Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einer zügigen, aber trotzdem gründlichen Befassung im Innenausschuss liegt Ihnen heute die Novelle zum Polizeigesetz zur Beschlussfassung vor.
Die im Vorfeld geführte Diskussion über die Probleme der Handyortung und automatischen Kennzeichenerfassung zeigt, dass es ein großes öffentliches Interesse an diesen Eingriffsmöglichkeiten der Polizei gibt. Das ist zweifellos auch mit Symbolik verbunden, geht aber weit darüber hinaus.
Die Linke hat immer in aller Deutlichkeit gesagt, dass sie diesen Eingriffsbefugnissen, die insbesondere in der Amtszeit von Innenminister Schönbohm immer mehr ausgeweitet worden sind, kritisch gegenübersteht. Wir sehen aber auch, dass es kaum möglich ist, einmal eingeführte und über längere Zeit angewandte Eingriffsbefugnisse rückgängig zu machen. Das zeigen nicht zuletzt die aktuellen Auseinandersetzungen um die Antiterrorgesetzgebung auf Bundesebene.
Wir haben uns in der Vergangenheit als Oppositionspartei gegen eine Verschärfung des Polizeigesetzes eingesetzt, und wir handeln auch als Regierungspartei in diesem Sinne, rücken also nicht von unseren Positionen ab. Weil wir strikt gegen eine weitere Verschärfung des Polizeigesetzes sind, hat die Linke bereits im Vorfeld der parlamentarischen Beratung durchgesetzt, dass wir nicht den Gutachtern des Max-Planck-Instituts folgen werden, die eine Ausweitung der Handyortung und der automatischen Kennzeichenfahndung vorgeschlagen haben.
Aufgenommen werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zwei weitere Empfehlungen der Gutachter, die genau in die andere Richtung gehen. So werden der Richtervorbehalt bei der Verkehrsdatenabfrage eingeführt und die unverzügliche Löschung der im Rahmen der automatischen Kennzeichenfahndung erfassten Daten gesetzlich vorgegeben.
Die beabsichtigte Folge ist ein erhöhter Anspruch für eine verantwortungsvolle Abwägung zwischen einem effektiven polizeilichen Handeln und der Wahrung der Grundrechtssphäre der Bürger. Das vom Landtag 2008 vorgegebene Gutachten hat in der Diskussion über den Gesetzentwurf eine große Rolle gespielt.
Wie das Gutachten hat auch die am 1. Dezember im Innenausschuss erfolgte Anhörung aufgezeigt, dass die praktische Anwendung von Handyortung und automatischer Kennzeichenerfassung in Brandenburg sehr verantwortungsbewusst und maßvoll erfolgt sind. Das nehmen wir sehr wohl zur Kenntnis und nehmen es als eine Grundlage für unsere Bewertung.
Es ist allerdings unstrittig - auch das ist in der Anhörung deutlich geworden -, dass ein möglicher Missbrauch dieser polizeilichen Mittel nicht ausgeschlossen werden kann. Insofern kann man davon ausgehen, dass die bisherige Anwendungspraxis in Brandenburg nicht zuletzt deshalb eine insgesamt positive Bewertung finden konnte, weil der Landtag eine Befristung und Evaluierung festgelegt hatte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da es sich um sensible Befugnisse der Polizei handelt, die aus polizeilicher Sicht zur Erfüllung der Aufgaben sehr nützlich sind, haben wir darauf zu achten, dass entsprechende Grenzen gesetzt werden. Wir als Gesetzgeber bestimmen die Rahmenbedingungen für das polizeiliche Handeln und den notwendigen Abwägungsprozess zur Wahrung der Grundrechte der Bürger. Das ist unsere Verantwortung.
Die FDP-Fraktion will dabei so weit gehen, der Polizei nicht einmal mehr die Ortung von hilflosen Personen zu ermöglichen. Das geht uns wiederum zu weit.
Wir halten es für angemessen, den Gesetzentwurf mit einer neuen Befristung zu versehen. Hier gibt es eine große Übereinstimmung in der Koalition.
Ich freue mich, dass es gelungen ist, diese Einigkeit herzustellen. Unser gemeinsamer Vorschlag ist es, die Befristung für die nächsten vier Jahre - also bis 2015 - festzulegen. Das ist ausreichend Zeit für eine entsprechende Begleitung und Bewertung.
Diese intensive Begleitung der polizeilichen Tätigkeit ist Ausdruck dafür, dass der Landtag seine Kontrollfunktion sehr ernst nimmt. Dazu gehören auch die Berichte zur Inanspruchnahme dieser polizeilichen Eingriffsbefugnisse, die die Landesregierung jedes Jahr zur Diskussion dem Innenausschuss vorzulegen hat. Wir haben in den nächsten Jahren also genügend zu tun. Wir werden diese Aufgabe sehr ernst nehmen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete Nonnemacher erhält das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bereits in der 1. Lesung hatte ich große Bedenken geäußert, ob wir die Maßnahmen der automatischen Kennzeichenfahndung, Handyortung und Verkehrsdatenabfrage überhaupt benötigen.
