Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Der Ausbau der Schleuse in Kleinmachnow beschäftigt das Hohe Haus seit geraumer Zeit. Soweit ich es zurückverfolgen kann, gingen die bisherigen Widerstandsaktivitäten vorrangig von der Linkspartei aus. Von daher bin ich doch recht zufrieden, wenn ich heute aus der Presse erfahre, dass Andreas Bernig mittlerweile einen - wie er es nennt - Erkenntnisprozess durchlaufen hat. Er gibt zu, dass er sich darüber auch schon vor den Protesten hätte erkunden können. Aber es ist ja noch nicht zu spät. Von daher denke ich, ist das in Ordnung.

Wir als CDU-Fraktion sehen auch mit Beginn der neuen Legislaturperiode bei diesem Thema keine qualitativ neue Entwicklung, die eine grobe Änderung unseres bisher vertretenen Standpunktes rechtfertigen könnte. Wir begrüßen weiterhin den Ausbau der Bundeswasserstraßen im Zuge des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit 17, da wir überzeugt sind, dass die Binnenschifffahrt als die derzeit ökologischste verfügbare Güterverkehrsform gefördert werden sollte. Unabhängig davon sind wir der Auffassung, dass die realen Entwicklungen in Bezug auf das abgeschlossene Planfeststellungsverfahren für die Kleinmachnower Schleuse zur Kenntnis genommen werden sollte.

So ist erstens zu konstatieren, dass der Ausbau planfestgestellt ist und nach dem Planverfahren keine Klagen gegen den Bau eingegangen sind. Damit ist das Verfahren rechtlich abgeschlossen. Wenn das Ergebnis nun noch einmal infrage gestellt werden soll, müssen in Ihren Berechnungen ehrlicherweise auch die Kosten eines erneuten Planfeststellungsverfahrens und möglicher Folgeklagen erwähnt werden.

Zweitens wird in den Anträgen das Ergebnis der Planfeststellung unter Bezugnahme auf neue Verkehrsprognosen eigenmächtig negiert. Bei der damaligen Planfeststellungsentscheidung wurden noch beide zur Debatte stehenden Ausbaustufen, nämlich von 190 m und 115 m, gegeneinander abgewogen. Das Ergebnis besagt, dass nahezu unabhängig von den Verkehrsprognosen der Ausbau auf 190 m mit geringeren Eingriffen in die Natur verbunden ist, da es beim Ausbau auf 115 m notwendig würde - wir haben es vorhin gehört -, Warte- und Entkopplungsstellen zu errichten.

Des Weiteren könnte voraussichtlich auch bei einem Ausbau auf 115 m das Nordufer nicht in der jetzigen Form bestehen bleiben. Ich habe daher Zweifel, dass die kleinere Schleusenvariante tatsächlich geringere Kosten verursachen wird. Konkrete Zahlen sind in den Anträgen im Übrigen nie erwähnt worden. Beim Wasserstraßenneubauamt Berlin geht man jedenfalls von nahezu vergleichbaren Kosten aus.

Als dritter Punkt ist festzustellen, dass die Entscheidung zur Beibehaltung der Wasserstraßenklasse IV für den Teltowkanal

eine andere Qualität besitzt als die Entscheidung, auch die Schleuse in Kleinmachnow auf die Wasserstraßenklasse zurückzuplanen. In Anbetracht einer für ein derartiges Bauwerk vorgesehenen Mindestlebensdauer von 80 Jahren - wir wissen, manche Schleusen sind bereits über 100 Jahre alt - ist eine profunde Verkehrsprognose gerade auch angesichts der heute bestehenden komplexen Herausforderung nicht zu leisten.

Seit 2004 können wir ein leichtes Wachstum der Binnenschifffahrt konstatieren. Es besteht demnach tatsächlich die Gefahr, dass hier ein Nadelöhr geschaffen wird, welches ein mögliches Wachstum später einschränken könnte. Der Teltowkanal kann dem Bedarf zu gegebener Zeit angepasst werden, ohne dass schon heute öffentliche Mittel dafür gebunden werden. Bei der Schleuse kann nicht in gleicher Weise verfahren werden, da sie bereits heute einer Modernisierung unterliegt.

