Da trifft es sich gut, dass ich heute eine vierseitige Begründung der Staatskanzlei in meinem Büro vorgefunden habe, in der mir mitgeteilt wird, aus welchen Gründen mir Unterlagen erneut nicht zur Verfügung gestellt werden können.
Können wir das Lob für die Londoner Olympiaanlagen so interpretieren, dass nun auch unser Ministerpräsident alle Unterlagen uneingeschränkt ins Internet stellen will? - Ich glaube, das wird wohl so nicht kommen.
Nur durch solche Nicht-Informationen scheint es erklärlich, dass Herr Holzschuher noch vor einem halben Jahr meinte, am Flughafen müsse man nur noch Staub wischen, ansonsten sei er betriebsbereit.
Ich möchte jetzt jedoch nicht die bisherige Geheimniskrämerei überstrapazieren. Vielmehr sollten wir einfach das letzte Wochenende betrachten
sowie den Umgang mit der Information, dass der Eröffnungstermin des Flughafens erneut verschoben werden soll. Am 04.01.2013 ging demnach der Brief von Herrn Amann in der Staatskanzlei ein. Am 05.01.2013 lässt das Aufsichtsratsmit
glied Markov auf dem Neujahrsempfang der Falkenseer Linken allen Ernstes verlauten, gewisse Kreise würden zu Überreaktionen neigen und schon skandalisieren, wenn zum Eröffnungstermin die Toilettenbrillen nicht rechtzeitig montiert seien.
Hatte das Aufsichtsratsmitglied Markov von der seit dem 18.12.2012 im Raum stehenden und am 04.01.2013 übermittelten Verschiebung des Eröffnungstermins wirklich keine Ahnung oder machte er sich besseren Wissens lächerlich?
Ich frage mich: Wie steht es um das von Matthias Platzeck bereits am 21. Mai 2012 verkündete Gelöbnis einer verbesserten Steuerung und Kontrolle, wenn nicht einmal in seiner eigenen Regierung die Informationskanäle funktionieren?
Wieso sollen wir ihm glauben, dass er jetzt in der Lage ist, die Geschicke des Flughafens besser zu steuern als in der Vergangenheit? Monatelang haben wir Grüne gemeinsam mit der CDU ihn hier im Landtag gebeten, endlich den Weg für eine Neubesetzung des Aufsichtsrates mit Fachkompetenz freizumachen.
Monatelang haben wir uns anhören dürfen, dass diese im Aufsichtsrat gewährleistet sei. Wie diese Fachkompetenz aussieht, konnte mein Berliner Kollege Andreas Otto im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses im Mai 2012 von Wowereit erfahren. Auf die Frage, ob im Aufsichtsrat jemand dabei sei, der ein solches Projekt schon einmal begleitet habe, antwortete Wowereit, eine solche Person gebe es nicht, aber der Finanzminister aus Brandenburg, Markov, sei Elektriker, und der Kollege Platzeck habe auch eine ingenieurtechnische Ausbildung.
Es lässt tief blicken, dass die beiden von den Gesellschaftern Berlin und Brandenburg bislang in den Aufsichtsrat entsandten Nicht-Politiker, ein Gastronom und ein Vertreter der im Versenken von Millionen geübten Hausbank von Herrn Hilpert, die wiederum im Eigentum der im Versenken von Milliarden geübten bayerischen Landesbank steht, nun als Erste genannt werden, wenn es um die Benennung derjenigen geht, die ihre Plätze im Aufsichtsrat für Fachkompetenz räumen sollen.
Nach seiner heutigen Erklärung scheinen Markov und Christoffers weiter im Aufsichtsrat zu bleiben. Was allerdings inzwischen an Qualifikation bei unserem Ministerpräsidenten neu hinzugekommen sein soll, erschließt sich uns nicht. Wenn nun in einigen Medien seine Erfahrungen als Deichgraf während der Oder-Flut überstrapaziert werden, dann ist zu sagen: Damals war Platzeck ein hervorragender Umweltminister. Inzwischen ist jedoch viel Zeit ins Land gegangen, unter anderem auch die Jahre 2008 und 2009, als Platzeck als Mitglied des Verwaltungsrates der KfW einen Verlust in Höhe von 2,7 Milliarden Euro nach den Spekulationen der IKB mitverantworten durfte.
