Protokoll der Sitzung vom 22.02.2012

Brandenburg steht nämlich finanzpolitisch in der Spitzengruppe der deutschen Bundesländer. 2011 haben wir als eines von vier Bundesländern in der Republik schwarze Zahlen geschrieben.

(Burkardt [CDU]: Dank der Sparbemühungen!)

- Dank der Sparbemühungen. - Der „Spiegel“ nennt unseren Finanzminister Markov schon einen „roten Preußen“, so sparsam sind wir. Aber noch nicht einmal wir haben das Potenzial für Steuersenkungen.

Welche Aufgaben hat Brandenburg wirklich, werte Kolleginnen und Kollegen von der FDP? Wir müssen keine Steuern senken, wir müssen unser Land auf die Einführung der Schuldenbremse vorbereiten. Wir müssen das Land lebenswert erhalten, auch wenn demnächst viele Menschen älter und wenige Menschen jung sein werden. Wir müssen für die nächste Konjunkturkrise vorsorgen, wenn die Steuern nicht mehr sprudeln, und wir brauchen einen langfristigen Plan zum Schuldenabbau. All das sind die wahren haushaltspolitischen Herausforderungen. Steuersenkungen sind es jedenfalls nicht.

Sehr wichtig ist hingegen die Feststellung der FDP, dass sich die Landesregierung für die Anhebung des Spitzensteuersatzes einsetzt. Das stimmt. Wir wollen das, wir finden es richtig und stehen dazu. Wir machen das übrigens nicht heimlich, wie uns die Kollegin Vogdt von der FDP unterstellt, sondern richtig laut mit einer Bundesratsinitiative, die wir initiiert haben. Wir Sozialdemokraten sagen: Starke Schultern können mehr tragen als schwache, und solange Sozialdemokraten regieren, wird das auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD - Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Nun zu dem Vorwurf, wir würden die Entlastung der Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen verhindern. Dafür sind wir seit 150 Jahren bekannt, liebe Kollegen von der FDP. Wir kämpfen für die oberen 10 000 und die FDP für die Arbeiterklasse.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei SPD und DIE LINKE)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie Ihre Wähler weiter so verwirren, dann wird das nichts mit der 5%-Hürde.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei SPD und DIE LINKE)

Sie kommen den Leuten schon wieder mit einem falschen Versprechen. Sie sagen: Wir bekämpfen die kalte Progression, damit die kleinen Leute mehr Geld im Portemonnaie haben. Aber das Gegenteil würde dann passieren: Davon würden in Wahrheit wieder die Gut- und Besserverdiener profitieren. Diese hätten deutlich mehr im Portemonnaie, und wer müsste das zahlen? Vor allem diejenigen, die auf den Staat angewiesen sind, der dann kein Geld mehr hat.

Ich bringe das einmal anhand eines Beispiels auf den Punkt. Was hat eine Familie von 10 Euro mehr im Monat, wenn dafür die Fahrkarten für Busse und Straßenbahnen teurer werden, das Schwimmbad den Eintritt erhöht und im Kindergarten die Gebühren steigen? Die Menschen sagen zu Recht: Steckt euch eure kalte Progression an den Hut und macht vernünftige, langfristig verlässliche Politik! - Genau dies tun wir.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Und genau deshalb, liebe Kollegen von der FDP, werden Sie bei der nächsten Landtagswahl wieder keine 30 % der Stimmen bekommen, sondern etwas weniger. Die Menschen wissen genau, wer das Wohl der großen Mehrheit vertritt. Sie haben da ein sehr gutes Gespür. Wer Steuern senken und trotzdem Schulden abzahlen will, dem glauben nur sehr wenige Menschen, dass das funktionieren kann.

(Frau Lehmann [SPD]: So ist es!)

Sie von der FDP sagen: Niedrige Steuern erhöhen die Leistungsbereitschaft der Bürger. Als Sozialdemokratin frage ich mich, warum meine Schwester eine höhere Leistungsbereitschaft hat, wenn der Kindergarten teurer wird, aber dafür ihr Chef überproportional an der FDP-Steuersenkung verdient. Ich vermute, Sie glauben, dass meine Schwester die Wut über diese Ungerechtigkeit zum Anlass nimmt, den Chef zu verjagen und selbst Chefin zu werden.

Eine Politikerin, die vielen hier im Raum bekannt ist, hat diese neoliberale Denkschule einmal in folgende Worte gefasst:

„Sozialleistungen, die mehr oder weniger ohne Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf das Verhalten der Empfänger verteilt werden, leisten dem Auseinanderbrechen von Familien Vorschub, führen zur Geburt von unehelichen Kindern und ersetzen Initiativen, die Arbeit und Selbstvertrauen gefordert hätten, durch eine perverse Ermutigung von Müßiggang und Betrügereien.“

Nun raten Sie mal, wo das stand. - Bei der CDU wird es unruhig. Nein, ich kann Sie beruhigen: Das war nicht Saskia Ludwig.