Ähnliche Bedenken hatte und hat die Fraktion DIE LINKE. Ich möchte nur einmal den Kollegen Dr. Scharfenberg aus seiner Rede zur 1. Lesung dieses Gesetzentwurfs zitieren:
„Nicht alles, was aus Sicht der Polizei wünschenswert ist, darf hier eingeräumt werden. Dies gilt auch und gerade für das Mittel der Handyortung, das bei unbegrenzter Nutzung eine komplette Überwachung ermöglichen würde. Die konkreten Anwendungsbeispiele aus Brandenburg zeigen aber, dass Handyortung fast ausschließlich genutzt wurde, um hilflose und gefährdete Personen aufzufinden. Dagegen lässt sich schwerlich etwas einwenden, und in Berlin konzentriert sich die gesetzliche Rege
lung nur auf diese Fälle. Wir sollten überlegen, ob wir in Brandenburg auch eine solche Eingrenzung vornehmen.“
Auch wir haben so etwas überlegt und unterbreiten einen entsprechenden Vorschlag. Dieser basiert auf den Erkenntnissen aus der Anhörung. Die sehr kurzfristig im Innenausschuss durchgeführte Anhörung hat die eben angesprochenen Bedenken eher bestätigt als ausgeräumt.
Unstrittig unter den Experten war lediglich die Handyortung von vermissten, hilflosen oder suizidgefährdeten Personen. Alles andere wurde von der Mehrheit der Anzuhörenden aus den verschiedensten Gründen kritisch gesehen. Denn mittlerweile wird die automatische Kennzeichenfahndung fast täglich eingesetzt. Wir fragen uns: Ist dies bei einer Trefferquote von 2,6 % und gleichzeitigem Eingriff in die Rechte unbescholtener Bürger, worüber sie nicht einmal informiert werden, gerechtfertigt?
Auch wurde in der Anhörung darauf hingewiesen, dass der frühere SPD-Innenminister von Schleswig-Holstein, Lothar Hay, die automatische Kennzeichenfahndung als ungeeignetes Mittel einordnete.
Des Weiteren finde ich die Tatsache sehr spannend, dass das CDU-geführte Innenministerium im Saarland offensichtlich kein Problem damit hat, die Kennzeichenerfassung wieder zu streichen. So steht es zumindest im Koalitionsvertrag. Sie sehen, Herr Dr. Scharfenberg, man kann sich von so etwas auch wieder trennen.
Frau Abgeordnete Nonnemacher, lassen Sie eine Frage, gestellt von Herrn Abgeordneten Lakenmacher, zu?
Vielen Dank, Frau Nonnemacher. Zur Handyortung: Die Liste der Lebenssachverhalte ist lang und bunt. Jetzt haben wir den Fall eines Entführers. Der Entführte trägt kein Handy bei sich, aber der Entführer. Ist Ihnen klar, dass nach Ihren Vorschlägen hier keine Handyortung mehr stattfinden kann?
Herr Kollege Lakenmacher, ich habe in Ihrem Redebeitrag eben sehr wohl Ihre rhetorischen Fragen an mich zur Kenntnis genommen. Ich frage einmal zurück: Vermittle ich Ihnen den Eindruck, dass wir hier nicht wüssten, was wir tun?
Auf die Frage, inwieweit auf solche Sachverhalte im Rahmen der Strafverfolgung oder durch Notstandsparagraphen eingegangen werden kann, komme ich noch zurück. Ich würde jetzt gern weiter ausführen.
Sachsen wollte die Kennzeichenerfassung im Jahr 2008 einführen. Der Landtag hat das aber gestoppt. Das ist für mich eine Sternstunde der Gewaltenteilung.
Konsequenterweise haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der sich am Berliner Vorbild orientiert und sowohl die befristeten Maßnahmen als auch die Telekommunikationsüberwachung streicht.
Unserer Ansicht nach reichen die Maßnahmen der Strafverfolgung für diese Fälle vollkommen aus, denn die Kennzeichenfahndung wird sowieso zu 94 % bei Kfz-Diebstählen eingesetzt. In Extremsituationen kann sich die Polizei auch auf Notstand berufen und ist damit handlungsfähig. Die als Notwendigkeit für die Überwachungsmaßnahme angeführte Geiselnahme taugt also auch nicht als Begründung. Wir hatten die Hoffnung, dass unser Vorschlag auch der Fraktion DIE LINKE gefallen könnte, denn sie hatte - wie oben zitiert - diese Idee bereits in der 1. Lesung eingebracht. Immerhin haben sich die Koalitionsfraktionen durch die von uns geäußerten Bedenken statt eines Durchwinkens zu einer Befristung durchringen können. 2015 darf der neue Landtag also noch einmal überlegen, ob diese Maßnahmen im Land Brandenburg gebraucht werden. Ich bin gespannt auf die dann stattfindende Diskussion, denn welche neuen Erkenntnisse soll es geben?