Auch das vielfach vorgebrachte Argument der zu kleinen Schleusen im westlichen Verlauf der Kleinmachnower Schleuse entspricht nicht der Wahrheit. Ganz im Gegenteil. Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17 ist zu 80 % fertiggestellt und erlaubt eine direkte Verbindung bis zum Hamburger Hafen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wirtschaftswachstum und Güterwachstum korrelieren nun einmal eng miteinander, auch wenn wir uns oftmals etwas anderes wünschen. Wir sollten daher nicht fröhlich „Hurra!“ schreien, wenn der Güterverkehr in unserer Region rückläufig ist, sondern die Bedingungen schaffen, damit Waren und Güter möglichst umweltschonend und effizient ausgetauscht werden können. Die Entwicklungen im Gesamtgüterverkehr zeigen, dass auch in Zukunft ein globales Güterverkehrswachstum zu erwarten ist. Wir tragen eine Verantwortung dafür, dass die Region Berlin-Brandenburg daran auch in Zukunft partizipieren kann.

Wenn vorhin von der Prognose 2025 die Rede war - ich nehme an, wir reden von derselben Prognose -, so geht es um die Zunahme des Güterverkehrs in Berlin-Brandenburg um 1 Milliarde Tonnen. Güterverkehr in diesen Größenordnungen - da kann ich auch die Grünen beruhigen - werden wir nicht auf die Straße bekommen.

(Beifall CDU)

80 % des Verkehrs werden als Straßenverkehr prognostiziert. Wir haben ein Riesenproblem, was Lkw-Parkmöglichkeiten angeht. Die Kraftfahrer müssen die Ruhezeiten einhalten. Wer wie ich abends oft in Richtung Elbe-Elster unterwegs ist, wird wissen: Auf dem Fichtenplan ist kein einziger Parkplatz mehr frei. Das sind die Realitäten auf der Straße, mit denen wir uns schon jetzt auseinandersetzen bzw. abfinden müssen.

Wenn wir also Güterverkehrswachstum generell als wünschenswert betrachten, weil dies Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze schafft, sollten wir den Anspruch erheben, die uns zur Verfügung stehenden Verkehrsformen möglichst effizient und auch in Zukunft ökologisch zu nutzen. Die Binnenschifffahrt wird in Anbetracht der CO2-Problematik und der Kapazitätsgrenzen unserer Fahrbahnen - man denke auch daran, dass die Ölpreise in Zukunft ansteigen werden - dabei eine wichtige Rolle spielen. Somit ist es sicherlich nicht einfach, unter Berücksichtigung dieser zahlreichen unsicheren Variablen die richtige Entscheidung zu treffen. Angesichts der Tatsache jedoch, dass die Anträge planungsrechtlich zu spät, gene

rell am falschen Ort und - wie dargelegt - in ihren finanziellen, wirtschaftlichen, rechtlichen und ökologischen Folgen nicht berechenbar sind, plädiere ich dafür, sie abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Der Abgeordnete Dr. Bernig spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst, Herr Genilke, eine Frage: Seit wann glauben Sie, was in der Zeitung steht?

(Beifall der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

Klar und richtig ist, dass in der Zeitung steht, dass es seit über zehn Jahren Proteste - vor allem vor Ort - gegen den Schleusenausbau gibt. Alle sind dagegen, auch der CDU-Ehrenvorsitzende Schönbohm. Jeder weiß Bescheid, dass die Zuständigkeit beim Bund liegt. Egal, wer regiert - ob SPD, CDU, Grüne oder FDP -, vor Ort ist man dagegen, im Bund dafür.

Es bleibt Tatsache: Der Planfeststellungsbeschluss erging 2002 im landeskulturellen und wasserwirtschaftlichen Einvernehmen mit dem Land Brandenburg, und trotzdem waren bei den Wahlen 2004 alle dagegen, auch der Ministerpräsident.

Leider gab es keine Klage gegen die Planfeststellung und somit keine juristische Bestätigung für den Beschluss. Das wäre gut gewesen.

(Genilke [CDU]: Wieso? Sind Sie jetzt dafür?)

- Das könnte Ihnen so gefallen: Was Sie versaut haben, sollen wir jetzt verantworten.

Viele der Argumente gegen den erweiterten Schleusenausbau auf 190 m sind im aktuellen Flugblatt der Bürgerinitiative noch einmal aufgeführt und spiegeln sich in den Anträgen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wider. Ich halte sie für sehr beachtlich.

