Protokoll der Sitzung vom 21.08.2012

Denn eines ist offenkundig: Diese Landesregierung wird - koste es, was es wolle - alles unternehmen, um eine Insolvenz der FBB zu verhindern. Das haben wir schließlich gehört. Da wird man auch einmal alle fünfe gerade sein lassen, wenn nur auf diesem Weg die Flughafenpleite verhindert werden kann.

(Ness [SPD]: Wollen Sie die Pleite?)

- Niemand will die Pleite.

(Ness [SPD]: Sie reden im Augenblick ganz anders!)

Aber alle diese geplanten Geldspritzen stehen unter einem gewaltigen Vorbehalt: Ob die EU-Kommission zustimmen wird, ob die Banken für einen Überbrückungskredit auf einer Patronatserklärung bestehen oder ob sie sich mit einer neuen Beständigkeitserklärung zufriedengeben - alles dicke Fragezeichen.

Machen wir uns nichts vor: BER ist für uns Brandenburger „Griechenland im Kleinformat“. Es zeigt im Kleinen die Probleme auf, die die große Politik kaum zu handhaben versteht. Es reicht eben nicht, einen großen Geldbedarf zu haben, sondern man muss auch jemanden finden, der einem das Geld gibt. Da sieht es bei Griechenland und der FBB gleichermaßen beschränkt aus; denn beide werden vom Bankensystem nicht mehr als kreditwürdig eingestuft.

(Beifall des Abgeordneten Burkardt [CDU])

So war bereits bei der Bewilligung des ersten Kreditvolumens in Höhe von 2,4 Milliarden Euro keine einzige Bank zu finden, die die üblichen Bürgschaftserklärungen des Bundes und der Länder als ausreichend akzeptiert hätte. Stattdessen mussten ziemlich einmalig übrigens - Bund und Länder eine hundert

prozentige Bürgschaft auf erstes Anfordern übernehmen, wobei die Kreditgeber zugleich von allen banküblichen Sicherheiten und Sorgfaltspflichten befreit wurden.

Zusätzlich mussten die Gesellschafter Beständigkeitserklärungen abgeben, wonach sie bis zu zwei Jahre nach der Eröffnung des Flughafens ihre Geschäftsanteile halten und den Kredit zusätzlich mit Swaps besichern, die heute mit mehr als minus 200 Millionen Euro zu Buche schlagen.

Schon heute zeichnet sich ab, dass allein zu diesen Bedingungen ein Überbrückungskredit nicht zu erhalten sein wird. Ich denke, das sagt einiges über die Risikoeinschätzung der Banken aus, die im deutlichen Gegensatz zu den hier jahrelang verkündeten Erwartungen eines „Goldesels Großflughafen“ stehen.

Der eine oder andere von Ihnen wird sich da fragen: Was soll das? Die Sicherheiten werden sich schon finden lassen, und EU-Notifizierungen sind schließlich alltägliches Geschäft. Was soll da schon schiefgehen? - Ich verstehe, dass Sie uns als notorische Kassandrarufer einstufen und sich von uns im eigenen Glauben, dass am Ende schon alles gut ausgehen werde, nicht über Gebühr behelligen lassen wollen. Schauerlich ist nur, dass wir Bündnisgrünen mit unseren Warnrufen bisher immer Recht hatten.

(Holzschuher [SPD]: Ach!)

Ich erinnere nur an die von unserer Großen Anfrage am 29. September 2011 ausgelöste Debatte zur Wirtschaftlichkeit des damals noch unter „BBI“ firmierenden Flughafens - eine denkwürdige Debatte, bei der Minister Christoffers wörtlich ausführte:

„Ich gehe davon aus, dass die Gesellschaft die auf sie zukommenden Lasten allein tragen muss, ohne dass ihr zusätzliches Kapital bereitgestellt werden kann.“

„Welch ein Irrtum!“, möchte man mit Ernst Jandl dazu ausrufen und ganz nebenbei feststellen, wie lang die Verfallsdauer solcher Aussagen ist: keine elf Monate.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Bereits im September 2011 hatte ich minutiös ausgeführt, dass der Flughafen schon nach eigenem Bekunden eine Kostendeckung des laufenden Betriebes nicht erreichen wird, dass er ohne Profitabilitätssprung seine Kredite nicht bedienen kann und dass die Abschreibungen und Zinszahlungen auf Jahre hinaus zu massiven Verlusten führen, die langsam, aber sicher das aufgestockte Eigenkapital aufzehren werden.

