Protokoll der Sitzung vom 06.06.2012

Herr Jungclaus, zum Thema Akteneinsicht: Im Hauptausschuss wurde bereits ausgeführt, dass ein Raum eingerichtet wird, in dem jeder von uns Akteneinsicht nehmen kann. Das ist längst Geschichte. Was das Thema Wirtschaftlichkeit angeht, so bin ich wirklich gespannt, wie die Grünen sich verhalten wollen. Wirtschaftlichkeit kann doch gar nicht Ihr Ansatz sein, denn jeder Flieger, der am BER startet und landet, ist in Ihren Augen ja einer zu viel.

(Vogel [GRÜNE/B90]: Ahhhh!)

Jetzt komme ich zum eigentlichen Thema.

(Beifall CDU)

Es gibt ein schönes Sprichwort: Wenn man ein Schiff bauen will, dann muss man nicht nur Männer zusammentrommeln, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern man muss die Männer die Sehnsucht lehren - nach dem weiten, endlosen Meer.

(Jungclaus [GRÜNE/B90]: Ein Anker wäre aber auch nicht schlecht!)

Abgewandelt würde das auch für unseren Flughafen gelten. Ja, es hätte ein schöner Sommer und heute hätte ein schöner Tag werden können. Wir alle wären gestartet und gelandet - am modernsten Flughafen Europas! -, hätten die Sommerpause genossen und unseren Erfolg gefeiert. Der Traum ist geplatzt. Das enttäuscht uns alle. Aber das zeigt uns auch unsere Grenzen auf.

Wir hatten ein ehrgeiziges Ziel, wir hatten ehrgeizige Pläne, wir hatten ein ehrgeiziges Timing. Es gab unendlich viele politische Einflüsse. Juristische Kämpfe waren zu bestehen.

(Schulze [fraktionslos]: Komm‘ doch mal zu den Bür- gern, zu den Betroffenen! - Frau Melior [SPD]: Lass‘ sie doch mal ausreden!)

Es ging um den neuesten Stand der Technik, um die Verschärfung von Normen und Standards im Sicherheitsbereich. Und es ging trotzdem immer auch um wachsenden Flugverkehr. Das Projekt wurde komplexer und komplexer.

Um im Bild des vorhin gebrachten Zitats zu bleiben: Wir hatten alles - Männer und Material. Wir hatten die Aufgaben vergeben, die Arbeit eingeteilt und - modern! - noch ein Controlling obendrauf gesetzt. Dann waren wir im Dickicht verloren.

(Dombrowski [CDU]: Der Brandenburger Weg!)

Wann wäre eigentlich der richtige Zeitpunkt gewesen - diese Frage richtet sich an alle -, innezuhalten und zu fragen: Können Menschen, kann Technik dieses Schrittmaß auf Dauer ohne Fehler überhaupt durchstehen? Als dann das „Stopp!“ kam, gab es Überraschung, aber auch gespielte Wut. Da war sie, die Peinlichkeit, die Enttäuschung. Ich finde, in den meisten Äußerungen - auch in den Medien - geht es nur noch darum, das Geschehen zu überzeichnen, zu skandalisieren.

(Schulze [fraktionslos]: Hallo?! Ist das ein Skandal oder ist das keiner?)

- Nein, ist es nicht.

(Schulze [fraktionslos]: Kein Skandal? - Lachen des Ab- geordneten Schulze [fraktionslos])

- Vielleicht ist es einfach nur verantwortliches Handeln, verdammt noch mal!

Uns gehen - wie so oft - Mitte und Maß verloren. Das ist unser Hauptproblem. Wir wollen überhaupt keinen Dialog mehr führen, sondern wir wollen uns beschimpfen, wir wollen Schuld zuweisen. An Lösungen will längst niemand mehr arbeiten.

Das Projekt ist doch nicht gescheitert, meine Damen und Herren! Der Inbetriebnahmetermin ist verschoben worden. Die Baulichkeiten stehen. Das komplexe Innenleben gilt es jetzt zu vollenden.

Christoph Schulze ist natürlich der Meinung, es gehe überhaupt nicht darum, was innerhalb des Zaunes passiert, sondern es gehe nur darum, was außerhalb des Zaunes passiert. Diesem Haus muss es aber um alles gehen: um das, was innerhalb des Zaunes passiert, und um das, was außerhalb des Zaunes passiert.

(Beifall SPD)

Trotz aller Enttäuschung sage ich Ihnen: Wenn im nächsten Jahr der Flughafen in Betrieb geht, dann wird er ein Erfolg für Berlin und für Brandenburg. Wir alle hätten - bei allem berechtigten Ärger - nur einen Blick in die Vergangenheit, auf andere Projekte zu werfen brauchen, und dann hätten wir gewusst: Das kann passieren.

(Bischoff [SPD]: Herr Mehdorn!)

Es ist bisweilen so, dass man an die Grenzen des Machbaren stößt. Die Technologien werden immer komplexer und funktionieren eben nicht mehr nur auf Knopfdruck, wie es früher der Fall war. Sie sind heute so miteinander vernetzt, dass es einer komplizierten Software bedarf. Wenn das dann nicht funktioniert, stehen wir vor einem Dilemma. In einem solchen befinden wir uns jetzt.

Es ist übrigens - nach Maut, Hauptbahnhof und allen möglichen anderen Geschichten - keineswegs ein typisch brandenburgisches Problem, zu dem die Verschiebung gerade hochstilisiert wird.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schulze?

Nein. - Wo große Technologieunternehmen scheitern, gerät auch die Politik an ihre Grenzen. Dennoch muss Politik handeln und nach gründlicher Prüfung - zu Entscheidungen kommen. Wir müssen auch Vertrauen entwickeln in die Fähigkeiten deutscher Ingenieurskunst. Ich finde, das sollten wir tun.