Gestern war Gelegenheit, anhand des Planfeststellungsbeschlusses mit Frau Christine Mende zu reden. Dort wurden Argumente vorgetragen, die mir bisher so nicht bekannt waren, obwohl es mehrere Kleine Anfragen im Landtag zum Ausbau der Schleuse gab. Das hat mich überrascht. Insofern ist es richtig, Herr Genilke, dass es bei mir einen Erkenntniszuwachs gab.

(Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

In den Antworten auf die Kleinen Anfragen wurden immer nur die gestellten Fragen in engem Rahmen beantwortet und keine Zusammenhänge hergestellt; schon gar nicht wurde argumentiert. Ich frage mich natürlich, warum es diese Gespräche wie gestern nicht auch mit den Verantwortlichen vor Ort und mit den Bürgerinitiativen gegeben hat, die sich mehrfach an die Landesregierung gewandt haben und keine ausreichenden Ant

worten erhielten. Offenbar war es bequemer, sich über die Medien zu unterhalten.

(Zuruf von der CDU)

Nur ein Beispiel: Alle Argumente und Anfragen drehen sich um die Prognosen zu den Transportkapazitäten. Die Nichtbefürworter sagen: Alles falsch berechnet und der Realität nicht entsprechend! - Die Befürworter legen andere Zahlen und Prognosen vor und diskutieren und argumentieren kräftig mit; und alles steht in der Zeitung. Aber erst im Jahr 2009 stellt die Landesregierung in Person von Minister a. D. Dellmann in der Antwort auf die Kleine Anfrage von Anita Tack fest, dass der Planfeststellungsbeschluss keine Prognosen für die Schleusennutzung enthalte. Das wurde gestern bestätigt. Es gehe nicht um die Prognose der Transportkapazitäten, es gehe schlicht um die Tatsache, dass die Schleuse 85 Jahre alt sei und erneuert werden müsse. Die Alternative wäre, sie verfallen zu lassen.

Diese Schleuse wird aber nicht erneuert, sondern aus- bzw. neugebaut. Der Neubau sei erforderlich, weil während der Bauarbeiten der Betrieb aufrechterhalten werden und ansonsten das alte Schleusengebäude abgerissen werden müsse. Das aber solle auf Wunsch der Gemeinde und im Sinne des Denkmalschutzes unbedingt erhalten bleiben.

Im Übrigen sei das Projekt eigentlich kein Bestandteil des VDE 17, denn das sei bereits mit der Schließung des Osthafens Berlin sozusagen erledigt gewesen. Das Geld kommt aber aus dem VDE 17, und alle haben über das VDE 17 geredet. Die Argumente der Nichtbefürworter stellen darauf ab,

(Allgemeiner Beifall)

dass vor und nach der Schleuse der Ausbau im Rahmen des VDE 17 gestoppt oder zurückgefahren wurde. Der Osthafen spiele nach Lesart der WSD gar keine Rolle, denn es ginge um den Hafen in Königs Wusterhausen und um die weitere Anbindung an die Oder. Wo ist aber hier der nachgewiesene Bedarf?

Im Übrigen sei es richtig, dass moderne Schiffe von 10 oder 10,5 m Breite gar nicht passieren können, da sie nicht durch den Babelsberger Durchstich passen; dort können nur alte Schiffe von 9 m Breite hindurchfahren. Die alten Schubverbände von 147 m könnten, ohne entkoppelt zu werden und zu warten, durch die 190-m-Schleuse fahren, was es ermöglicht, auf Warte- und Koppelstellen im unteren Vorhafen West - also im Teltowkanal - zu verzichten, was umweltfreundlicher - im Übrigen jedoch rechtlich gar nicht zulässig sei, weil es sich um ein FFH-Gebiet handele, wie im Antrag der FDP richtig festgestellt. Deshalb sei ja gerade die 190-m-Schleuse umweltfreundlicher als die 115-m-Schleuse, und die Kosten differierten höchstens um 200 000 Euro. Das könnte man aber auch beliebig anders errechnen. Ich hoffe, Sie können mir noch folgen.

Meine Damen und Herren! Wir haben seit acht Jahren mit dem Planfeststellungsbeschluss Planungsrecht, und darauf berufen sich die Verantwortlichen. Sie haben es aber auch acht Jahre versäumt, das Vorhaben richtig zu kommunizieren und die Einwände der Nichtbefürworter des erweiterten Schleusenausbaus wenigstens mit ihnen zu erörtern. Entstanden ist ein Argumente-Wirrwarr. Umso mehr begrüße ich, dass die WSD bereit ist, auf einer Bürgerversammlung vor Ort nochmals die Argumente auszutauschen. Das ist das Mindeste, was man in diesem Ar

gumente-Wirrwarr erwarten kann. Dabei muss auch der Eindruck beseitigt werden, dass jeder die Argumente bringt, die gerade in den Kram passen oder in die aktuelle Situation.

