Protokoll der Sitzung vom 07.06.2012

Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 5/5461, vor.

Wir beginnen mit dem Beitrag der LAkD. Frau Poppe, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben in unserem Tätigkeitsbericht, der Anfang März dem Landtagspräsidenten vorgelegt wurde, eine Bilanz unserer Arbeit in den ersten zwei Jahren gezogen. Zugleich finden Sie in dem Bericht den Versuch, die Ausgangssituation im Land Brandenburg im Jahre 2010 zu beschreiben, so wie ich sie bei meinem Amtsantritt wahrgenommen habe.

Zudem legen wir dar, wie wir die Behörde aufgebaut haben, wie unser Team strukturiert ist und welche Arbeitsschwerpunkte wir gesetzt haben. Es werden sehr unterschiedliche, zum Teil gegensätzliche Erwartungen an uns gerichtet. Für manche gelte ich als Stasi-Jägerin und Rächerin, anderen wiederum bin ich viel zu milde, wenn es darum geht, die Stützen des alten Systems namhaft zu machen.

Um hier das richtige Maß zu finden und eine Position zu beziehen, die von dem Bemühen um Sachlichkeit, Angemessenheit und Fairness geprägt ist, brauchen wir die Kooperation im Lande mit Bürgerinitiativen, Politikern, Behörden und anderen

Institutionen. Deshalb haben wir auch relativ schnell damit begonnen, Kooperationsbeziehungen aufzubauen. Außerdem stehen wir mit Bundeseinrichtungen wie dem Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, aber auch mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages in Verbindung.

Sie finden in unserem Bericht eine ausführliche Beschreibung unserer Beratungstätigkeit. Hier hat sich zweifellos ein ganz deutlicher Nachholbedarf gezeigt. Wir sind froh, dass wir vor Kurzem aus Stiftungs- und Landesmitteln je zu 50 % eine neue Stelle finanziert bekamen, um dem Beratungsbedarf einigermaßen gerecht zu werden.

Auch haben die Enquetekommission sowie einige öffentliche Äußerungen verschiedenster politischer Parteien dazu beigetragen, dass zumindest erst einmal die öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber den Schicksalen ehemaliger politischer Verfolgter gewachsen ist. Wir werden alles, was in unseren Kräften steht, tun, um die Situation der Opfer der SED-Diktatur zu verbessern, und wir sind dankbar für jede Unterstützung seitens der Politik.

Um der uns gesetzlich vorgegebenen Aufgabe der historischpolitischen Aufklärung gerecht zu werden, arbeiten wir mit vielfältigen Brandenburger Einrichtungen zusammen und versuchen auf diese Weise, die Angebote so zu gestalten, dass sich die Brandenburger in ihrer jeweiligen Region angesprochen und einbezogen fühlen. Diese regionalen Kooperationen wollen wir in Zukunft noch verstärken. So planen wir eine Ausstellung zum 17. Juni in Brandenburg, unter Einbeziehung von Stadt- und Regionalmuseen.

Meine Behörde will auch dazu beitragen, dass Menschen zur Offenheit ermutigt werden, die im damaligen System Verantwortung getragen oder Schuld auf sich geladen haben. Ihnen soll die Chance eingeräumt werden, über Fehler und Irrtümer mit anderen und auch öffentlich zu sprechen. Je mehr dazu bereit sind, desto eher ist eine differenzierte Betrachtung und damit eine angemessene Beurteilung möglich. Erst in einer gesellschaftlichen Atmosphäre, in der Verletzungen der Würde und der Rechte von Menschen weder bagatellisiert noch geleugnet oder gar gerechtfertigt werden, können sich die in der DDR politisch Verfolgten angenommen und integriert fühlen.

