Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

Wir haben in den langen Debatten um die Polizeistrukturreform „Brandenburg 2020“ immer davor gewarnt, sich auf die willkürliche Zielzahl von 7 000 Polizeibeamten festzulegen. Angesichts steigender Kriminalitätsbelastung in einigen Regionen Brandenburgs und der grottenschlechten Aufklärungsquote rudert der Innenminister jetzt zurück. Es freut mich zu hören, dass man nun die politische Zielzahl infrage stellt und doch von den konkreten Aufgaben ausgeht, um die Personalstärke bei der Polizei festzulegen. Die Aussage: „Wir werden die Polizisten haben, die wir brauchen“, ist durchaus ermutigend. Weiter so!

Die Änderungen des Polizeigesetzes sollten nicht als Alibi oder Kompensation für den Personalabbau bei der Polizei, sondern zur sinnvollen Unterstützung einer schlagkräftigen Polizei in der Grenzregion dienen. Insofern lautet die erste Hausaufgabe des Innenministers, dafür zu sorgen, dass dauerhaft so viele Polizeibeamte und -beamtinnen im Einsatz sind, wie für die Gewährleistung der Sicherheit benötigt werden.

Dass auch der Bundesinnenminister auf weiteren Personalabbau bei der Bundespolizei verzichten will, ist für die unter den organisierten Diebesbanden leidenden Länder ein gutes Zeichen, ebenso wie die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland und die für den Herbst angekündigte Sicherheitskonferenz beider Länder unter Einbeziehung von Landes- und Bundespolizei, Zoll und Grenzschutz. Die Befugniserweiterung für Zollbeamte ist im Rahmen dieser konzertierten Aktion vermutlich ein sinnvoller Baustein.

Die Überweisung in den Innenausschuss zur weiteren Diskussion befürworten wir.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie der Abgeordneten Domres und Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Dr. Woidke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, die rote Lampe leuchtet; so lange rede ich doch noch gar nicht - hoffe ich.

(Heiterkeit - Zuruf von der CDU: Reicht schon aus!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklung der Grenzkriminalität in den vergangenen Jahren ist besorgniserregend. Wir haben an dieser Erkenntnis keinen Zweifel gelassen. Frau Nonnemacher, diese schwierige Problematik haben wir auch offen angesprochen. Das ist übrigens ein Problem nicht nur für das Land Brandenburg, sondern auch für den Freistaat Sachsen - teilweise in noch besorgniserregenderem Maße als bei uns - und das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.

Die Landesregierung hat mit speziellen Einsatz- und Ermittlungsstrukturen für die Grenzregion auf dieses Phänomen reagiert und außerdem - mehrere Vorredner haben es erwähnt - die Polizeipräsenz in den Grenzregionen deutlich aufgestockt. Weitere nachhaltige Verbesserungen der Situation erwarte ich von dem engen, abgestimmten Zusammenwirken mit unseren Partnern. Unsere Partner sind nicht nur andere Bundesländer und nicht nur unsere Freunde und Nachbarn in der Republik Polen; Partner ist auch die Bundesregierung, die hier Verantwortung trägt, wenn es um die Bekämpfung dieses Phänomens geht.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Sie wissen, dass am Montag dieser Woche ein Spitzengespräch zu dieser Thematik in Frankfurt (Oder) stattgefunden hat. Ich bin sehr dankbar dafür, dass auch der Bundesinnenminister diese Gelegenheit genutzt hat, um die Verantwortung des Bundes zu bestätigen. Das war ein wichtiges Signal für die polnisch-deutschen Beziehungen und für die Grenzregionen. Die gemeinsame Initiative zur Bekämpfung der Grenzkriminalität kann zum Erfolg geführt werden; ich jedenfalls bin davon überzeugt, dass dies gelingt.

Frau Nonnemacher, ich möchte noch auf einige Fragen eingehen, die Sie aufgeworfen haben. Sie sprachen von strukturellen und personellen Mängeln bei der Polizei und von vielem anderen mehr.

Ich stelle fest: In der Brandenburger Polizei sind heute nicht 7 000 Polizistinnen und Polizisten tätig, sondern mehr als 8 600! Wir werden die Zahl an Polizisten haben - das sage nicht nur ich, sondern darüber sind wir uns in der Koalition einig -, die wir für die Sicherheit unserer Bürger brauchen.

(Beifall DIE LINKE)

Allerdings ist eines für mich schwer erklärlich: Der damalige Bundesinnenminister - der aktuelle wurde hier zitiert - erklärte im Jahr 2007, zum Zeitpunkt des Schengen-Beitritts von Polen und der Grenzöffnung, die Präsenz der Bundespolizei werde sich zwar nicht mehr in Kontrollen an der Grenze zeigen - diese sind tatsächlich weggefallen -, aber die Bundespolizei werde in der Region nach wie vor gebraucht, um die grenzüberschreitende Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Ich stelle fest: In der Zeit seit 2007 ist die grenzüberschreitende Kriminalität jedes Jahr im zweistelligen Bereich angestiegen. Da es in der

CDU offensichtlich nicht bekannt ist, wiederhole ich es an dieser Stelle gern: seit 2007! - Parallel hat der Bund jedes Jahr im dreistelligen Bereich Beamte von der Grenze abgezogen. Das ist eine Tatsache. Ich bin dem Bundesinnenminister sehr dankbar, dass er am Montag in Frankfurt (Oder) gesagt hat: Die Zahl der Bundespolizeibeamten, die heute da sind, bleibt zumindest stabil.

