergebnis gehabt. Die 2006 und teilweise noch 2008 formulierten Ängste und Vorbehalte sind hier vollständig ausgeräumt worden. Meine Damen und Herren, Herr Minister, deshalb sage ich heute wiederholt: Wir täten gut daran, der Brandenburger Polizei diese Maßnahmen endlich entfristet und dauerhaft zur Verfügung zu stellen.

Die von Rot-Rot beabsichtigte nochmalige Befristung ist nun ein falsches Signal; es ist ein Signal der Inkonsequenz und Entscheidungsschwäche, und ich muss fragen: Was wollen Sie eigentlich noch außer dieser unabhängigen Evaluation und den eindeutigen Ergebnissen, um diese Maßnahmen zu entfristen?

Mit diesem falschen Signal werden nun die Bürger und vor allem auch die ohnehin stark verunsicherten Bediensteten der Brandenburger Polizei zurückgelassen. Die Polizei und die Beamten im polizeilichen Alltag müssen aber das ganz berechtigte Gefühl haben, dass die Politik unbeirrt und entschieden hinter ihnen steht. Wenn hier zur Begründung der nochmaligen Befristung ins Feld geführt wird, dass diese polizeilichen Befugnisse Eingriffe in Grundrechte bedeuten, kann man nur sagen: Selbstverständlich - jedwede polizeiliche Maßnahme auf

grund einer geschaffenen Ermächtigungsgrundlage bedeutet einen Eingriff in Grundrechte und muss entsprechend gerechtfertigt sein.

Herr Scharfenberg, Sie haben das ja auch mehrfach gesagt. Ich bitte Sie, noch einmal die Systematik zu hinterfragen. Das ist zum Beispiel auch bei einem Platzverweis oder der Identitätsfeststellung der Fall. Das sind klassische polizeiliche Maßnahmen. Wenn man Ihrer verirrten Begründung folgt, müsste man das gesamte Polizeigesetz befristen und immer wieder infrage stellen.

Nun zu den sicherheitspolitisch äußerst fragwürdigen Vorschlägen der Grünen, sehr geehrte Kollegin Nonnemacher. Die von Ihnen geforderte Streichung der automatischen Kennzeichenfahndung aus dem Polizeigesetz wäre nichts anderes als ein Rückschritt. Bedenken Sie bitte, es entfiele damit die Möglichkeit - bitte hören Sie genau zu - die automatischen Kennzeichenlesegeräte präventiv einzusetzen, zum Beispiel im Vorfeld von Fußballspielen, Rockertreffen, Aufmärschen von Extremisten oder auch bei der Suche nach vermissten Personen.

Ich muss Sie ernsthaft fragen: Wollen Sie das wirklich? Haben Sie das überhaupt bedacht? Auch Ihre Einlassung, dass die Menschen, die zu einer Demo fahren, damit erfasst werden könnten, ohne dass sie davon unterrichtet werden, ist schlicht und ergreifend falsch, Frau Kollegin Nonnemacher. Ich bitte Sie, hier die Norm noch einmal genau zu studieren bzw. zu lesen. Die Kennzeichenerfassung ist gemäß Polizeigesetz Brandenburg gerade nicht möglich, sondern lediglich die ganz gezielte Fahndung nach bestimmten Kennzeichen. Die Erörterung im Innenausschuss hat zudem ergeben, dass hier 116 rein präventive Einsätze im Untersuchungszeitraum stattfanden, darunter 93 Gefahrensituationen. All diese Einsätze hätten nach Ihren Vorschlägen so nicht stattfinden dürfen, und daher frage ich Sie nochmals: Wollen Sie das wirklich?

