Protokoll der Sitzung vom 22.02.2012

(Oh! bei der Fraktion DIE LINKE)

Ich hoffe, es bleibt so. - Wir haben im Januarplenum im Rahmen der Aktuellen Stunde die Sicherheit bzw. Unsicherheit in den Grenzregionen Brandenburgs debattiert. Wir haben dabei einen Innenminister erlebt, der uns ein paar unausgegorene Schnellschüsse als Maßnahmen präsentiert hat - Maßnahmen, mit denen zeitweise Personal von hier nach da verschoben wird, mit denen neue Löcher in Dienststellen gerissen werden und Aufgaben im besten Fall liegen bleiben oder eben komplett unerfüllt bleiben. Das Thema ist ja nicht unbedingt - aus seiner Sicht fast verständlich - das Lieblingsthema des Innenministers. Deshalb fühlt sich neuerdings vor allem der Polizeipräsident berufen, den Bürgern und Unternehmern anzuraten, „vorsichtiger mit Hab und Gut umzugehen, die Firmengelände und Ausrüstungen selbst besser zu schützen“. Weiter sagte der Polizeipräsident nahezu verspottend und vorwurfsvoll, wie ich finde:

„Ein wertvolles Schmuckstück stellt man ja auch nicht in der Garage oder der Scheune ab.“

Herr Innenminister, ganz ehrlich, ich finde diese Worte eines Landespolizeipräsidenten gegenüber Kriminalitätsopfern einfach nur arrogant, unanständig und unangemessen.

(Beifall CDU)

Diese inakzeptablen Äußerungen zeigen vor allem eines: Sie haben vor der Kriminalität kapituliert. Ich sage es Ihnen immer wieder: Die Bürger verlangen keine Extras, sie bestehen allein

auf ihr Recht auf Schutz vor dieser von Ihnen schon heute nicht mehr beherrschten Kriminalität. Dieser Kriminalität kommen Sie eben nicht mit verhöhnenden Tipps gegenüber den Opfern, wie vom Polizeipräsident geäußert, nicht mit Ihren technischen Lösungen als vermeintlicher Ersatz für fehlende Polizeibeamte in den Dienststellen mit Tagesöffnungszeiten und nicht mit dem Outsourcing innerer Sicherheit über Ihre ominösen Sicherheitspartnerschaften bei. Der einzige Weg heißt hier: mehr Personal, qualifiziertes und motiviertes Personal.

Aber mit der Kriminalität in den Grenzregionen lange nicht genug, gerade hier im berlinnahen Raum steigt zurzeit die Zahl der Wohnungseinbrüche, die ohnehin auf hohem Niveau ist, an. Die Polizeipräsenz wird immer dünner und die Reaktionszeit der Polizei dabei immer länger, und die Opfer warten stundenlang auf die Spurensicherung durch die chronisch unterbesetzte Kriminalpolizei - auch dies eine ganz direkte Folge Ihrer Polizeireform und Ihres Personalabbaus. Ihre ewigen Beteuerungen der Geräuschlosigkeit sind pure Augenwischerei. So richtig und gut die Einrichtung eines Kriminaldauerdienstes auch ist - der Abbau, ja die Halbierung der Kriminalpolizei ist spürbar und wird in den kommenden Jahren - das sage ich Ihnen hier voraus - noch viel schmerzlicher spürbar sein.

Herr Innenminister, deswegen können Sie den Menschen nichts vormachen. Sie können den Menschen nicht vormachen, Straftaten würden nicht geschehen, nur weil sie von der Polizei hier in Brandenburg nicht mehr aufgedeckt werden.

Ich nenne Ihnen ein weiteres Beispiel: der Abbau in der Präventionsarbeit. Auch hier wird der Personalbestand halbiert. Herr Innenminister, wissen Sie, was Ihre Polizeianwärter an der Fachhochschule in Oranienburg im 1. Semester lernen? Da heißt es als Grundsatz: Prävention vor Repression. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie den jungen Beamten dort einmal persönlich erklären, wie dieser Grundsatz in der Polizeiarbeit mit Ihrem Stellenabbau und Ihrer Halbierung in der Präventionsarbeit hier in Brandenburg zusammengehen soll. Wollen Sie die Lehrpläne umschreiben, nehmen Sie das jetzt an der Fachhochschule in Oranienburg aus dem Lehrplan? Vielleicht erklären Sie das gleich, ich bin da sehr gespannt.

