Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Die poetische Leistung von Herrn Goetz ist jetzt schwer zu toppen, aber es geht weiter mit Herrn Kollegen Scharfenberg, der eigentlich sehr gut singen kann. Mal gucken!

(Allgemeine Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das wollte ich auch sagen: Das ist kaum zu toppen.

Herr Lakenmacher, wenn man Ihnen zuhört, könnte man auf die Idee kommen, dass 99 % der Einsätze schieflaufen. Aber Sie wissen genau wie ich, dass weit über 99 % der Einsätze erfolgreich verlaufen. Das, was Sie hier vorschlagen, ist ein ungeeignetes Mittel. Insofern schließe ich mich vollinhaltlich den Worten des verdienten Feuerwehrmanns Werner-Siegwart Schippel an, was nicht immer der Fall ist.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich wünsche Ihnen ein frohes und erholsames Weihnachtsfest und hoffe, dass wir uns auch im nächsten Jahr gut vertragen. Danke schön.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Scharfenberg. - Wir kommen zum Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, bis Weihnachten ist noch ein ganz klein wenig hin, und wir haben hier immer noch eine laufende Sitzung des Landtages Brandenburg. Bei allem Verständnis und allem Amüsement über liberale Dichterfürsten möchte ich gerne zu diesem Antrag sprechen.

Auf der Grundlage des am 24. Mai 2004 beschlossenen Brandenburgischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes wurden die vorher bestehenden 17 integrierten Leitstellen zu fünf Regionalleitstellen zusammengefasst. Diese integrierten Regionalleitstellen wickeln alle Einsätze auf dem Gebiet der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr - Brandschutz, Katastrophenschutz und Rettungsdienst - ab. Die Leitstellenbereiche Lausitz, Oderland, Nordost, Mittelmark und Nordwest wurden in Cottbus, Frankfurt (Oder), Eberswalde, Brandenburg an der Havel und Potsdam angesiedelt und dort an die bestehenden Berufsfeuerwehren angegliedert, um im Großschadens- und Katastrophenfall sofort Zugriff auf weitere geschulte Kräfte zu haben.

Die Regionalleitstellen nahmen in mehreren Ausbaustufen im Laufe des Jahres 2010 ihren vollen Betrieb auf. Die Regionalleitstelle Nordwest ist am 15.12.2010, also vor zwei Jahren, letztlich vollständig betriebsbereit gewesen. Damit waren die Umstrukturierungen in diesem Prozess aber keineswegs abgeschlossen.

In der Antwort auf die Kleine Anfrage der CDU-Fraktion zur mangelhaften Koordinierung von Rettungseinsätzen wird ja auf viele, zum Teil noch laufende Maßnahmen hingewiesen: auf das Projekt Harmonisierung der Rettungsleitstellen zur Bearbeitung von Schnittstellenproblemen, den Aufbau von Qualitätsmanagementsystemen in allen fünf Regionalstellen mit Vergabe eines Audits, die Schaffung einer Arbeitsgemeinschaft der Leitstellen mit Geschäftsstelle in Cottbus, die Schaffung eines Notfallplans bei Totalausfall einer Leitstelle mit Kompensation der Havarie durch zwei andere Leitstellen, die technische Vereinheitlichung der Standards aller Leitstellen, um einen solchen Ausfall kompensieren zu können, und die Implementierung eines einheitlichen Einsatzleitsystems.

Der Antrag der CDU-Fraktion fokussiert stark auf angeblich vielfache Fehleinsätze von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften. In der Tat hat es einige sehr spektakuläre und von der Presse stark beachtete Unfallereignisse mit Todesfolge gegeben, wie im August 2012 in der Prignitz. Aber auch aus der Uckermark sind ähnliche Klagen zu hören gewesen, und schon im September 2010 waren im Zusammenhang mit dem Aufbau der Rettungsleitstelle in Brandenburg an der Havel gehäuft Beschwerden im Raum Teltow-Fläming und Potsdam-Mittelmark zu verzeichnen.

In einem hochsensiblen Bereich wie dem Rettungswesen, wo es um Menschenleben geht, ist es oft schwierig, zwischen medial vermarkteten Pseudoskandalen und wirklichem menschlichem oder Systemversagen zu unterscheiden. Auch dürfte die Entscheidung, ob es sich um Fehl- oder Nichtfahrten oder um Fehlalarme böswilliger Art oder um solche in gutem Glauben handelt, statistisch ausgesprochen schwierig zu erfassen sein, zumal verschiedene Akteure der Gefahrenabwehr involviert sind und Zuständigkeiten teils beim Land, teils bei den Kommunen liegen.