Zudem scheint Ihnen ja fernab der Praxis nicht klar, was Sie einzelnen Beamten und Polizeiführern, die vor Ort zu entscheiden haben, zumuten; denn im polizeilichen Alltagsgeschehen ist eine saubere Trennung nicht immer möglich, und der Beamte, der einen präventiven Einsatz riskiert, weiß nicht immer bzw. kann nicht immer genau sagen, ob dann später dieser Einsatz durch die repressive Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist. Dieses Risiko will ich unseren Beamten nicht zumuten.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter, schauen Sie bitte mal - es leuchtet seit geraumer Zeit rot. - Die Abgeordnete Stark setzt für die SPDFraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau vor fünf Jahren haben haben wir uns entschieden, diese Eingriffsbefugnisse, über die hier heute gesprochen wird Handyortung, Kennzeichenfahndung und Verkehrsdatenüberwachung - in unser Polizeigesetz aufzunehmen als drei Möglichkeiten im Instrumentenkasten der brandenburgischen Polizisten, damit sie ihre Arbeit gut machen können. Wir haben das damals vor dem Hintergrund gemacht, dass sich in Europa und

weltweit angesichts der Sicherheitslage sehr vieles verändert hatte und wir die Polizei immer aktuell in die Situation versetzen wollen, auf Verbrechen entsprechend zu reagieren.

Wir wissen aber - und da ist die SPD auch diejenige, die darauf immer großen Wert gelegt hat -, dass es sich um massive Eingriffsbefugnisse für Polizisten in Bürgerrechte handelt. Deshalb schien es uns damals und scheint es uns auch heute angemessen zu sein, großes Augenmerk auf den Umgang mit diesen Eingriffsbefugnissen zu richten. Deshalb haben wir damals auch diese Evaluation beschlossen, um unabhängig begutachten zu lassen, wie diese Eingriffsbefugnisse praktiziert worden sind.

Wir haben es nun mit einem Ergebnis zu tun, das uns auch sehr gefreut hat. Diese Evaluation hat zum Ausdruck gebracht - wie eigentlich auch zu erwarten war -, dass die brandenburgische Polizei sehr vorbildlich und sehr verantwortungsvoll mit diesen Eingriffsbefugnissen umgegangen ist. Hierzu hatten wir das Max-Planck-Institut gebeten - wir haben das hier auch schon mehrmals erörtert -, diese drei Eingriffsbefugnisse zu evaluieren. Allerdings - das möchte ich hervorheben - handelte es sich ausschließlich um eine juristische - eine rechtliche - und nicht um eine politische Bewertung derselben Situation.

Deshalb ist auch noch einmal hervorzuheben, dass sich das Gesetz an einer Stelle noch einmal positiv verändert hat: Bei der Verkehrsdatenabfrage wird es zukünftig so sein - so sieht es der Gesetzentwurf vor -, dass nicht mehr allein nur durch die Polizei die Anweisung zu treffen ist, die Veranlassung ausgesprochen werden kann, sondern sie muss durch einen Richter angeordnet werden. Das, denke ich, ist auch völlig korrekt. Also: Die Sicherheit in unserem Lande ist ein hohes Gut; dementsprechend hoch sind auch unsere Erwartungen an die brandenburgische Polizei.

Wir haben mit der Polizeistrukturreform das Ziel verfolgt, die Arbeit der Polizisten zu optimieren, Synergieeffekte zu erzielen. Da spielt auch die Anwendung von Technik eine große Rolle; das ist richtig. Auch wenn wir davon überzeugt sind und wir sind komplett davon überzeugt -, dass die Richtigkeit und die Wichtigkeit dieser Befugnisse angemessen ist, halten wir es für erforderlich, sie weiter zu praktizieren. Sie taten ja gerade so, Herr Lakenmacher, als würden wir diese Eingriffsbefugnisse in den nächsten vier Jahren nicht mehr zur Verfügung haben. Das stimmt so ja nicht. Weil es aber massive Grundrechtseingriffe sind, sollten sie wohl überlegt sein, sollten wir eine sorgfältige Abwägung vornehmen. Ich denke, es ist auch angemessen, die Anwendung dieser Eingriffsbefugnisse über einen weiteren Zeitraum zu beobachten.