Dafür durfte ich mir dann von Herrn Homeyer anhören, dass ich den Flughafen „brutalstmöglich in Grund und Boden“ rede, und das von Herrn Homeyer, der inzwischen - wie viele seiner Fraktionskollegen auch - erklärt, in puncto Flughafen jeden Glauben an die Aussagen der Flughafengeschäftsführung und der Landesregierung verloren zu haben - einen Glauben, den wir Grüne schon lange nicht mehr aufbringen konnten.

Kommen wir nun zum Risikofaktor Notifizierung - Herr Büttner hat es bereits angesprochen -: Notifizierungspflicht bei der EU besteht für die Aufstockung des Eigenkapitals, für Beihil

fen, Garantien, Bürgschaften, Patronatserklärungen und was einem sonst noch so alles an Instrumenten zur finanziellen Absicherung einfallen mag.

Die Europäische Union hat kein Interesse daran, dass mit Steuermitteln ein Flughafen genährt wird, der den innereuropäischen Wettbewerb verzerrt - übrigens nur ein Flughafen von insgesamt 23 in einem Wettbewerbsverhältnis stehenden deutschen Flughäfen, für den die Europäische Union wohl keinen Grund sieht, hier besonders viele Augen zuzudrücken.

Wer glaubt, eine EU-Notifizierung sei mehr oder weniger Routine, dem sei ein Blick zum Nürburgring in Rheinland-Pfalz empfohlen. Dort wurde die von einem ehemaligen SPD-Bundesvorsitzenden geführte Landesregierung damit konfrontiert, dass der Verlust von mehr als 300 Millionen Euro allein kein Grund ist, einem relativ niedrigen Überbrückungsdarlehen zuzustimmen. Das Ergebnis ist bekannt: Die landeseigene Nürburgringgesellschaft ist pleite, und der frühere Finanzminister freut sich nach eigenem Bekunden auf das angesetzte Strafverfahren wegen Untreue, da es ihm die Möglichkeit bietet, einmal so richtig seine Unschuld zu beweisen.

(Heiterkeit bei der Fraktion GRÜNE/B90)

Natürlich ist das alles nicht vergleichbar - das ist es vorher nie -, aber doch ein Menetekel, für uns alle zur Warnung.

Dabei ist es in derartigen Fällen das Normalste der Welt, dass die Europäische Union die Zustimmung zu solchen Mittelzuführungen an Auflagen zur Privatisierung der Staatsbetriebe knüpft. Ein Blick nach Nordrhein-Westfalen möge reichen, wo die von der Europäischen Union erzwungene Zerschlagung der WestLB zu der Bildung einer Bad Bank und einem Anstieg der Landesschulden im zweistelligen Milliardenbereich geführt hat.

Wir meinen: Der Weg ist vorgezeichnet. Das Privatisierungsbegehren, das bekanntlich auch an der Wiege des Flughafens BER stand, wird früher oder später in Gestalt der EU-Kommission auf uns zurückkommen. Als Folge drohen die Verluste dann sozialisiert und die zukünftigen Gewinne privatisiert zu werden. Bis die Europäische Union uns zu einer Privatisierung zwingt, wollen wir Grünen aber gar nicht erst warten, sondern wir fordern von der Landesregierung bereits heute, mit den Mitgesellschaftern ein Privatisierungskonzept für den Zeitraum bis zum Greifen der Schuldenbremse im Jahr 2019 zu erreichen; denn die Folgekosten für diesen Flughafen drohen uns ansonsten jeden Haushalt zu zerschießen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Ich komme zum sogenannten Lärmschutzkompromiss. Dazu ein kurzer Blick auf das große Ganze: Der Flughafen befindet sich aufgrund des Drucks des damaligen Bundesverkehrsministers Wissmann und des damaligen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen am falschen Standort. Das ist für uns heute nicht mehr heilbar.

