Protokoll der Sitzung vom 21.08.2012

Herr Ministerpräsident, Sie sagen: Sorgfalt und Umsicht gehen vor Tempo. - Ja, da haben Sie Recht. Das gilt auch im Straßenverkehr. Aber wie viel Sorgfalt und Umsicht und wie viele Verschiebungen - mit all den Folgen, die damit verbunden sind wollen Sie uns denn noch zumuten?

(Beifall CDU)

Sie haben eine Studie zitiert, die nicht das Land, sondern andere veranlasst haben, aber Sie haben daraus zitiert und gesagt, darin habe man festgestellt, dass der Flughafen ein Jobmotor ist. Darauf bezogen habe ich gesagt: Dazu brauchen Sie keine Studie, das können Sie wirklich jeden fragen, weil dies selbstverständlich bekannt ist.

Und - das will ich ein wiederholtes Mal klarstellen -: Die CDU-Fraktion hat diesen Flughafen nie infrage gestellt, sondern wir wollen von Ihnen gern wissen: Was kostet uns das Ganze? Wann wird er tatsächlich fertig? Das wird ja im September sicherlich klarer werden. Wie ist die Perspektive dieses Flughafens?

Und, Herr Ministerpräsident: Wenn Ihre Regierung mitteilt, dass dieser Flughafen aufgrund der Ertrags- und Wirtschaftslage keine weiteren Kredite mehr bekomme, dann können Sie nicht so tun, als gebe es kein Problem.

(Beifall CDU)

Herr Holzschuher hat wortwörtlich von „scheinbaren finanziellen Problemen“ gesprochen. Na, das ist ja eine Wirklichkeitswahrnehmung, Herr Kollege!

(Lachen bei der CDU)

Dann sollten Sie wenigstens einmal die Kleinen Anfragen lesen, die Ihre und unsere Landesregierung beantwortet.

Es wird dann so getan, als ob das in Brüssel eine Kleinigkeit sei. Der Kollege Vogel hatte auf Rheinland-Pfalz hingewiesen ich will das nicht an die Wand malen. Ich kann Ihnen sagen, dass wir unseren Kollegen Ehler gebeten haben, in Brüssel das Seinige zu tun - das ist für ihn selbstverständlich -, damit die Belange und Anforderungen dieses Landes möglichst zügig bearbeitet werden. Aber es ist eben keinesfalls selbstverständlich, dass die in Brüssel einfach so sagen: Selbstverständlich, das machen wir doch.

Kollege Vogel hat es gesagt: Die Flughäfen stehen im Wettbewerb miteinander. Bei dem Notifizierungsverfahren wird dieser Flughafen genauso behandelt wie jedes private Unternehmen. Natürlich werden die Parlamente in den drei beteiligten Körperschaften zu allem, was da kommt - auch wenn es noch eine Milliarde mehr wird -, selbstverständlich die Hand heben. Aber das heißt noch lange nicht, dass das in Brüssel ganz genauso gesehen wird.

Zu den guten Kontakten in Brüssel: Herr Ministerpräsident, Sie können ja einmal vortragen, wann Sie das letzte Mal in Brüssel waren, wie viele Jahre das her ist. Vielleicht sollten Sie sich öfter dort sehen lassen, um zu verstehen, wie umsichtig, korrekt und messerscharf beinhart die EU-Beamten dort tätig sind.

(Beifall CDU)

Herr Holzschuher hat gesagt - nicht heute, aber wir kennen das von ihm -: Naja, es wird ja gar nicht teurer, wir bauen einfach mehr. - So haben Sie es im Vorfeld immer vorgetragen. Sie versuchen es so darzustellen, als ob die jetzige Situation dieses großen Projekts das Ergebnis planvollen, umsichtigen Vorgehens sei. Das haben Sie versucht darzustellen. Das stimmt doch

aber nicht. Wenn es denn so ist - und da haben Sie mich richtig zitiert -, dass die Passagierzahlen deutlich schneller gestiegen sind - das haben nicht wir festgestellt, sondern das ist das Ergebnis von Prognosen und Ist-Sacherhebungen -, dann muss ich doch darauf eingehen. Wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass wir schon im nächsten Jahr die Passagierzahlen erreichen werden, die für 2023 geplant waren, dann ist das einerseits erfreulich,

(Holzschuher [SPD]: Das ist doch etwas Positives, oder?)

aber dann müssen Sie eben auch den Flughafen danach ausrichten und dürfen nicht so tun, als ob das jetzt etwas ganz Überraschendes sei. Auch wir wollen den Erfolg des Flughafens, aber wir lassen uns als Opposition nicht darauf begrenzen, Ihnen nur zu sagen, Sie machten alles richtig, obwohl die veröffentlichte Meinung und die von vielen Bürgerinnen und Bürgern ist: Es läuft eben nicht rund am Flughafen.

