Wenn Sie es aber ernst meinen, Herr Eichelbaum, wenn Sie wirklich das meinen, was Sie hier sagen, dann sagen Sie den Leuten auch: Straftäter sind ein für alle Mal aus diesem Leben wegzuschließen und nie wieder an die Öffentlichkeit heranzulassen. - Dann sagen Sie das den Bürgern! Das hat aber weder etwas mit Resozialisierung noch mit Humanität, noch mit dem Stehen auf den Füßen des Grundgesetzes zu tun.
Das, was Sie - wie immer - verschweigen, ist, dass es absolute Sicherheit nicht geben kann und nicht geben wird. Das ist eine Wahrheit, die schwer zu akzeptieren ist. Wer anderes behauptet, legt falsch Zeugnis ab. Für uns - da sind wir uns einig - ist jede Straftat eine Straftat zu viel. Jedes Opfer einer Straftat ist ein Opfer zu viel. Jedes Opfer hat Anspruch auf unsere größtmögliche Unterstützung.
Ja, wir haben zu akzeptieren, dass die meisten Opfer von Straftaten oder deren Angehörigen weder die Kraft noch den Willen aufbringen können zu verstehen, zu akzeptieren und zu verzeihen. Das, verdammt noch mal, ist doch normal. Politik aber hat Verantwortung - Verantwortung für die Opfer und für die Täter. Das heißt nicht, dass man einseitig die Interessen der Täter vertritt, nein, man vertritt damit auch die Interessen der Opfer und der gesamten Gesellschaft. Denn sie hat sich den Rahmen gegeben, in dem wir heute leben. Dazu gehört eben auch, dass wir es überwunden haben, auf eine schreckliche Tat mit einer genauso schrecklichen Tat zu reagieren. Sehr gut lässt sich das übrigens in Norwegen am Umgang mit dem Attentäter Breivik erkennen: Angemessen, verantwortungsvoll, rechtsstaatlich wird reagiert, und das trotz dieser unfassbaren Tat.
Das, was Sie von der Opposition machen, ist, so zu tun, als würde vorgeschlagen, dass jede verurteilte Straftäterin und jeder verurteilte Straftäter nach fünf Jahren mal so aus der JVA spazieren und irgendwo Urlaub machen könnte - am besten noch auf der Suche nach dem nächsten Opfer.
Das ist nicht nur eine bewusste Verdummung des Volkes, sondern es ist in höchstem Maße verantwortungslos. Sie sollten wissen: Jede Strafvollzugslockerung - darum handelt es sich, wenn wir darüber reden, wann ein Hafturlaub gewährt wird beginnt mit einfachen Dingen. Entsprechend der Schuldanerkenntnisfähigkeit der Strafgefangenen und dem Willen zu Besserung und Wiedergutmachung und der Entwicklung ihres Sozialverhaltens - zunächst in der Strafvollzugsanstalt - folgen verschiedene Stufen der Hafterleichterung und Haftlockerung. Erst auf einer nächsten Stufe - stundenweiser Ausgang in Begleitung und unter der Voraussetzung, dass in dieser Zeit keine Verfehlungen bzw. Straftaten durch die Freigänger verübt werden, können - nicht müssen! - die Vollzugslockerungen erleichtert werden und dies auf der Grundlage eines Vollzugsplanes, der immer konkret die Situation des Strafgefangenen in seinen Hemmnissen, in seinen Entwicklungen und in seiner Sozialkompetenzen dokumentiert.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Diese Debatte sollten wir auf einem Niveau führen, das dem Thema angemessen ist. Es sollten uns die Erfahrungen und die Erkenntnisse der Prakterinnen und Praktiker und der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Thema Strafvollzug wichtig sein. Herr Eichelbaum, ich lege Ihnen das Protokoll des Strafverteidigertages unbedingt ans Herz. Dazu gehört auch die Aussage von Frau Rita Krüger, die uns schrieb:
„Meine unaufgeregte Unterstützung habt ihr. Ich habe selbst im Jugendstrafvollzug gearbeitet und danach 25 Jahre in der Psychiatrie, teilweise geschlossen. Ich weiß, wo
von ihr sprecht. Resozialisierung ist möglich und dringend notwendig. Ich denke, es gibt nur ganz, ganz wenige Menschen, bei denen andere Wege gegangen werden müssen. Aber das ist sicherlich eine sehr, sehr lange Diskussion.“
Führen wir diese Diskussion bitte mit der Achtung vor den Opfern und deren Angehörigen und in Verantwortung für die Menschen, die eines Tages wieder selbstbestimmt in unserer Gesellschaft leben sollen. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich musste jetzt einfach das Papier mit nach vorn nehmen, um meinem Kollegen Danny Eichelbaum - ich verweise übrigens auf meine Rede vom letzten Jahr, als wir mit der CDU und der FDP den gemeinsamen Antrag zur Resozialisierung in den Landtag einbrachten - konkret vorzulesen. Er hatte meiner Kollegin Linda Teuteberg, FDP, die Frage gestellt, ob wir nicht an den bewährten Normen des Strafvollzugs festhalten.
„Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden.“
„Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.“
Es kam so weit, dass sehr viele Fachleute feststellten, dass eine Lockerung des Vollzugs nach zehn Jahren zu spät ist. Was noch? Die Experten Frieder Dünkel und Kirstin Drenkhahn sagen nämlich Folgendes:
„Die zunehmende und bei einzelnen Gefangenen sehr weitgehende Lockerungspraxis hat nicht zu einem Verlust, sondern zu einer Zunahme von Sicherheit für die Bevölkerung und für die Vollzugsbediensteten geführt.“
Was ist eigentlich passiert, als die Steuerzahler eine Reise des Rechtsausschusses in die Niederlande finanzierten? Warum hat der Steuerzahler für Danny Eichelbaum und den Fachreferenten auch noch die Reise nach Hamburg, in die JVA Fuhlsbüttel, finanziert?
Was haben wir dort gehört? Es gibt keinen einzigen Experten, der dem, was ich eben zitierte, widerspricht. Es ist so, dass regelmäßig lediglich vom Fachbereich Politik ein Riesenfass aufgemacht wird, wonach wir angeblich Opfer verhöhnen und die Bevölkerung absolut in Schaden führen würden, wenn wir auch nur teilweise von der Zehnjahresfrist abgehen und jemandem eine Lockerung gewähren. Das ist Schwachsinn. Diese Meinung ist Schwachsinn.
Ich rede nicht über die Person, die heute im ersten Wortbeitrag darüber gesprochen hat, sondern über die Meinung. Ja, Herr Burkardt, nicht so doll aufregen. Jetzt werde ich wieder ganz ruhig.
Ich trage einige grundsätzliche Prinzipien vor. Wir hatten Herrn Prof. Dr. Walkenhorst von der Universität Köln zu Gast im Landtag Brandenburg. Wir - das heißt, die FDP, die CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er sagte uns ganz eindeutig: Der offene Vollzug biete eine, wenn nicht die beste Vorbereitung auf das Leben in Freiheit. Wenn ich auf die vorhin genannten Experten zurückkommen darf: Wenn wir etwas dafür tun, dass die Rückfallquote auch der Schwerstverbrecher gesenkt wird, heißt das, dass wir die Bevölkerung schützen. Das ist genau das, was in dem Zitat steht.
Noch besser kann ich es nicht übersetzen. Insofern kann ich mich Frau Mächtig gar nicht so vorbehaltlos anschließen, wonach Herr Eichelbaum eventuell wider besseres Wissen hier geredet hat. Nein, vielleicht weiß er es ja nicht besser.
Leider habe ich hier nur fünf Minuten Redezeit. Deswegen der Verweis auf die alte Rede und auf unsere Fachgespräche.