Ein weiteres Beispiel, das mich sehr besorgt, ist die Entwicklung in der kriminellen Rockerszene. Auch hier gibt es sehr beunruhigende Entwicklungen und erste Gewaltexzesse im Land. Es geht ja hier nicht um freiheitsliebende Motorradfahrer, es geht hier schlicht und ergreifend um die Vorherrschaft im organisiert-kriminellen Milieu. Die Revierkämpfe erreichen uns zunehmend aus Berlin heraus, wo die kriminellen Bruderschaften richtigerweise noch Verfolgungs- und Ermittlungsdruck spüren - hier im Land Brandenburg. Auch bei der Bekämpfung dieses Phänomens sieht sich die Polizei des Landes personell nicht mehr in der Lage, angemessen zu reagieren, Präsenz und Stärke zu zeigen. Die hier wesentlich besser aufgestellte Hauptstadtpolizei in Berlin hat für diese hilflosen und völlig unzureichenden Maßnahmen auf der Brandenburger Seite - in Brandenburg wird in diesen Fällen oft mit intensiveren Streifen völlig hilflos reagiert - nur noch ein vielsagendes Kopfschütteln übrig. Herr Minister, ja, es erfordert Mühen, es erfordert Personaleinsatz, aber dieses Phänomen der organisierten Kriminalität können Sie nur mit szenekundigen und speziell ausgebildeten Beamten in Dauerverwendung bekämpfen.

(Beifall CDU)

Und Sie können sich auch in Zukunft nicht immer wieder darauf verlassen, dass die Berliner Spezialkräfte Ihnen immer wieder zu Amtshilfe eilen werden. Sie müssen da schon selbst Maßnahmen ergreifen.

Meine Damen und Herren, allein diese wenigen Beispiele zeigen auf, was wir schon lange wissen: Die Brandenburger Polizei ist mit ihrem Personalbestand - und der Abbau steht ja erst am Anfang - schon heute nicht mehr in der Lage, die ihr obliegenden Aufgaben, die zunehmen werden, zu erfüllen. Es besteht hier akuter Handlungsbedarf. Der Personalabbau bei Schutzpolizei und Kriminalpolizei muss gestoppt werden.

Dieses Erfordernis des Abbaustopps betrifft auch die Verfassungsschutzabteilung hier in Brandenburg. In diesem Zusammenhang: Es hat mich in den letzten Tagen schon sehr verwundert, wie die Linke als Regierungspartei in diesem Land den Verfassungsschutz bewertet hat. Da gibt es dann auf Parteitagen Anträge auf Totalabschaffung der Behörde mit völlig abstrusen, fachfremden, aber eben auch entlarvenden Begründungen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Immerhin nicht von der Vor- sitzenden. Bei Ihnen ist es ja die Vorsitzende!)

Und dies zeigt einmal mehr auf, Frau Kaiser, welche Strömungen Ihre Partei aufzubieten hat und wie richtig und wichtig es ist und bleibt, hier aufmerksam zu sein und weiter zu beobachten.

(Beifall CDU)

Es ist nun einmal Tatsache, dass die Gewaltbereitschaft steigt beim Rechtsextremismus und beim Linksextremismus. Schon im Verfassungsschutzbericht 2010 war die Gefahr der Gewaltspirale zu erkennen und diese hat sich nach den vorläufigen Zahlen von 2011 bestätigt. Die politisch motivierten Straftaten auch von Links steigen sprunghaft an. Ich erinnere als Beispiel nur an die Brandanschläge auf die Bahn im Herbst 2011 in Brandenburg und Berlin.

(Zuruf von der Fraktion Die LINKE: Das ist Blödsinn!)

- Das ist Blödsinn? Das sind Fakten!

Meine Damen und Herren! Herr Minister, weiter am Personal bei der Schutzpolizei, bei der Kriminalpolizei und in der Verfassungsschutzabteilung zu sparen ist und bleibt unverantwortlich. Nehmen Sie die Realität zur Kenntnis, setzen Sie hier heute ein Stoppzeichen, es ist höchste Zeit! - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lakenmacher. - Die Aussprache wird von der SPD-Fraktion fortgesetzt. Die Abgeordnete Stark hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lakenmacher, zu jeder Plenarsitzung bringen Sie einen neuen Antrag ein, der aber immer wieder das gleiche alte Lied spielt.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir hatten diesen Antrag von der CDU auf dem Tisch, und dieses Mal steht noch weniger drin als sonst - nur sehr pauschal, dass wir mehr Landesbedienstete in unseren Sicherheitsbehörden brauchen. Dazu kommt dieses Mal: nicht nur bei der Polizei, sondern auch beim Verfassungsschutz. Nun haben wir aber zu verzeichnen, dass die Sicherheitspolitik dieses Landes 10 Jahre lang von der CDU massiv mitgestaltet wurde, Herr Lakenmacher, und nicht von irgendeinem, sondern von Ihrem jahrelangen Landesvorsitzenden Jörg Schönbohm. Der ist erst seit zwei Jahren weg, und Sie erwecken jetzt hier den Eindruck, als würde für alle vermeintlichen Defizite die rot-rote Koalition die Verantwortung tragen.