(Zurufe der Abgeordneten Frau Wehlan [DIE LINKE] und Holzschuher [SPD])

Aber für jeden ist unmittelbar erkennbar, dass im urbanen Umfeld natürlich andere Rahmenbedingungen gelten müssen als

auf der freien Heide. Wenn ein Flughafen in einem solchen Umfeld wirtschaftlich betrieben werden soll, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Flughafen wird in Größe und Betrieb der Lage im dichtbesiedelten Raum angepasst, das heißt, Flugfeld und Terminal richten sich in Größe und Betriebsführung an einem strikten Nachtflugverbot, an Taglärmschutz und weiteren sozialen und Umweltkriterien aus, oder es wird versucht, das Umfeld an den Flughafenbetrieb anzupassen, also: Entsiedelung und umfassende Lärmschutzmaßnahmen und, wo das nicht möglich ist, Ruhigstellung der Bevölkerung durch Entschädigungszahlungen.

Dabei besteht eigentlich gar kein Zwang zu Gigantismus. Es ist ein Irrtum, dass nur ein möglichst großer Flughafen wirtschaftlich arbeiten könne. Auch ein kleinerer Single-Airport hätte es getan und könnte wirtschaftlich betrieben werden; Tegel zeigt uns das tagtäglich.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Damals war doch klar, dass das ein internationales Drehkreuz wird!)

Wirtschaftlichkeit ist keine Frage der Größe, sondern des Betriebskonzeptes. Das kann Ihnen übrigens jeder Landwirt mit einem Familienbetrieb nachvollziehbar erklären.

(Beifall GRÜNE/B90 - Zuruf des Abgeordneten Holz- schuher [SPD])

Leider haben sich die Eigentümer für Variante 2 entschieden, und das auch noch inkonsequent.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Sie waren für Schönefeld, und da war klar, dass es ein internationales Drehkreuz wird!)

Da angemessene Lärmschutzmaßnahmen das Betriebsergebnis schmälern würden, hat man sich auf das Tricksen verlegt, um diesen Ausgabeposten möglichst gering zu halten. Ich erwähne den Versuch, eine sechsmalige Überschreitung des Grenzwertes von 55 dB gegen den Wortlaut des Planfeststellungsbeschlusses durchzusetzen, und ich erwähne die Einführung einer Kappungsgrenze von 30 % des Verkehrswertes für Lärmschutzmaßnahmen und Entschädigungszahlungen.

Als Trickserei wird vor Ort auch die Stichtagsregelung für die Berechnung des Verkehrswertes empfunden, da Wertverluste aufgrund des vorher nicht absehbaren Konsensbeschlusses aus dem Jahr 1996 unberücksichtigt bleiben. Bei einfachen Häusern - das macht ungefähr 90 % aus - sind dann allenfalls noch Schallschutzfenster im Erdgeschoss möglich; eine Dämmung des Daches, wo der meiste Lärm eingetragen wird, ist finanziell jedoch nicht mehr drin.

Es kommt noch „toller“: Der Schallschutz wird umso schlechter, je niedriger der Verkehrswert ist - wegen des niedrigeren Werts nach Kappung. Da der Verkehrswert umso niedriger ist, je intensiver ein Grundstück überflogen wird, erhalten die schwach belasteten Bürger - mit mäßiger Entfernung zum Flughafen - einen besseren Schutz als die hoch belasteten Bürger, deren Grundstücke aufgrund der Lärmbelastung nichts mehr wert sind. Das kann doch niemand ernsthaft wollen. Das Ergebnis dieser Tricksereien ist bekannt: Eine Region ist im Aufstand. Klagen, Demonstrationen, Volksinitiative und Volksbegehren - das volle Programm.