In Zukunft, wenn das Problem noch größer werden sollte, dürfen die Bundesländer - nicht nur Brandenburg - mit diesem Problem nicht alleingelassen werden. Auch der Bund ist hier klar in der Pflicht. Ich erwarte, dass er dieser Pflicht nachkommt.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt aber auch im Land Brandenburg rechtlichen Nachbesserungsbedarf in der Sicherheitsarchitektur. Die Beamten der Zollverwaltung verfügen bislang nicht über die allgemeinpolizeilichen Eilkompetenzen. Sie sind zwar klar als Vollzugskräfte erkennbar, und ihre Ausstattung entspricht grundsätzlich den polizeilichen Anforderungen; aber wenn sie einen flüchtigen Straftäter entdecken, dürfen sie lediglich die sogenannten Jedermannsrechte wahrnehmen. Sie müssen letztlich die nächste Polizeidienststelle informieren und auf das Eintreffen der zuständigen Beamten warten. Das ist, mit Verlaub, kaum zu verstehen, insbesondere nicht für die Menschen in der Grenzregion, wo naturgemäß eine größere Anzahl an Zollbeamten unterwegs ist. An vielen Diskussionen, die ich in den Regionen geführt habe, haben auch Zollbeamte teilgenommen. Sie haben mir klargemacht, dass es auch für sie selbst schwer verständlich ist, dass sie die entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten nicht haben.

Mit der vorgesehenen Änderung des Polizeigesetzes bekommen sie diese Möglichkeiten. Mit den allgemeinpolizeilichen Eilkompetenzen können sie im Sinne von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung tätig werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kampf gegen die Grenzkriminalität ist kein Sprint. Er wird auch kein Mittelstreckenlauf, sondern eher ein Marathonlauf werden. Aber wenn diese Gesetzesinitiative der Koalition Realität wird, werden wir einen weiteren qualifizierten aktiven Partner in unsere Sicherheitsarchitektur einbeziehen können. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Woidke. Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie als Einziger Respekt vor der rot leuchtenden Lampe hatten. Sie dürfen aber reden, so lange Sie möchten.

Das Wort erhält noch einmal die einbringende Fraktion.

(Frau Stark [SPD]: Danke!)

- Sie verzichtet.

Damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt und kommen nunmehr zur Abstimmung. Die einbringenden Fraktionen von SPD und LINKEN beantragen die Überweisung des Ge

setzentwurfs „Neuntes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes“, Drucksache 5/5042, an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Beides sehe ich nicht. Damit ist dem Überweisungsantrag einstimmig Folge geleistet worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und eröffne Tagesordnungspunkt 6:

Zweites Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Ministergesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/4951

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache, wiederum mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Dr. Woidke, Sie haben das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 13. März 2012 hat das Kabinett den Ihnen vorliegenden Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Ministergesetzes beschlossen. Der Gesetzentwurf enthält weitreichende Änderungen bei der Versorgung brandenburgischer Minister. Damit wird den veränderten Rahmenbedingungen Rechnung getragen. Ich nenne hier insbesondere das Stichwort „Verlängerung der Lebensarbeitszeit“. Für die Arbeitnehmer wird die Regelaltersgrenze für den Bezug einer Altersrente bereits ab diesem Jahr stufenweise auf das 67. Lebensjahr angehoben. Auch für den Beamtenbereich haben wir uns grundsätzlich auf eine entsprechende Anhebung der Pensionsaltersgrenze verständigt.

Von der Anpassung werden nun auch die Mitglieder der Landesregierung, die in einem besonderem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen, erfasst. Bislang erhalten ausgeschiedene Minister ihr Ruhegehalt in der Regel ab dem 60. Lebensjahr. Dies passt nicht mehr in die Zeit. Wenn Tarifbeschäftigte und Beamte in Zukunft länger arbeiten müssen, muss dies auch für Minister gelten. Daher wird diese Altersgrenze zunächst auf die für Landesbeamte geltende Altersgrenze von zurzeit 65 Jahren angehoben. Wenn, wie von der Koalition beabsichtigt, die Altersgrenze für die Beamten auf das 67. Lebensjahr angehoben wird, wird sich in einem zweiten Schritt auch die Altersgrenze für die Mitglieder der Landesregierung auf das 67. Lebensjahr erhöhen. Die Ruhegehaltszahlungen für die Minister werden damit in Zukunft um insgesamt sieben Jahre hinausgeschoben.