Trotzdem kann die in der Kleinen Anfrage mit der Regelmäßigkeit einer tibetanischen Gebetsmühle zu vernehmende Aussage, der Landesregierung lägen dazu keine statistischen Angaben vor, wirklich nicht befriedigen.

(Vereinzelt Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Im Fall des Rettungsdienstes muss jedem Einsatz mit schwerwiegenden Folgen und nicht optimalem Einsatzverlauf größte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Im Sinne einer konstruktiven Fehlerkultur müssen vermeidbare und behebbare Ursachen analysiert und herausgearbeitet werden, auch wenn sich oft herausstellt, dass der unglückliche Ausgang des Notfalleinsatzes leider unvermeidbar war.

An dem Antrag in der vorliegenden Form missfällt mir die strikte Fokussierung allein auf Verkehrsunfälle. In einer alternden Bevölkerung nehmen nichttraumatische Notfälle einen zunehmenden, viel größeren Raum ein. Auch dabei ist interdisziplinäres Vorgehen entscheidend, zum Beispiel beim Aufbrechen von Wohnungen, Suiziden, schweren Bewusstseinsstörungen oder im Fall von Bergungs- und Tragehilfen.

Der Intention des Antrags, dass die Rettungskette gerade jetzt nach Abschluss der Umstrukturierung, Implementierung eines Qualitätsmanagements und Vernetzung der fünf Leitstellen

ihre Arbeit einmal unter die Lupe nehmen lässt und einen Bericht vorlegt, können wir aber durchaus folgen.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Wir kommen nun zum Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Woidke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider kann ich nicht mit gereimten Versen dienen.

(Oh! bei der SPD)

Aber, Herr Lakenmacher, Ihr Antrag - gerade vor dem Hintergrund der beantworteten Kleinen Anfrage - ist die Steigerungsform von flüssig, nämlich überflüssig.

(Heiterkeit bei der SPD)

Überflüssig deshalb, weil er auf falschen Voraussetzungen aufbaut, überflüssig, weil die von Ihnen geforderten Maßnahmen schlichtweg nicht erforderlich sind, und letztlich auch überflüssig, weil wir alles, was dazu zu sagen ist, bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage sehr ausführlich dargestellt haben.

Sie haben bereits in der Kleinen Anfrage 2329 von mehrfachen falschen Alarmierungen und mangelnder Einsatzkoordinierung geschrieben. Im aktuellen Antrag der CDU kann man jetzt sogar von „vielfachen Fehl- und Nichtfahrten der Polizei, der Feuerwehr und der Rettungsdienste“ im Land lesen.

Diesen Vorwurf, Herr Lakenmacher, sehr verehrte Kollegen von der CDU, weise ich hier entschieden zurück. Mir ist schleierhaft, wie Sie zu dieser haltlosen Kritik kommen können, die letztlich impliziert - das ist das, was Sie geschrieben haben -, dass Einsätze in diesem Land unbearbeitet bleiben, dass Einsatzkräfte nicht in die Autos steigen und sich nicht dahin begeben, wo Leuten geholfen werden muss. Und Sie wissen sehr genau, dass Sie damit einen falschen Eindruck erwecken.

(Beifall SPD)

Sie diskreditieren die engagierte, sehr gute Arbeit in den Leitstellen im Lande Brandenburg. Und Sie diskreditieren - das ist noch viel schlimmer - die Arbeit der Einsatzkräfte der Polizei, der Feuerwehren und Rettungsdienste. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das haben diese Kollegen in keiner Art und Weise verdient.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ihre Vorwürfe haben sich auch nach Überprüfung als nicht haltbar herausgestellt. Herr Lakenmacher, vielleicht hören Sie jetzt wenigstens einmal zu, wenn Sie schon die Antwort auf die Kleine Anfrage nicht gelesen haben.

Abweichungen zwischen dem tatsächlichen und dem erfassten Einsatzort, die es in Einzelfällen gegeben hat - und so etwas wird immer wieder vorkommen -, resultieren in aller Regel aus

falschen oder mangelhaften Ortsangaben der Mitteilenden und nicht unbedingt aus Fehlern in den Leitstellen der Einsatzkräfte.

Die Mitarbeiter in den Leitstellen sind und werden speziell geschult. In den Erstgesprächen müssen möglichst konkrete Einsatzinformationen gewonnen werden. Ich bin Werner-Siegwart Schippel dankbar, der auf die fünf großen W‘s der Einsatzleitstellen eingegangen ist und das Ganze noch einmal dargestellt hat. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir es bei den dort Anrufenden mit Leuten zu tun haben, die sich in Ausnahmesituationen, die sich an Unfallorten oder in der Nähe eines Notfalls befinden und häufig nicht ortskundig sind. Das kann dann natürlich in der Tat zu falschen Angaben aufgrund der Aufgeregtheit oder der Ortsunkundigkeit führen. Wir können solche Fehlinformationen leider nie völlig ausschließen. Letztlich sind die Mitarbeiter in den Leitstellen darauf angewiesen, dass die Informationen möglichst konkret sind.