Bei der jungen Generation sind die Kenntnisse über DDRGeschichte zum Teil noch mangelhaft. Das wird durch entsprechende Untersuchungen belegt und auch in der Öffentlichkeit immer wieder beklagt. Hier liegt ein weiterer wichtiger Arbeitsschwerpunkt für die Landesbeauftragte. Obwohl manche Lehrerinnen und Lehrer mit hervorragenden Projekten das Interesse der Schülerschaft an der DDR-Geschichte fördern, gibt es in anderen Teilen der Lehrerschaft noch zu wenig Bereitschaft, diese Themen im Unterricht zu behandeln. Mit dem MBJS, mit Schulämtern und freien Trägern beraten wir, wie bei der Jugend das Interesse an der Zeitgeschichte gefördert werden kann, wo die aktuellen Anknüpfungsthemen liegen und wie Lehrkräfte motiviert und unterstützt werden können.

Meine Damen und Herren! Bei der Arbeit, die mir durch das Aufarbeitungsbeauftragtengesetz zugewiesen ist, muss immer wieder neu abgewogen werden, wie viel Beschäftigung mit der Vergangenheit nötig, sinnvoll und möglich ist und welches die geeigneten Formen sind, in denen Fairness und Verhältnis

mäßigkeit gewahrt werden. Das ist nicht immer leicht und bedarf kritischer Begleitung.

Ich bin dankbar für kurze, direkte Kommunikationswege zwischen uns und den politisch Verantwortlichen. Ich bin dankbar für Hinweise und Kritik. Wir haben gute Voraussetzungen, in den nächsten Jahren noch intensiver mit unserer Arbeit im Land Brandenburg wirksam zu werden. Die Zusammenarbeit mit den Gedenkstätten und Museen wird sich noch ausweiten, die Fremdförderungen sowie Forschungs- und Publikationsprojekte werden zunehmen. Zudem wird unsere Beratungstätigkeit durch die Anlaufstelle für ehemalige Heimkinder erweitert werden, wie Sie wissen.

Ich hoffe, dass Sie, sehr geehrte Abgeordnete, unsere Arbeit weiterhin begleiten und unterstützen, und ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Vielen Dank. - Das Wort erhält nun die CDU-Fraktion. Der Abgeordnete Dombrowski spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Ersten Tätigkeitsbericht unserer Landesbeauftragten; sie hat nach § 4 des entsprechenden Gesetzes alle zwei Jahre einen Bericht vorzulegen.

Dieser Bericht verdeutlicht den großen Beratungsbedarf der Bürger und damit die umfangreiche Arbeit der Landesbeauftragten und ihrer Mitarbeiter. Knapp 2 000 Brandenburger haben bis Ende 2011 Rat gesucht, davon 700 Dauerfälle. Für viele ist die Behörde von Frau Poppe eine Art letzte Instanz und letzte Hoffnung. Die meisten Probleme bestehen bei Ansprüchen auf Entschädigungen und Sozialleistungen sowie bei der Anerkennung gesundheitlicher Folgeschäden. Auch die Aufklärung von Kindern und Jugendlichen sowie Schulungen für Lehrer zum Thema DDR-Diktatur sind wichtiger Bestandteil der Arbeit von Frau Poppe und ihrer Mitarbeiter. Deshalb möchte ich Ihnen im Namen der CDU-Fraktion, vor allem aber auch im Namen der vielen rat- und hilfesuchenden Opfer Dank und Anerkennung für die geleistete Arbeit aussprechen.

(Allgemeiner Beifall)

Da der Landtag zu einem so wichtigen Bericht einer von ihm eingesetzten Landesbeauftragten auch Stellung beziehen sollte, haben wir im Hauptausschuss bereits frühzeitig eine entsprechende Beschlussempfehlung mit vier Punkten eingebracht. Neben dem Dank für die und der Würdigung der Arbeit der Landesbeauftragten sollte darin vor allem auch eine Entschuldigung gegenüber den Opfern in Brandenburg ausgesprochen werden, weil sie über zwei Jahrzehnte auf eine eigene Beauftragte und damit auf die Aufarbeitung warten mussten. Diese Entschuldigung kostet nicht viel, außer etwas Überwindung. Sie betrifft nach Auffassung der CDU-Fraktion uns alle in diesem Landtag, egal, ob wir schon einmal in Regierungsverantwortung waren oder nicht. Wir alle hätten mehr tun können und müssen, um diesen Bürgerinnen und Bürgern den Respekt zu verschaffen, den sie verdient haben. Dazu war aber die Mehrheit im Hauptausschuss nicht bereit. Zu dieser Entschul