Der Landtag hat sich häufig auf Initiativen der Grünen hin mit den Lärmschutzmaßnahmen befassen müssen. Er hat mitunter auch windelweiche Entschließungsanträge der Regierungsfraktionen verabschiedet, weil diese der Regierung und der FBB nicht in den Arm fallen wollten. Entscheidungen, die man hier im Haus nicht treffen wollte, wurden an die Gerichte delegiert mit wechselndem Erfolg für die Lärmbetroffenen.

Aber kaum hatten die Lärminitiativen mit dem OVG-Beschluss zur Durchsetzung des Lärmschutzprogramms doch einmal Erfolg und die Klarstellung erhalten, dass der Grenzwert von 55 dB tagsüber keinmal in Innenräumen erreicht werden darf, schon hat sich die Landesregierung eine neue Finte ausgedacht und die „krumme Null“ entdeckt.

Das geht so: Das „keinmal“ des OVG-Beschlusses wurde als mathematisch „null Mal“ interpretiert. „Alle bis 0,49 wird auf null abgerundet - das weiß doch jedes Kind!“, haben sich die Zahlenjongleure in der Landesregierung gedacht und haben das mit einem entsprechenden Erklärungsschreiben an die FBB gleich in die Tat umgesetzt. Zudem findet man in Deutschland für alles eine DIN, was in diesem Fall die DIN 1333 mit den Rundungsregeln war. „Wir lassen uns in unserer Definitionsmacht doch nicht von einem OVG beschneiden“, mag sich die Landesregierung auch gedacht haben.

Das Ergebnis ist bekannt: Nach diesen neuen Interpretationen der OVG-Vorgaben wären in den sechs verkehrsreichsten Monaten des Jahres 90 Grenzwertüberschreitungen in Innenräumen möglich. Ob diese Rechenmethode der Planfeststellungsbehörde in einem absehbaren Klageverfahren vor dem OVG Bestand haben wird, ist völlig offen. Somit gibt es auch bis auf Weiteres keine Rechtssicherheit - weder für die Anrainer noch für die Flughafenplaner noch für die Mittelgeber des Flughafens. Diese Auslegung des OVG-Beschlusses vom Aufsichtsrat der FBB bestätigt bekommen zu haben hat daher alle Chancen, sich noch als Pyrrhussieg für unseren Ministerpräsidenten zu erweisen.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Das letzte Quäntchen Glauben an unsere Landesregierung dürfte bei den Lärmbetroffenen ohnehin perdu sein; denn eines ist offenkundig: Die Null-ist-gleich-Null-Variante - ohne Rundung - war von der FBB schon berechnet und mit 591 Millionen Euro Zusatzkosten eingepreist worden. Die FBB war also anders als das Infrastrukturministerium - sehr wohl in der Lage, die konkreten Mehrausgaben des OVG-Urteils auch ohne Rundungsartistik zu berechnen. Wir Grünen sagen hier ganz klar: So nicht. Keine Tricksereien auf Kosten der Betroffenen!

(Beifall des Abgeordneten Burkardt [CDU])

Das Problem ist allerdings, dass das Infrastrukturministerium hier Tatsachen geschaffen hat, die nur noch von einem neuen OVG-Urteil im Hauptsacheverfahren geheilt werden können, wodurch vermutlich noch höhere Kosten als jetzt anfallen würden. Was bleibt, ist das schale Gefühl, dass hier Zeitschinderei auf Kosten der Betroffenen betrieben wird.

(Beifall GRÜNE/B90)

Diese Art von Anpassung der Rahmenbedingungen zugunsten der FBB lehnen wir entschieden ab. Sie ist zudem unnötig wie