Dies sind weitere Erfahrungen, die gemeinsam mit seinem bisherigen Versagen im FBB-Aufsichtsrat Anlass genug sein müssten, endlich den Weg für Fachleute freizumachen.
Das Richtige wäre jetzt - so, wie es fast alle DAX- und M-DAXUnternehmen tun -, einen Nominierungsausschuss einzurichten - in Anlehnung an die in diesem Jahr in Kraft getretene Kapitaladäquanzrichtlinie der Europäischen Union -, der geeignete Kandidaten sucht. Dabei hätte dieser Ausschuss die Ausgewogenheit und Unterschiedlichkeit der Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen aller Mitglieder des jeweiligen Organs zu berücksichtigen und auf dieser Basis eine Stellenbeschreibung mit Bewerberprofil unter Angabe des mit der Aufgabe verbundenen Zeitaufwandes zu erstellen. Das wäre ein Anfang. Dies würde jedoch angesichts des benötigten Zeitumfangs, der für einen Aufsichtsratsvorsitzenden in der Fachliteratur mit zwei bis drei Tagen pro Woche angegeben wird, die Berufung eines Ministerpräsidenten an die Spitze des FBB-Aufsichtsrats ausschließen.
Während die Literatur eindringlich dazu rät, geeignete Persönlichkeiten - das schließt den Vorsitzenden mit ein - systematisch entlang formaler Kriterien und vor allem jenseits des eigenen Netzwerks zu suchen, ist zu befürchten, dass hier wieder einmal Nachbesetzungen auf einzelne Posten politisch ausgehandelt werden, anstatt einen Befreiungsschlag vorzunehmen.
An Herrn Büttner und all diejenigen gewandt, die hier erklären, dass man die Pferde nicht im Galopp wechseln darf: Die Kutsche steht seit sieben Monaten still, und sie wird auf unabsehbare Zeit weiter stillstehen.
Spätestens am Mittwoch werden wir nach der Aufsichtsratssitzung offiziell davon erfahren, dass der Murks so nicht abgenommen werden kann. Wir werden erfahren, dass erst einmal vertiefend geprüft werden muss, ob ein vollständiger Umbau auf den Genehmigungszustand unumgänglich ist. Daher wird auf absehbare Zeit weder eine zeitnahe Benennung eines neuen Inbetriebnahmetermins
noch eine Neubewertung der Projektkosten oder eine Schätzung der verschiebungsbedingten Mehrkosten möglich sein. Die Kutsche steht also still. Wann, wenn nicht jetzt, will man versuchen, einen funktionstüchtigen Aufsichtsrat und Vorstand einzusetzen?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, dass wir Bündnisgrünen seit Jahren in vielen Punkten massive Kritik an der Politik der Landesregierung üben
seien es das umweltpolitisch verheerende Festhalten an der Braunkohleverstromung in der Lausitz und damit drohende neue Tagebau oder seien es die auch durch die Flughafenkosten bedingten Rückstände bei einer adäquaten Finanzierung unserer Schulen und der Brandenburger Hochschullandschaft. In vielen dieser Politikfelder werden von der Regierung Entscheidungen getroffen, die wir als Schaden für unser Bundesland und zum Teil auch als bundes- und europaweit schädlich empfinden. Dennoch haben wir eine solche, in unseren Augen verfehlte Politik nie als Grund dafür genommen, einen Rücktritt des Ministerpräsidenten zu fordern.
Eine solche Politik müssen Politiker vor der Bevölkerung verantworten, die es dann bei Wahlen in der Hand haben, sie zu belohnen oder zu bestrafen.