digung waren die Koalitionsfraktionen nicht bereit, was mich gerade bei der SPD wirklich geärgert hat, da sie als einzige Partei immer in Regierungsverantwortung war und auch eine besondere Geschichte in Deutschland hat. Man war im Hauptausschuss nicht einmal dazu bereit, den Bericht zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. So heißt es auch weiterhin:

„Der Landtag würdigt die bisher geleistete Arbeit der Landesbeauftragten und nimmt den Bericht zur Kenntnis.“

Ein „zustimmend“ zur Kenntnis - darum ist gestritten worden war mit den Koalitionsfraktionen nicht möglich.

Nun ja, vielleicht sehen es einige SPD-Kolleginnen und -Kollegen anders. Bei der Linken muss einen das vielleicht nicht so sehr wundern,

(Görke [DIE LINKE]: Es ist einfach unredlich!)

dafür wird die Partei DIE LINKE am 17. Juni, dem Tag des Volksaufstandes, in der Berliner Kulturbrauerei ein großes Fest feiern, ein Fest der Linken - ein Datum, um deutlich zu machen, wo sich der eine oder andere in dieser Partei vielleicht eher gedanklich zu Hause fühlt.

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE] -- Holz- schuher [SPD]: Jetzt ist nicht die Zeit für Parteipolitik!)

- Das können Sie gern mir hier vorn überlassen.

Sie haben heute mit unserem Entschließungsantrag nochmals die Chance, ein ehrliches Wort an die Opfer zu richten und sich für unser aller Versäumnisse im Landtag ein wenig zu entschuldigen.

Meine Damen und Herren, die Aufarbeitung des DDRUnrechts ist auch 22 Jahre nach dem Ende der DDR noch lange nicht am Ende. Erst gestern haben wir an dieser Stelle über die Beratung und Entschädigung ehemaliger Heimkinder gesprochen, die ebenfalls in den Verantwortungsbereich von Frau Poppe fallen. Ich möchte sehr dafür werben, dass der Landtag, die Koalitionsfraktionen und der Ministerpräsident zu ihren Beschlüssen und Bekenntnissen stehen, damit die Situation der Opfer weiter verbessert werden kann.

(Beifall CDU)

Indem wir die Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in Zukunft noch besser unterstützen, können wir als Abgeordnete zumindest einen indirekten Beitrag dazu leisten.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal eindringlich auf Sie einzuwirken versuchen. Der Umstand, dass die Koalitionsfraktionen nicht bereit sind, diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, und darum gestritten haben, lässt alle möglichen Interpretationen zu, und zumindest der SPD steht dies nicht gut zu Gesicht, so meine ich jedenfalls. Der Streit im Hauptausschuss ist auch der Grund, dass wir dem Beschlussantrag des Hauptausschusses heute nicht zustimmen können. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Der Abgeordnete Bischoff setzt für die SPD-Fraktion fort.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Poppe! Zum 1. Januar 2010 wurde die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur im Land Brandenburg eingesetzt. Diese Einsetzung - das sage ich ganz offen und freimütig -, kam sehr spät, das bedauern wir.

Der vorgelegte Bericht - es ist der erste - zeigt, wie richtig und notwendig diese Entscheidung gewesen ist, und mit Verlaub, geschätzter Kollege Dombrowski: Wir nehmen diesen Bericht selbstverständlich gern auch zustimmend zur Kenntnis.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Es ist allerdings, meine sehr verehrten Damen und Herren, mehr als nur ein Tätigkeitsbericht. Es ist ein Aufbaubericht, der auch eindrucksvoll beschreibt, welche konkrete Arbeit vor Ort bei den Bürgerinnen und Bürgern, die unter den Folgen der Diktatur gelitten haben und bis heute noch leiden, geleistet wird und geleistet worden ist.

Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich - ich denke, nicht nur für meine Fraktion, sondern für das gesamte Haus, das heutige, hiesige Parlament - Ihnen, Frau Poppe und vor allen Dingen auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit in den ersten zwei Jahren und den vorgelegten Ersten Tätigkeitsbericht ausdrücklich herzlich danke schön sagen.

(Allgemeiner Beifall)

Aus dem Bericht, meine Damen und Herren, geht hervor, dass die Tätigkeit sich in viele Bereiche erstreckt. Kollege Dombrowski hat dies - zumindest in sehr deutlichen Worten - auch schon unterstrichen. Ich will einige wenige Punkte in Erinnerung rufen: Das Thema Bildung, Erwachsenenbildung, Jugendbildung spielt eine sehr zentrale Rolle. Darüber freuen wir uns. Dass in den zurückliegenden zwei Jahren knapp 2 000 persönliche Beratungen stattgefunden haben - einige davon auch Folgeberatungen -, spricht nur für die Notwendigkeit dieses überfälligen Beschlusses. Was wir sehr begrüßen, ist, dass Sie als Landesbeauftragte persönlich und auch Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht im Büro hocken und warten, sondern Sie haben eindrucksvoll geschildert, wie sehr und wie weit Sie im Land Brandenburg unterwegs sind: in insgesamt 66 Orten mit nahezu über 600 Beratungsgesprächen. Ich glaube, es ist ein einmaliger anerkennenswerter Vorgang, dass eine Landesbeauftragte in der Tat im Land unterwegs ist und zu den Menschen geht, die mit ihren Problemen dann nicht 200 oder 150 km weit unterwegs sein müssen. Vielen Dank auch an der Stelle.

Die Kooperation mit Museen, die Kooperation mit Gedenkstätten - ich nenne nur einige wenige Stichworte -, die Förderung von Aufarbeitungsprojekten, auch die finanzielle Förderung, die Öffentlichkeitsarbeit und natürlich auch die Kooperation mit der Wissenschaft, unter anderem mit der Fachhochschule

Potsdam, in Bezug auf eine Zeitzeugendokumentation sind bemerkens- und unterstützenswert.

Ich will abschließend noch kurz auf Ihren Ausblick eingehen, den Sie am Ende des Berichts geben. Diesem Ausblick, sehr verehrte Frau Poppe, stimmen wir ausdrücklich zu. Sie blicken aus und sagen, dass nach zwei Jahren Aufbauarbeit und erster Tätigkeit eine Abkehr von der Konzentration auf die Stasi zugunsten der Auseinandersetzung mit dem Leben im Alltag der Diktatur Ihre Zielstellung ist. Dieser Alltag in einer Diktatur betrifft Schule, Arbeitswelt, Kultur, Sozialpolitik, Sport und vieles mehr.

Ihnen, Frau Poppe, versichere ich für die SPD-Fraktion - und ich denke, für alle Kolleginnen und Kollegen des hiesigen Landtags - weiterhin unsere herzliche Unterstützung bei Ihrer zukünftigen Arbeit. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Abgeordnete Teuteberg spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Poppe! Der Erste Tätigkeitsbericht der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur zeigt, dass es richtig war, dieses Amt zu schaffen. Er zeigt aber auch ganz eindeutig, dass wir dieses Amt nicht erst 2009, sondern viel früher gebraucht hätten.

Der Tätigkeitsbericht beschreibt eindrucksvoll, wie groß der Beratungs- und Informationsbedarf bei den Bürgerinnen und Bürgern ist, die in der Zeit von 1945 bis 1989 von politischer Verfolgung betroffen waren. Allein im Zeitraum des Berichts das hat Herr Dombrowski schon erwähnt - haben rund 2 000 Brandenburger Anträge gestellt, haben rund 2 000 Brandenburger Hilfe dabei gesucht, in ihre Stasi-Akte Einsicht zu nehmen, einen Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung zu stellen oder auch ein Widerspruchsverfahren in Gang zu setzen.