Zugegebenermaßen brauchen wir jetzt erst einmal eines: Ruhe und Sachlichkeit. Wir müssen die Fehler analysieren, zugeben, was schiefgelaufen ist, und dann aus diesen Fehlern lernen. Es geht darum, Vertrauen neu aufzubauen, das Vertrauen, das enttäuscht worden ist - bei den Mitarbeitern, bei den Betrieben, bei allen, die in das Projekt involviert sind.

(Senftleben [CDU]: Und bei den Bürgern!)

Von der Landesregierung - das steht in unserem Antrag - erwarten wir, dass sie in den Gremien der Flughafengesellschaft darauf hinwirkt, dass sie in Zukunft fachlich, personell, technisch und natürlich auch finanziell in die Lage versetzt wird, den jetzt anvisierten Termin tatsächlich einzuhalten. Es gilt, das Controlling effizient zu gestalten und die Finanzströme aufzubauen.

(Senftleben [CDU]: Offenzulegen!)

Wir gehen davon aus, dass externer Sachverstand gebraucht wird. Deswegen empfehlen wir, bei wichtigen Entscheidungen externen Rat hinzuzuziehen, damit sich auch der Aufsichtsrat in Zukunft nicht auf die Vorträge der Geschäftsführung allein verlassen muss.

Wir erwarten, dass die Fraktionen und die Ausschüsse des Landtags künftig noch enger und zeitlich nah informiert werden. Das gilt insbesondere für die Berichterstattung nach dem 22.06. Zudem erwarten wir, dass alle haushaltsrelevanten Fragen beantwortet werden - seriös und mit dem Hintergrund, den man braucht, nicht aber durch offene Briefe, in denen alle zwei Tage Zahlen eingefordert werden.

(Senftleben [CDU]: Was ist denn daran schlimm?)

Die Verschiebung der Eröffnung hat zu einem erheblichen Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit geführt. Fluggäste, Unternehmen, Baubetriebe - alle sind verunsichert. Dennoch bleibt der Flughafen unser wichtigstes Projekt. Die Chancen, die unser Flughafen bietet, lohnen die Anstrengungen aller Beteiligten.

Mit der Verschiebung der Eröffnung können die Mängel und die Provisorien beseitigt werden. Vor allen Dingen gilt es, den drängenden Lärmschutz nach vorn zu bringen. Diesbezüglich erwarten wir, dass der Schallschutz endlich auch in der Flughafengesellschaft den Stellenwert erhält, der ihm gebührt. Das sind wir allen Betroffenen schuldig.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Der angemessene Anwohnerschutz bis zur Eröffnung - wir haben neun Monate Zeit - kann einen entscheidenden Schritt vorankommen. Das ist auch gut so.

Für die Koalition hat die Sicherheit der Mitarbeiter, der Fluggäste und der Besucher selbstverständlich Vorrang. Deshalb ging es gar nicht anders, als zu sagen: Wenn Mensch und Maschine nicht funktionieren, dann Stopp!

Jetzt gilt: Gründlichkeit vor Schnelligkeit und Aufklärung vor Vorverurteilung!

(Vereinzelt Beifall SPD - Frau Prof. Dr. Heppener [SPD]: So ist es!)

Diese Borniertheit und Besserwisserei von Teilen dieses Hauses habe ich in dieser Form, ehrlich gesagt, noch nicht erlebt; dass ich das erleben musste, bedauere ich zutiefst. Geht es noch um Schadensbegrenzung oder um konstruktive Zusammenarbeit? Fehlanzeige! Es geht nicht um verbale Aufrüstung. Es geht darum, neue Formen der Kommunikation zu suchen.

In diesem Sinne bedanke ich mich bei den Grünen und bei der FDP, dass sie das Wagnis eingehen wollen, ein neues Format zu erproben, um direkte Kommunikation zu üben und auf einer neuen Basis zusammenzuarbeiten. Wenn ich bei einem Projekt argumentativ nicht mehr weiterkomme und mir nichts mehr einfällt, dann schiebe ich das ja immer auf mangelnde Kommunikation. Lassen Sie uns heute damit beginnen, Kommunikation in einer neuen Form zu üben! - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Wir kommunizieren weiter mit einer Kurzintervention des Abgeordneten Goetz.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin Gregor-Ness, Sie haben erklärt, alles sei immer komplizierter geworden und diese zunehmende Kompliziertheit habe letztlich dazu geführt, dass man Pech gehabt habe und die Eröffnung nicht so gelaufen sei, wie sie hätte laufen sollen.

Das, liebe Frau Kollegin, ist falsch! Wir hatten ursprünglich private Investoren, die den Flughafen bauen sollten. Die sind bereits vor zehn Jahren abgesprungen - in Kenntnis der Probleme, die wir heute bekommen würden. Dann ist das Land auf den Zug aufgesprungen und hat gesagt: „Dann machen wir es eben selbst!“ Wenn man es selbst macht, muss man es aber auch tatsächlich tun. Wenn man an der Baustelle kein ordentliches Controlling ausübt, bekommt man genau die Probleme, die wir heute haben.

Unser stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und Ministerpräsident …

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

- Er ist unser aller stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Er vertritt das Land Brandenburg. Wir sind mit 37 % beteiligt. Auch wir sind betroffen. Es ist unser Geld, meines genauso wie Ihres und das aller Brandenburger, die hier unterwegs sind.

Er hat vorige Woche erklärt, er habe die richtigen Fragen gestellt, aber die Flughafengesellschaft habe ihm nicht die richtigen Antworten gegeben, das heißt, sie habe letztlich nicht die Wahrheit gesagt.