Dass das nicht immer leicht ist - das möchte ich Ihnen an einem Beispiel belegen -, zeigte in diesem Jahr die Affäre um die Überwachung des Mobilfunkverkehrs friedlicher Demonstranten, unbeteiligter Anwohner und zufälliger Passanten in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden, praktiziert durch die sächsische Polizei.

Also: Wir sagen, es ist durchaus angemessen, genau hinzuschauen. Deshalb erkennen wir sehr wohl an, dass es von verschiedenen Seiten zum einen Bedenken gegen die permanente Ausweitung von Eingriffsbefugnissen in die Bürgerrechte gibt. Zum anderen sehen wir, dass die Polizei, wie gesagt, entsprechende Maßnahmen ergreifen dürfen muss, um Verbrechen zu bekämpfen. Deshalb ist es aus unserer Sicht angemessen, weiter

hin zu befristen. Damit wird allen Seiten Rechnung getragen, und ich denke, es ist ein gelungener Prozess. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Goetz setzt für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Als diejenigen von uns, die aus dem Osten kommen, im Jahre 1989 durch den Einsatz einiger für viele die Freiheit bekamen, geschah das quasi über Nacht. Wir wachten am nächsten Morgen auf und plötzlich, die diese Nacht miterlebt hatten, war die Freiheit da, plötzlich war die Gelegenheit da, seine Meinung frei zu äußern. Wenn Freiheit verschwindet, geschieht das nicht über Nacht, nicht mit einem großen Knall, es geschieht schleichend, Schnitt für Schnitt, Stück für Stück. Mit jeder einzelnen Maßnahme wird Freiheit gefährdet, wird kleiner. Manchen Einschnitt merkt man etwas stärker, manchen Einschnitt merkt man etwas weniger. Stärkere Einschnitte waren zum Beispiel der Große Lauschangriff - leider unter einer schwarz-gelben Bundesregierung. Stärkere Eingriffe sind auch die „Otto-Kataloge“ unter einer rot-grünen Bundesregierung nach den Ereignissen vom 11. September 2001.

Bei dem Thema, das wir heute debattieren, geht es unzweifelhaft um kleinere Einschnitte, die nicht so wirksam sind; aber auch dies sind Einschnitte in Grundrechte, Einschnitte in Grundfreiheiten, sind Beschränkungen von Freiheit. Weil Freiheit eben nicht plötzlich verschwindet, sondern nach und nach erodiert, kommt es darauf an, bei jedem einzelnen Einschnitt sorgfältig darauf zu achten, inwieweit die Notwendigkeit für diesen Einschnitt gegeben ist und wir ihn mittragen müssen.

In Ihrer Rede bei der Einbringung dieses Gesetzes, Frau Stark, haben Sie darauf hingewiesen, dass die Handyortung und die Kennzeichenerfassung möglicherweise auch geeignet seien, die Reduzierung des Personals bei der Polizei durch den Einsatz besserer technischer Mittel ein Stück weit auszugleichen. Das kann nicht unser Ansatz sein. Wir können nicht so herangehen, dass wir sagen, es werden Grundrechte eingeschränkt, weil bei der Polizei Reduzierungen auftreten werden. Damit machen wir Grundrechte wohlfeil, wir stellen Grundrechte zum Verkauf für Personaleinsparungen. Das ist die Konsequenz, die sich daraus ergibt.

(Beifall der Abgeordneten Nonnemacher [GRÜNE/B90])

- Vielen Dank, Frau Kollegin Nonnemacher. - Das können wir als Freie Demokraten in keinem Fall mittragen.

