Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Sie rechnen im Schreiben, das am Tag vor der Aufsichtsratssitzung noch abgefertigt, verfasst und verschickt wurde, vor, dass 0,49 null seien und dass deswegen ein Überflug oder ein Durchbrechen der Schallgrenze jeden zweiten Tag eigentlich keine

Durchbrechung sei. Mit der gleichen Rechnung könnten Sie auch begründen, warum Sie sechsmal am Tag die Grenze von 55 Dezibel reißen können, denn zwölfmal null ist auch null.

(Zuruf von der CDU - Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Der Kollege Schulze hat eben einen freundlichen Hinweis gegeben. Ich bin gespannt, ob die Strafverfolgungsbehörden diesen Hinweis aufnehmen werden. Manchmal lesen sie sogar Zeitung, gelegentlich auch Protokolle des Landtages.

(Zuruf: Immer! - Beifall der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

- Das lässt hoffen. In Kurzform, Herr Justizminister: Täuschung, Irrtum, Vermögensschaden - Tatbestandsmerkmale eines ganz bestimmten Paragraphen. Die Täuschung ist klar. Den Menschen ist gesagt worden: Das ist der Lärmschutz, der euch zusteht. Der Irrtum: Sie haben das geglaubt. Der Vermögensschaden: Es gibt durchaus den einen oder anderen, der es unterschrieben hat. Im Übrigen ist auch der Versuch strafbar.

Meine Damen und Herren, im Klartext: Mit uns wird es diese Politik nicht geben. Mit uns wird es kein Geld für den Flughafen geben, wenn nicht der Lärmschutz nach den Festlegungen des Planfeststellungsbeschlusses in der unmissverständlichen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts umgesetzt wird.

Wir setzen ferner voraus, dass auch die Hauptsachen insoweit erledigt werden. Wir erwarten, dass Landesregierung und Flughafengesellschaft die dazu notwendigen Schritte unternehmen.

Das, was ich soeben gesagt habe, gilt auch für die Frage, ob man für die berühmte Brückenfinanzierung eine Bürgschaft oder eine Patronatserklärung ausstellen sollte. Wenn der Flughafen 2 Milliarden Euro kosten sollte, die Kosten aber mittlerweile bei 4,5 Milliarden Euro angekommen sind und die Fertigstellung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, dann kann es nicht sein, dass wir der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat auch noch Entlastung erteilen. Ich würde doch mal sehen wollen, ob ein Referatsleiter im Finanzministerium in der Lage ist, seinem Minister für diese Leistung im Aufsichtsrat auch noch Entlastung zu erteilen.

Wir fordern im Übrigen eine Fortschreibung der Kosten- und Finanzierungsplanung, die 2008 dem Finanzausschuss - jedenfalls einigen seiner Mitglieder - vorlag, als die Ausweitung der Bürgschaft beschlossen wurde. Wir wollen sehen, wo denn die Finanzierung für die Erweiterung des Terminals hergekommen ist. Das sind spannende Fragen. Schließlich verlangen wir fortlaufend und zeitnah Informationen, nicht aber die Streusandbüchse an Informationen aus irgendwelchen geheimen Kaffeekränzchen. Ohne Eröffnungsdesaster wüssten wir bis heute nichts von den Mehrkosten.

Am 10. Mai, zwei Tage nach der Bekanntgabe, dass der Termin der Eröffnung geplatzt sei, fand eine Sitzung des Finanzausschusses statt. Kollege Vogel fragte damals den Finanzminister, wie es denn mit den Mehrkosten ausschaue; damals war der Betrag von 350 Millionen Euro gehandelt worden. Herr Markov erklärte, er wisse nichts von 350 Millionen Euro und könne sich auch nicht erklären, wie eine solche Zahl zustande komme. Er bekundete - ich zitiere wörtlich aus dem Protokoll -:

„Über die zusätzlichen Leistungen, die die Geschäftsführung im Zuge des Baufortschritts habe anordnen müssen, sei der Aufsichtsrat immer informiert worden, auch über die eingeplanten finanziellen Aufwendungen dafür.“

Nach dem Desaster hörten wir eine Regierungserklärung. Auf einmal beliefen sich die Kosten des Terminals auf 1,22 Milliarden Euro; 14 Tage vorher waren es noch nicht einmal 350 Millionen Euro.

Im Juni gab es eine Pressekonferenz. Auf dieser wurden 1,17 Milliarden Euro genannt, versehen mit dem bemerkenswerten Zusatz: „mehr gegenüber den bisher bekannten Kosten“. Man hatte also die Mehrkosten des Terminals flugs in die bisher bekannten Kosten hineintransferiert, sodass die tatsächlichen Mehrkosten, die man offenbaren musste, nur bei 1,17 Milliarden Euro lagen. 4,5 minus 2 sind 2,5, keinen müden Euro weniger.