(Heiterkeit und Beifall SPD und DIE LINKE)

Es steht in der Autobiografie von Margaret Thatcher.

(Homeyer [CDU]: Oh, oh, Frau Geywitz!)

Damit kommen wir zum Kern der Auseinandersetzung. Margaret Thatcher und die Brandenburger FDP sind der Meinung: Ein starker Staat macht die Menschen träge und unmündig. Wir Sozialdemokraten glauben das nicht. Wir tun das Gegenteil. Unser vorsorgender Sozialstaat hilft den Menschen, sich zu emanzipieren und sich ein Leben in Würde zu erarbeiten. Die Würde des Einzelnen, liebe Kollegen von CDU und FDP, ist unser Fixpunkt. Das unterscheidet uns übrigens auch von Kommunisten, das möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen, da einige dabei in der Vergangenheit große Unterscheidungsschwierigkeiten hatten.

Der starke Staat, den wir Sozialdemokraten vertreten, versucht, mit einem Bildungssystem schon früh Benachteiligungen auszugleichen. Wir wollen, dass alle eine Chance im Leben bekommen, und wenn sie diese versemmeln, auch eine zweite. Wir stehen zur Verantwortung der Gemeinschaft. Wer krank, alt oder pflegebedürftig ist, bekommt die Solidarität der Gesellschaft. Gemeinsam füreinander einstehen - das ist das Fundament, auf dem unser Land Brandenburg steht. Dafür zahlen wir Steuern, jeder nach seiner Leistungsfähigkeit. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie vereinzelt von der Re- gierungsbank)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Burkardt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Besserverdiener - das muss man sagen, wenn man die Anträge hier so liest. Dabei gehören wir noch nicht zu denen, die von dem Spitzensteuersatz tangiert werden, sondern haben schlichte Abgeordnetenbezüge, die eher am unteren Rand dessen liegen, was im parlamentarischen Raum notwendig ist.

Das Thema der Aktuellen Stunde lautet: “Haushaltskonsolidierung und Steuersenkungen gehen Hand in Hand“; über „Hand in Hand“ bin ich in der Tat auch gestolpert. „Für eine sozial gerechte Steuerpolitik ohne neue Schulden“ heißt es im Entschließungsantrag der Koalition. Auch dafür kann man sein. Wo also ist das Problem?

Haushaltskonsolidierung - ja. Das ist keine Frage. Wir haben sie anhaltend gefordert und Vorschläge dazu unterbreitet.

Was „ohne neue Schulden“ angeht, so erinnere ich mich an die Diskussion, die zu Beginn dieser Legislaturperiode vor der Koalitionsbildung geführt wurde. Nachdem eine in diesem Haus sitzende Abgeordnete dies vorgeschlagen hatte, titelten die Zeitungen: Oh, oh! Es läuft wohl doch auf Rot-Rot zu. - Der damals zur Wiederwahl anstehende Ministerpräsident charakterisierte diese Forderung als Unfug.

Heute sind wir an dem Punkt angelangt, dass keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden - natürlich dank der „intensiven Sparbemühungen“ des Herrn Finanzministers. Diese sehen so aus, dass er Steuermehreinnahmen in rauen Mengen erzielt. Wir haben heute schon gehört, wodurch sie erwirtschaftet worden sind: durch ein kluge Politik in Zeiten der Wirtschaftskrise, durch Minderausgaben bei den Investitionen und durch den Profit aus der Euro-Krise, der darin besteht, dass wir weniger Zinsen zahlen müssen.

Steuersenkungen - warum nicht? Gebt dem Staat, was des Staates ist. Ich füge hinzu: Lasst dem Bürger, was des Bürgers ist. - Darüber müssen wir reden.

(Beifall CDU und FDP)

Brandenburg hat nach unseren Berechnungen einen Überschuss von etwa 690 Millionen Euro erzielt; der Finanzminister bedient immer noch seinen Taschenrechner. Geplant waren 440 Millionen Euro neue Schulden. Das ergibt per Saldo einen Überschuss von 250 Millionen Euro. Im laufenden Jahr - das ist das nächste Haushaltsjahr - werden wir eine ähnliche Entwicklung erleben.

Dabei streiten wir, wenn wir die beiden Anträge sehen: über die Erhöhung des Grundfreibetrags und den Abbau der kalten Progression. Ich sage: Die Erhöhung des Grundfreibetrags ist ein Akt der sozialen Gerechtigkeit.

Frau Geywitz, Sie haben gesagt, 10 Euro Entlastung seien so gut wie nichts. Wenn Sie denn mehr haben wollen, dann lassen Sie uns doch darüber diskutieren, was der Staat dafür tun kann, dass es mehr wird. Es kann nicht sein, dass Sie sagen, 10 Euro seien zu wenig, weshalb wir lieber gar nichts machen sollten.

