Protokoll der Sitzung vom 07.06.2012

Das heißt, dieser Bericht wurde den Abgeordneten acht Monate lang wissentlich vorenthalten, und zwar nicht nur denen der Opposition, sondern auch denen der Regierungskoalition. Das ist symptomatisch und zeigt, wie die rot-rote Regierung mit diesem Thema umgeht. Daran krankt die ganze Geschichte bis heute. Das ist übrigens nicht nur im Bildungsausschuss so, sondern das ist ein grundsätzliches Problem von Rot-Rot.

(Beifall CDU und FDP)

Heute sind wir ein Stück weiter, und wir müssen schauen, wie es aussieht. Nach langem Hin und Her und großen Protesten hat man wohl gemerkt, dass es so einfach nicht wird. Das kürzlich vorgestellte Modell ist quasi ein Kompromiss, der auf ganz wunderbare Weise die negativen Aspekte der einzelnen Optionen in einer zusammenführt: Es wird ein bisschen zentralisiert. Mit der Landesschulagentur wird eine zusätzliche Ebene eingezogen. In Perleberg wird ein bestehendes Schulamt geschlossen, nur um in Neuruppin - im selben Schulamtsbezirk! - ein neues Schulamt aufzubauen.

Herr Günther hat vorhin gesagt, die Entfernung könne kein Grund sein, denn bisher habe das wunderbar funktioniert. Dann frage ich mich, warum Sie den Standort Perleberg zumachen wollen.

(Beifall CDU)

Das alles passiert unter der Maßgabe, dass damit - wie eigentlich immer, wenn die „glorreiche“ rot-rote Koalition etwas anpackt - alles billiger, besser und effizienter werde.

(Frau Alter [SPD]: Genau!)

Das haben Sie zwar bisher immer angekündigt, aber funktioniert hat es noch nie. Ich sage Ihnen: Es wird auch diesmal nicht funktionieren!

(Beifall CDU und FDP)

Dass es nicht funktionieren wird, sieht man auch, wenn man den Evaluationsbericht liest. Man braucht sich nur die letzte Reform vor Augen zu halten. Damals haben Sie 18 Schulämter zu 6 zusammengelegt und dieselben Ziele formuliert: billiger, besser, effizienter.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

- Nein, das war 2000. Damals war ich noch nicht dabei - das will ich hier ganz klar sagen -, sondern an der Berufsschule.

(Heiterkeit)

Damals gab es, wie gesagt, dieselben Zielvorgaben: billiger, besser, effizienter. Schaut man in den Bericht, stellt man fest: Davon ist nicht viel übrig geblieben. Das können Sie nachlesen. Die beabsichtigten Einspareffekte konnten so nicht realisiert werden. Auf Seite 15 heißt es konkret, dass das Einsparziel um 2,5 Millionen Euro verfehlt wurde. Die Überzeugung, dass Sie durch die Zusammenlegung bzw. Reduzierung von sechs auf vier Schulämter und die Schaffung einer zusätzlichen Landesschulagentur tatsächlich 2 Millionen Euro sparen können, haben Sie zunächst einmal exklusiv, meine Damen und Herren von der Koalition.

Auf die Schulämter wird häufig geschimpft - sicherlich nicht immer unberechtigt. Aber in diesem Bericht wird auch deutlich, warum sie manchmal gar nicht anders handeln konnten.

So wird den Schulämtern vorgeworfen, dass bestimmte Sachverhalte in den Schulamtsbezirken unterschiedlich gehandhabt worden seien. Herr Kollege Günther hat vorhin ausgeführt, dies solle durch die Schaffung einer Landesschulagentur abgestellt werden. Im Bericht ist sehr wohl die Rede davon, dass es Leitfäden, Formblattsammlungen bzw. Formularsammlungen gab. Es ist aber auch die Rede davon, dass das im Ministerium nie jemand sehen wollte; dort wollte niemand etwas davon wissen. Man hätte diese Möglichkeiten durchaus nutzen können, aber das Ministerium wollte das nicht sehen.

Ferner liest man dort, dass es zwar Arbeitsberatungen der Schulamtsleiter gegeben habe; die Vorgaben und Abstimmungen seien aber immer weniger geworden. Zudem sei die Zahl der Beratungen zurückgegangen, und in jüngster Zeit hätten gar keine mehr stattgefunden.