Dann kam die Antwort auf unsere - angeblich „unpatriotische“ Anfrage. Die Legendenbildung wird übrigens bis heute fortgesetzt, zuletzt durch Herrn Gatzer, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, der SPD zugehörig und Mittäter im Aufsichtsrat. Er führte die Hälfte der Mehrkosten auf den Lärmschutz zurück. Wenn man die Mehrkosten nur mit 1,2 Milliarden Euro beziffert, ist das so. Dann gilt aber auch das zu beachten, was Kollege Vogel gestern gesagt hat: Diese Kosten hätten in dem Finanzierungsplan - lange bekannt durch den Planfeststellungsprozess! - eingeplant werden müssen. Dies hat man sträflicherweise unterlassen.

Wie wird es weitergehen? Zur Kasse gebeten werden die Gesellschafter, niemand sonst. Ob eine Eigenkapitalzufuhr oder ein Gesellschafterdarlehen gewährt wird, ist wurscht. Es ist Steuergeld, das aus den Haushalten der Beteiligten kommt.

Die Brückenfinanzierung ist eine Chimäre. Dabei kann es nur darum gehen, Geld zu beschaffen bis zu dem Zeitpunkt, wo die Haushalte wieder leistungsfähig sind. Brandenburg hat für 2013/2014 252 Millionen Euro und im Übrigen - durch Haushaltsvermerk - eine uneingeschränkte Rücklagenentnahme vorgesehen. Wer glaubt, dass das mit unserer Verfassung in Einklang zu bringen sei, irrt. Mit uns wird das nicht funktionieren.

Bis zum Jahresende leben Sie alle von der Hoffnung, dass das Geld bei der Flughafengesellschaft nicht so schnell wegfließen werde, dass am 31. Dezember nichts mehr da ist, sodass Sie dann auf den Haushalt 2013/2014 zugreifen können. Der liebe Gott erhalte Ihnen Ihren Glauben. Die anderen, Bund und Berlin, sind vorsichtiger und bereiten einen Nachtragshaushalt vor. Ich garantiere Ihnen: Den werden auch wir 2013 oder 2014 in jedem Fall bekommen. Denn das, was Sie bereitgestellt haben, hat noch keine Relation zum tatsächlichen Finanzierungsbedarf.

Bei der Brückenfinanzierung und der dafür notwendigen Bürgschaft oder Patronatserklärung - es kommt ja nur eine harte Patronatserklärung infrage - geht übrigens nichts ohne Brüssel, und das dauert mindestens bis März oder April nächsten Jahres.

Was kostet der Flughafen das Land? Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand - das muss man immer dazusagen - geht die Landesregierung von 435 Milliarden Euro aus.

(Minister Dr. Markov: Millionen!)

- Ja, Millionen. Es ist doch schön, dass Sie aufpassen, Herr Finanzminister. Das ist auch angemessen.

Wahrscheinlich sind es eher 600 bis 700 Millionen Euro. Per anno kostet uns das 18 bis 20 Millionen Euro Zinsaufwand bzw. Verlust an Zinseinnahmen. Meine Damen und Herren, diese Zahl wird Ihnen in den Haushaltsberatungen - das kann ich Ihnen garantieren - noch des Öfteren begegnen.

Der Bau überschreitet alle Kostengrenzen. Der Bau überschreitet alle Termingrenzen. Die Leute werden beim Lärmschutz betrogen. Das Fazit ist einfach: Sie können es nicht. Sie haben Brandenburg in erheblichem Umfang Schaden zugefügt. Sie können sicher sein: Dafür werden Sie geradestehen müssen. Schönen Dank.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Gregor-Ness spricht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten unter diesem Tagesordnungspunkt über sieben Anträge zu unserem Flughafen. In der vergangenen Woche fand dazu eine Sondersitzung des Plenums statt. Wir hatten auch eine Hauptausschusssitzung und eine Sitzung des Fachausschusses für Infrastruktur. Auch in der gestrigen Haushaltsdebatte war der BER Dreh- und Angelpunkt.

(Beifall der Abgeordneten Bischoff und Frau Melior [SPD])

All das, was wir heute hören, ist nichts Neues. Ich frage mich: Was soll es? Können wir nicht konstruktiv arbeiten? Können wir uns nicht in den Fachausschüssen mit den Themen, die auf der Tagesordnung stehen und die aktuell schon bewertbar sind, befassen, anstatt ins Blaue hinein zu spekulieren?

Herr Burkardt, ich gehe davon aus, dass Sie den Antrag, den Sie hier gestellt haben, gleichlautend sowohl in Berlin als auch auf Bundesebene stellen werden; denn die zu bewältigenden Aufgaben sind für jeden Gesellschafter und jeden Aufsichtsrat gleich.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Zu den Lärmpegeln: Das Bundesverwaltungsgericht stellte in seinem Urteil eindeutig fest, dass das Taglärmkonzept auf einer Kombination aus Dauerschall- und Maximalpegelfestlegung beruht. Der Dauerschallpegel steht als Schutzkriterium im Vordergrund, während dem Maximalpegel lediglich eine Ergänzungsfunktion zukommt. Die Festlegung des Maximalpegels hat somit ausschließlich die Aufgabe, Kommunikationsstörungen zu verhindern, sodass eine Zahl sehr hoher Maximalpegel auch bei Einhaltung eines Dauerschallpegels innen auftreten kann. Jetzt stellt sich die Frage: Wie ist das Ganze zu interpretieren?