Die Altersgrenze kann sich wie bisher in Abhängigkeit von der Dauer der Amtszeit um bis zu fünf Jahre verringern, das heißt, nach zehnjähriger Amtszeit auf das 60. bzw. künftig das 62. Lebensjahr. Zudem kann das Ruhegehalt ebenso wie bei Beamten auf Antrag bereits ab dem 63. Lebensjahr gezahlt werden. Dies ist jedoch wie bei Beamten mit Versorgungsabschlägen von 3,6 % pro Jahr verbunden.

Weiter ist eine Absenkung des sogenannten Mindestruhegehaltssatzes nach einer fünfjährigen Amtszeit als Minister von

derzeit 33,48 % auf 30 % vorgesehen. Zum Vergleich: Geringere Versorgungsleistungen für ausgeschiedene Mitglieder der Landesregierung gewähren nur Schleswig-Holstein und Niedersachsen, wobei man dazu sagen muss, diese gewähren diese Leistungen deutlich früher als Brandenburg, wenn dieses Gesetz beschlossen wird.

Im Gegenzug soll die versorgungsrechtliche Situation in den Fällen, in denen Regierungsmitglieder bislang ohne Versorgungsanspruch aus dem Amt ausscheiden, verbessert werden. Ein Ruhegehaltsanspruch soll künftig bereits nach zwei Jahren Amtszeit - bisher sind es bekanntermaßen fünf Jahre - bestehen. Die Ruhegehaltssätze werden dann allerdings angepasst: nach zwei Jahren 12 %, nach drei Jahren 18 %, nach vier Jahren 24 %, für jedes weitere Jahr plus 2,4 %. Für den Fall des unversorgten Ausscheidens aus dem Amt wurde eine Nachversicherungsregelung in das Gesetzeswerk aufgenommen.

Kürzungen gibt es beim sogenannten Übergangsgeld für ausscheidende Minister. Statt wie bisher bis zu sechs Monate soll es in Zukunft nur noch für drei Monate in der Höhe der vollen Amtsbezüge gezahlt werden.

Auch die Anrechnungsregelungen für das Zusammentreffen von Ansprüchen nach dem Ministergesetz mit anderen Einkommen werden angepasst. Unter anderem sollen andere Einkünfte - anders als bisher - nunmehr voll auf das Übergangsgeld angerechnet werden. Das heißt: Das Übergangsgeld wird um die entsprechende Einkommenshöhe gekürzt. Wer ausreichend anderweitige Einkünfte erzielt, braucht kein Übergangsgeld. Der Sinn dieser Regelung wäre damit infrage gestellt.

Die nunmehr auf den Weg gebrachten Änderungen stellen mit Blick auf die nach wie vor angespannte Finanzlage unseres Bundeslandes einen notwendigen Schritt dar. Brandenburg wird sich mit den geplanten maßvollen, aber spürbaren Kürzungen dem Niveau der meisten anderen Bundesländer anpassen. Mit dem vorliegenden Entwurf haben wir ein ausgewogenes Änderungspaket vorgelegt, das trotz der erforderlichen Kürzungen eine angemessene Vergütung für die Mitglieder der Landesregierung - auch kommender Regierungen - bietet. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Senftleben erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht verwundern, dass wir als CDU-Fraktion die Vorlage des Gesetzentwurfs ausdrücklich begrüßen. Deswegen, Herr Innenminister, sagen wir: Es ist Zeit. Es ist gut, dass analog der Änderungen am Abgeordnetengesetz auf der Ebene der Ministerinnen und Minister transparente Regelungen Einzug halten, aber auch eine Anpassung an die Lebenswirklichkeit und an die Realität der Bürger in diesem Land bei diesen Versorgungsregelungen erfolgt.

(Beifall CDU)

Für uns ist schon erstaunlich, in welchem Arbeitstempo RotRot bereit ist, solche Veränderungen vorzulegen. In diesem Fall meine ich dieses Tempo eher negativ. Zur Erinnerung, auch wenn Sie es nicht hören wollen: Die Opposition in diesem Haus, aus FDP, GRÜNE und CDU bestehend, hat bereits im Februar letzten Jahres im Hauptausschuss gefordert, solche Veränderungen vorzunehmen. Wir haben mehrfach im Hauptausschuss darüber beraten. Sie haben - warum auch immer, man kann sich das eine oder andere vielleicht vorstellen - dieses Thema geschoben und geschoben und geschoben. Sie haben es geschafft, dass der Gesetzentwurf jetzt, ganze 16 Monate nach der ersten Diskussion über dieses Thema, vorliegt.

Ich möchte daran erinnern, dass es einen guten Grund gab, dieses Gesetz zu verändern. In Brandenburg gab es landauf, landab, von Nord bis Süd, von Ost bis West eine Debatte darüber, ob es gut und richtig ist, dass ein Minister Speer mit 51 Jahren ein Ruhestandsgehalt erhält, das kein Brandenburger vorweisen kann. Das war der Ausschlag für diese Grundveränderung.

(Beifall CDU - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)