Die Maßnahmen, die die Landesregierung eingeleitet hat, sind in der Kleinen Anfrage sehr ausführlich dargestellt. Deswegen möchte ich hier davon absehen, das nochmals zu tun. Jeder, der möchte, kann es nachlesen. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses gerade jetzt - vor, während oder auch zwischen den Feiertagen - die Gelegenheit nutzen, sich in ihren Regionen vor Ort von der verantwortungsvollen und teilweise auch sehr schweren Arbeit der Mitarbeiter in den Leitstellen, aber auch von der schweren und verantwortungsvollen Tätigkeit der Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten in diesem Land zu überzeugen. Die Kolleginnen und Kollegen haben es verdient. - Ich wünsche Ihnen allen eine schöne Weihnachtszeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Woidke. - Herr Abgeordneter Lakenmacher hat noch einmal das Wort, zur letzten Rede in diesem Landtag im Jahr 2012.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Zunächst einmal zu Herrn Goetz: Vielen Dank für Ihre Wortakrobatik. Die nehme ich gleich zum Anlass, anlässlich des Jahreswechsels davor zu warnen, hier Pyrotechnik außerhalb des deutschen Einzelhandels zu kaufen.

(Beifall des Abgeordneten Goetz [FDP])

- Ja, Herr Goetz.

Ich finde es insgesamt, Herr Minister, sehr schade und bedauerlich, dass Sie nicht erkennen lassen, das Problem beherzt angehen zu wollen, und dass Sie Ihre Verantwortung nicht annehmen. Gerade das hätte ich mir bei diesem Ansinnen gewünscht, und ich glaube, das wünschen sich auch die Kameraden der Feuerwehr, die Mitarbeiter der Rettungsdienste und vor allen Dingen die Menschen im Land. Insofern schließe ich mich natürlich Ihren Wünschen zum Jahreswechsel an die Kameraden der Feuerwehr und die Mitarbeiter der Rettungsdienste an. Aber ich denke, diese hätten sich schon gewünscht, dass Sie die Probleme hier ernster nehmen.

Herr Schippel, mit dem Fingerzeug auf die Zuständigkeit der Kommunen und den Betrieb der Regionalleitstellen - das wussten wir alles auch vorher - ist heute leider nichts für die Optimierung im Unfallrettungssystem gewonnen worden; darauf hat Frau Nonnemacher dankenswerterweise auch hingewiesen. Und so schön all die hier von Ihnen mehrfach genannten und uns allen ja bekannten Bezeichnungen und existenten Projekte klingen und auch sind - das Projekt Harmonisierung der Regionalleitstellen oder das im Aufbau befindliche Qualitätsmanagementsystem, Herr Minister -: Das wussten wir alles. Aber Sie verstecken sich hinter all diesen Projekten mit dem Verweis auf andere Zuständigkeiten und packen das Problem nicht an; das finde ich schade.

Herr Scharfenberg, Sie haben ja gesagt: 99 % - 1 %. Da haben Sie doch den Knackpunkt getroffen: Wir wissen es nicht. Es wird nicht evaluiert. Das ist genau der Knackpunkt, Herr Scharfenberg.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Das habe ich nicht ge- sagt! Sie können ja nicht einmal zuhören!)

- Ja, doch, ich höre zu. Wir haben eben keine Antwort, wie viel es prozentual oder in absoluten Zahlen sind.

Die Ablehnung des Antrags heute bedeutet, dass wir es verpassen, einen ersten und richtigen Schritt in Richtung kurze Eintreffzeiten der Rettungskräfte und schnelle Hilfe - vor allem: schnelle medizinische Hilfe - für die Unfallopfer zu gehen. Sie verpassen es, die nötigen Schritte zu gehen, um hier die Fehlerquellen zu identifizieren. Ich würde alle bitten, das mit in die Abstimmung zu nehmen.

Zuletzt, meine Damen und Herren, möchte ich hier, am Ende der letzten Plenarsitzung im Jahr 2012, Ihnen allen und Ihren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest wünschen. Ich wünsche uns allen, dass wir uns hier gesund und munter im Jahr

2013 wiedersehen. Ich wünsche Ihnen auch eine sichere Heimfahrt.

Ich wiederhole es: Kaufen Sie nur Pyrotechnik aus dem deutschen Einzelhandel! - Vielen Dank.