Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Mit der Schule ist das so eine Sache. Jeder von uns hat Schule erlebt ob er nun wollte oder nicht -, gute und schlechte. Dieses gemeinsam Erlebte macht jeden in der Gesellschaft zu einem sogenannten Bildungsexperten. Jeder Experte meint zu wissen, wie man Schule zu gestalten hat.
Herr Büttner, Sie kritisieren, dass der zu vertretende Unterricht fast 10 % beträgt, die Vertretungsreserve jedoch nur 3 %. Der bundesweite Schnitt der Vertretungsreserve beträgt 2,5 %. Der PISA-Spitzenreiter Baden-Württemberg - viele Jahre CDU- und FDP-regiert - hat eine Vertretungsreserve von lediglich 1,5 %. Wir liegen somit im oberen Bereich im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Die Milchmädchenrechnung, die Sie aufgemacht haben - 10 % zu vertretender Unterricht minus 3 % Vertretungsreserve ist gleich 7 % Unterrichtsausfall -, ist vom Ansatz her falsch.
Welche Stellschrauben haben Schulen, um überhaupt ihrem Bildungsauftrag nachzukommen und dem Unterrichtsausfall entgegenzuwirken? - Hierzu muss man wissen, dass es erstens Regelunterrichtsstunden gibt, welche gesetzlich vorgeschrieben sind, es zweitens Teilungs- und Förderstunden gibt, welche auf der Grundlage der Schülerzahlen und der diagnostizierten Schüler mit Förderbedarf gesetzlich fixiert sind, und es drittens zusätzliche - die Betonung liegt auf „zusätzliche“ - Förder- und Teilungsstunden gibt, die auf der Grundlage der 3 % Vertretungsreserve erteilt werden. Diese 3 % Vertretungsreservestunden werden von den Schulen in Zeiten, in denen alle Lehrer anwesend sind, selbstverständlich für Begabtenförderung oder individuelle Förderung genutzt.
Bei Fehlzeiten werden diese Schmankerl - so haben wir sie bezeichnet - natürlich zur Vertretung eingesetzt, wofür sie auch gedacht sind. Aber auch Klassen- und Kurszusammenlegungen sind eine legitime Form der Vertretung.
Vertretungsunterricht oder Zusammenlegung von Gruppen sind nicht automatisch Indikatoren für schlechten Unterricht. Jede Schule hat dazu ein Vertretungskonzept, welches bei Krankheit von Kollegen zur Anwendung kommt, um einen qualitativ guten Vertretungsunterricht zu gewährleisten.
Hinsichtlich des Pilotprojekts „Inklusive Schule“ kann ich Folgendes sagen: Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben, sind gut ausgestattet und haben auch hochmotivierte Lehrer. In einem Punkt gebe ich Ihnen aber Recht: Auch ich wünsche mir noch viel mehr Lehrer in unserem Land, für die der Lehrerberuf Berufung ist.
Zudem sehe ich es auch als dringend erforderlich an - genau wie Sie -, etwas für die Gesundheit der Lehrkräfte zu tun. Hier befindet sich das Land auf einem guten Weg. Man hat die Notwendigkeit eines Gesundheitsmanagements erkannt. So führt das Ministerium Gespräche mit Krankenkassen und Verbänden. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Projekt „Anschub-Transfer“.
Der Wunsch, zur Vertretung externe Lehrkräfte einzusetzen, ist löblich, aber unrealistisch und wird unseren Ansprüchen an qualitativ guten Unterricht und Vertretungsunterricht nicht gerecht.
Dass Weiterbildungsveranstaltungen gelegentlich in die Unterrichtszeit fallen und somit Vertretungsstunden hervorrufen, stimmt. Hier liegt es aber in der Verantwortung der Schulleiter, ob sie diese Fortbildungen genehmigen oder nicht. Hier wünschte ich mir - genau wie Sie - und fordere auch, dass alle Lehrerfortbildungen nach dem Unterricht am Nachmittag oder in den Ferien stattfinden. Mit den Englisch-Fortbildungen in den Ferien ist damit bereits ein guter Anfang gemacht.
Zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Sache. Wie Sie wissen, war ich viele Jahre Grundschulleiterin und kann Ihnen aus eigener Erfahrung versichern: In Brandenburg sind sehr wohl ein qualitativ hochwertiger und wertvoller Unterricht sowie Vertretungsunterricht möglich,
der den Schülern den notwendigen Spaß am Lernen vermittelt. Was meine ich damit? - An meiner eigenen Schule hatte ich in der Vergangenheit einen Vertretungsbedarf von 5 bis 7 %. Im ersten Halbjahr 2012 gab es an meiner alten Schule einen Vertretungsbedarf - nachzulesen im Internet - von 5,2 %, ausgefallen sind aber tatsächlich lediglich 0,9 % der Unterrichtsstunden. Dabei wurde die Vertretungsreserve zu 1,8 % in Anspruch genommen. Insofern beginnt verlässliche Schule bei gutem Management und nicht primär mit einer weiteren Erhöhung der Vertretungsreserve.
Im Übrigen: Die Zeiten des alten Schülerspruchs: Wenn alles schläft und einer spricht, ist das guter Unterricht, sind längst vorbei. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Unterricht ist nur gut, wenn er stattfindet!“ - so heißt es im Antrag der FDP-Fraktion. Kollege Büttner, dem ist natürlich zuzustimmen, wenngleich das im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass Unterricht schon dann gut ist, wenn er stattfindet.
Aber klar ist auch: Der beste Unterricht nützt nichts, wenn er ausfällt. Fakt ist: Er fällt aus, er fällt viel zu oft aus, und der Ausfall ist so hoch wie nie zuvor.
Um diesbezüglich nur einige Zahlen zu nennen - Herr Büttner hat dies bereits getan -: 10 % des Unterrichts finden nicht planmäßig statt. Aber mit den Prozenten ist das immer so eine Sache. Insofern: Diese 10 % bedeuten im Land - um das einmal klarzumachen - 445 000 Unterrichtsstunden im Jahr, die vertreten werden müssten. Das ist praktisch jede zehnte Unterrichtsstunde an unseren Schulen.
Damit bleibt an unseren Schulen für unsere Schüler der Aushang des Vertretungsplans jeden Tag die erste Anlaufstelle in der Schule. Viel zu oft müssen sie dann dort lesen, dass Mathe, Englisch oder Deutsch nicht wie geplant stattfinden kann oder dass der Unterricht ganz ausfallen muss. Das bedeutet nichts anderes, als dass bei uns Bildung auf der Strecke bleibt.
Diese Situation ist nicht nur ärgerlich, sondern geradezu besorgniserregend für Schüler, Eltern und Lehrer sowie für das gesamte Land Brandenburg. Die Gründe dafür sind ebenso vielfältig wie bekannt - Herr Büttner hat sie bereits angeführt -: hoher Krankenstand und schulorganisatorische Belange auf der einen Seite sowie eine zu niedrige Vertretungsreserve auf der anderen Seite.
Die Verantwortung dafür liegt natürlich nicht bei den Schulen oder bei den Lehrern, sondern hier im Landtag. Sie liegt bei Ihnen, bei der Landesregierung und bei den Kollegen der SPD und der Linken, die dieser Landesregierung immer wieder erlauben, sich derart aus der Verantwortung zu stehlen. Sie sind verantwortlich dafür, dass sich bei diesem Thema nichts tut. Ich prophezeie Ihnen: Sie werden von all den Eltern, Lehrern und Schülern, die sich immer wieder bei uns beschweren und ständig protestieren, die Quittung für Ihr Wegducken und Stillhalten präsentiert bekommen.