Was die Linke im Jahr 2008 gebracht hat, war unserer Ansicht nach die richtige Einstellung. Kollege Scharfenberg, ich habe Ihnen voriges Mal die Sachen hier auf dem Tisch liegen lassen, Sie hatten damals die richtige Erkenntnis; heute können Sie als Erfolg feiern, dass wohl eine weitere Befristung dieses Gesetzes erfolgen wird. Ich gehe durchaus davon aus, dass - ausgehend von der Diskussion in der Koalition, die aus der Linkspartei kam - man sagt: Wir befristen weiter, wir evaluieren noch

mal und führen es nicht unbefristet ein. Herzlichen Glückwunsch dazu!

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LIN- KE])

Wenn ich mehr dazu jetzt nicht sage, ist dies meiner Weihnachtsstimmung geschuldet; wir reden ja nachher auch noch über Fluglärm.

Was nun aber die Personalzahl angeht: Frau Kaiser, Sie sprachen vorhin in der Haushaltsdebatte von 185 neuen Polizeibeamten. Das ist falsch. Wir haben 150 im Haushalt; wenn man die Polizeisportler, die 10 neuen Stellen, hinzuzählt, kommt man auf 160. 185 sind es nicht. Hätten wir die 25 mehr, bräuchten wir vielleicht keine Handyortung, keine Kennzeichenerfassung,

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

die, wie Frau Stark sagte, dann möglicherweise das kompensieren soll, was an Personal nicht mehr vorhanden ist. Da liegen die eigentlichen Probleme.

Wenn wir uns fragen, ob wir diese Maßnahmen wirklich brauchen, dann muss ich sagen, haben wir auch da Ergebnisse gewonnen. Es gab kaum Einsätze sowohl zur Handyortung als auch zur Kennzeichenerfassung.

Richtig ist: Das Max-Planck-Institut hat festgestellt, dass es in der Vergangenheit keinen Missbrauch dieser Möglichkeiten gab, soweit Untersuchungen erfolgen konnten. Richtig ist aber auch - Murphys Gesetz: Was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen -, dass es zwangsläufig zu Missbrauch kommen wird. Richtig ist auch, dass es bereits jetzt zu Fehlern gekommen ist, nicht bei der Anwendung, sondern im Ministerium bei der Weitergabe der Daten an das Max-Planck-Institut. Das Innenministerium hatte zu einem entscheidenden Zeitpunkt schade, dass der Minister nicht zuhört - keinen Überblick über die tatsächlichen Einsätze von Handyortung und Kennzeichenerfassung und konnte deshalb diese Daten nicht an das MaxPlanck-Institut weitergeben. Es muss der maßgebliche Mitarbeiter gewesen sein, der damit befasst war, er hat es nicht gehabt, die Daten blieben irgendwo dort, wurden später nachgereicht. Verschwörungstheoretiker könnten jetzt meinen, es war denen vielleicht lieber, später zu sagen, sie hätten irgendwas in der Meldung vergessen, als möglicherweise Missbrauchsfälle, die es ja gegeben haben könnte, an das Max-Planck-Institut weiterzugeben, auf dass die da festgestellt würden.

Wie es tatsächlich war, werden wir nicht mehr erfahren, weil die Weitergabe nicht erfolgte. Fehler sind also bereits im Innenministerium selbst an maßgeblicher Stelle passiert, wenn auch nicht bei der Anwendung dieser Regelungen. Es ist ein weiterer Einschnitt in Grundrechte und Grundfreiheiten.

Wir brauchen diese Regelungen nicht. Aus diesem Grund lehnt die Freie Demokratische Partei sowohl die Verlängerung als erst recht auch die Entfristung - wenn sie denn käme - ab. Wir halten dieses Gesetz für falsch. Es ist nicht notwendig. Deswegen können Sie mit unserer Zustimmung nicht rechnen. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Der Abgeordnete Dr. Scharfenberg setzt für die Linksfraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einer zügigen, aber trotzdem gründlichen Befassung im Innenausschuss liegt Ihnen heute die Novelle zum Polizeigesetz zur Beschlussfassung vor.