Ich bin auch nicht der Auffassung, dass jeder Fehler im nachgeordneten Bereich den Rücktritt eines Ministers oder gar eines Ministerpräsidenten auslösen muss. Dann würde nämlich bald der Beamtenapparat allein sein, weil wir keine Politiker mehr hätten. Insofern sind wir auch ausgesprochen zurückhaltend mit Rücktrittsforderungen beispielsweise an einen Justizminister, wenn wieder einmal ein Straftäter entweicht, oder an einen Innenminister, wenn ein Polizeieinsatz aus dem Ruder läuft. Hier ist doch generell zu erwarten, dass sich Politiker andauernd und anhaltend um eine Besserung der Zustände bemühen.
Im Übrigen war ich als Zeitzeuge auch nicht der Auffassung, dass der seinerzeitige Innenminister Rudolf Seiters, dessen Vorgehen gern als Beispiel herangezogen wird, wegen der Vorgänge in Bad Kleinen hätte zurücktreten sollen.
Willy Brandt und die derzeit vielgenannte Guillaume-Affäre waren insofern ein Sonderfall, als nicht der Eindruck entstehen durfte, dass ein deutscher Bundeskanzler durch eine ausländische Macht erpressbar sein könnte. Deswegen war sein Rücktritt unvermeidlich.
Was macht man aber in den Fällen, wo Politiker mit einer realitätsfernen Auffassung von ihren Fähigkeiten bereits umfassenden Schaden für ihr Land, egal ob materiell oder ideell, hervorgerufen haben und sich anschicken, mit ihrem Kurs fortzufahren? Dabei scheint es geradezu ein Wesensmerkmal solcher Politiker zu sein, dass sie die Aufforderung zur Übernahme von Verantwortung immer nur als Aufforderung zum Verbleib in ihren derzeitigen Funktionen
oder gar zur Übernahme höherer Ämter verstehen. Wenn der Ministerpräsident heute die Vertrauensfrage stellt, dann wird er nicht allen Ernstes erwarten, dass die Opposition ihm das Vertrauen ausspricht. Aber Matthias Platzeck stellt nicht allein die Vertrauensfrage. Er verknüpft heute sein Verbleiben im Amt als Ministerpräsident dieses Landes damit, dass er mit Zustimmung des Landtags Aufsichtsratsvorsitzender der FBB werden darf. „Wenn ich nicht Aufsichtsratsvorsitzender werden darf, dann trete ich als Ministerpräsident zurück“, das ist der Anspruch, der heute zur Abstimmung gestellt wird. Er fordert Ver
trauen ein, ohne einen Zeithorizont oder einen finanziellen Rahmen abzustecken. Kurz, er fordert einen Blankoscheck. Damit ist aber das Nein nicht allein Pflichtaufgabe für die Opposition, sondern Notwendigkeit für jeden Abgeordneten hier im Hause.
Denn angesichts seiner bisherigen Fehlleistungen im Aufsichtsrat der FBB, angesichts all der finanziellen Folgelasten, die den politischen Handlungsspielraum dieses kleinen Landes Brandenburg für noch viele nachfolgende Regierungen einschränken werden, angesichts des weltweiten Rufschadens, für das auch sein Versagen als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats steht, kurz aufgrund all des Schadens, den sein Wirken im Aufsichtsrat für das Land Brandenburg schon hervorgerufen hat und weiter hervorbringen wird, ist diese Verknüpfung von Amt und Mandat Hybris, persönliche Verstiegenheit, ein von ihm ganz allein zu vertretender Beleg dafür, dass er als Ministerpräsident dieses Landes in der Tat nicht mehr geeignet ist.
Aber machen wir uns nichts vor: Genauso wie Klaus Wowereit keinen Zweifel am Ausgang des Misstrauensvotums hatte, wird auch Matthias Platzeck in wenigen Minuten bekunden, dass er keinen Zweifel hatte, dass die Koalition hinter ihm steht.
Er wird das Abstimmungsergebnis als Beweis dafür deuten, dass seine Mannen und Frauen seine Politik in puncto Nachtflug, reduzierter Lärmschutzauflagen und weiterer Folgelasten für den Flughafen mittragen, von Herrn Kosanke bis Frau Wehlan.