Es wird immer die Behauptung in den Raum gestellt, der Flughafen habe mit Absicht betrogen.

(Schulze [fraktionslos]: Na sicher!)

Das ist mitnichten so. Der Flughafen hatte ursprünglich vergleichbare Festlegungen in anderen Planfeststellungsbeschlüssen herangezogen und an der Auslegung gearbeitet. Genau die gleiche Auslegung - mit 6 Mal Überschreitungen - gibt es in München.

Wir haben uns revidiert. Wir erkennen an, dass die Belastung für die Betroffenen extrem hoch ist.

Deshalb haben wir mit dem Schreiben, das aus dem Ministerium herausgegangen und vom Flughafen akzeptiert worden ist, die neue Festlegung getroffen, es dürfe nur 0,49 Mal sein. Maximalpegel sind nicht vermeidbar, es sei denn, wir fliegen nicht an diesem Flughafen, und ich sage klipp und klar zu dem Antrag zum Nachtflug: Ich werde ihm nicht zustimmen.

Zum anderen erwarte ich, wenn Anträge gestellt werden, wenn es zwischenzeitlich Beratungen und Gespräche und eine Aufsichtsratssitzung gegeben hat, die einen Großteil all dieser Forderungen, die hier gestellt werden, bereits aufgegriffen und erfüllt hat - mit hohen Kraftanstrengungen unserer Vertreter im Aufsichtsrat wohlgemerkt -, so etwas Schönes, wie es Frau Reim neulich in unserer Fraktion genannt hat: Ich erwarte eine Anstrengungsbereitschaft aller Antragsteller, ihre Anträge daraufhin zu überarbeiten.

Der CDU kann ich diesen Vorwurf nicht machen. Sie haben reagiert und einen Neudruck veranlasst. Aber Christoph Schulze beharrt auf seinen Anträgen und erwartet, dass wir sie überweisen, obwohl sie bereits in großen Teilen erfüllt sind, auch zu den Forderungen, die zum Beispiel bezüglich eines Lärmschutzzentrums aufgemacht werden. Selbstverständlich ist das Ministerium längst aktiv.

Wir haben im Jahr 2012 40 000 Euro zur Finanzierung eines Lärmschutzfachmannes für die Bürgerberatung bereitgestellt. Darüber hinaus hat der Landkreis Teltow-Fläming einen Fördermittelbescheid über 230 000 Euro erhalten. Ich bitte Sie! Wir tun, was wir können. Aber wir können eines nicht: Wir werden diesen Flughafen nicht ohne Verkehr betreiben können.

(Beifall SPD)

Vor diesem Hintergrund bitte ich endlich um Redlichkeit in der Debatte und darum, dass in den Fachausschüssen, da, wo es hingehört, ordentlich debattiert und nicht hier die große Bühne genutzt wird, um eine Riesenshow zu veranstalten, die niemandem nützt und nichts weiterbringt.

(Beifall SPD, DIE LINKE und Landesregierung)

Der Abgeordnete Beyer spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mir nicht ganz sicher und weiß nicht genau, wem dieses Zitat zugesprochen wird, aber Sie alle kennen es: „Nichts ist gefährlicher als eine Idee, wenn man nur die eine hat.“ Heute habe ich verstanden, was uns dieses Zitat sagen will: wenn man am Schluss nur noch eine Idee hat, die immer wieder aufgewärmt wird, obwohl dieses Haus zu fast allen Dingen schon x-mal Beschlüsse

gefasst hat. Lieber Kollege Schulze, ich bin stolz, in dieser Demokratie zu leben. Es ist vielleicht nicht das beste aller denkbaren Systeme, das mag sein; aber es ist das beste aller machbaren Systeme, und es gehört am Schluss dazu, dass man

(Beifall FDP, SPD und DIE LINKE)

anerkennt, dass wir per Mehrheit entscheiden. Es gehört auch zu dem eigenen Frieden, den man mit sich selbst schließen muss, und es geht mir wie allen anderen Kollegen in diesem Hause, dass man am Schluss, wenn man eine Meinung vertreten hat, die nicht mehrheitsfähig ist, den Frieden mit sich selbst finden muss, weil man damit weiterleben muss. Es hat am Schluss die Mehrheit entschieden.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage ganz ehrlich: Ich war eben zum ersten Mal versucht, auf einen Redebeitrag zu verzichten. Ich weiß gar nicht, ob das nach Geschäftsordnung überhaupt geht.