Meine Damen und Herren, die CDU nimmt die Betroffenen ernst. Wir sind über den hohen Ausfall besorgt; denn unsere Schüler haben ein Anrecht darauf, dass Wissen durch den Lehrer vermittelt wird, dass Unterricht stattfindet und dass die Lernbedingungen einen guten und fachgerechten Unterricht zulassen. Deshalb, Frau Theiss, widerspreche ich Ihnen entschieden. Sie haben gesagt, die Zusammenlegung von Klassen sei ein ganz tolles Mittel, um Unterrichtsausfall zu verhindern.
Ich sage ausdrücklich: Damit sind Sie auf einem vollkommen falschen Weg. Wenn Sie hier von einer Milchmädchenrechnung
gesprochen haben, sage ich Ihnen: Was Sie präsentieren, ist die Milchmädchenrechnung. Denn das Problem ist einfach, dass in dem Moment, wo Sie Klassen zusammenlegen, nicht nur die 25 Schüler der Klasse darunter leiden, deren Lehrer krank ist, sondern es leiden auch die 25 Schüler darunter, die normalerweise allein bei diesem Lehrer Unterricht hätten. Denn mit 50 Schülern - das wissen Sie selbst - ist kein vernünftiger Unterricht zu machen.
Deshalb ist es einfach nicht redlich, dass Sie sich damit für Ihre Vertretungsstatistik feiern lassen.
Es kann auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, Förder- und Teilungsunterricht ausfallen zu lassen, weil damit die individuelle Förderung untergeht. Es ist auch klar, dass Stillbeschäftigung nicht das Richtige ist. Das alles hat Herr Büttner gesagt. Da dies in diesem Hause schon so oft angesprochen wurde, glaube ich, Sie haben es eigentlich verstanden, Sie können und wollen es nur nicht ändern. Deshalb will ich es dabei auch belassen.
Wir begrüßen den Antrag der FDP, mit dem hier das gemeinsame Anliegen der Oppositionsfraktionen vertreten wird und mit dem ihm Nachdruck verliehen werden soll. Ich persönlich hätte mir in dem Antrag auch noch den Punkt eines echten Personalkostenbudgets gewünscht, und zwar eines zusätzlichen, nicht so, wie Sie es hier machen, wo Sie das, was Sie den Schulen an Mitteln zur Verfügung stellen, automatisch bei der Vertretungsreserve wieder wegnehmen.
Ich möchte auch darauf verweisen, dass es eigentlich ein solches Konzept bereits gibt. Es nennt sich „Verlässliche Schule“. Es wurde damals auf den Weg gebracht, auch der Landesrechnungshof hat bereits darauf hingewiesen. Auch wenn es dieses Konzept bereits gibt, ist der Antrag nicht umsonst. Denn mit diesem Konzept verhält es sich genauso wie mit dem Unterricht. Das beste Konzept nützt einfach nichts, wenn es nicht umgesetzt wird. Deshalb steht die Opposition hier gemeinsam für den Kampf gegen den Unterrichtsausfall.
Ihnen würde es auch ganz guttun, wenn Sie endlich einmal aus Ihrem Dornröschenschlaf aufwachten, Ihre Verweigerungshaltung ablegten und endlich das machen würden, wofür die Menschen in diesem Land immer wieder demonstrieren, nämlich dafür zu sorgen, dass es nicht nur eine Schulpflicht gibt, sondern dass das Land zu seiner Pflicht, Unterricht sicherzustellen, endlich nachkommt.
Das war doch wirklich Klassenkampfrhetorik. Sehr geehrter Herr Kollege Büttner, Unterricht ist nur gut, wenn er stattfindet, ist Ihre These. Ich setze denn doch einmal dagegen - Kollege Hoffmann hat schon darauf angespielt -: Es gibt auch Unterricht, der besser nicht stattgefunden hätte.
Es gibt Unterricht, der Kinder beschämt, es gibt Unterricht, der Kinder nicht fördert, es gibt Bulimie-Lernen, es gibt leider in unserem Schulalltag auch dies. Es muss uns doch wirklich um etwas anderes gehen. Es muss uns um den Ausfall von Lernen gehen. Das habe ich im Ausschuss schon einmal zu erklären versucht.