Tatsächlich ist es so: Als Ihr Herr Petke noch hier vorn am Rednerpult stand - und in Klammern: ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn einmal vermisse, aber mittlerweile ist es fast so -,

(Lachen bei der SPD)

sind ja wenigstens noch eigene Konzepte dargeboten worden. Wenn Sie sich erinnern: Auch bei der CDU war die Rede von Personalabbau, von neuen und anderen Strukturen. Seitdem Sie hier das Feld übernommen haben, hört man von eigenen Konzepten gar nichts mehr, sondern nur noch ganz pauschal: Die Landesregierung macht Personalabbau und damit sind wir nicht einverstanden. Na toll!

Wie gesagt, wir haben ein Konzept. Dieses Konzept ist nicht einmal ein Jahr alt und es erhebt den Anspruch, von Fachleuten in langer kleinteiliger Arbeit mit der Beteiligung der Polizeibediensteten vor Ort erstellt worden zu sein. Wir alle hier sind der Meinung, dass wir mit diesem Personalansatz und mit diesen neuen effektiven Strukturen hinkommen werden.

Wir haben es aber nicht nur schöngelobt, auch die Fachleute nicht. Es gibt in verschiedenen Kriminalitätsbereichen - Sie haben einige davon aufgezählt: bei der Grenzkriminalität und in anderen Bereichen - noch Defizite. Da haben wir es - anders als sonst der allgemeine Trend, nach dem die Kriminalitätsstatistik seit Jahren fallend ist - mit steigenden Tendenzen zu tun. Da muss gegengearbeitet werden, das ist richtig, da sind kreative Vorschläge und eigene Ideen gefragt. Aber ein Antrag, in dem nichts steht als allgemein „Es gibt zu wenig Personal und Personalabbau ist sofort zu stoppen“, ist einfach unter Niveau. In diesem Sinne kann man den nur jedes Mal aufs Neue ablehnen. - Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Stark. - Die Aussprache wird von der FDP-Fraktion fortgesetzt. Der Abgeordnete Goetz hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Fußball heißt es oft: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, und so ähnlich ist es auch auf Reformen übertragen worden. Man sagt im Allgemeinen, nach der Reform sei vor der Reform. Schön wäre es, wenn es in Brandenburg so wäre. Tatsächlich befinden wir uns gegenwärtig ja noch in der rot-schwarzen Schönbohm-Reform von 2002, die bis 2012 angelegt war. Und während die schwarz-rote Schönbohm-Reform noch läuft, wur

de die neue rot-rote Speer-Woidke-Reform - oder wie immer man sie nennen will - obendrauf gelegt. Das heißt, der Personalabbau, den die CDU gegenwärtig rügt, ist noch Teil auch der Personalentscheidung, die Minister Schönbohm getroffen hatte. Dazu kommt, dass die Linke in neuer Regierungsverantwortung es nicht besser gemacht hat, sondern eigenen Personalabbau auf diesen schönbohmschen Personalabbau obendrauf gesetzt hat.

Liebe Kollegin Stark, ob es nun Rot-Schwarz oder Rot-Rot ist, Sie sind in jedem Fall dabei,

(Frau Stark [SPD]: Das stimmt, und das ist auch gut so! - Lachen bei der SPD)

also schuld sind Sie ohnehin.

(Beifall CDU)

Insofern brauchen Sie die Verweisung nicht, es hilft Ihnen nicht!

Natürlich ist deutlich geworden, dass die Situation an der Brandenburger Ostgrenze so prekär ist, dass mit dem gegenwärtigen Personal die Probleme dort nicht gelöst werden können. Das Innenministerium hat darauf reagiert, indem drei unserer Einsatzhundertschaften an die Ostgrenze Brandenburgs verlegt worden sind - drei von vieren.