Man kann doch nicht sagen, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich darin bestehe, dass man bezüglich der Vollzugslockerung das höchstmögliche Maß wider besseres Wissens beibehält. Das kann es leider nicht sein. Die Vermischung der Debatte kommt doch wohl vor allem daher, dass in den Medien die großen schlimmen schweren Fälle der Wiederholungstäter, die Vollzugslockerung hatten, die vielleicht Täter waren, während sie gerade in Haft waren, aber Freigang hatten und Wiederholungstäter geworden sind, sehr breit zur Geltung. Bedauerlicherweise kommen gelungene Fälle von Resozialisierung in den Medien überhaupt nicht vor, nicht einmal randständig. Auch das ist etwas, was Universitätsprofessoren, die sich mit Rechtspsychologie und Resozialisierung beschäftigen und mit Justizvollzugsanstalten zusammenarbeiten, hervorheben. Das ist etwas, was Justizvollzugsbedienstete wissen, was Juristen wissen. Das kommt in der Medienberichterstattung aber nicht vor. Das wird seit Jahren von den Fachleuten bedauert, weil es dadurch zu dem Effekt kommt: Die Einzigen, die daran festhalten, dass man so streng wie möglich mit Straftätern umgeht, das Bundesverfassungsgericht nicht beachtet und unseren Grundsatz, das Recht auf Freiheit gewähren zu wollen, auch
noch ignoriert, sind die Politiker - diese und jene, aber nicht solche, wie wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir machen da einfach nicht mit. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kollegen der CDU-Fraktion! Ich bin jemand, der hier immer anwesend ist das sieht man ja - und die Debatten der vergangenen Monate sehr intensiv verfolgt hat. Da ist mir noch im Ohr, dass Frau Gregor-Ness - sie ist jetzt nicht da
beim letzten Mal in der Aktuellen Stunde zum Wassermanagement die Anlage 3 der Geschäftsordnung vorgelesen hat, was Anlass einer Aktuellen Stunde sein sollte: Vorgänge, die nach der letzten Sitzung - also der vorhergehenden Sitzung - zur Kenntnis gelangt sind oder veröffentlicht wurden. Vor dem Hintergrund ist es problematisch, dieses Thema zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde zu machen.
Die Vorrednerinnen und Vorredner haben hier ausgeführt, dass wir im Sommer vorigen Jahres eine Debatte zur Resozialisierung geführt haben. In der Debatte habe ich die Grundzüge des Musterentwurfs vorgestellt. Dieser steht seit September im Netz. Es sind Presseerklärungen dazu abgegeben worden. Offensichtlich hat der Vorsitzende des Rechtsausschusses erst jetzt davon Kenntnis erlangt, was Inhalt dieses Musterentwurfs ist.
Oder er versucht, auf einer populistischen Welle zu segeln, die von der „Bild“-Zeitung vor 14 Tagen angestoßen worden ist. Das zweite ist wahrscheinlich, denn seine Ausführungen, die in den Niederungen des Populismus angesiedelt sind, bestätigen diese Annahme.
Nichtsdestotrotz bin ich froh, dass Sie diesen Antrag gestellt und das zum Thema gemacht haben. Das gibt mir die Möglichkeit, einige Dinge geradezurücken und einer populistischen Kriminalpolitik, einer populistischen Strafvollzugspolitik Grundsätze einer rationalen, einer auf der Verfassung basierenden Kriminalpolitik entgegenzuhalten - so, wie es meine Kolleginnen und Kollegen bereits gemacht haben. Es ist ganz interessant. Sie haben den Vorwurf erhoben, der Justizminister sei mit seiner Politik isoliert. Nein, diese Debatte hat erwiesen, dass die Opposition in Form der CDU isoliert ist in diesem Haus.
Es gibt möglicherweise Nuancen und Unterschiede. Aber wir alle wollen eine humanistische, rationale Strafvollzugspolitik außer den Kolleginnen und Kollegen der CDU.