Wir haben in diesem Land schon die ausgefeilteste Unterrichtsausfallstatistik. Sie ist uns damals auf Betreiben der CDU - das geschah auch sehr kontinuierlich - aufgedrückt worden. Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleiter haben einen großen Verwaltungsaufwand zu betreiben, um das zu erfassen. Aber bewegt hat sich seit 14 Jahren gar nichts. Es schwankt immer zwischen 1,4 und 1,9. Wir können also die Statistiken noch ausgefeilter machen, es wird wohl so bleiben. Es muss um den Ausfall von Lernen gehen.
Ihr Antrag, sehr geehrter Herr Kollege Büttner, bezieht sich auf eine Schule, die wir eigentlich überwinden sollten. Jetzt meine ich nicht Schulformen. Schütteln Sie nicht schon den Kopf und denken Sie nicht wieder, ich mache hier Klassenkampf. Ich rede hier gar nicht von Gemeinschaftsschulen, sondern von Unterricht. Ich rede von dem, was in der Schule stattfindet, von diesem 45-Minuten-Takt, von dem, was da wirklich an Lernen stattfindet. Wo lernen Schüler wirklich? Erinnern Sie sich einfach einmal an Ihre Ausfallstunden. Vielleicht haben Sie sich in diesen am meisten anstrengen müssen, weil Sie dort noch einmal über das reden mussten, was Sie gerade im Unterricht gelernt hatten.
Ich komme trotzdem jetzt ganz ernsthaft zu Ihren Forderungen. Da ist die Forderung Nummer 1: eine angemessene personelle Ausstattung der Schulen. Herr Büttner, nehmen Sie es jetzt zur Kenntnis - Sie haben es auch noch einmal schriftlich vom Ministerium bekommen, ich habe mich darüber sehr gefreut -: Wir haben 260 Lehrerinnen und Lehrer, leider nur befristet, aber dennoch für langzeiterkrankte Lehrerinnen und Lehrer eingestellt.
Die zweite Forderung: Erhöhung der Vertretungsreserve. Ich sage es jetzt noch einmal: Wir können Sie auf 10 und auf 20 % aufstocken, es würde trotzdem in akuten Zeiten an kleinen Schulen Unterricht ausfallen, weil uns Vertretungsreserve, geblockt an eine Lehrerin mit 28 Unterrichtsstunden, überhaupt nichts nützt, denn sie ist gar nicht einsetzbar.
Dritte Forderung: Einführung eines Gesundheitsmanagements. Da bin ich bei Ihnen und meine auch, dass wir das machen müssen. Wir haben es bisher nicht machen müssen, Herr Büttner, weil wir bisher noch - und das dauert auch noch einige Jahre - Lehrerinnen und Lehrer unter Stirnrunzeln des Finanzministers mit komfortablen Altersteilzeitmodellen herauskaufen. Lehrerinnen und Lehrer haben die Chance, mit 58 oder mit 60 Jahren aus dem System zu gehen, in der Zeit, wo sie anfälliger und burnout-problemmäßig belastet sind. Wir ermöglichen ihnen das. Wenn die letzten Altersteilzeitmenschen herausgegangen sind, müssen wir - das müssen wir jetzt vorbereiten und
das billige ich Ihnen als richtig zu - ein Gesundheitsmanagement für die Lehrkräfte, die im System sind, machen.
Weiterbildung ja, aber wollen Sie bitte den Lehrerinnen und Lehrern, deren Krankheit Sie beklagen, jetzt auch noch aufdrücken, sich am Wochenende und außerhalb der Schularbeitszeit weiterzubilden? Dann haben wir die nächsten Kranken. Das alles ist nicht schwarz oder weiß und nicht so einfach. Wir müssen es Lehrerinnen und Lehrern, von denen wir erwarten, dass sie sich auf eine ganz andere Pädagogik einstellen, ermöglichen, dass sie dies ab und zu innerhalb der Unterrichtszeit vollbringen.