Von daher, Herr Ministerpräsident: Auf Ihre Hinweise, wer in der Lage ist, hier in Brandenburg Verantwortung zu übernehmen oder nicht, können wir gern verzichten. Ich habe vorhin gesagt, dass wir über das Thema der gestiegenen Kosten reden können. Wir sind jedoch nicht bereit, Ihnen durchgehen zu lassen, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Regierungssprecher die Opposition bezichtigen, öffentlich mit Dreck zu werfen. Das steht Ihnen nicht zu, das ist kein Stil.

(Beifall CDU)

Herr Ministerpräsident, als Sie nach einer viel zu langen Hängepartie gezwungen waren, Ihrem Freund Rainer Speer den Rückzug aus der Politik nahezulegen, erklärten Sie dies mit folgenden Worten:

„Ich habe mich davon leiten lassen, dass an politisch Verantwortliche zu Recht höhere Ansprüche als an andere gestellt werden, an die Redlichkeit des Tuns.“

Ähnlich haben Sie sich bei Herrn Rupprecht geäußert.

Diesen hohen Ansprüchen werden Sie, Herr Ministerpräsident, unserer Auffassung nach nicht gerecht. Sie haben heute erneut keine Antworten gegeben - keine Auskunft zum Finanzierungsdebakel, keine Erklärung zu Terminschwierigkeiten, keine Antworten auf die allgemeinen Sicherheitsbedenken, kein Wort zur Schwarzarbeit am Flughafen, keine Erklärungen zum von uns so bezeichneten Rechtsbruch in Sachen Schallschutz.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Das ist doch jetzt ein bis- schen lächerlich, oder?)

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 standen Sie hier in diesem Saal und sagten:

„Bei unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern erwarten wir Vernunft, Anstand und Verantwortungsgefühl. Aber in manchen Chefetagen sind Vernunft, Anstand und Verantwortungsgefühl Fremdworte geworden. Nicht zu Unrecht haben die Bürger das Gefühl, die Zeche zahlen zu müssen.“

Das ist vollkommen richtig. Und richtig ist auch, dass man heute genau das Gleiche über Sie sagen muss, Herr Minister

präsident. Sie haben die Gelegenheit nicht genutzt, sich den Brandenburgerinnen und Brandenburgern zu Ihrem Anteil an der Verantwortung für das Flughafendesaster, seine Folgen und seine Lösungen zu erklären. Schuld und Versäumnisse sehen Sie vor allem bei anderen. Übernehmen Sie, Herr Ministerpräsident, einmal und glaubwürdig Verantwortung und stellen Sie Ihr Amt zur Verfügung.

(Beifall CDU)

Nachdem Herr Abgeordneter Dombrowski seinen Redebeitrag beendet hat, erhält nunmehr Herr Ministerpräsident Platzeck die Möglichkeit, zu entgegnen. Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nicht zu der letzten Forderung gemeldet, diese ist keines Kommentares wert.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Zuruf von der SPD: Richtig!)

Ich wollte Kollegen Dombrowski, der den Terminspiegel anscheinend intensiv liest, nur ein wenig aufklären. Lieber Herr Dombrowski, es gibt auch Termine - das ist der guten Ordnung halber so -, die nicht von der Regierung sind, sondern von Partei und Fraktion, die nicht darin stehen. Seit einigen Wochen führen wir Abend für Abend mehrere Stunden Foren mit vielen Bürgerinnen und Bürgern durch. Auf diese habe ich mich bezogen. Auch in dieser Woche stehen wieder Veranstaltungen in fünf Städten auf der Tagesordnung. Sie sind bestens besucht, meist überfüllt. Ich kann Ihnen nur sagen: Es würde Ihrer Partei guttun, so etwas zu machen; dann könnten Sie nämlich etwas über die wirkliche Stimmung im Lande lernen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Platzeck. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Der Abgeordneter Ness hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf einen inhaltlichen Kommentar zur letzten Bemerkung von Herrn Dombrowski will ich mich ebenfalls nicht einlassen, aber ich möchte darauf hinweisen, was man daraus lernen kann, wenn man einen vorbereiteten Redetext hat und diesen nicht mehr variieren kann, nachdem der Ministerpräsident gesprochen hat. Dann kommt solch ein Flop dabei heraus.