(Beifall CDU und FDP)

Im Übrigen ist die Anhebung des Grundfreibetrags ein Verfassungsgebot. Das muss ich hier wohl nicht weiter ausführen. Der Abbau der kalten Progression vermeidet - Kollegin Vogdt hat das ausreichend dargelegt - die schleichende Ausbeutung der übergroßen Mehrzahl der Steuerzahler.

Die Argumentation im Entschließungsantrag von SPD und Linken ist allerdings merkwürdig. Zum Grundfreibetrag heißt es: Eigentlich sind wir dafür, aber jetzt noch nicht. Wir wollen den Bericht zum Existenzminimum abwarten. - Frau Kollegin Geywitz, Sie haben beschrieben, welche Kostensteigerungen auf die Bürger zugekommen sind. Gestiegen sind die Kosten für Lebensmittel, Energie, Wohnen und vieles andere mehr. Was wollen Sie denn noch wissen, um sich dafür entscheiden zu können, den Grundfreibetrag entsprechend anzupassen?

(Beifall CDU und FDP)

Noch lustiger wird die Argumentation zum Abbau der kalten Progression. Da wird der Sachverständigenrat zitiert, der mit

Blick auf die Vergangenheit feststellt, dass die kalte Progression durch Steuerreformen und Tarifanpassungen immer wieder weitestgehend ausgeglichen worden ist.

Richtig, genau darum geht es auch hier. Genau das soll mit dem Gesetzesantrag der Bundesregierung ab dem Jahr 2013 wieder erfolgen. Dazu sagt der Sachverständigenrat - wenn Sie ihn schon zitieren, dann sollten Sie den Bericht auch richtig gelesen haben -:

„In den Jahren 2011 bis 2013 wird die Belastung bei Fortschreibung des derzeitigen Tarifs wieder ansteigen und sich... auf ein relativ hohes Niveau zubewegen. Korrekturen der kalten Progression zum Jahr 2013, wie sie die Koalition anstrebt, können daher durchaus als sinnvoll angesehen werden.“

Soweit die Argumentation des Sachverständigenrates zur Anhebung der kalten Progression. Genau das wollen wir mit dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung eingebracht hat, erreichen.

Was den Konsolidierungsdruck angeht: Dieser wird natürlich erhöht. Das schreibt der Sachverständigenrat, und das soll auch hier nicht verschwiegen werden. Dazu darf ich allerdings auch auf die Ausführungen von Herrn Tillich im Bundesrat verweisen. Er hat gesagt, dass die Konsolidierung über die Ausgabenseite erfolgt, nicht über die Einnahmenseite. Die negativen Auswirkungen eines weiteren Drehens an der Steuerschraube sind bereits genannt worden.

Nicht nur Herr Tillich hat dies im Bundesrat so vorgetragen, verbunden mit dem Hinweis darauf, dass gute Einnahmesituationen nur mehr Ausgaben produzieren. Sie können es auch bei Olaf Scholz nachlesen, der sinngemäß gesagt hat: Haushalte werden in guten Zeiten ruiniert, nicht in schlechten Zeiten. - In schlechten Zeiten erschließt sich jedem die Notwendigkeit des Sparens von selbst. In guten Zeiten sucht man, wo man Wohltaten verteilen kann.

Von Steuerentlastungen im Rahmen des Abbaus der kalten Progression profitieren nach Lesart von SPD und Linken hauptsächlich die Bezieher höherer Einkommen. Schauen Sie sich doch einmal die Wirkung der kalten Progression an! Nach Ihrer Auffassung ist jeder, der ein Einkommen oberhalb des Existenzminimums bezieht, ein „Besserverdiener“, also ein „Bezieher höherer Einkommen“. Nur eine Kostprobe zur Ergänzung: Der Durchschnittsbrandenburger hat im Jahr 2011 2 373 Euro verdient; das ist das Grundgehalt eines Oberinspektors.

(Jürgens [DIE LINKE]: Und da finden Sie das Doppelte, das ein MdL bezieht, zu wenig?)

Wenn Sie die Zuschläge noch berücksichtigen, landen Sie beim Hauptsekretär oder noch ein paar Etagen tiefer. Im vergangenen Jahr erzielte er - inflationsbereinigt - einen Einkommenszuwachs von 139 Euro. Der Zuwachs der Lohnsteuer lag allerdings bei 168 Euro. Er hat also durch die kalte Progression etwa 30 Euro im Jahr verloren.

Meine Damen und Herren, wenn man sich diese Zahlen anschaut, kommt man an folgender Feststellung nicht vorbei: Sie begegnen der kalten Progression mit einer Steuerpolitik der sozialen Kälte, nicht etwa der Gerechtigkeit.