An die Adresse der FDP sage ich: Sie haben im Bund die Regierungsverantwortung, also machen Sie Ihren Einfluss auch dort geltend, wo die Entscheidungen tatsächlich getroffen werden. Dieser Ruf geht auch an alle Brandenburger Bundestagsabgeordneten. Noch ist Zeit zur Umkehr. An die Kollegen der FDP noch einmal: Ihr Antrag auf namentliche Abstimmung ist völlig kontraproduktiv, weil er jegliche Diskussion abwürgt, und er ist nach meiner Kenntnis gemäß der Geschäftsordnung gar nicht möglich.

Ich habe die Erwartung, dass wir im Ausschuss noch einmal diskutieren, die Argumente noch einmal austauschen können. Nach meiner Ansicht wäre ein Moratorium sinnvoll, um alle Argumente abzuwägen und zu neuen Entscheidungen zu kommen. Ich bitte Sie, der Überweisung an den Ausschuss zuzustimmen. - Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die Landesregierung spricht Ministerin Lieske.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Abgeordnete! Sie haben an der vorhergehenden Diskussion gespürt, dass es nicht nur um eine fachliche Beurteilung der Sachangelegenheit geht, sondern diese auch sehr emotionsbeladen ist.

(Zuruf von der CDU)

Das hat auch dazu geführt, dass die Redezeiten ein wenig überbeansprucht wurden, und ich melde jetzt schon an, dass mir fünf Minuten wahrscheinlich auch nicht ausreichen werden, um den Sachstand noch einmal klarzumachen.

Der Ausbau der Schleuse Kleinmachnow wurde in den vergangenen Jahren - das haben auch schon meine Vorredner deutlich zum Ausdruck gebracht - in diesem Landtag mehrfach beraten, und alle Daten und Fakten wurden dazu vorgestellt. Im Übrigen hat die Landesregierung - das wurde hier bisher auch nicht falsch dargestellt - dieses Vorhaben von Anbeginn konstruktiv begleitet.

In der Planungsphase wurden umfangreiche Varianten - Untersuchung zur Lage, zur Größe des Bauwerks - durchgeführt, in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren alle Belange ausgiebig erörtert und abgewogen. Das Land Brandenburg - vertreten durch die Obere Wasserbehörde - hat mit Schreiben vom 8. Februar 2002 das nach Bundeswasserstraßengesetz vorgeschriebene Einvernehmen zu den Belangen der Landeskultur und der Wasserwirtschaft hergestellt.

Im Ergebnis dieses aufwendigen demokratischen Planungsprozesses wurden schließlich mit Datum 12. Februar 2002 der Planfeststellungsbeschluss erlassen und damit der Neubau einer 190 m langen Schleusenkammer anstelle der 1940 errichteten Nordkammer genehmigt. Der Beschluss ist rechtskräftig. Damit kann die denkmalgeschützte Anlage der alten Doppel

schleuse weitgehend unverändert erhalten bleiben. Auch das war den Kleinmachnowern wichtig.

Die neue Schleusenkammer kann zugleich auf günstigen Baugrundverhältnissen risikoärmer gegründet werden. Am Nordufer erfolgt dadurch eine Eingriffsminimierung in das nach europäischem Naturschutzrecht zu schützende Flora-Fauna-Habitat Gebiet „Teltowkanalaue“. Eingriffe in die wertvollen Vegetationsbestände und Lebensräume am Nordufer können auf ein Minimum reduziert werden. Die dort vorhandenen alten Heldbockeichen bleiben als geschützter Landschaftsbestandteil erhalten.

Die immer wieder geforderte 115 m lange Variante für die neue Nordkammer wurde seitens der Planfeststellungsbehörde verworfen, weil damit deutlich größere, vermeidbare und damit nicht nach den Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes unzulässige Eingriffe in Natur und Landschaft verbunden wären. Die Kammer mit 190 m Länge ermöglicht die Schleusung von gleichzeitig zwei Europa-Schiffen ebenso wie das Schleusen eines längeren Schiffsverbandes ohne Kopplungsmanöver.