Ich finde, ich sollte mit dem Dank für zwei Redebeiträge beginnen. Zunächst einmal danke ich dem Ministerpräsidenten für seinen Redebeitrag, der sehr viel zur Aufklärung beigetragen hat.

(Widerspruch CDU)

Es ist eindeutig so, dass der Aufsichtsrat am 15. September

2012 wieder zusammenkommen wird, und an diesem Tag wird Herr Amann zusammen mit Herrn Schwarz dem Aufsichtsrat einen Vorschlag unterbreiten, wann der Flughafen eröffnet werden wird.

(Heiterkeit bei der CDU)

- Auch wenn Sie noch so herumschreien, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es wird trotzdem so sein. Das stand aber auch gestern und sogar schon letzte Woche in der Zeitung, deshalb hätten wir diese Sondersitzung nicht gebraucht. Am 15. September kommt der Aufsichtsrat zusammen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Es sollte einen verbindlichen Eröffnungstermin geben, der von der Geschäftsführung vorgeschlagen wird. Die Mitglieder des Aufsichtsrates, die Vertreter des Landes Brandenburg, aber auch Herr Henkel von der CDU sowie die Staatssekretäre der CDU/FDP-geführten Bundesregierung werden ihre Meinung dazu sagen. Dann wird ein Termin vereinbart und wir werden wissen, wann der Flughafen eröffnet wird. Das wird im nächsten Jahr sein. Ich freue mich sehr darauf, auch deshalb, weil ich aus einem Wahlkreis komme, der in doppelter Hinsicht vom Flughafen betroffen ist: zum einen durch Fluglärm, zum anderen aber auch durch Arbeitsplätze.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir es hier nicht mit einer Bauruine zu tun haben, wie manche Journalisten schreiben, sondern mit einem Projekt, das dafür gesorgt hat, dass sich der reale Speckgürtel, den wir in den Neunzigerjahren nur zwischen Kleinmachnow, Teltow und Werder kannten, mittlerweile deutlich weiterentwickelt hat. Durch das Entstehen des Flughafens haben wir zwischen Ludwigsfelde und Erkner Vollbeschäftigung, und diese Region wird mit der Eröffnung des Flughafens noch weiter wachsen. Ich meine, das alles sollte bei dieser Diskussion nicht vergessen werden.

In den letzten Wochen gab es eine Aufregungsspirale in den Medien, aber auch in der politischen Klasse, die nicht nachvollziehbar ist und seltsame Erscheinungen hat, die wir auch heute in dieser Debatte beobachten konnten.

Ich möchte auf eine Erscheinung aufmerksam machen - das sage ich auch in Richtung der CDU, weil es etwas mit der politischen Kultur in diesem Land zu tun hat -: An diesem Wochenende hat es eine Demonstration vor dem Haus von Herrn Schwarz gegeben. Nun bin ich kein Fan von Herrn Schwarz. Ich halte viele seiner Anschauungen und Vorgehensweisen für falsch. Aber was dort stattgefunden hat, ist etwas, was eigentlich ein politischer Skandal ist, und ich hätte gerade von der CDU erwartet, dass sie darauf aufmerksam macht.

Vor etwa zehn Jahren haben Mitglieder der Jugendorganisation meiner Partei vor dem Haus von Herrn Schönbohm demonstriert. Es hat damals einen Riesenaufschrei gegeben, und zwar zu Recht. Sie haben demonstriert - es ging um das Thema Videoüberwachung -, indem sie sich mit Videokameras vor seinem Haus aufgestellt haben. Das hat damals eine große Diskussion im Land Brandenburg ausgelöst, und es wurde gesagt, dies sei ein Eingriff in die Privatsphäre. Ich dachte, so etwas würde nicht wieder passieren.

(Frau Alter [SPD]: Richtig!)

An diesem Wochenende ist es wieder passiert. Es hat Proteste vor dem Haus von Herrn Schwarz gegeben. Ich habe, glaube ich, in einer Zeitung einen kritischen Kommentar dazu gelesen. Ich persönlich halte es für einen Skandal. Es darf nicht sein, dass in die Privatsphäre von Menschen eingegriffen wird, auch nicht in schwierigen politischen Diskussionen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)