(Beifall CDU)

An dieser Stelle wird deutlich, dass es sich dabei zunächst um ein Versäumnis des Ministeriums handelt.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Wenn es nämlich keine einheitlichen Vorgaben gibt, dann dürfen Sie nachher auch nicht jammern, wenn etwas unterschiedlich gehandhabt wird. Die Möglichkeit, solche Vorgaben zu erteilen, hätten Sie, das Ministerium, auch jetzt schon. Dafür brauchen Sie jedenfalls keine neue Landesschulagentur zu schaffen. Es bedarf keiner zusätzlichen Ebene mit zusätzlicher Bürokratie und einer zusätzlichen Möglichkeit, Verantwortung hin- und herzuschieben, Herr Günther.

(Bischoff [SPD]: Und wo ist Ihr Konzept?)

- Das steht in dem Entschließungsantrag; den müssten Sie mal lesen.

(Bischoff [SPD]: Aha!)

Auch auf die angespannte Personalsituation wird in dem Bericht hingewiesen. Das angemessene Betreuungsverhältnis Schulrat - Lehrer ist schon jetzt überschritten. Dann kommt es zu Situationen wie am OSZ Prignitz. Der dortige stellvertretende Schulleiter geht in die Altersteilzeit. Man weiß also drei Jahre im Voraus, wann er nicht mehr da ist. Dennoch war es nicht möglich, das Stellenbesetzungsverfahren für den Nachfolger rechtzeitig abzuschließen. Das allerdings wird mit weiterer Zentralisierung mit Sicherheit nicht besser.

In dem Evaluationsbericht wird weiter ausgeführt, dass durch die Zusammenlegung die Zusammenarbeit insbesondere mit der kommunalen Ebene deutlich erschwert werde. Früher waren noch viele Fragen auf dem kurzen Weg zu klären; das hat sich mit den längeren Anfahrtswegen deutlich erschwert. Das steht so im Bericht, Kollege Günther, auch wenn Sie es anders sehen.

Das erfährt man aber nicht nur aus dem Bericht, sondern auch aus Gesprächen mit den kommunalen Verantwortlichen. Koordination und Abstimmung haben sich verschlechtert und werden sich mit fortschreitender Zentralisierung weiter verschlechtern. Das kann nicht gewollt sein. Im Gegenteil! Wir wollen Schulaufsicht nicht nur als Instrument betrachten, das dazu dient, die Schulen zu beaufsichtigen. Schulaufsicht soll auch beraten und an der Verbesserung der Qualität von Bildung mitwirken. Schulaufsicht soll auch ein Service, eine Dienstleistung für Schulen sein. Dabei geht es eben nicht nur um Verwaltungsfragen. Die entsprechenden Leute müssen aber fachlich dazu in der Lage sein und die Zeit dazu haben. Es kann nicht angehen, dass die Wege immer länger werden und die Schulräte die meiste Arbeitszeit damit verbringen, durch das Land zu gondeln, bis sie das erste Mal eine Schule sehen.

Wenn man die Qualität weiterentwickeln will, dann müssen die Schulräte dichter heran: an die Schulen, an die Kommunen, an die Landkreise. Wenn wir das wollen, dann müssen wir bezogen auf das, was die Landesregierung vorhat, einfach sagen: Das ist jetzt der falsche Zeitpunkt. Herr Büttner hat schon angesprochen, dass die Enquete 2 läuft. Es gibt die Beratung darüber. Sie von der Landesregierung aber starten jetzt - bevor wir wissen, wie die Strukturen in drei Jahren aussehen - eine Reform, mit der Sie alles umwerfen und mit der nichts besser wird. Dennoch behaupten Sie immer noch, das sei eine nachhaltige Strukturreform. Das ist großer Quatsch. Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen, um dieses Ziel tatsächlich erreichen zu können. - Danke schön.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Für die Linksfraktion spricht die Abgeordnete Große.

(Frau Melior [SPD]: Erzähle denen mal, was los ist! - Bi- schoff [SPD]: Erkläre mal die Welt!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich hätte nie geglaubt, dass ein Thema, das in seinen Ursprüngen auf das Jahr 2009 zurückgeht und im Jahr 2010 konkrete

Formen angenommen hat, heute, im Jahr 2012, noch solche Aktualität hat und noch einmal ein solches Aufbäumen und eine solche Lautstärke hervorruft.

Sehr verehrter Herr Kollege Büttner, ich habe wirklich großen Respekt vor den kleinen Oppositionsfraktionen in diesem Haus, weil sie eine Menge an Arbeit wegtragen müssen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Sie sind gerade dabei, einen Teil dieses Respekts zu verspielen. Ich will Ihnen auch begründen, warum.