Als Grundlage für die Entscheidung schlagen wir vor, eine unabhängige Evaluation erarbeiten zu lassen, wenn schon unsere Vorschläge auf Streichung auf taube Ohren stoßen. Wir würden dann gern wissen, wie wirksam bzw. erfolgreich diese Maßnahmen sind und ob es möglicherweise weniger eingriffsintensive Maßnahmen gibt. Das hatte die aktuelle Evaluation leider nicht untersucht. Wir nehmen zur Kenntnis, dass diese Maßnahmen in Brandenburg verantwortungsvoll angewendet worden sind, aber wir möchten, dass evaluiert wird, ob sie überhaupt nötig sind, und das ist doch ein Unterschied.
Für solch eine Evaluation bedarf es natürlich eines entsprechenden zeitlichen Vorlaufs, damit wir eine Grundlage für unsere Entscheidung im Jahr 2015 haben. Wir würden uns freuen, wenn andere Fraktionen ebenfalls an einer solchen Entscheidungsgrundlage Interesse hätten und wir uns diesbezüglich zusammentäten. Ansonsten wurde wohl deutlich, dass wir den Gesetzentwurf in dieser Fassung ablehnen werden, falls unser Änderungsvorschlag nicht doch noch Freunde findet, aber es sieht nicht so recht danach aus.
Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Dr. Woidke, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Polizeiliche Befugnisse, in Grundrechte der Bürger einzugreifen, stehen aus gutem Grund unter besonderer Kontrolle, und, Herr Goetz, sie stehen - und das ist der Unterschied, deswegen ist der Vergleich, den Sie benutzt haben, unzulässig - unter demokratischer Kontrolle.
Das sollten Sie, wenn Sie solche Vergleiche heranziehen, nicht vergessen. Ich denke, dass diese besondere Kontrolle gerade bei Eingriffen in Grundrechte nötig und wichtig ist, und ich
Die polizeilichen Befugnisse im Bereich der Telekommunikationsüberwachung nach § 33b Absatz 3 Brandenburgisches Polizeigesetz, dort insbesondere die Befugnis, den Standort eines Mobilfunkendgerätes zu ermitteln - so heißt das -, aber auch die Befugnis nach § 36a, eine anlassbezogene automatische Kennzeichenfahndung durchzuführen, sind deshalb derzeitig bis zum 31. Dezember dieses Jahres befristet.
Der Landtag hat dabei besonderen Wert darauf gelegt, dass die Erfahrungen mit den damals neuen Instrumenten gründlich ausgewertet und unabhängig hier im Plenum, aber auch in den Ausschüssen, evaluiert werden. Das war, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein sehr berechtigtes Anliegen. Die Polizei hat in den vergangenen Jahren mit diesen Befugnissen erfolgreich und auch mit Augenmaß gearbeitet. Es wurde drohender Gewalt begegnet, vor allem aber wurde Menschen in teilweise lebensbedrohlichen Notsituationen geholfen, indem sie gefunden und vielfach aus hilfloser Lage gerettet werden konnten.
Zusammengefasst ist aus polizeifachlicher Sicht eindeutig festzustellen, dass die betreffenden Instrumente als sinnvoll, notwendig und verhältnismäßig zu bewerten sind. Und aus polizeilicher Sicht ist auch Folgendes wichtig: Sie haben sich in der polizeilichen Praxis bewährt.
Die Evaluierung der Auswirkungen dieser Vorschriften ist durch das Max-Planck-Institut erfolgt; dazu haben einige Vorredner schon einiges gesagt. Ich möchte auf die Zusammenfassung der Ergebnisse eingehen: Das Institut stellt im Ergebnis seiner Auswertungen ausdrücklich fest, dass die Brandenburger Polizei von den neuen Befugnissen in den vergangenen Jahren in verantwortungsvollem Umfang Gebrauch gemacht hat. Ich darf auch daran erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht in einem relevanten Urteil die gesetzlichen Festlegungen in Brandenburg zur anlassbezogenen automatischen Kennzeichenfahndung ausdrücklich als eine die Verhältnismäßigkeit wahrende Regelung gelobt hat - mehr Lob geht nicht.
Es ist eben nicht so, dass die automatische Kennzeichenfahndung jedes Fahrzeug erfasst und abspeichert.