Dummerweise ist es nicht so, dass die sonst nichts zu tun haben. Das heißt, die anderen Aufgaben, die sie eigentlich wahrnehmen, sind jetzt geschoben, weil die sich jetzt diesen speziellen Problemen zuwenden. Es ist richtig, darauf zu reagieren, es ist richtig, die dorthin zu schicken. Das Problem ist nur: Die sind nicht dauerhaft da, irgendwann in absehbarer Zeit verschwinden sie wieder, und dann haben wir wieder die Situation das ist meine Befürchtung -, die wir vor diesem besonderen Einsatz unserer Einsatzhundertschaften dort hatten. Genau das ist untragbar. Die Entsendung der Einsatzhundertschaften ist letztlich der Offenbarungseid der Landesregierung zur inneren Sicherheit an der Ostgrenze Brandenburgs. Anders kann man das nicht sehen.

(Beifall des Abgeordneten Büttner [FDP])

Deshalb brauchen wir dauerhafte Lösungen. Die Personalzahlen sind uns ja bekannt. Wir hatten 8 900 Beamte; so viel sind es schon gar nicht mehr, es sollen bis 2019 dann noch 7 000 sein. Auch das ist bekannt. Bekannt ist auch, dass gut 3 000 Beamte bis dahin aus dem Dienst scheiden, dass man, wenn man also 7 000 Beamte halten wollte, 1 200 neue brauchte. Die gegenwärtigen Zahlen der Anwärter an unserer Fachhochschule der Polizei bleiben hinter diesen Zahlen zurück. Das heißt, wir laufen auf deutlich weniger als selbst die von der Landesregierung von Rot-Rot in diesem Falle - avisierten 7 000 Beamten zu. Es wird also noch schlimmer werden, als es gegenwärtig ist, zumal der Personalabbau schrittweise vollzogen wird. Die gegenwärtigen Inspektionen laufen noch mit 20 % Personal über den späteren Sollstärken, weil der schrittweise Abbau eben mit dem Ausaltern, mit dem Älterwerden, mit dem Ruhestand der Beamten einhergeht, weil kein Beamter entlassen wird. Das heißt, wir haben gegenwärtig mehr Beamte, als wir 2019 nach dem Konzept der Landesregierung haben werden. Trotzdem sind diese noch mehr vorhandenen Beamten den Problemen an der Ost

grenze Brandenburgs nicht gewachsen und es bedarf der Entsendung unserer Einsatzhundertschaften.

Das macht deutlich, wie schwierig die Lage ist. Deshalb ist der von der CDU gestellte Antrag durchaus berechtigt, in dem es heißt, der Personalabbau müsste gestoppt werden, weil mit jedem Jahr, das man einfach so vergehen lässt, in dem man das Problem aufwachsen lässt, es eben noch schlimmer und schwieriger wird, dieses Problems dann noch Herr zu werden.

Nur, lieber Kollege Lakenmacher, Ihr Antrag würde ja im Grunde voraussetzen, dass die Landesregierung sich der Umsetzung dieses Beschlusses mit voller Eigeninitiative, mit vollem Engagement, voller Elan, voller Ideen zuwendet. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass das passiert. Insofern habe ich Sympathie für die Idee, zu sagen: Wir brauchen eigentlich eine Stärkung des Personals, und zwar dauerhaft, nicht nur für wenige Monate durch die Einsatzhundertschaften. Wir dürfen nicht weiter abbauen.

Was Sie zum Verfassungsschutz gesagt haben, ist völlig richtig, das würde ich eins zu eins unterschreiben. Ich glaube nur nicht, dass wir mit diesem Antrag wirklich weiterkommen. Was helfen würde, was ich für sinnvoll halten würde, wäre, das Thema erneut im Innenausschuss zu erörtern. Da hilft uns jede weitere Beratung dieses Themas, weil es immer wieder deutlich macht, welche Probleme gegenwärtig bestehen und wie wir diese Probleme besseren Lösungen zuführen können.

Die Probleme, die irgendwo im Osten Brandenburgs bestehen, sehr geehrte Frau Kollegin Stark, sind auch jedes Mal neu. Wenn irgendwelche Baumaterialien geklaut werden, dann ist das für den, der beklaut worden ist, an diesem Tag ein neues Ereignis. Und wenn irgendwo ein Auto geklaut wird, dann ist das für den beklauten Autobesitzer auch ein neues Ereignis. Das Problem ist für die neu, und deswegen erwarten die Leute im Osten Brandenburgs - und nicht nur dort - auch unsere fortlaufende Befassung mit diesem Thema. Deswegen: Solange das Problem nicht gelöst ist, werden Sie im Grunde in jeder Landtagssitzung damit rechnen müssen, dieses Thema hier zu behandeln. Und das ist auch gut so. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)