(Oh! bei FDP und CDU)

- Darüber müssen Sie nicht traurig sein; das kriegen wir schon wieder hin.

(Heiterkeit)

Als Sie mit Ihrer FDP-Fraktion hier im Landtag aufschlugen, waren Sie deutlich zu hören. Damals habe ich aus Schulämtern Briefe bekommen, in denen sinngemäß stand: „Wer ist dieser Herr Büttner mit der Forderung, gar keine Schulämter mehr zu haben?“ Das war damals Ihr Aufschlag hier im Landtag.

Jetzt unternehmen Sie den Versuch zur Rettung der Schulämter, und zwar der vorhandenen, vor allem natürlich des Schulamtes Eberswalde, das in Ihrem Landkreis liegt. Ich stelle fest, dass Sie jetzt für die Variante mit 18 Kreisschulämtern offen sind, also zurückgehen wollen. Ich finde, Sie müssen sich entscheiden, was Sie wollen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich hatte gehofft, dass Sie mit dem Antrag, den Sie gestellt haben, zu so einer Entscheidung kommen würden. Sie wollen die Schulämter auf eine solide Basis stellen, und Sie wollen das Ganze zukunftsfähig machen. Dazu aber habe ich von Ihnen noch nichts gehört. Vielleicht kommt dazu noch etwas; Sie haben ja noch Redezeit.

Die Begründung für den von Ihnen eingereichten Antrag, den wir im Präsidium noch ohne Begründung vorliegen hatten, ist ohnehin sehr mager. Zudem enthält sie falsche Aussagen bezüglich der Beteiligung. Herr Büttner, lesen Sie den AG-EVABericht, den wir zu spät bekommen haben! Beteiligt waren der Hauptpersonalrat in Person von Herrn Kramer und drei Schulämter - von Anfang an! Ihre Behauptung stimmt also nicht.

Jetzt komme ich zu dem Punkt, zu dem wir schon Konsens haben, Herr Büttner. Wir haben in der Sitzung des Bildungsausschusses im Dezember nicht nur erstaunt geguckt, sondern wir haben uns mit diesem Prozedere sehr wohl auch auseinandergesetzt. Ich bin damals genauso unzufrieden gewesen wie Sie, und wenn das heute Ihr zentrales Thema ist, dann arbeiten Sie das halt noch einmal ab, indem Sie schmutzige Wäsche waschen und sagen: Der Prozess war suboptimal. - Es gab eine Gruppe von Verwaltungsoptimierern, die daran gearbeitet hat, und es gab die EVA-Gruppe. Das parallele Tätigwerden hat dazu geführt, dass nach der Evaluation Ergebnisoffenheit nicht mehr bestand. Das habe auch ich kritisiert, und dazu stehe ich heute noch. Das ist aber das Einzige, wo ich an Ihrer Seite bin. Ich wiederhole: Der Prozess war ein schwieriger, und die Menschen hätten nicht so verunsichert werden müssen.

Seitdem ist aber ein Jahr vergangen, Herr Büttner. Inzwischen haben sich mit einer ganz anderen Beteiligung neue Arbeitsstrukturen gebildet; wir sind im Ausschuss darüber auch informiert worden. Worauf wollen Sie denn jetzt politisch hinaus? Ich versuche mir das vorzustellen: Woraus wollen Sie als FDP jetzt Profit ziehen?

(Büttner [FDP]: Sagen Sie mal, was Sie wollen!)

Mir würde, wäre ich noch in der Opposition, so viel einfallen zum Schuljahresende. Es gibt noch Baustellen, die wir zu beackern haben. Diese aber gehört nicht mehr dazu.

Ich komme zu Ihrem Entschließungsantrag, auf den die CDU dann noch mit draufgegangen ist.

(Senftleben [CDU]: Hallo, hallo, hallo? Den haben wir geschrieben!)

Was steht dort zu Ihrer zukunftsfähigen Konzeption? Sie sagen: Aussetzen! Das ist der erste Punkt. Sie wollen das Ganze aussetzen.

Ich habe vor einem Jahr auch gefordert, den Reset-Knopf zu drücken und noch einmal ergebnisoffen zu prüfen, welche Modelle wir uns vorstellen können. Das habe ich gesagt.

(Zuruf des Abgeordneten Büttner [FDP])